Wir werden unterstützt von:


The Headwinds - Handlung

Erste Seite  |  «  |  1  |  2  |  3  |  4  |  5  |  6  ...  16  |  »  |  Letzte [ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1002

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 08.09.2022 20:52

Nirah reagierte nicht auf seine Worte. Weder auf seinen als Witz formulierten Ablenkungsversuch noch auf ihren Namen. Zumindest nicht gleich. Als sie es jedoch tat, wäre es ihm fast lieber gewesen, wenn sie ihn weiterhin wortlos angestarrt hätte.

Sein Kopf schien ihn vor einer Gefahr warnen zu wollen, die er nicht sehen, nicht anerkennen wollte. Dennoch tätigte Notos einen weiteren vorsichtigen Schritt nach hinten, als die Heilerin leicht nach vorne trat, sich ihrer Aktionen allem Anschein nach überhaupt nicht bewusst. Zu einem weiteren Schritt kam der Weißhaarige nicht. Nicht, bleib stehen! Sofort hielt Notos inne, stocksteif, wie vom Donner gerührt. Als würde sich jede Faser seines Körpers dagegen wehren, diesen Befehl nicht zu befolgen. Aber diese Stimme. Diese Vehemenz. Diese Verzweiflung. War... war das gerade wirklich Nirah gewesen? Oder...

Etwas blitzte in den Augen der Heilerin auf. Für einen winzigen Moment registrierte er diesen Wandel mit Erleichterung. Schließlich schien sich seine Begleiterin endlich aus ihrem seltsamen Zustand gerissen zu haben. Dann jedoch richtete sie ihren Fokus geradewegs auf ihn. Notos schluckte befangen, rührte sich jedoch nicht von der Stelle, als Nirah auf ihn zuging. Energisch. Zielbewusst. Hatte er anfangs ihrem scharfen Blick noch standgehalten, so versuchte er seinen Kopf nun abzuwenden. Überall hinzuschauen, nur nicht auf die roten Haare und auf das Gesicht, welches sie wie Flammen umrahmten.

Doch die Heilerin gab ihm keine Chance. Sie kam ihm nahe, viel zu nahe, hob ihre Hand an. Aus purer Gewohnheit ließ er den Kopf etwas zwischen die Schultern sinken und hielt still, als müsse er sich vor etwas schützen. Doch die Rothaarige packte nur sein Kinn, zwang ihn somit dazu, nicht mehr seinen Blick abzuwenden und ihr direkt in die Augen zu schauen. Eine Geste, die unter anderen Umständen etwas sehr Vertrautes an sich haben könnte – wäre da nicht diese Härte und Verbissenheit, mit welcher sie vollführt wurde.

Notos hatte das Gefühl, dass sein Herz ein paar Takte aussetzte, dann wieder zu schnell zu schlagen begann und ins Stolpern geriet. Als könne es sich nicht entscheiden, ob er zum Kampf oder zur Flucht greifen sollte. Also wählte er keine der beiden Möglichkeiten, blieb stattdessen einfach angewurzelt auf der Stelle stehen, keine halbe Armlänge von seiner Begleiterin entfernt, und ließ alles wortlos geschehen. Wagte es dabei sogar, den Blickkontakt wieder aufzunehmen, beobachtete Nirah genaustens. Mit der Zeit übermannte ihn wieder ein Teil seiner Ruhe. Die Heilerin sah so aus... als wäre sie auf der Suche? Es fühlte sich mehr an wie eine Inspektion an als alles andere. Wenngleich sie ein ungewohntes Zielobjekt ausgesucht hatte. Ging.... Ging es um seine Augen? Weil er wieder sehen konnte? Aber weshalb dann gleich solch eine intensive Reaktion? Sie wirkte beinahe wie besessen.

In den Weißhaarigen kam erst wieder Leben, als sich der Druck auf seiner Haut verstärkte und sich in diese Fingernägel wie Krallen bohrten. Mit ernster Miene verzog er das Gesicht, griff nach ihrem Handgelenk, redete dabei bestimmt auf sie ein: „Nirah? Nirah!" Mit einem Mal kam die junge Frau wieder zu sich, ließ urplötzlich von ihm ab, doch immer noch sichtlich durch den Wind. Nach ihrer Entschuldigung runzelte er nur noch besorgter die Stirn – da schnappte sie sich bereits auch schon ihre Pfeile, drehte sich um und ging einfach.

Notos sah ihr aus allen Wolken gefallen nach. Wendete sich dann völlig perplex zu seinem Partner, welcher sich lautlos näher angeschlichen hatte und nun verwirrt den Kopf schief hielt. Er und Jasper tauschten einen verdatterten Blick, bevor er diesen voller Unverständnis wieder auf seine Begleiterin richtete. Was war gerade eben in sie gefahren? Sie wirkte sichtlich aufgebracht. Lass sie gehen, wisperte ihm eine leise, bekannte Stimme zu. Ja. Vielleicht war es keine schlechte Idee. Sie sah aus, als müsse sie erstmal in Ruhe ihre Gedanken ordnen. Es schien ihr ja wie unschwer erkennbar klar zu missfallen, dass er blaue Augen hatte. Oder... Wäre es besser, wenn er derjenige wäre, der Abstand zu ihr nimmt? Wieder ertönte die Stimme, diesmal mit mehr Nachdruck. Lass sie gehen. ...Nun, er wäre jetzt auf jeden Fall dazu in der Lage, von selbst zu verschwinden. Dass die Heilerin ihn nie sonderlich mochte, hatte sie ihm ja von Anfang an klar mitgeteilt. Aber der Blick, den sie ihm am Schluss zugeworfen hatte.... Es grenzte fast an pure Verabscheuung. Der Weißhaarige drehte sich langsam um, senkte erst im allerletzten Moment den Kopf. Wenn das ihre wahren Gefühle zu ihm waren.... dann würde er ihr die Last abnehmen, sich weiterhin in seiner Nähe aufzuhalten. Lass sie gehen. Ein schwermütiges Seufzen erklang. Ein kurzes Hadern. Und Notos setzte sich in Bewegung.

Die Lichtung wurde von Geräuschen von zwei paar Stiefeln, die auf erdigem Untergrund traten, erfüllt. Dann brach dieser Klang abrupt ab, bevor die Stille wieder von eiligen Schritten abgelöst wurde. „Nirah!", ertönte es atemlos. Dann etwas gefasster: „Was ist los?" Notos kam einen Tick zu hektisch atmend neben der rothaarigen Frau zum Stehen. Eine Hand fasste so bestimmt wie vorsichtig nach der Schulter der Heilerin. Eine beruhigend gemeinte Geste, ihm so vertraut, öfter vollbracht, als er zählen konnte. Und doch zog er seine Hand nach einer Weile sofort wieder weg, kaum dass ihm bewusst wurde, zu was er gerade eben angesetzt hatte. Als hätte er sich an der flammenden Aura wirklich verbrannt.

Stattdessen stellte er sich nun endgültig vor seine Begleiterin. Aufrichtige Sorge spiegelte sich neben Verwirrung in seiner Miene. „Du kannst nicht so etwas wie gerade eben machen und dann einfach kommentarlos verschwinden. Was ist passiert?" Beschwichtigende Worte. Er sah ihr direkt in die Augen – und seine gerade gesammelte Entschlossenheit verrauchte bei dem Anblick von Zwist in ihren Zügen. Vielleicht war das doch eine dämliche Idee gewesen...

Dieses Mal war es er, der sich entnervt die Nasenwurzel rieb: „Weiß du was? Vergiss es. Ich muss es nicht wissen." Die Augen geschlossen, griff er zu seinem Schwert, zog es abermals an diesem Tag aus der Scheide. Zeitgleich trat er jedoch noch einen Schritt nach hinten, wendete sich geradezu von Nirah ab. Die freie Hand lag für einen Moment knapp über der Klinge schwebend in der Luft. Kaum wahrnehmbar erklang ein dumpfer, vibrierender Ton, bevor Notos seine Hand wegnahm. An der Stelle, an welcher sich diese befunden hatte, hatte der Stahl eine tiefe, dunkelblaue Farbe angenommen. Beinahe Indigoblau. Die Farbe haftete geradezu an der Klinge, wie ein dünner Film aus Öl. Und ähnlich wie bei Öl zogen sich Schlieren durch die Schicht, Streifen aus sattem, dunklen Violett.

Notos krempelte seinen Ärmel hoch, hob die Waffe an, drückte die scharfe Klinge leicht in seine Haut – und vollführte eine einzige, ruckartige Bewegung. Ohne die Miene zu verziehen steckte er das Schwert wieder ein und drehte seinen Unterarm schließlich so zu der Heilerin, dass sie diesen gut sehen konnte. Aus einer kleinen Schnittwunde rann ein wenig Blut herab. Die Ränder der Verletzung wiesen einen klaren, dunkelvioletten Stich auf, welcher sich mit dem satten Rot des Blutes vermischte. Fast machte es den Eindruck, als würde diese Verfärbung leben, sich geradezu in das Innere der Wunde ziehen. Die Haut ringsum nahm langsam, aber sicher einen aschfahlen Ton an.

„Ich habe versprochen zu zeigen, wie meine Wunde entstanden ist. Damit habe ich das absolute Minimum unserer Vereinbarung erfüllt." Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren ungewohnt ernst und verspannt. Er gab jedoch sein Bestes, sich das aufkeimende Brennen an seinem Arm nicht anmerken zu lassen. Versuchte sich abzulenken, indem er eine Hand so stark zur Faust ballte, bis die Knöchel weiß hervortraten. Schließlich wusste er, dass es nur von kurzer Dauer war. Sein Körper konnte seine eigene Magie besser abbauen. Mehr mit nahm ihm da eher das großflächiger angelegte, schmerzhafte Pulsieren an seiner Seite. Den instinktiven Handgriff auf die ältere Wunde vertuschte er mit einer angedeuteten Verbeugung: „Danke für deine Hilfe. Sowohl für den gesamten Abend..." Der Ritter haderte nicht lange. Jetzt, da der Morgen angebrochen war und sie ihre Verletzung auf jeden Fall gut überstehen würde, hatte er keinen Grund, es länger hinauszuzögern. „Als auch natürlich während dem gestrigen Kampf."

Notos öffnete wieder die Augen, war erleichtert, dass er immer noch alles sehen konnte, und hob erneut den Blick an, wenngleich er die Rothaarige nicht direkt anzusehen wagte: „Aber damit wären wir wohl quitt. Ich finde mich ab jetzt wieder alleine zurecht und traue es dir voll und ganz zu, dass du die Fähigkeiten besitzt, selber wohlbehalten zu deinem Dorf zurückzukehren." Nun, letzteres vielleicht nicht ganz. Vermutlich würde er sicherheitshalber Jasper schicken, um auf sie aufzupassen. Ein kleiner Moment der Stille entstand, ehe der Weißhaarige einfach mit der Sprache rausrückte: „Ich könnte somit gehen, wenn dir das lieber wäre." Natürlich wäre es ihr lieber, was erwartest du?, wisperte wieder die spottende Stimme. Er ignorierte sie erneut. „Oder ich könnte fürs Erste wie geplant bleiben. Aber wenn ich das tun soll, dann rede mit mir, Nirah. Ich bin nicht bereit zu bleiben, wenn du solche Aktionen wie gerade eben vollführst oder mich unentwegt.... so ansieht." Er versuchte seine fehlenden Worte mit einer passenden Handbewegung zu ersetzen.

 

„Also? Wie entscheidest du dich?" Donnerschwinge meldet sich zum Dienst, stichelte die Stimme, sobald ihm selber klar wurde, was er von der Heilerin hören wollte: „Ich erwarte deine Anweisung."



Antworten Zuletzt bearbeitet am 09.09.2022 00:20.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Eventmanager

Neuling

Beiträge: 1006

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 09.09.2022 17:36

Ihre Füße trugen sie so schnell wie sie wagte zu laufen. Was leider deutlich zu langsam war. Trotzdem pochte ihr Bein bei jedem Schritt protestierend. Sie ignorierte es mit zusammengebissenen Zähnen genauso wie die Eingebung, dass sie sich damit keinen Gefallen tat. Sie könnte sich später um ihre Genesung kümmern. Für den Moment war es wichtiger, hier wegzukommen. Alleine sein. Ja, das half immer. Einen klaren Kopf bekommen. Danach könnte sie sich mit Notos auseinandersetzen, sich der Frage stellen, wie sie mit der neuen Erkenntnis umgehen sollte. 

Nirah hatte ihn nicht näher kommen hören. Eigentlich hatte sie gar nichts gehört, außer das Rauschen in ihren Ohren. Sie zuckte zusammen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und blieb abrupt stehen. Fass mich nicht an! Das wollte sie zumindest sagen, aber sie blieb einfach nur starr und brachte kein Wort heraus. Wieso lief er ihr hinterher? Konnte er nicht sehen, dass sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte? Und zwar so lange, bis sie wusste, was sie tun sollte. Du hast sowieso keine Wahl, flüsterte es leise. Warum so tun als ob?
Notos Gestalt schob sich vor sie. Oh doch, sie konnte sehr wohl kommentarlos verschwinden und ihn zurücklassen. Vergessen, dass sie ihn jemals getroffen hatte. Und niemals deine Ausbildung abschließen. Nein, sie musste zugeben, sie hatte noch nicht vor, ihn ganz loszuwerden. Nicht, bis sie einmal ausführlich darüber nachgedacht hatte. 

Diese schicksalsbehafteten Augen schienen sich geradewegs in ihr Innerstes zu brennen. Nirah wich ihnen aus. Wie sollte sie denn jemals erklären, was gerade in ihr vorging?
"Das ..." setzte sie an. ... geht dich gar nichts an. 
Sie kam nicht mehr dazu, es auszusprechen, denn Notos nahm ihr ausnahmsweise einmal die Antwort vorweg. Nirah machte zwei langsame Schritte zur Seite, versuchte ihn zu umrunden, um an ihm vorbeizukommen und ihre Flucht fortzusetzen. 

Sie hielt sofort wieder inne, als er selbst zurückging und sein Schwert zog. Nirah verkrampfte sich für eine Sekunde, darauf gefasst, er würde sie nun doch aus dem Nichts heraus angreifen. Aber er tat nichts dergleichen. Verständnislos beobachtete sie, wie er seine Hand über die Waffe hielt und sich eine blaue Schicht über die Stelle legte. Wie er die Klinge an seinen Arm hielt und ... Plötzlich wurde ihr klar, was er im Begriff war zu tun. "Nein, tu das ..." Nicht.
Zu spät.

Seine Tat riss Nirah aus ihrer verbissenen Verschwiegenheit. "Was in aller Welt, Notos?!" fuhr sie ihn an. "Wieso machst du so etwas?" 
Sie packte sein Handgelenk und zog seinen Arm zu sich, um die Schnittwunde betrachten zu können. Ließ ihn sofort wieder los. "Jetzt müssen wir das auch noch behandeln", murmelte sie und fing an, fahrig in ihrem Beutel zu kramen. Sie zog ein längliches Stück Stoff hervor, welches ausgefranste Ränder hatte und einmal Teil eines Kleidungsstückes gewesen war. Sie schenkte Notos einen düsteren Blick und drückte ihm den Fetzen in die Hand. Forderte ihn wortlos auf, es wenigstens vorerst zu verbinden.
Nur am Rande ihres Bewusstseins analysierte sie, was gerade geschehen war. Er hatte eindeutig Magie angewandt. Eine Art, die sie nicht einordnen konnte. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, auf welche Weise man so etwas bewerkstelligen sollte. Genau wie bei den Blitzen. Der Schnitt, der zurückblieb, sah ... unnatürlich aus. Es gab kein anderes Wort dafür. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie daraus eine Verletzung werden sollte wie die, die sie gestern an ihm gesehen hatte. Das hieß zwangsläufig, dass es andere gab, die dies beherrschten und ihn damit angegriffen hatten ...

Seinen Dank und alles was danach kam, überhörte sie beinahe. Wenn es nicht so endgültig geklungen hätte. Wieder einmal starrte Nirah ihn an. Was sollte diese lächerliche Verbeugung überhaupt?
Sie riss die Augen auf, als sie begriff, dass er sich gerade verabschiedete. Je länger er sprach, desto deutlicher kehrte die rastlose Unruhe zurück, die sie auch vorhin schon bei seinem Rückzug empfunden hatte. Würde er sich jeden Moment wegdrehen und sich in Luft auflösen?
Wie entscheidest du dich? Das war eine gute Frage. Nirah haderte mit sich. Sie holte tief Luft, setzte zum Sprechen an. Aber hatte keine Worte parat. Sie schwieg noch ein bisschen länger. Schließlich entschieden sich ihre Beine zum ersten Schritt zurück. Gleichzeitig entwickelte ihr Mundwerk ein Eigenleben und sie hielt sofort wieder an.
"Du darfst nicht weggehen. Auf gar keinen Fall. Hörst du? Ich muss nur ... nachdenken." Ihre Stimme hatte wieder den verzweifelten Unterton angenommen. 

Nirah wandte sich ab, sodass er nicht ihr Gesicht sehen konnte. Sie machte ein paar Schritte, immer noch mit dem starken Drang zu fliehen. Aber sie hielt sich zurück und lief nur unruhig auf und ab. Nachdenken. Jetzt. Sie brauchte eine Weile, bis sie es schaffte, sich zu einer Erklärung durchzuringen. Aber in ihr schwelte die Angst, dass Notos abhauen würde und ihr damit die Chance nahm, selbst zu entscheiden, ob sie ihn loshaben wollte oder nicht. Es widerstrebte ihr dennoch zutiefst. Doch andererseits hatte er ihr auch eine Information geliefert, obwohl sie noch nicht wusste, was sie damit anfangen sollte.

"Es hat mit meinem Initiationsritual zu tun." sprach sie vor sich hin, ohne Notos auch nur anzusehen. "Die Pfade der Wächter sind nicht so eindeutig, wie die der Krieger und Handwerker. Ich wusste damals nicht, was meine Vision bedeuten soll, aber ich habe dennoch den Namen Wolfsauge gewählt. Es war ein Wolf mit leuchtenden, eisblauen Augen." meinte sie, als würde das alles erklären. Sie machte eine kurze Pause. "Gestern hatte ich zum ersten Mal seit Jahren diese Vision, heute wieder ... und ... Ich dachte es geht nur um den Wolf, der mich gestern in deine Nähe gelockt hat. Sonst hätte ich dich nie gefunden. Ich wollte gar nicht so weit vom Dorf weggehen. Derselbe Wolf, weshalb ich gestern Nacht aus dem Lager gegangen bin. ... Aber jetzt ..." 
Sie lief weiterhin unentwegt im Kreis. Irgendwann blieb sie stehen, um Notos einen gequälten Blick zuzuwerfen. 

"Deine Augen. Sie haben die gleiche Farbe." flüsterte sie. "Exakt gleich. Verstehst du?" Dann nahm sie ihre Wanderung wieder auf. 


Möge das Chaos mit uns sein!
persönliches Chaosarchiv - klick
(=Schreibproben / öffentliche Rollenspiele / Ideensammlung)

Musik des Ordens - klick


Antworten Zuletzt bearbeitet am 09.09.2022 17:39.

Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1002

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 11.09.2022 01:43

Einmal Heilerin, immer Heilerin. Wenn Nirah etwas aus der Reserve locken konnte, dann wohl wirklich nur eine Aktion wie diese. Er schaffte es gerade mal, sein Schwert wegzustecken, da hatte seine Begleiterin auch schon seinen verwundeten Arm gepackt. Begutachtete ihn finster. Notos Miene blieb hingegen gleichgültig. Für seine Verhältnisse ungewohnt ernst. Auch wenn es ihn Mühe kostete, diese Haltung zu wahren, als seine Begleiterin ihm beinahe drohend einen provisorischen Verband reichte. Am liebsten hätte er ein amüsiertes, müdes Schnaufen von sich gegeben. Das war nur ein Kratzer. Zudem war es seine Verletzung, für die er sich selbst entschieden hatte, deren Preis er gerne gewillt war zu zahlen. Das war hier war gar nichts. Er hatte bereits deutlich schlimmeres hinter sich bringen müssen.

Notos erwiderte Nirahs strengen Blick. Sah runter auf den Stoffstreifen in seiner Hand. Dann wieder zur Heilerin. Und widersetzte sich ihrem klaren Befehl, so stumm er auch war. Stattdessen ruhte seine Aufmerksamkeit allein auf ihr. Beobachtete sie still dabei, wie sich mit sich haderte. Immer wieder zum Sprechen ansetzte. Schlussendlich aber davon abließ. Er musste ihre Aura nicht sehen, um zu wissen, wie unruhig sie war.

Ihre Worte, zu denen sie sich letzten Endes durchrang, machten es nicht besser. Notos runzelte skeptisch die Stirn. Hob eine Braue fragend in die Höhe. Er durfte also auf gar keinen Fall gehen? Das... war überraschend. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. Aber warum so verzweifelt? Der Weißhaarige schloss seine Augen, atmete tief durch. Also gut, sie wünschte sich, dass er blieb. Allerdings hatte er ihr Bedingungen gestellt, die mit dieser Entscheidung einhergehen würden. Sollte sie diese nicht erfüllen können... nun, dann war es wohl beiden klar, welche Wahl er treffen würde.

Doch er gab ihr Zeit. Mit verschränkten Armen verfolgte er Nirahs nervöses Umhertigern, presste dabei schweigen die Lippen aufeinander. Oh, sie würde es auf alle Fälle noch bereuen, ihren Fuß derartig zu belasten. Aber er verstand auch ihren inneren Drang, ihre Anspannung irgendwie abbauen zu wollen. Auch wenn diese Methode momentan sicherlich nicht richtig war. Allerdings würde der Rotschopf niemals auf ihn hören, von dem her sparte er sich die Mühe. Verfolgte nur ruhig und geduldig dieses ewige Spiel, gab ihr zumindest die Chance, ihre Sprache wiederzufinden. Für eine geraume Weile war das Einzige, was sich an ihrer Situation sichtbar änderte, der kleine, blutrote Rinnsal, der von seiner Wunde seinen Arm runtersickerte.

Dann rückte die Heilerin endlich mit der Sprache raus. Initiationsritual? Wieder fiel das Wort "Wächter". Moment. Sie hatte Visionen? Er dachte, sie war eine Heilerin. Auf den Zügen des Ritters erschien eine einzigartige Mischung aus zunehmender Verwirrung und einem Hauch an Verständnis. Er erahnte vermutlich nicht mal die Hälfte davon, was es mit Nirahs Visionen, dem Zusammenhang dieser mit ihrem Ritual oder ihrem Wolf auf sich hatte. Aber er verstand genug, um zu begreifen, dass der Wolf aus Nirahs Vision unheimlich wichtig für sie sein musste. So wichtig sogar, dass sie dafür bereit war, alleine die schützende Nähe ihres Dorfes zu verlassen. Oder mitten in der Nacht auf die törichte Idee kam, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, indem sie ihr Lager verließ und einfach ohne ihn davonstürmte. In gewisser Weise verstand er sie zu gut.

Notos hatte sichtlich mit all den neuen Informationen zu kämpfen. Er schloss die Augen, versuchte eine Struktur zu finden, Ansatzpunkte, irgendetwas, was ihm dabei helfen konnte, sich einen Reim aus allem zu machen. Als Nirah endlich zum Abschluss kam, war sein Kopf derart verwoben in einem Netz seiner eigenen Gedanken, dass er ausgerechnet die wohl kleinste Ungereimtheit in dieser ganzen Geschichte herauspickte. „Nein. Nein, ich fürchte ich verstehe leider gar nichts mehr.", antwortete er nonchalant. Dabei schwang in seiner Stimme unüberhörbar eine dezente Überforderung. „Aber wer bist du, wenn du deinen eigenen Namen wählen darfst?" Nie ihm Leben war sie aus einer so mächtigen Familie... oder doch? Aber reintheoretisch durften nicht mal die Herrscher...

 

Diesmal war es Notos, der Zeit für sich brauchte. Kurz überlegte er, wieder zu seiner Waffe zu greifen und abermals seine monotonen Übungen zu vollführen. Das half ihm immer zur Ruhe zu kommen. Aber das pulsierende Pochen an seiner Seite erinnerte ihn mit Nachdruck daran, dass es so kurz nach seiner Vorführung keine gute Idee war. Also tat er das, was er sonst immer tat, wenn er Nachdenken musste – er setzte sich aufrecht auf den Boden, kreuzte die Beine und legte seine Hände auf die Knie. Schloss abermals die Augen. Und konzertierte sich für eine geraume Weile nur auf seine Atmung. Eher nebenbei, als wäre er sich dessen überhaupt nicht bewusst, spielte er mit dem provisorischen Stoffverband. Wickelte diesen um seine Hand, nur um ihn danach wieder zu entfernen und das ganze von vorne zu beginnen. In seinem Kopf sah es nicht unähnlich aus. Immer wieder griff er Gedanken auf, versuchte diese zu logischen Schlüssen zu verspinnen, nur um es doch als Unsinn abzustempeln.

Nach einem langen Moment des Schweigens, klopfte er bedächtig neben sich auf den Boden. Auffordernd, als würde er dazu einladen, sich neben ihn zu setzen. Dachte dabei weiterhin angestrengt nach, wenngleich seine angespanntere Haltung inzwischen in eine ruhige übergegangen war. Initiationsritus... also hatten sie hier doch Rituale und Prüfungen! Aber der Rest war verkehrt. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprach. Natürlich waren die Pfade von Kriegern, Handwerkern und Wächtern eindeutig gelegt. Wofür sonst gab es die so gründlich ausgedachten Strukturen der Gilden und Orden? Jeder kannte die Prüfungen, die er ablegen musste. Selbstverständlich waren diese gegen Ende für jede Person recht individuell... aber immer noch klar definiert. Niemand wurde hinsichtlich seiner Zukunft völlig im Dunkeln oder allein gelassen. Und sowieso... Visionen. Diese standen Priestern zu. Seine Schwester hatte nie davon gesprochen, dass Heiler normalerweise solche Fähigkeiten besaßen. Aber Nirah hier war nie und nimmer ein Wächter der Krone. Dafür würde er seine Hand ins Feuer legen.

Ein dumpfer Ton war zu hören, als sich Notos frustriert auf den Boden fallen ließ, die Hände aufs Gesicht gelegt. „Das alles macht einfach keinen Sinn...", kam es von ihm leise flüsternd. Tonlos. Aus Nirahs vorgeschlagener Verbindung zwischen ihm und ihren Wolf wurde er erst recht nicht schlau. Warum in aller Welt sollte ausgerechnet er etwas mit ihren Visionen oder Prüfungen zu tun haben? Er war doch nur... Federn streiften seine Wange. Notos schlug die Augen auf, drehte sich etwas zur Seite – und schmunzelte.

Jasper hatte die Einladung seines Partners von Anfang an angenommen, hatte sich neben ihn gesetzt und bewegungslos angestarrt. Als der Weißhaarige so plötzlich umgekippt war, hat der kleine Drache erst erschrocken einen Satz nach hinten gemacht. Dann den Kopf schief gelegt. Und es ihm schließlich einfach nachgetan. Nun lag er neben ihm, die Flügel auf dem Boden ausgebreitet und alle vier Pfoten von sich nach oben gestreckt. „Jasper du Idiot". Notos lachte leise in sich hinein und griff nach seinem Federbündel. „Du wirst dir so nur wieder die Schwingen verrenken." Jasper wehrte sich nicht, als sein Partner ihn hochhob und in die Luft hielt, flatterte stattdessen freudig mit den Flügeln. Als wolle er ihm das Gegenteil beweisen und zeigen, dass er sofort losfliegen könnte. Der Weißhaarige blieb dabei weiterhin schmunzelnd liegen, betrachtete seinen Partner mit einem gutmütigen, warmen Blick, bevor dieser an ihm vorbeiglitt. Zu den dichten, grünen Baumwipfeln, durch die nur stellenweise ein wenig Blau zu erhaschen war. Unwillkürlich erfasste ihn eine stille Wehmut. Er konnte es nicht wirklich begründen. Aber... der Himmel wirkte sonderbar leer. War es die fehlende Präsenz der Drachen?... Auf einmal schien sein Zuhause unendlich weit entfernt.

Notos starrte noch eine ganze Weile schweigend ins Nichts, ehe er sich mit einem Ruck aufsetzte – eine Bewegung, die ihm seine Seite nicht gänzlich verzieh. „Nirah..." begann er bedächtig. „Ich würde dir ja gerne helfen, glaub mir. Ich mag rätselhafte Fälle wie diese. Aber ich kann nicht lange bleiben. Ich muss recht bald wieder aufbrechen." Für einen Moment ruhte sein Blick auf seiner rothaarigen Begleiterin. So sehr es ihn auch reizte alles über diesen seltsamen Ort und seine kuriose Heilerin mit ihren noch kurioseren Kräften zu erfahren, so sehr drängte es ihn wieder zurück. Zu seiner Familie, seinen Freunden, seinen Kollegen. Wenn er für ein paar Tage verschwand, war es mitnichten etwas Sonderbares bei ihm. Aber sollte er hier für eine längere Zeit festsitzen, würde sein Orden nicht umhinkommen, ihn als vermisst und später tot zu melden. Und allein der Gedanke an letzteres bescherte ihm größere Sorgen, als er sich eingestehen wollte. Er musste dringend herausfinden, warum Jasper Probleme damit hatte, sich zu wandeln.

Andererseits... Nirahs Verzweiflung haftete noch sehr lebendig in seinen Erinnerungen. Notos gab ein tiefes Seufzen von sich: „Vielleicht würde es helfen, wenn du zur Ruhe kommst? Und wenn du genauer werden könntest mit... so ziemlich allem? Was ist die Aufgabe deiner Prüfung? Hat es etwas mit deiner Heilfähigkeit zu tun oder mit deinen... Wächter-Aufgaben?" Er kam nicht umhin, das Wort "Wächter" mit einem Hauch von Skepsis auszusprechen. Oder war es simples Unverständnis? Sie war niemals eine von den Wächtern, die er kannte. Frage war nur: Was war sie dann?



Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.07.2023 19:22.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Eventmanager

Neuling

Beiträge: 1006

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 11.09.2022 21:46

Nirah hatte ein genervtes Schnauben von sich gegeben, als sich Notos demonstrativ weigerte, den Schnitt zu verbinden. Es hätte ihm doch nicht geschadet, die kleine Hilfestellung anzunehmen. Aber nein. Wie konnte man bloß so sturköpfig sein? Dafür zierte nun eine dünne rote Linie seine Haut. Wie ein zartes Band, welches sich seinen Arm entlang schlängelte.
Wenn sie zwischen ihren stapfenden Schritten doch einmal einen kurzen Blick zu ihm wagte, fiel es ihr immer wieder ins Auge. Es juckte ihr in Fingern, sich ungefragt auf die winzige Wunde zu stürzen. Eine kleine Menge Salbe darauf zu schmieren, es sauber zu verbinden, einen schnellen Zauber durchzuführen. Eine solch harmlose Schnittwunde wäre damit im Nu verheilt. Auch wenn Nirah noch nicht klar war, welchen Effekt Notos' eigenartige Magie hatte. Er würde sich kaum ernsthaft selbst verletzen. Oder? Da stellte sich auch die Frage, wie wohl seine andere Verletzung aussehen mochte. Die, welche wirklich gefährlich werden könnte. Sie hatte es durch ihre eigene Verwundung ganz vergessen. Sobald sie geklärt hatten, wie es weitergehen würde, musste sie unbedingt darauf zurückkommen. 
Der Schnitt wäre wohl auch ohne Behandlung wahrscheinlich kein größeres Problem. Aber wenigstens hätte sie nicht mehr dieses nagende Gefühl von Schuldigkeit, weil er es für nötig empfunden hatte, sich ihretwegen die Schwertklinge über die Haut zu ziehen. Abmachung hin oder her und egal wie wenig begeistert sie von ihm sein mochte, es gab einen Grund, warum sie sich mit der Heilkunst beschäftigte. Dieser beinhaltete nicht die Würdigung von spontaner und absolut dämlicher Selbstverletzung. 

Außerdem ...
Wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte, sich darum zu kümmern, hätte sie ihre Gedanken von den wichtigeren Dingen ablenken können. Zum Beispiel von ... ziemlich allem anderen. Ein Segen, der ihr nicht vergönnt war. Nicht, da Notos sie vor die Wahl stellte. Reden oder gehen. Er wartete ganz geduldig ab, bis sie ihre Worte wiederfand. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie ohne Antworten nicht hier rauskommen würde. Zumindest wenn sie wollte, dass er vorerst blieb. Ganz wunderbar. Das nahm den Druck ja enorm.  

"Hast du etwa nicht deinen eigenen Namen gewählt. Donnerschwinge?" gab sie mit spöttischem Unterton zurück, ebenso irritiert von ihm wie er von ihr. Also doch ein Stadtmensch. Nirah hatte gehört, dort war es üblich, dass ganze Familien ihre Namen an deren Emporkömmlinge weitergaben. Wo da noch die Verbindung zu der eigenen Natur und dem persönlichen Pfad liegen sollte, war ihr höchst schleierhaft. Allerdings musste man diese Leute auch nicht verstehen. Sie führten ein Leben abseits der Realität, behütet und ohne Verständnis für ihre Umwelt. So klang es für sie wenigstens. 
"Es ist keine völlig freie Wahl. Sie wird gelenkt durch die Erfahrungen, die wir während des Rituals machen. Und muss anerkannt werden." erklärte sie dem unwissenden Fremden knapp, hielt nur einen kurzen Moment inne. 

Reichte das nicht? Sie hatte ihm mitgeteilt, warum sie so reagiert hatte. Hatte ihm sogar versucht deutlich zu machen, welche Bedeutung es für sie haben könnte. Es geschah nicht jeden Tag, dass sich eine Vision Teil der Wirklichkeit wurde. Offensichtlich war es nicht genug. Denn Notos setzte sich wortlos auf den Boden und versank in einem abwartenden Schweigen. Er saß beinahe so wie gestern, als sie ihn im Wald entdeckt hatte. 
Nirah zog weiterhin kleine und große Kreise und widmete sich so gut es ging der Frage, was sie nun tun sollte. Nachdem sie anfangs immer wieder ihm geschaut hatte, in der Erwartung, er würde sich regen oder etwas sagen, ließ sie es bald bleiben. Jedes Mal, wenn sie sah, wie er den Stoffstreifen um die Hand wickelte, vermehrte sich ein diffuser Ärger in ihr. Fast hatte es den Anschein, er würde sie für ihre Fürsorge verspotten. Zudem erzeugte seine unerschütterliche Ruhe das komplette Gegenteil bei Nirah. Es war besser, wenn sie all das ignorierte. Ebenso wie die Aufforderung, sich zu setzen, auf die sie durch ein dumpfes Geräusch aufmerksam wurde.

Angenommen, sie würde Notos wohlbehalten ins Dorf bringen und sich versichern, dass die magische Verwundung an seiner Seite vollständig verheilte. War das ausreichend, um die Aufgabe zu erfüllen, die ihr gestellt wurde? Wenn ja, dann wäre es nichts weiter als das, wozu sie sich ohnehin schon entschieden hatte. Wenn sich jedoch keine Änderung ergab, wüsste sie nicht, was ihre Aufgabe überhaupt war. Leider hatte sie den Eindruck, dass letzteres wahrscheinlicher war. Die wenigsten Prüfungen von Wächtern waren so klar erkennbar und einfach. Und was war mit dem Wolf? Inwiefern hing er mit dieser Begegnung zusammen, mal davon abgesehen, dass er sie zu Notos geleitet hatte? Trotzdem war sie inzwischen sicher, dass beide Teil ihres Weges waren, auch wenn sie das nicht logisch begründen konnte. Wie alles um sie herum verschwunden war, als ihr das Blau von Notos' Augen bewusst geworden war, fühlte sich sehr eindeutig an. Und das hieß ...

Aus dem Augenwinkel heraus sah Nirah, wie der Mann nach hinten wegkippte. Sie wurde langsamer und sah verwirrt zu ihm rüber. Sie musterte ihn einen langen Moment. Nein, nicht ohnmächtig. Nur so seltsam wie immer. Kurz darauf warf sich auch Sir Jasper auf den Rücken und strampelte mit den Beinen gegen die Luft. Sie blieb stehen, um das Schauspiel zu beobachten. Erst als der Katzenvogel in den Bäumen verschwand, bemerkte Nirah, dass sich ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen gelegt hatte. Sofort verzog sie den Mund und setzte wieder einen düsteren Gesichtsausdruck auf. Sie setzte sich abermals in Bewegung, nun aber deutlich langsamer. Die kurze Ablenkung hatte dafür gesorgt, dass ihr Bein sich deutlicher als zuvor bei ihr beschwerte. Sie sollte liegen. Nicht ziellos herumlaufen. So wie er es macht. Wieso legst du dich nicht dazu, wie sein niedlicher Gefährte? Wirst du ihm nicht sowieso bald treuherzig hinterherlaufen, bis das nächste undeutbare Zeichen kommt, säuselte ihre innere Stimme gehässig. Auf die ein oder andere Weise, nicht wahr?

Dankbar aus den aufkommenden Gedanken gerissen zu werden, drehte sich Nirah zu dem Fremden. Aufbrechen. Er wollte aufbrechen? Er durfte nicht aufbrechen. Es sei denn ...
Sein Seufzen fand Entgegnung in ihrem eigenen. Sie ging auf ihn zu und stellte sich ihm gegenüber. "Ich bin die Ruhe in Person. Siehst du doch." knurrte sie und meinte es keine Sekunde lang ernst. Ein langes Zögern und ein schweres Schlucken später ließ sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen auf dem Boden nieder. Nicht aufgrund seines Vorschlags, sondern weil ihr Bein inzwischen deutlich genug pochte, um ihr größeres Unbehagen zu bereiten. Sie streckte es aus und ließ endlich ruhen.

"Wenn ich wüsste, was meine Aufgabe ist, würde ich dich versuchen hochzuheben, entgegen aller Vernunft, und dich dorthin schleifen, wo ich sie abschließen kann. Oder einfach wie geplant Informationen austauschen, dich zum Dorf begleiten und dann hoffen, dass ich dich nicht mehr sehen muss. Falls das Zeichen eine andere Bedeutung hatte. Jedenfalls würde ich nicht ... das machen." Sie deutete mit einer unwirschen Handbewegung auf die kreisförmige Schneise hinter sich. 
Sie machte eine Pause und fragte sich, wo sie anfangen sollte. Er wusste rein gar nichts. Weder von ihren Aufgaben noch von dem Weg, den sie gehen musste, um Wächterin zu werden. Was würde er überhaupt verstehen?

"Hast du irgendein Problem mit meiner Berufung, Donnerschwinge?", klagte sie ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
"Und ich weiß nicht, wie ich noch genauer werden soll." murrte sie verstimmt. Dann atmete sie tief ein und aus und seufzte erneut. "Aber ... ich versuche es." fügte sie kapitulierend hinzu.
"Vielen Wächtern stellt sich eine abschließende Prüfung, bevor sie offiziell anerkannt werden. Wie sagt mein Mentor so schön? Ein Wächter muss sich sicher inmitten der unvorhersehbaren Entscheidungen der heiligen Mutter bewegen. Er muss ihren Willen erkennen und diesem aus eigener Kraft dienen können. Sobald dieser Zeitpunkt gekommen ist, sendet sie ein Zeichen ihres Zuspruchs. Auf ebenjenes Zeichen warte ich und ich glaube, dass meine Vision mir den Weg dorthin weist. Das heißt, es war vielleicht nicht der Zufall, der unsere Begegnung gestern verursacht hat." Den letzten Satz sprach sie langsamer und betonte jeden einzelnen Abschnitt. So ratlos wie Notos war, traute sie ihm nicht zu, dass er selbst diese simple Aussage verstand.
"Mehr kann ich dir nicht sagen, weil ich nicht mehr weiß." stellte sie fest. 

"Meine Heilfähigkeiten haben damit rein gar nichts zu tun. Ich habe mich einfach nur auf dieses Wissen spezialisiert bislang. Es fällt mir leicht." Sie zuckte mit den Schultern und ging nicht näher darauf ein, wie sehr die Denkweise von Heilern in ihr verankert war. Das hatte er sicherlich schon selbst bemerkt. Wenn nicht, auch nicht schlimm.
"Aus welchem entlegenen Eck kommst du eigentlich?", murmelte sie seine Unwissenheit verfluchend. Selbst die Leute aus Westhafen wussten von den grundlegenden Strukturen in den Stämmen. 

Nirahs Kopf fuhr ruckartig zu ihm herum und sie sah ihm in die unheimlichen, blauen Augen. Woher kam er eigentlich? War es sehr weit weg? War es eine der wenigen Städte, war es am Rande Prelemors oder gar über die Weiten des Meeres hinaus? Noch immer war diese Frage nicht geklärt, dabei hatte ihre Bedeutung wesentlich zugenommen. Sie schluckte mehrmals, setzte an, ihre Gedanken auszusprechen und entschied sich dagegen. Noch nicht. Hatte sie ihre Entscheidung etwa schon getroffen? War das der Grund warum sie fähig war, verhältnismäßig ruhig hier zu sitzen? 

"Weißt du, ich verstehe auch einiges nicht. Deine magischen Fähigkeiten ergeben keinen Sinn, genauso wenig wie deine plötzlich verschwundene Blindheit. Es würde mir deutlich leichter fallen, dir ... alles zu erklären, wenn ich wüsste, wie viel du weißt." versuchte sie es stattdessen vorsichtig. "Wir hatten uns schon darauf geeinigt, uns auszutauschen. Nicht?" 


 


Möge das Chaos mit uns sein!
persönliches Chaosarchiv - klick
(=Schreibproben / öffentliche Rollenspiele / Ideensammlung)

Musik des Ordens - klick


Antworten Zuletzt bearbeitet am 15.09.2022 19:10.

Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1002

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 14.09.2022 21:40

Notos antwortete nicht auf Nirahs Kommentar zu seinem Namen, auch wenn der Spott in ihrer Stimme ihn beinahe zu einer bissigen Reaktion verleitet hätte. Stattdessen streifte er sie nur mit einem noch irritierterem Blick als zuvor, bevor er sich auf den Boden setzte und nachdachte. Oder eher, nachdenken wollte. Aber egal wie sehr er sich bemühte, ihm schien keine sinnige Lösung einfallen zu wollen. Er konnte es nicht in Worte fassen, was ihn gerade am meisten dabei störte, in irgendeiner Form seine Gedanken zu sammeln. War es die Unruhe, die Nirah ausstrahlte? Die Verzweiflung in ihrer Miene, als sie ihre immerwährenden Kreise zog? Nein, das hatte er ganz gut ausblenden können. Dann vielleicht der dumpfe Druck auf seinen Schläfen, welcher unaufhörlicher sowohl an seiner Konzentration als auch Geduld zerrte? Oder das stetige Auf- und Abebben des pulsierenden Brennens an seiner Seite, welches mit einem scharfen Ziehen jede falsche Bewegung bestrafte? Die Sorge um seinen Partner und dessen Unfähigkeit, sich zu wandeln?...

 

Nein, es war vielmehr pure Frustration. Das Gefühl, dass ihm vieles, von dem die Heilerin ihm bisher erzählt hatte, so bekannt vorkam. Und dann doch wieder unterschiedlicher nicht sein könnte. Irgendetwas entglitt ihm. Irgendetwas wichtiges. Und seine Intuition konnte ihm nichts verraten. Weder die Wichtigkeit dieser Information, noch wie nah dran er war, es zu erraten. Wobei, auch das war eine Quelle seines Missmutes. Erraten. Das war es, was seine Vermutungen bisher ja alle waren, nicht wahr? Bloße Vermutungen. Und die einzige Person, die ihm diese momentan mit Sicherheit bestätigen konnte, war...

Seine Aufmerksamkeit glitt zu Nirah, die mit einem unwirschen Gesichtsausdruck angestapft kam. Ihr sarkastisches Knurren entlockte ihm dann aber doch trotz seiner nachdenklichen Laune ein belustigtes Schmunzeln. Schweigend, mit dem Anflug eines warmen Lächelns, sah er zu ihr hoch, beobachtete ihr Hadern, bis sie sich schließlich doch zu ihm setzte. Ganz konnte er seine Mimik nicht unter Kontrolle bringen, als er eine Braue überrascht in die Höhe zog. Aber ansonsten gab er kein Kommentar zu ihrer plötzlichen Vernunft ab. Kein zufriedenes Nicken, kein Sticheln oder Necken. Während die Heilerin zu ihren Erklärungen ansetzte, wurden ihm zwei Dinge nur zu gut bewusst. Erstens: Er würde niemals allein hinter all die Geheimnisse kommen, die dieses seltsame Gebiet verbarg. Und zweitens: Er wollte allerdings all diese Ungereimtheiten lösen. Herausfinden, was das ganze hier auf sich hatte. Und er wollte es als erstes tun, noch bevor er seinem Orden oder dem Königshaus Bescheid gab. Er würde wohl nicht darum herumkommen: er musste sich mit Nirah austauschen.

„...Im Moment, nein", lautete also nach einigem Hadern seine beschwichtigende, wenngleich zögerlich aufrichtige Antwort auf die Frage, ob er ein Problem mit ihrer Berufung hatte. Besser gesagt, noch hatte er kein Problem damit. Zumindest solange sich seine Vermutung bewahrheiten sollte und seine Definition eines Wächters und die von seiner Begleiterin nicht die gleiche war. Aber er war vorausschauend genug, um dieses Thema nicht breitzutreten. Stattdessen hörte er der Heilerin lieber aufmerksam bei den folgenden Erläuterungen zu, mit einer undurchschaubaren Miene. Sah ihr währenddessen jedoch nicht ins Gesicht, sondern hatte den Kopf gesenkt, betrachtete gedankenverloren den provisorischen Stoffverband, welchen er selbst jetzt bedächtig um seine Hand band. Und stoppte abrupt, als ihm klar wurde, was Nirah andeuten wollte. „Es war also nicht der Zufall?", gab er leise schnaubend von sich. Ignorierte dabei geflissentlich die herabsetzende Wahl ihrer Worte. „Also was? Denkst du, unsere Begegnung war Schicksal? Der Wille der Götter?" Notos konnte im Nachhinein nicht sagen, ob der Unterton seiner Stimme mehr amüsiert oder verächtlich klang. Unmerklich verzog sich seine Miene, als sich seine Finger fest in den langen Stoff in seinen Händen krallten. So war es doch immer, nicht wahr? Alles passiert aus einem guten Grund.

Kaum wurde sich Notos seiner finsteren, verspannten Haltung bewusst, ließ er sofort davon ab, seinen Unmut an dem provisorischen Verband auszulassen. Entwickelte seine Hand vollständig und glättete den Stoff, faltete ihn sogar sorgfältig zusammen. Er sollte ihn nicht zu sehr ausleiern. Wenn sich ihre Wege trennen würden, wollte er den Verband Nirah zurückgeben. Oder wenn sie darauf bestand, dass er ihn behalten sollte, für schwerwiegendere Wunden aufbewahren. Bei den weiteren Erklärung blieb der Weißhaarige ab dem Zeitpunkt komplett stumm. Starrte statt dem langen Kleiderfetzen intensiv den Boden zu seinen Füßen an. Selbst als seine Begleiterin in ein abwartendes Schweigen verfiel, war Notos am Hadern. Ordnete seine Gedanken, seine unausgesprochenen Worte. Wo sollte er anfangen? Nun... eine Sache wäre da wohl noch. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, darauf zurückzukommen. Aber damit würde er wohl gegen seine eigene Devise gehen. Ein Gefallen für einen Gefallen, eine Information für eine Information.

Ein ergebenes Seufzen erklang: „Um noch deine vorherige Frage zu beantworten: Nein, ich habe meinen Namen nicht ausgewählt. Er wurde mir gegeben, von den Personen, die seit langem meinem Herzen am nächsten stehen. Mich besser kennen, als ich mich selbst. Der Name soll mich und meine Fähigkeiten beschreiben, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe. Oder eher, er soll uns beschreiben." Irgendwo in den Baumkronen war wie zur Bestätigung ein Rascheln von Flügeln zu hören, dann ein Aufblitzen von erdtönernen Farben inmitten des dichten Grüns. „Aber er muss verdient und ebenfalls anerkannt werden", schloss er knapp und kurzgebunden ab. Ein Erkennungsname musste sogar mehrmals anerkannt werden. In erster Linie von dem Träger selbst natürlich, dann vom Meister seiner Gilde oder Ordens und natürlich noch... warte, von wem wurde Nirahs Name anerkannt? Vermutlich von ihrem Mentor, den sie erwähnt hatte.

Notos befand sich immer noch in einem innerlichen Zwiespalt, was seine Meinung zu Nirahs Namen anging. Einerseits machte es Sinn. Die Erfahrungen, die man gesammelt hatte, waren niemals zu verachten, genauso wie die eigene Wahrnehmung von sich selbst. Allerdings... er betrachtete seinen Namen als Geschenk. Eine Erinnerung, für was und vor allem wen er kämpfte. Bei Nirah fehlte ihm dies. Ihre Namenswahl hörte sich in seinen Ohren sehr subjektiv an, nahm keine Rücksicht auf die Menschen, die ihren Lebensweg geprägt haben, noch beschrieb es ihre Fähigkeiten oder würdigte ihren Gefährten. Obwohl sie letzteren nicht zu haben schien? Höchstens, wenn man den Wolf als ihren Partner ansehen würde. Und das Auge in ihrem Namen als Symbol für ihr Talent im Umgang mit dem Bogen ableiten würde... Er hätte für sie dennoch einen anderen Titel gewählt.

Den Kopf gehoben, erwiderte er ruhig den Blick seiner Begleiterin. „Deine Fähigkeiten sind für mich auch ein Rätsel", gab er direkt und ohne Umschweife zu. „Ich würde dir gerne sagen, dass ich meine durch jahrelanges Training erworben habe. So wie du deine vermutlich auch. Allerdings fürchte ich, ist es nicht so einfach." Er konnte noch nicht mal in Worte fassen, wo genau die Unterschiede lagen. Oder warum er mit Gewissheit sagen konnte, dass sie andere Fähigkeiten als er besaß. Deine Aura gleicht eher einem Tier, als der eines Menschen? Und man kann an ihr nicht erkennen, wie du deine innere Magie benutzt? Er würde sich anhören wie ein Verrückter.

Er presste schweigend die Lippen aufeinander. Zögerte abermals, bevor er ihre andere Frage mit einer abwinkenden Geste abtat: „Um meine Blindheit machst du dir am besten keine Gedanken. Du wärst die erste von vielen, wenn du dafür eine genaue Ursache, geschweige denn eine Heilungsmöglichkeit finden solltest."

Wie viel weißt du? Ja, nicht sonderlich viel. Wo fing man an, wenn man nicht sagen konnte, wie viel der andere verstand? Augenscheinlich waren ihr all die für ihn alltäglichen Dinge unbekannt. Und das warf Fragen auf. Viele Fragen. Wobei... eine war momentan ganz oben an der Spitze der Liste. Nirah hatte es immer wieder erwähnt. In ihren Erklärungen. Oftmals auch beiläufig. Aber immer verwoben in ihren anderen Worten, als würde sie es nicht für wichtig genug erachten, um es ihm genauer zu erklären.

„Nun, wie viel weiß ich..." begann der Ritter langsam. „Hm. Sagen wir so. Wenn meine Vorahnung richtig liegen sollte..." Dann brach er ab. Haderte erneut. Aber er hatte wohl keine Wahl. Ein direkter Austausch war unabdingbar. Zumindest wenn er verstehen wollte. Und das wollte, nein musste er sogar. Seine Intuition verriet ihm, dass er auf dem richtigen Pfad wanderte. Notos atmete tief durch. Versuchte erneut anzufangen. Bei allen Göttern. Nirah würde ihn anstarren, als wäre sie aus allen Wolken gefallen: „Lass mich dir eine Gegenfrage stellen, die deine Frage glaube ich gut beantwortet."

Er faltete seine Hände, setzte ein vorsichtiges Lächeln auf: „Wer oder was genau ist die heilige Mutter?"



Antworten Zuletzt bearbeitet am 16.09.2022 14:51.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Eventmanager

Neuling

Beiträge: 1006

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 15.09.2022 23:44

Nirah bedachte Notos' unklare Antwort auf ihre Unterstellung mit einem grimmigen Stirnrunzeln. Hatte sie es sich etwa nur eingebildet, dass er das Wort 'Wächterin' mit dem Anflug von Unmut ausgesprochen hatte? Vermutlich. Er hatte bisher schließlich nicht den Eindruck gemacht, etwas über ihre Gemeinschaft zu wissen. Wirklich überzeugt von ihrem eigenen Gedankengang war sie nicht. Vielmehr hatte sie das Gefühl, etwas entging ihr. Und dieses etwas stand zwischen ihr und der Herstellung eines logischen Zusammenhangs zwischen all den Bruchstücken, die ihre Intuition aufgefasst hatte.

Die dezente Verwirrung wurde verdrängt von den greifbareren Themen. Nicht, dass diese sie linderten. Nur wenigstens hatte ihr Verstand etwas, mit dem er besser arbeiten konnte.
"Der Wille der heiligen Mutter." korrigierte sie beiläufig, ohne sich etwas dabei zu denken. Es gab viele in den Stämmen, die sie leichthin als Göttin bezeichneten. Nun, genau genommen war sie das auch. Nirah und auch alle anderen Wächter lehnten den Begriff dennoch ab, weil sie viel mehr war als das.
Sie war nicht irgendeine menschenähnliche Gestalt, die von oben herab auf die Menschen blickte und die Fäden zog. Sie war ... alles. Jeder Stein und jedes Insekt, das auf der Erde kroch. Sie lebte in ihnen, ebenso wie in den Menschen. Alterte und starb mit ihnen. Wurde in einem nie enden wollenden Kreis wiedergeboren. Nur so war es ihr möglich ein allumfassendes Bewusstsein zu bilden, dem es möglich war, ihre Kinder zu ihrem eigenen Wohl zu leiten.

"Schicksal. Ja. Davon spreche ich." sagte Nirah leise und nickte widerwillig. "Ich hätte es gerne anders genannt, wenn ich könnte. Es klingt so ... dramatisch."
Es klang nicht nur so, es war es auch. Zumindest wenn es für Nirah bedeutete, dass sie ihre persönlichen Grundsätze in den Wind schlagen musste. Einen Wolf, der aus Nebel zu bestehen schien, bis ans Ende der Welt verfolgen? Kein Problem. Wenn es das war, was es brauchte. Aber einen anderen Menschen auch nur mehr als einige Stunden ertragen? Explizit diesen Menschen? Oh gnadenlose Gewalt der Vorhersehung, wie grausam du doch bist.
Nirah schob vorsorglich alle Erinnerungen an jeden Fetzen Anerkennung, den sie bisher für den Fremden empfunden hatte, in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins. Menschen waren anstrengend, unvorhersehbar und raubten ihr jeden Nerv. So war es immer - fast immer - und würde es immer sein. Wie konnte das Schicksal es wagen, ihre selbstgewählte Einsamkeit zunichtezumachen? Möglicherweise musste sie das mit dem "Wohl" noch einmal überdenken. 

Nirah erstarrte. Sie hatte ihre Entscheidung also wirklich schon getroffen. Sie war nicht bekannt dafür, jede Entscheidung bis ins kleinste Detail zu durchdenken. Das wusste sie selbst. Sie ließ sich von ihren Gefühlen und ihren Eingebungen leiten. Trotzdem war es beunruhigend, wie schnell der Schock von vorhin, Entschlossenheit gewichen war. Sie würde das Zeichen der Mutter annehmen. Es gab keine andere Möglichkeit. Wie könnte sie sich Wächterin nennen, wenn sie nicht bereitwillig auf ihren Pfaden wandelte? Nein, bereitwillig war das falsche Wort. Eher gezwungenermaßen .... 
Sie ließ den Kopf, ein Stöhnen unterdrückend, in ihre Hände fallen. Respekt vor dem unergründlichen Willen der heiligen Mutter war die eine Sache. Es hieß noch lange nicht, dass sie ihn freudig willkommen heißen musste. Oder? Der Alte würde sicherlich seine eigene Meinung dazu haben. Nirah war sich sehr unsicher, ob sie diese hören wollte, wenn sie zurück im Dorf war. 

Notos redete derweil irgendetwas von seinem Namen und wie er ihn erhalten hatte. Sie hob langsam, aber nicht vollständig den Kopf, um zwischen ihren Fingern hindurch zu sehen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er noch einmal darauf eingehen würde. Jedoch erzeugte seine Erklärung nur noch mehr das Gefühl, ihr Gesicht in den Händen vergraben zu wollen. Wieso war es nicht überraschend, dass seine Initiation entweder nichts existierte oder ganz anders war als sie es kannte?
"Dein Name ist an deinen Begleiter gebunden?" war das erste, das ihr als Antwort in den Sinn kam. Unwillkürlich sah sie sich nun auch nach Sir Jasper um, sah ihn aber nicht zwischen den Bäumen. "Ich finde, er passt besser zu ihm als zu dir." stichelte sie aus ihrer Frustration heraus. Sollte das 'Donner' etwa beschreiben, dass er fähig war, Elektrizität zu erzeugen, wie sonst nur die Natur es vermochte? Es war jedenfalls ein wohlklingender Name, der den Eindruck von machterfüllter Erhabenheit erzeugte. Das war nicht das, was sie ihn Notos sehen konnte.

Sie hätte gerne hinterfragt, wie genau die Namenszeremonie bei seinem Volk funktionierte. Und wie es dazu kam, dass es so verschieden zu dem war, was sie kannte. Mal davon abgesehen, dass es noch viele weitere ungeklärte Dinge gab. Und damit war sie wieder bei der Hauptfrage: Woher kam er? Sie sollte ...
Nirahs Kopf zuckte blitzschnell nach oben. Hatte er gerade gefragt, wer oder was die heilige Mutter war? 

"Das meinst du nicht ernst." brachte sie nach ein paar Sekunden unsicher hervor. Sie suchte nach seinem üblichen verschmitzten Lächeln, das ihr zeigte, dass er einen Scherz machte. Sie fand nur zwei sehr zurückhaltend hochgezogene Mundwinkel. Nein, kein weiteres Grinsen. Kein Lachen? 
Er meinte es ernst.
"Du willst mir gerade sagen, du hast keine Ahnung davon, wie ... wie ..." Sie suchte einen Moment nach dem passenden Begriff, um ihrer Verständnislosigkeit Ausdruck zu verleihen. "... wie unsere Welt funktioniert?" Ja das passte. Ohne 'Mutter Natur' wäre nichts von dem, was hier passierte überhaupt möglich. 

Sie hielt ein weiteres Mal inne, nur um festzustellen, dass sie immer noch keinen Scherz erkennen konnte.
"Alles um uns herum ist Teil der heiligen Mutter. Alles Lebendige und Unbelebte. Die Energie, die um uns fließt und die Dinge in Bewegung setzt. Sie ist das Bewusstsein, das alles miteinander verbindet. Und es leitet. Sie ist unsere Schöpferin ebenso wie unsere Heimat." versuchte sie ihr Verständnis der natürlichen Prozesse irgendwie in sinnvolle Sätze zu verpacken. 
"Die Natur, Notos. Verstehst du?" 
Wieso hatte sie den Eindruck, er würde nicht verstehen. 

"Lass mich auch eine Frage stellen: Woher kommst du?" sprach sie endlich aus, was wirklich wichtig war. 



Möge das Chaos mit uns sein!
persönliches Chaosarchiv - klick
(=Schreibproben / öffentliche Rollenspiele / Ideensammlung)

Musik des Ordens - klick


Antworten

Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1002

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 16.09.2022 19:10

Mittlerweile verwunderte es Notos gar nicht mehr, dass Nirah keinen blassen Schimmer über die genauen Umstände seiner Namensgebung zu haben schien. Die ihren waren ihm schließlich ebenfalls gänzlich unbekannt. Einer der Gründe, weshalb er darauf eigentlich nicht genauer hätte eingehen wollen – allerdings hatte sie ihm die Herkunft ihres Erkennungstitels verraten, da würde er ihr seine nicht schuldig bleiben. Eine Information für eine Information. Und er wollte zumindest versuchen, ihren Austausch für beide Seiten fair und gleichermaßen nützlich zu halten.

Weshalb er auch auf ihre Frage knapp nickte. „Natürlich ist mein Name an meinen Partner gebunden", meinte er ohne Umschweife. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt. „Er ist mein Gefährte. Wir teilen uns unsere Geschichte, unser Leben... ja, zu einem gewissen Teil sogar unsere Seele. Jasper auch an meinem Namen teilhaben zu lassen, ist das absolut Mindeste, um ihn und unsere Verbundenheit zu ehren". Nicht der kleinste Funken an Zweifel war aus seiner Stimme herauszuhören. Diese Verkündung war durch und durch geprägt von felsenfester, unerschütterlicher Überzeugung. Doch die intensive Ernsthaftigkeit in Notos' Zügen verblasste beinahe sofort, kaum dass Nirah weitersprach. Ihre Sticheleien prallten an seinem kleinen, wissenden Lächeln ab. Seine Freunde, seine Familie... sie hatten sich etwas dabei gedacht, als sie diesen Titel für ihn und Jasper gewählt haben. Er würdigte ihre Meinung und Entscheidung – und war ihnen vor allem aus tiefsten Herzen dankbar, dass sie ihn gut genug kannten, um nicht eine gewisse Sehschwäche in seinen Namens einfließen zu lassen. Ja, seine Blindheit war ein Teil von ihm. Er hatte sie akzeptiert. Aber er würde niemals zulassen, dass sie das war, was ihn gänzlich ausmachte.

Dass Nirah seine Meinung nicht wirklich teilte, war ihr nur zu deutlich anzusehen. Genauso wie die schier grenzenlose Ungläubigkeit, die sich auf ihr Gesicht schlich, als er seine Frage stellte. Er hatte es ja erwartet. Dennoch hätte er am liebsten befangen den Kopf abgewendet, als sie ihn derart anstarrte, ihr Blick voller Verständnislosigkeit. Fast hätte ihn alleine dieser Ausdruck dazu gebracht, sich wie ein kleines Kind für seine eigene Unwissenheit zu schämen. Dabei konnte er ja nichts dafür. Bisher verstärkte alles seinen Eindruck, dass sie ihre Leben nicht unterschiedlicher hätten verbringen können. Ja, beinahe wirkte es so, als würden sie in zwei verschiedenen....

Deine Welt. Um ein Haar hätte Notos diese gedankliche Korrektur laut ausgesprochen. Seine Begleiterin wollte sagen, dass er nicht wusste, wie ihre Welt funktionierte. Nicht die seine. Es lag ihm auf der Zunge, ihr dies auch so mitzuteilen, ihre Aussage zu berichtigen. Allerdings... das war völliger Schwachsinn. Sie lebten in derselben Welt. Und wer sagte, dass die Heilerin nicht recht haben konnte? Sie war etwas zu fest von sich überzeugt, damit er ihre 'Heilige Mutter' als pure Einbildung abstempeln konnte. Vielleicht wurde ihr alles so eingetrichtert, ohne Funken Wahrheit dahinter - oder aber sie wusste wirklich etwas über die Gegebenheiten dieser Welt, die er nicht kannte. Eventuell handelte es sich um eine bloße Anomalien, die nur auf dieser Insel galt? Die Jahre, die er in seinem Orden verbracht hatte, hatten ihn gelehrt, stets offen zu bleiben, alles aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Er würde ausgerechnet jetzt nicht damit anfangen, etwas vorschnell auszuschließen, nur weil es nicht in sein Weltbild passte.

Somit behielt er sein vorsichtiges Lächeln, als Nirah ihn entgeistert musterte, nickte nur bedächtig auf ihre Frage. Wenigstens bemühte sich der Rotschopf, ihm alles zu erklären. Wenngleich es ihm nicht leicht fiel, ihr zu folgen. Mehrmals setzte Notos dazu an, seine Begleiterin zu unterbrechen. Bei einigen Punkten nachzuhaken, einmal wollte er ihr sogar vehement widersprechen. Stattdessen schwieg er jedoch nur, den Kopf nachdenklich gesenkt, während er zunehmend die Stirn in Falten legte. Bis sich eine Kleinigkeit wieder sofort seiner Aufmerksamkeit bemächtigte. Augenblicklich haftete sein Blick auf der Heilerin. Oder eher, er sah geradewegs an ihr vorbei.

Die Natur, Notos. Verstehst du?

Da kamen Erinnerungen auf. Erinnerungen an lange, schlaflose Nächte, die er im Archiv verbracht hatte. Wie fast immer eigentlich, wenn er bald einen Auftrag erwartete. Nur er, Jasper, ein einsamer, beleuchteter Tisch am Rande des Saals, versteckt hinter Reihen von prall gefüllten Bücherregalen und... „Verstehst du, Notos!?" Und eine helle Stimme neben ihm. Mit einem belustigten Schmunzeln hatte er kopfschüttelnd sein Buch zugeklappt – was hatte er damals überhaupt gelesen? Vermutlich irgendetwas über die Krone der Welt und das Relikt, welches sie hütete. Unwichtig. Viel wichtiger war da die Person neben ihm. Mit einem warmen Lächeln beobachtete er das aufgeregte Leuchten in ihren Augen, während sie in einen fiebrigen Monolog verfiel. „Pflanzen wachsen, können krank werden, sterben... sie leben, genau wie wir, genau wie Tiere oder unsere Gefährten. Warum sollten sie also keine Auren, keine eigene Energie besitzen?"

Inzwischen hatte Notos das Buch gänzlich zur Seite geschoben – wenn Aryll einmal der Enthusiasmus packte, dann hatte er keine Chance mehr, hier in Ruhe zu lesen. „Vielleicht, weil Pflanzen keine Seele besitzen? Oder zumindest keine, die mit unserer vergleichbar wäre? Also hätten sie eine andere Art von Energie, die wir nicht sehen können?" Seine Antwort war nonchalant gewesen, unbedacht. Er hatte nicht angenommen, dass ihm seine langjährige Freundin überhaupt zugehört hatte. Stattdessen wandte sie sich plötzlich an ihn, packte unvermittelt seine Hände. Strahlte ihn breit an: „Eben! Was wenn sie Energien besitzen, aber wir sie nicht sehen können? Oder sie zu schwach sind, um sie wahrnehmen zu können? Oh, ich wünschte die Wächter würden mir ein wenig Zeit für Versuche gönnen. Wenn diese Theorien wahr wären... das wäre revolutionär!" Und ihm war ein gutmütiges, amüsiertes Auflachen entkommen. „Falls du dir von mir Kontakte verhoffst, vergiss es. Den Wächtern wäre es bis heute lieber gewesen, wenn ich damals nicht nur mein Sehvermögen, sondern gleich mein Leben verloren hätte."

Die aufgebrachten Proteste, die damals gefolgt waren, verschwommen zu einem Rauschen im Hintergrund. Stattdessen stach ein anderer Satz klar heraus. Woher kommst du? Nirahs Frage hatte ihn abrupt wieder in die Gegenwart befördert. Notos blinzelte, bemüht seine Aufmerksamkeit nicht nochmal derartig abdriften zu lassen. Wahrscheinlich lag es an dem fehlenden Schlaf. Oder weil er dezent überfordert war von.... allem, was er in den letzten paar Minuten gesagt bekommen hatte. Er musste irgendwie seine Gedanken ordnen.

Für einen Moment schloss er die Augen, rieb dabei seinen Nacken. „Dafür, dass du mir gerade erklären wolltest, wie die Welt funktioniert, hast du dich ganz schön kurz gehalten", entkam es ihm mit einem schwachen Grinsen. Es wirkte zu gleichen Teilen gequält wie belustigt. Der Weißhaarige atmete tief durch. Sah nach einer Weile des nachdenklichen Haderns Nirah wieder direkt an. „Meine Herkunft ist kaum von Belang." Eine ausweichende Antwort. Er schmunzelte entschuldigend. „Selbst wenn ich dir sagen würde, wo ich aufgewachsen bin... glaubst du wirklich, du würdest mit dem Namen etwas anzufangen wissen? Anscheinend lebe ich ja weit genug entfernt, um nichts von deiner heiligen Mutter zu wissen." Sein Lächeln wirkte zunehmend müder. Dieses Mal gelang es ihm nicht völlig, seinen Verdruss zu vertuschen. „Ich würde mit dir sogar wetten, dass ich eure nächstgrößere Ansiedlung oder Stadt, die du mir nennen würdest, nicht kenne."

Das half ihm alles nicht weiter. Was hätte er für Anhaltspunkte gegeben. Nur ein paar Hinweise dazu, wie weit er sich von der Stadt der Kronen oder dem Inneren Ring befand. Oder warum Jasper sich nicht wandeln wollte. Oder was in aller Welt es mit Nirahs Fähigkeiten auf sich hatte. Obwohl... vielleicht hatte er den Hinweis ja bereits schon bekommen. Nur übersehen. Oder nicht genug nachgehakt? Alles hier schien sich um diese ominöse heilige Mutter zu drehen. Angenommen sie existierte. Wie hatte seine Begleiterin es genannt? Sie ist ihre Schöpferin als auch ihre Heimat. Und sie ist weniger eine Gottheit, wie er zuvor angenommen hatte, sondern eher... pure Energie? Falls auch nur ein winziges Körnchen Wahrheit in diesen Geschichten steckte, dann könnte sie sehr wohl mit der Lösung dieser Rätsel verwoben sein. Er musste in diese Richtung suchen.

„Wenn ich es also richtig verstanden habe, bist du eine Wächterin der heiligen Mutter? Wie kann man über etwas wachen, was laut deinen Worten überall ist? Oder wachst du nur über einen Tempel oder Schrein?" Das würde zumindest im entferntesten Sinne dem nahe kommen, was er kannte...

„Und außerdem... " Arylls Theorie meldete sich wieder lautstark: „Du hast von Energien gesprochen. Die um uns fließen? Woher... Ich meine...Kannst du sie etwa sehen?"



Antworten Zuletzt bearbeitet am 17.09.2022 00:18.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Eventmanager

Neuling

Beiträge: 1006

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 18.09.2022 00:17

Unwillkürlich suchte Nirahs Blick wieder das kleine Wesen in den Bäumen über ihr. Sein Gefährte. Sich war nicht so weit daneben gelegen, als sie ihn mit einem Getreuen verglichen hatte. Würde sie es jemals erleben, ein so enges Band mit einem anderen Wesen teilen zu können?
Auch wenn sie nicht verstand, warum Notos' Namensgebung so verschieden von ihrer eigenen sein konnte, erkannte sie doch eine gewisse Tiefsinnigkeit in seiner Erklärung. Es war gut, wie es in den Stämmen gehandhabt wurde. Was gab es Größeres, als den Namen zu tragen, der einem von jeher zugedacht war. Nirah war überzeugt davon, dass es letzten Endes keine Willkür war, welche Wahl der eigene Geist während und nach der Zeremonie traf. Für sie wäre es nicht möglich gewesen, anders zu wählen, aufgrund der Dinge, die sie empfunden hatte. Ihr Name war schon immer der ihre gewesen. Sie hatte es nur nicht gewusst, bis sie bereit dafür gewesen war.

Wenn es diese Möglichkeit jedoch nicht gäbe, wäre es vielleicht ihre zweite Wahl ihren Namen an ihren Getreuen zu binden. Wenn - falls - es einen für sie gab. Nur, weil es bei den meisten Wächtern so war, hieß noch nicht, dass ihr diese Ehre ebenfalls zuteilwerden würde. Sie hoffte es so sehr. So groß die Verbindung auch war, die sie spürte, wenn sie sich ganz auf ihre Umwelt einließ, war sie vollständig? Wäre sie alleine jemals in der Lage, das ganze Ausmaß der Welt um sie herum zu begreifen?
Sie war gerne alleine. Zumindest, wenn man von menschlicher Gesellschaft sprach. Einsamkeit war etwas anderes. Es schützte sie nicht davor. Nicht immer. Wie wäre es, seine eigene Wahrnehmung, ja ein tiefes Verständnis voneinander, wirklich und wahrhaftig mit einem anderen Wesen teilen zu können?

Sie bemerkte, dass ihr Blick leer geworden war und ihre Gesichtszüge weich, von der Nachdenklichkeit. Auch während Notos' wenig wortreicher Reaktion. Bis ...
Nirah verschränkte die Arme und funkelte ihn an. "Ich bringe dich in mein Dorf, mein Zuhause, und du kannst mir nicht einmal den Namen deiner Heimat sagen? Woher willst du wissen, dass ich nicht schon einmal davon gehört habe? Und selbst wenn nicht, was spricht dagegen?" knurrte sie. Als ob sie eine Antwort bekommen würde. 
Solange er ihr nicht sagte, woher er kam, konnte sie nicht einschätzen, wie weit es war. Nun, eine Sache war klar. Weit. Er musste einfach von außerhalb Prelemors kommen. Es gab keine andere Möglichkeit. 

Sie war schon dabei, ein Bein zu sich zu ziehen, um sich nach oben zu stemmen. Er wollte weiterhin die mysteriöse Aura um sich bewahren. Schön. Dann war das Gespräch beendet. Es brachte sie nicht weiter. Sie würde die Interaktion wie gehabt auf ein Minimum beschränken und hoffen, dass es vorbei war, wenn es ihm gut genug ging, um alleine weiterzuziehen. Die Chancen standen schlecht. Sie kam nicht umhin zu bemerken, dass eine schwer greifbare Müdigkeit aus seinem Blick sprach. Er mochte sie vielleicht vorhin fast zurückgelassen haben, aber sicherlich nicht aus dem Grund, dass er alleine klarkam. Vielmehr aufgrund seiner unendlichen Starrsinnigkeit.
Sie gab gerade ein schmerzerfülltes Zischen von sich, weil sie ihr Bein ungünstig bewegt hatte, als Notos' Frage sie innehalten ließ. Sie schenkte ihm einen bösen Blick, ließ sich aber zurücksinken.

Er hatte ihr gezeigt, wie seine Wunde entstanden war. Sie war es ihm schuldig, ihm Informationen zu geben. Im einen Teil ihrer Fähigkeiten zu zeigen. Zudem wollte sie noch nicht riskieren, ihn zu vergraulen. 
"Ich sehe mich eher als Wächterin des Gleichgewichts. Nicht immer geht alles seinen gewohnten Gang. Wir wirken dem entgegen. Außerdem brauchen die Leute hin und wieder etwas ... Anleitung. Jemanden, der versteht, was vor sich geht. Es gibt keine Tempel. Aber ein paar gesegnete Orte. Und den Mutterbaum natürlich. Er ist das Zentrum, der Mittelpunkt der...."
Kannst du sie etwa sehen?
Mit einem Mal wurde ihr klar, dass er wirklich keine Ahnung hatte. Kein winziges bisschen. Nicht den leisesten Hauch. Er konnte die Energie nicht spüren. Wieso? Und wie in aller Welt war es ihm dann möglich, Magie zu verwenden?

Nirah kniff die Augen zusammen und musterte Notos eingehend. "Ich kann sie nicht sehen", sagte sie langsam. "Ich spüre sie. Schon immer." Gleichzeitig hämmerte ein Chor von Stimmen gegen ihren Schädel, die schrien, dass seine Blindheit für das falsch war. Jeder hatte wenigstens eine Ahnung von der Umgebungsenergie. Auch wenn die meisten sie nicht in einer solchen Klarheit wahrnahmen, wie sie. Aber zumindest sollte jeder grundsätzlich in der Lage sein, einen Teil zu den großen Ritualen beizutragen, die regelmäßig durchgeführt wurden. 

Sie streckte die Hand aus. Und zögerte. Legte sie dann aber doch auf den Boden neben einer winzigen geschlossenen Blume. Wenn sie einmal erblühte, würden kleine weiße Blütenblätter sie zieren. Es war noch zu früh für sie, die Sonne hatte ihre größte Kraft noch nicht erreicht. "Ich zeige es dir", murmelte sie. So wie er ihr den Trick mit dem Schwert gezeigt hatte. 
Nirah schloss die Augen und konzentrierte sich. Es dauerte. Natürliche Prozesse konnten beschleunigt werden, doch es gab Grenzen, wie stark. Da die Blüte allerdings bald schon von selbst aufgehen würde, war es ihr wenigstens möglich einen sichtbaren Effekt zu erzielen. 
Nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille spürte Nirah, wie sich die Pflanze langsam regte. Sie reagierte auf ihren Einfluss, wie sie es auf den der Sonne tun würde. Sie hielt die Augen weiterhin geschlossen, beobachtete innerlich, wie sich die zarten Blättchen nach und nach entfalteten. Erst als sie sicher war, dass sie vollständig erblüht war, öffnete sie die Augen. 
Der größte Teil ihrer vorherigen Verärgerung war verschwunden. Ein lästiger Nebeneffekt, wenn sie Ruhe fand. Sie wollte noch gereizt sein, damit ihm klar war, wie wenig sie von seiner Verschwiegenheit hielt. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen. Suchte nach seiner Reaktion. Was würde es sein? Überraschung, Erkennen, Entsetzen?

Sie deutete mit einem kurzen Nicken in die Richtung der weißen Blüte." Sie lässt sich lenken. Die Energie, meine ich. Nichts anderes habe ich gestern gemacht. Die Schutzzauber. Deine Wunde. Meine Verletzung. Was dachtest du denn, wie es funktioniert?" sagte sie leise. Beinahe unsicher.
"Woher.... woher kommen deine Blitze. Das blaue Leuchten. Woher, wenn nicht ... davon?" Nirah wedelte hilflos mit der Hand und um auf die Natur um sich herum zu zeigen. Sie schluckte einmal schwer. Das machte einfach keinen Sinn. Es gab keine andere Möglichkeit, Magie zu verwenden, oder? Oder?


Möge das Chaos mit uns sein!
persönliches Chaosarchiv - klick
(=Schreibproben / öffentliche Rollenspiele / Ideensammlung)

Musik des Ordens - klick


Antworten Zuletzt bearbeitet am 18.09.2022 00:19.

Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1002

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 18.09.2022 22:17

Er hatte es ja geahnt. Notos blieb unbeeindruckt von Nirahs aufkeimender Erbostheit, erwiderte ihr aufgebrachtes Funkeln mit einer von Ruhe geprägten Miene. „Wenn du der Meinung bist, ich sollte mit meiner Anwesenheit dein Dorf in Gefahr bringen, dann werde ich dies natürlich respektieren und sofort gehen. Der Schutz unserer Heimat steht schließlich an erster Stelle." Einer der Gründe, weshalb er damit haderte, der Heilerin zu viele Informationen dieser Art zu geben. Außerdem...

 

„Du hast allerdings etwas vergessen: Ich habe nie darum gebeten, dass du mich in dein Dorf führst. Die Abmachung lautete von meiner Seite aus nur, dass wir ein temporäres Bündnis eingehen, uns heute austauschen und danach wieder getrennte Wege gehen. Alles weitere war dein Vorschlag gewesen." Sein Blick huschte kurz zu dem gefallenen Biest, bevor er wieder Nirah anschaute, die Brauen diesmal unmerklich zusammengezogen. „Also bürde mir bitte nicht die Verantwortung für Versprechungen oder Nachwirkungen deiner eigenen Aktionen auf." Er trug keine Schuld daran, dass der Rotschopf mit ihm hier die Nacht verbringen musste, statt in der Sicherheit ihres Dorfes zu verweilen. Oder dass sie von dem Monster angefallen wurde. Auch wenn ihm das kurz in den Sinn gekommen war. Aber es waren ihre eigenen Entscheidungen gewesen, deren Konsequenzen sie akzeptieren und tragen musste. Nein, die einzige Schuld, die ganz allein ihm zustand, war....

Das schmerzerfüllte Zischen ermächtigte sich sofort seiner vollen Aufmerksamkeit. Für den Bruchteil eines Augenblickes huschte ein Schatten der Sorge über sein Gesicht, als er seinen Kopf zu Nirahs verletztem Bein senkte. Ein Gefühl des Unwohles nistete sich in seinem Inneren ein, schien ihn geradezu umklammern zu wollen. Er schüttelte es mit aller Macht ab. Vergangenes kann man nicht ändern, rief er sich in Erinnerung. Stattdessen versuchte er seinen Fokus auf anderes zu richten. Wie die Informationen, die Nirah ihm überraschend bereitwillig gab. Wächterin des Gleichgewichtes. Schon wieder diese Beschreibung. Und schon wieder meldete sich diese Stimme, aus der das spottende Grinsen geradezu triefte. Genau wie du. Seine Miene verfinsterte sich nachdenklich. Nein, niemals. Sie achteten nicht auf dieselbe Art von Gleichgewicht. Vielmehr...

Mit einem Mal richtete sich Notos in seiner sitzenden Position blitzartig auf. Als hätte ihm jemand einen elektrischen Schlag verpasst. Das intuitive Kribbeln in seinem Nacken sprach dafür, schickte fast schon schmerzhafte Wellen seinen Rücken herunter. Hatte... hatte sie gerade von einem Mutterbaum gesprochen? Nein, oder? Der Weißhaarige kämpfte das hartnäckige, intensive Gefühl nieder, seine Augen zu reiben. Die Müdigkeit hatte scheinbar einen größeren Effekt auf ihn als gedacht. Er sponn sich bereits die wirrsten Dinge zusammen. Das war nur Einbildung. Zufall. Nirah schien sehr naturverbunden, selbstverständlich hatte ihre heilige Mutter etwas mit einem Baum zu tun. Ist das wirklich nur ein Zufall?, ertönte es flüsternd in seinem Hinterkopf. Wissend. Hämisch. Zum ersten Mal seit langem wünschte Notos sich, dass seine innere Stimme einfach ihre Klappe halten würde.

Nirah kam ihm mit ihren weiteren Erläuterung sehr entgegen. Den kleinen Aussetzer in seiner Atmung vertuschte er, indem er tief Luft holte, die Augen kurz schloss. Er hörte der Heilerin bedächtig zu, so knapp gehalten ihre Aussage auch war. Verfolgte aber fast eher den Klang ihrer Stimme, der langsamen, verdeutlichenden Aussprache, als dem Inhalt. Ich spüre sie. Schon immer. Sein Blick fiel wieder auf die Rothaarige. Er betrachtete sie schweigend dabei, wie sie diesmal ihre Augen schloss. Wie sich ihr Brustkorb leicht hob und senkte. In einem immer wiederkehrenden, ruhigen Rhythmus. Unbewusst, beinahe automatisch, versuchte er ihn nachzuahmen. Seine Begleiterin für diesen flüchtigen Moment bei ihren Vorbereitungen für ihre Vorführung zu beobachten, half ihm, sich wieder zu erden.

Fast schon überkam ihn die Sorge, diese friedliche, einlullende Stille würde sofort zerbrechen, wenn ihm auch nur ein Ton über die Lippen kommen sollte. Also blieb er stumm – nicht, dass ihm das sonderlich schwerfallen würde – und ließ seine Aufmerksamkeit immer wieder umherschweifen. Zu Nirah. Zu ihren Händen. Zu der kleinen Pflanze vor ihr. Wiederholte dies erneut. Bis... ja bis sich etwas tat. Notos zog seine Brauen zusammen, die sonst so gutmütigen Züge auf seinem Gesicht hart vor Anspannung. Eingängig musterte er die winzigen, fragilen weißen Blüten, die sich tatsächlich langsam... entfalteten. Irgendetwas begann tief in ihm zu brodeln. Hatte Nirah gerade etwa... irgendeine Energie auf die Blume angewandt? Nein, niemals. Oder doch? Aber das war... Sein Blut fühlte sich mit einem Mal einen Tick zu heiß an, die Hitze überrollte ihn in Wogen, verführte seinen Herzschlag zu einem schnelleren Tempo. Für einen Moment spürte er eine Hand auf seiner Schulter, eine ihm zu gut bekannte, helle, euphorische Stimme, nah an seinem Ohr. Wenn diese Theorien wahr wären... das wäre revolutionär! Seine Mundwinkel zuckten nach oben.

Und Notos... begann zu strahlen. Alles, was die Heilerin ihm danach noch versuchte zu vermitteln, ging mit dem Rauschen in seinen Ohren unter. Ohne Nachzudenken, komplett im Moment verloren, lehnte er sich etwas vor, griff vorsichtig nach der Hand seiner Begleiterin, berührte leicht ihren Handrücken. Zog sich allerdings sofort wieder zurück, tippte stattdessen umso sanfter auf die kleine Blüte. Fast schon bedächtig, als hätte er Angst, sie würde sich bei dem Hauch eines Kontaktes wieder schließen oder gar verwelken. Schüttelte abermals ungläubig den Kopf. Und begann nur noch breiter zu grinsen. Als sein Blick auf den von Nirah traf, leuchteten seine Augen im unberührten Blau des Himmels - beinahe wie die eines Kindes, welches zum ersten Mal einen Sternschnuppenregen zu Gesicht bekommen hatte. Aus seinen Zügen sprach pure Begeisterung. „Wie in aller Welt?" Freudige Aufregung schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit. Und dann war der heraussprudelnde Wasserfall an Fragen auch nicht mehr aufzuhalten: „Wie hast du das gemacht? Du hast Energien... gelenkt? Also aus der Umgebung? Wie funktioniert das? Aber die Energie kann sich nicht stauen richtig? Wenn du sie irgendwo hin lenkst, dann bleibt sie nicht dort, wird nicht absorbiert? Sie muss wieder irgendwo verschwinden." Er holte Luft. Dachte nach, seine Gedanken verbanden viel zu schnell alle möglichen Theorien. Natürlich konnte die Energie nicht bleiben. Sein Körper würde diese niemals aufnehmen können, das hätte er gespürt. Vielleicht weil es... unterschiedliche Energien waren?

Notos Augen nahmen einen fiebrigen Glanz an, als er wie Aryll damals unvermittelt beide Hände der Heilerin in die seine nahm. „Was kann man damit alles machen? Heilen und Schützen? Bestimmt noch mehr, richtig? Aber wie? Gibt es beim Heilen eigentlich auch verdorbene Energien? Zum Beispiel wegen Krankheit oder einer Vergiftung? Wird die auch wieder in die Umgebung geleitet? Hat das Nachfolgen? Und überhaupt.... Können nur Wächter das tun, was du getan hast? .... Warte, kann man es lernen?!"

Für eine lange Weile starrte er Nirah einfach nur strahlend an – dann überfiel ihn ein heißer Schauer der plötzlichen Erkenntnis und sofort zog er seine Hände wieder zurück, rutschte sogar ein wenig nach hinten, um mehr Distanz zwischen sie beide zu bringen. „Tut mir leid!". Er sprach ein bisschen zu schnell, ein bisschen zu hastig. Die Verlegenheit spiegelte sich sowohl in seiner Stimme, als auch in dem verräterischen Kontrast zwischen seinen geröteten Wangen und dem beinahe schneeweißem Haar wider. Notos schloss die Augen, faltete seine Hände vor dem Gesicht und versuchte sich zur Ruhe zu zwingen. Es gelang so halb. Das von purer, kindlicher Freude geprägte Lächeln blieb, als er die Heilerin erneut ansah: „Es ist einfach nur... sehr kurios für mich. Sehr faszinierend. Der Ritter sah wieder zu der winzigen Blüte. Dann zu seiner Begleiterin. Haderte für einen Moment, bevor ihn die Entschlossenheit packte.

Als er dieses Mal das Wort erhob, wirkte er fast schon wieder so ruhig wie zuvor: „Sag... wärst du vielleicht gewillt, das nochmal zu tun? Während ich allerdings deine Hand halte? Ich wäre im Gegenzug dazu auch bereit zu sagen, woher ich komme." Auch wenn ich den Sinn dahinter immer noch nicht ganz verstehe, fügte er leise in Gedanken hinzu.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 19.09.2022 16:30.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Eventmanager

Neuling

Beiträge: 1006

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 19.09.2022 22:50

Nirah hatte nachdrücklich und mit eingebranntem, düsterem Blick den Kopf geschüttelt. Es ging doch nicht darum, dass Notos eine Gefahr für ihr Dorf darstellte. Wobei ... ganz sicher konnte sie sich nicht sein. Sie war größtenteils sicher, dass er weder sie noch jemanden aus dem Dorf angreifen würde. Nicht ohne guten Grund. Das musste vorerst genügen. Es ging um das Prinzip. Er hatte vielleicht nicht darum gebeten, dorthin gebracht zu werden, doch sie hatte die Entscheidung getroffen, als er noch blind gewesen war. Woher hätte sie denn wissen sollen, dass dieser Zustand einfach so wieder verfliegen würde? Er hat es dir gesagt. Nun, er sagte viel. Und vieles davon ergab keinen Sinn. Auch wenn sie inzwischen beinahe vollständig davon überzeugt war, dass dies vor allem mehr an ihrer unterschiedlichen Herkunft lag als an seinem Mangel an Ernsthaftigkeit. 

Inzwischen standen die Dinge wieder ganz anders. Solange sie nicht wusste, welche Rolle er für sie spielte, durfte er nicht verschwinden. Die beste Möglichkeit dies sicherzustellen war, ihn wie geplant zum Dorf zu bringen. Dort konnte er unterkommen, bis er gänzlich gesund war. Außerdem ... sie hatte versprochen, sich um sein Wohl zu kümmern. Ober er nun blind war oder nicht, tat nichts zur Sache. Solange sie nicht sicher war, dass seine Verletzung ohne Komplikationen verheilen würde, hatte sie ihr Versprechen nicht erfüllt. Das redete sie sich zumindest ein. Es war ganz sicher nicht ein rein egoistischer Wunsch, ihn bei sich zu behalten, bis das Rätsel um seine Anwesenheit geklärt war. Bis sie ihre Aufgabe erfüllt hatte. Und keinesfalls war es der beste Plan, der ihr einfiel, stoisch an ihrer Abmachung festzuhalten, die zum aktuellen Zeitpunkt schon zu bröckeln begann. 

"Es geht nicht darum, wer wen gebeten hat." hatte sie gezischt, aber keine anderen Worte mehr gefunden, um zu erklären, warum sie seine kalte Antwort so ärgerte. Nein, es ging um .... Vertrauen? Es klang nicht ganz richtig. "Die Abmachung war, dass ich mich um dich kümmere, bis du alleine klarkommst. Tu gar nicht erst so, als wäre das der Fall, Donnerschwinge. Du kommst mit ins Dorf und bleibst dort, bis du gesund bist." hatte sie dafür mit einer entschlossenen Grimmigkeit geantwortet, die keinen Raum für Widerrede zuließ. Nein, sie würde nicht mit ihm diskutieren. Es hatte sie einen großen Teil ihrer Selbstbeherrschung gekostet, nicht stattdessen eine Reihe von Verfluchungen über ihn hinweg regnen zu lassen. Seine Selbstgerechtigkeit erzeugte recht bildhafte Mordvorstellungen in ihrem Kopf. Er tat ja gerade so, als sei es ihre Schuld, dass er so unfassbar geheimnistuerisch war. Ohne jeden Grund, wohlgemerkt.

Jetzt allerdings saß sie da und starrte ihn mit der größten Verwirrung an, zu der sie fähig war. Was war plötzlich in ihn gefahren? 
Als sie die Augen geöffnet und ihre Konzentration wieder auf ihren Gegenüber gerichtet hatte, war dessen Gesichtsausdruck undeutbar gewesen. Aber dann hatte sich sein Mund langsam zu einem breiten Lächeln verzogen, das seitdem nicht mehr verschwunden war. Es machte ihr in seiner Intensität fast Angst. Sein abrupter Wechsel von frostiger Abweisung zu ungehemmtem Entzücken war ... unnatürlich. 

Unerwartet hatte er sich in ihre Richtung gelehnt. Eine ebenso sanfte wie flüchtige Berührung an der Hand, die sie noch immer auf dem Boden neben Blume lag, ließ sie erstarren. Sie hatte kaum scharf die Luft eingesogen, da lag seine Aufmerksamkeit auch schon bei dem kleinen Pflänzchen. Er berührte die Blüte mit solcher Ehrfurcht ... Wie ein Wunder, das sich gerade vor seinen Augen entfaltet hatte. Nirah legte den Kopf schief, öffnete den Mund, um etwas zu sagen und schloss ihn wieder. Sie zog ihre Hand in ihren Schoß und umklammerte sie dort mit der anderen. In Sicherheit vor Notos' Tendenz, sie in den überraschendsten Momenten anzufassen. 

Eine Flutwelle an Fragen überrollte Nirah. Sie blinzelte ein paar Mal. "Ich ... ja aus der Umgebung." fing sie langsam an. "Sie fließt weiter, wenn ich sie loslasse. Außer ... es gibt Fälle, in denen ihre Bahn dauerhaft verändert wird." erklärte sie beinahe mechanisch auf seine Fragen. Die Antworten suchten sich automatisch ihren Weg nach außen. Innerlich wusste sie aber noch nicht, wie sie mit dieser brennenden Neugier umgehen sollte. Wieso hatte er ein so großes Interesse daran, wie die Magie funktionierte? Weil er sie nicht kennt. Eine einfache Feststellung, die dennoch eine große Bedeutung hatte. Nirah versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Eine Frage nach der anderen. Sie schloss einige Sekunden lang die Augen und wollte dann damit beginnen, ausführlicher darauf einzugehen. Gegenfragen zu stellen. Das Mysterium ihrer beiden Magiearten offenzulegen. 

Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als Notos nun beide Hände nach den ihren ausstreckte. Ihr Blut gefror mit einem Mal zu Eis. Vollends perplex leistete sie nicht einmal Widerstand. Sie lösten sich von alleine voneinander und folgten seinen. Warm. Ein starker Kontrast. Mit aufgerissenen Augen entgegnete sie dem Blick seiner fieberhaften Begeisterung. In dem Moment als der Drang, ihm ihre Hände unbedingt sofort entziehen zu müssen, überwältigend wurde, entschied er glücklicherweise selbst, sie loszulassen. Nirah holte Luft und bemerkte erst jetzt, dass sie vergessen hatte zu atmen. Sofort zog sie ihre Arme zu sich und verschränkte sie schützend vor ihrem Körper. Den Kopf drehte sie zur Seite, den Blick abgewandt zu Boden gerichtet.
"Könntest du bitte aufhören, mich ständig so anzufassen?", krächzte sie, schaffte es aber nicht den geplanten Nachdruck hineinzubringen. Ihre Stimme klang zu hoch. Fast unsicher. Sie wusste selbst nicht, wieso sie das so sehr durcheinander brachte. Noch mehr als der verwirrende Moment letzte Nacht, als er bewiesen hatte, wie viel er sehen konnte. Es war einfach zu nah, zu vertraut, zu ungewohnt. Leider konnte er jetzt tatsächlich sehen. Das hieß, ihm konnte ihre Befangenheit dieses Mal nicht entgehen. Die leichte Röte. Ihre angespannt zusammengepressten Kiefermuskeln. Ihre defensive Körperhaltung. Das machte es nur unangenehmer.

Innerlich war Nirah vollkommen auf dem Rückzug. Die nächsten Sätze trafen sie ebenso unvorbereitet wie alles davor. 
Ich wäre im Gegenzug auch dazu bereit, zu sagen, woher ich komme. 
Ihre Augen huschten schnell und vorsichtig zu Notos. Er wollte was? Hatte er sich nicht eben noch mit größter Überzeugung über ihre Neugierde beschwert? Jetzt sollte sie plötzlich die gewünschte Information erhalten? Einfach so?
Nein, nicht einfach so. Für einen Gefallen.
Sie müsste ein weiteres Mal seine Hand ergreifen. Keine leichte Aufgabe in genau diesem Augenblick. Davon abgesehen, dass seine Bitte keinerlei Sinn ergab. Und doch ... sie wollte diese Information haben. Sie verfluchte die Tatsache, dass er sie mit solcher Leichtigkeit zu seinen Gunsten beeinflussen konnte. Gerade jetzt.
Sie haderte dennoch lange mit sich. Löste die Verschränkung ihrer Arme. Fuhr sich durch die Haare. Rieb geistesabwesend ihre Handflächen aneinander. Irgendwann schenkte sie ihm ein winzig kleines Nicken, ohne ihn auch nur einmal richtig anzusehen. "Ich werte das als Versprechen", murmelte sie und suchte nach einer anderen kleinen Blume. Sie gab Notos nicht die Chance, sie ein weiteres Mal von sich aus zu berühren. Stattdessen streckte sie nun ihre Hand aus und nahm die seine mit absichtlicher Grobheit. Sie rückte näher zu ihm, sodass sie eine halbwegs angenehme Position finden konnte. Ohne Spannung auf den Armen. Die beiden Hände locker auf dem Boden abgelegt. Die freie Hand legte sie abermals auf den Boden, neben einer anderen geschlossenen Blume.

Seufzend schloss sie noch einmal die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Es fiel ihr schwer. Es lenkte sie ab, dass da nicht nur der kühle Untergrund, der milde Wind in ihren Haaren und die wärmende Sonne auf ihrem Rücken war. Sondern auch die Empfindung von warmer Haut unter ihrer eigenen. Dabei war es nicht ungewöhnlich, dass sie jemanden berühren musste, wenn sie ihre Fähigkeiten für den Stamm verwendete. Es war nichts anderes, oder? Eigentlich nicht. Wäre es nicht gewesen, wäre sie nicht immer noch mehr durcheinander, als ihr lieb war. Sie fühlte sich auf seltsame Art bloßgestellt und verwundbar. Es war alleine der Wunsch, endlich eine Antwort zu bekommen und die damit einhergehende eiserne Entschlossenheit, die sie dazu brachte, trotzdem Notos' Bitte nachzugehen. 

Es dauerte länger als gewöhnlich, bis es ihr gelang, die erforderliche Ruhe zu finden. Schließlich wurde ihr Atem doch ruhiger, die Anspannung verschwand aus ihren Muskeln. Notos' Anwesenheit wurde zu nichts Weiterem, als einem der vielen Eindrücke, die gleichzeitig auf sie einströmten. Nicht mehr oder weniger bewusst als diese, sondern gleichwertig neben ihnen stehend. Nirah wiederholte die Prozedur von eben. Sie ließ sich treiben, vergaß alles außer der winzigen Blüte, die langsam ihre Blättchen entfaltete. Ein gelöstes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Es würde eine hübsche Blüte werden, jung und kräftig. Von einem strahlenden Gelb. Wie die Sommersonne über ihr und der Person, deren Hand sie hielt. Unwillkürlich bewegte sich einer ihrer Finger in einer beruhigenden Geste. Wie um ihr die Schönheit zu vermitteln, die sich gerade vor ihnen abspielte.

Erst als auch diese Blüte sich vollständig geöffnet nach oben reckte, öffnete Nirah die Augen. Ein wenig orientierungslos sah sie die Blume an, die genau so aussah, wie sie gedacht hatte. Dann beäugte sie ihre eigene Hand, die noch immer eine andere in einem leichten Griff hatte. Erst jetzt kam sie zurück in der Realität an. 
Notos. Die Hand gehörte ihm. Sie hatte ihm noch einmal ihre Fähigkeiten vorgeführt. Damit er ihr sagte, woher er kam. Und ... sie sollte ihn loslassen. Unbedingt.
Fast ruckartig befreite sie sich von ihm. "Wieso ... wolltest du das?", fragte sie leise. Sie räusperte sich einmal und fand endlich annäherungsweise zu sich selbst zurück.
"Das ist das letzte Mal, dass ich mich von dir erpressen lasse." grollte sie. "Also...ich höre...?" forderte sie ihn zu einer Antwort auf. Woher kommst du?


Möge das Chaos mit uns sein!
persönliches Chaosarchiv - klick
(=Schreibproben / öffentliche Rollenspiele / Ideensammlung)

Musik des Ordens - klick


Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.09.2022 00:37.
Erste Seite  |  «  |  1  |  2  |  3  |  4  |  5  |  6  ...  16  |  »  |  Letzte

« zurück zu allen Themen