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Re: Hochzählen bis ins Unendliche
von hazelandpine am 09.09.2024 15:493239
Then something broke in me and I wanted to go home
To be where you are
Re: Schreibzirkel: 52 Wörter
von random.xme am 09.09.2024 09:42Wort der Woche KW 37: Verantwortung
Grille
Re: Schreibzirkel: 52 Wörter
von random.xme am 09.09.2024 09:31Reisetechnischer Optimismus
KW 36: Selten
Freitag, 06.09.24 - 10:28
"Ihre Fahrt fällt aus" die rote Meldung meines DB-Navigators ließ mir das Herz in die Hose, wie den Lappen in das Spülbecken rutschen. Umorganisieren. Ruhe bewahren. Notdürftig trocknete ich meine pitschnassen Hände an der Hose ab und überflog meine neuen Reisedaten. Feuerwehreinsatz auf der Strecke aber hey: Meine Zugverbindung ist aufgehoben. "Das wird schon" murmelte ich mir selbst zu, als ich auf den Reiter "Alternativen suchen" klickte. U-Bahn, Regionalverkehr, Regionalverkehr, Gott sei Dank kein Bus. 2 Stunden länger unterwegs, 8 statt 6 Stunden bei sommerlichen 30° und voll ausgelasteten Zügen.
"Tut mir leid Leute, aber da müssen wir heute durch" sagte ich zu meiner heutigen Reisebegleitung. Zwei Monsterableger und eine grün-blättrige Avocadopflanze äußerten sich schweigend zu unserer missligen Lage.
Selten habe ich mich weniger auf eine Zugfahrt gefreut - aber mit der richtigen Einstellung würde wohl auch dieses Abenteuer ein Rechercheluxus der ersten Klasse werden. "Ich mache einfach aus Scheiße Gold und schreibe darüber eine Kurzgeschichte" erzählte ich meiner Mutter in einer Audio und finde mich im ICE Richtung Norden wieder. Die Klimaanlage ist auf kuschelige seichte Erkältung gestellt und ich tippe auf meiner kleinen Handytastatur diese Zeilen. Neben mir riecht es nach kaltem Rauch, aber sonst scheint mein Sitznachbar sehr freundlich, aber kaum gesprächig zu sein. Der dicke Reiserucksack, der über die Jahre ein treuer Freund und eine genügsame Reisebegleitung wurde, liegt sicher verstaut in der Kofferablage und ich überlege, ob ich ihm einen Namen gebe.
Freitag, 06.09.2024 - 11:28
Wir drei mussten unseren Sitzplatz aufgrund einer Reservierung räumen. Da vergisst man einmal sich selbst den DB-Studenten-Luxus zu gönnen und schon muss man samt Tasche, Pflanzen und mittelguter Laune den Wagon erkunden.
Besetzt, reserviert, besetzt - frei. Ich ließ meine Tasche auf den Sitz plumpsen und erinnerte mich im selben Moment daran, dass zwei Pflanzen in Glasflaschen vielleicht einen pfleglicheren Umgang erwarteten.
Alles nochmal gut gegangen. Meiner neuen (nicht nach Rauch riechenden, aber noch schweigsameren Sitznachbarin) klagte ich das Leid meiner Reisegenossen und mir.
21 ist also das Alter in dem man zu einer diesen unangenehmen Zugreisenden wird, die sich gezwungen sahen ihre banalen Gedanken jedem mitzuteilen, der nicht nach 3 Sekunden die Kopfhörer demonstrativ & tief genug in die Ohren stecken konnte.
Berlin Hauptbahnhof, mein Geduldsfaden & gute Laune des Tages wird zum zweiten Mal auf die Probe gestellt, als eine laut krakelende Schulklasse ausgerechnet in unseren Wagen einsteigen muss. Jetzt rieche nicht nur ich nach Sommer und Stress, sondern auch eine Horde pubertärer Jugendlicher beginnen sich ihre Plätze zu suchen. Keine Reservierung. Warum auch. Man ist ja nur mit 30 Jugendlichen, an einem Freitag in einem ICE unterwegs. Was kann da schon schiefgehen.
Erleichtert nicht die Aufsicht zu haben, setze ich mir schnell die Kopfhörer auf, damit mich niemand in ein Gespräch verwickeln kann.
Freitag, 06.09.2024 - 12:10
42% bis in den Norden würde mein Akku wohl kaum halten. Etwas in Gedanken steckte ich meinen Adapter in die dafür vorgesehene Steckdose zwischen den Sitzen. Ein Surren meines Telekommunikationsgerätes versicherte mir, dass es nun fleißig die Ladeanzeige in Richtung 100% bringen würde.
"Bye Bye I dont want to be a fool for you. Just another Player in your Game for two" Summte ich in Gedanken mit, als ich nochmal einen Blick auf das Display wagte. Fährt der Zug etwa mit meinem Strom?! Die Ladeanzeige zeigte traurige 28% und ich hätte fast geschnaubt. 100% Ökostrom Deutsche Bahn? Das ich nicht lache 100% Strom argloser Technikfanatiker. Gerade als ich das aprubte Ende unserer Reise aufs Spiel setzten wollte, und das Ladekabel frustriert an mich reißen wollte, sah ich dass das vertraute Blitzsymbol gar nicht in der Leiste leuchtete. Ich checke lieber mal die Steckdose bevor ich in Gedanken eine saftige Reddit-Triade formulierte, die ich wohl nie abschicken würde. Ich saß bei einer der vielen ausgenudelten Steckdosen der ICE. Diese Art der Steckdose, bei der ein KfZ-Elektriker meines Vertrauens, wohl einen Schreckinfarkt bekommen hätte. "Was soll's" dachte ich mir und drückte das Bein gegen den Adapter bis ein zweites Surren mein Telefon durchfuhr. Jetzt musste ich halt nur genau so für die restlichen 2 Stunden Zugfahrt sitzen bleiben. Eine meiner leichtesten Übungen. "Bye Bye I dont really want to make it tough. I Just wanna Tell you that I had enough"
Freitag, 06.09.2024 - 14:30
9 Minuten Verspätung - nein wieder nur 7, warum kommen wir denn bitte jetzt doch erst 14:22 an?! 14:26 fährt meine U-Bahn - 5 Minuten laufe ich dort hin. Jedenfalls wenn ich wüsste wo ich eigentlich lang laufen muss. Der DB Navigator schickt mir freudig Updates, wie sich 2x umsteigen später das Gleis ändert - während ich mich frage ob auf dem Hamburger Bahnhof eigentlich ein Fluch liegt, weil ich mich nicht daran erinnern kann einmal genug Zeit zum Umsteigen gehabt zu haben. Nicht dass ich nicht dazu in der Lage wäre eine angemessene Zeit dafür bei der Ticketbuchung zu berücksichtigen - eher dass selbst eine Stunde Zeit zum Umsteigen irgendwie von Verzögerungen minimiert wird. Ruhe bewahren. Umorganisieren, vllt bleibt ja sogar Zeit für ein Franzbrötchen, wenn ich meine U-Bahn verpasse. Eine Stunde Lebenszeit & 2,00€ für ein Franzbrötchen.
Freitag 06.09.2024 - 14:22
Die U-Bahn hat auch 2 Minuten Verspätung, wenn ich die Beine in die Hand nehme und meiner Sportlehrerin ein weiteres Mal zeige, dass die unterdurchschnittliche Note im Cooper-Test mehr als ungerechtfertigt war, dann könnte ich es schaffen. 14:23...14:24. Der ICE hält an.
Die U-Bahn hat auch 2 Minuten Verspätung, wenn ich die Beine in die Hand nehme und meiner Sportlehrerin ein weiteres Mal zeige, dass die unterdurchschnittliche Note im Cooper-Test mehr als ungerechtfertigt war, dann könnte ich es schaffen. 14:23...14:24. Der ICE hält an.
"NEIIIIIIIIIN" höre ich mich dramatisch schreien. Natürlich nur in meinem Kopf, am Ende halten meine Mitreisenden mich noch für völlig irre. Der Rucksack, an dem eine junge Dame hängt, die 2 Pflanzen unterm Arm trägt und alle 30 Sekunden den DB-Navigator aktualisiert.
Das Gleis auf das wir fahren sollten ist noch belegt...das Gleis auf dem wir ankommen sollten ändert sich und ich spüre wie irgendwo unter mir, in den Tunneln Hamburgs meine U-Bahn gerade abfährt. "Das wird schon" spreche ich mir motiviert zu und freue mich auf ein Franzbrötchen mit weißer Schokolade.
Freitag, 06.09.2024 - 15:30
Saperlot, das gibt's doch nicht oder wie sagt man hier oben so schön: Wat et nit all jöwt. Da hat sich schon wieder jemand an meinem Lieblings-Gebäckstand vorgedrängelt. So sicher wie das Züge verpassen in Hamburg ist, sind auch die Kunden dieses Cafes, die so tun als würden sie mich und mein Schlachtschiff von Rucksack nicht sehen. Junge Frau, sie müssten dringend zum Optiker und ihre Brille polieren, diese Sehschwäche kann Lebensbedrohlich sein. Was übersieht sie als nächstes?
2,25€ pro Franzbrötchen. Wenigstens lächelt mich der Bäckereiverkäufer dabei an. Erstklassigkeit kennt nunmal auch seinen Preis. "Egal" sage ich mir und mache mich auf die Suche nach dem U-Bahn Gleis. Vorbei an einem wundervoll duftenden Blumengeschäft, rein in eine dunkle Enge, wuselige Menschen und bunten Kacheln, die wohl etwas Fröhlichkeit versprechen sollten. Ich dachte an mein Franzbrötchen und wie gern ich der Dame "Klei mi an de fööt" gesagt hätte und sie spüren lassen wollte, was passierte wenn man das Kampfgewicht von mir und meinem Rucksack unterschätzte. Sie wäre gestrauchelt und ich hätte mir einem diabolischen Grinsen 15 Sekunden eher mein überteuertes Franzbrötchen bezahlt. Wie albern der Gedanke doch war. Wenigstens brachte er mich zum schmunzeln.
Ich spüre meinen Hintern nicht mehr. Als hätte mir der Zahnarzt statt ins Zahnfleisch, die Betäubung direkt in mein Sitzfleisch gejagt. Meine beiden Pflanzen hielten tapfer auch die Fahrt durch den Hamburger Speckgürtel durch (immerhin hatten sie einen Sitzplatz am Fenster bekommen). Untergrundbahnen fuhren hier in Hamburg nicht alle im Untergrund. Manche fuhren auch an der frischen Luft, fast so wie kleine Würmchen die es eben auch Mal genossen sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen.
Nun sitze ich wieder. Und zwar auf einem Bahnsteig der mit einem Knacken in der Leitung und einem süßlichen: "Wegen hoher Auslastung gibt es Einschränkungen auf...ja genau ich sehe richtig, genau auf der Linie die du arme Maus fahren willst. Da haste Pech" - zugegeben, den zweiten Teil habe ich dramaturgisch etwas meinem Gefühl angepasst. Ich beiße in mein Franzbrötchen und denke daran, wie mein Rucksack, meine Pflanzen und ich uns den Weg in einen überfüllten Wagen kämpfen.
"Klei mi an de fööt" werde ich rufen und wahrscheinlich werden mich alle für irre halten.
Freitag, 06.09.2024 - 18:06
Natürlich habe ich nichts gerufen & ich habe auch nicht geschubst als ich in den Zug kletterte. Meine Pflanzen auf dem Schoß, den Rucksack zwischen den Beinen. Eine Schulklasse steigt ein.
"Warum immer ich" - diesmal sage ich es sogar laut. Das einzige was noch schlimmer wäre, wäre eine zweite Schulklasse oder gar ein Junggesellinnenabschied. Eine zweite Klasse, mir nur allzubekannte Klasse hüpfte nach mir in den Zug. Ich erkannte einige der Schülerinnen aus dem ICE und seufzte leise. Ein Junge nahm neben mir Platz und natürlich musste es ausgerechnet der sein, der alle 20 Sekunden seine Seele durch die Nase nach oben zog - wobei sein Gaumensegel jedes Mal ein widerwertiges Schnarchgeräusch machte. Ich fragte mich, ob diese Fahrt nur schlimmer werden konnte und ja...ja das konnte sie.
Nachdem wir nach der 4. Von 19. Haltestellen im 3 Minutentakt Zustände aus 9€-Ticket Zeiten erreicht hatten, alle Fahrradfahrer längst aus den Räumlichkeiten der DB entfernt wurden - würde auch langsam die Luft immer schlechter. So fleißig wie die Klimaanlage auch feuerte, sie gab nach nicht mal 10 Minuten Fahrt gänzlich den Geist auf und wir waren auf die spärlich gekippten Fenster angewiesen, die bei jedem Halt für 2 Sekunden die weniger stickige, dennoch warme Sommerlift in das Innere der Sardinen-Büchse pustete. Je mehr Leute einstiegen, desto langsamer wurde der Zug. Die Verspätung summierte sich zu fatalen 20 Minuten. Anschlusszug nicht erreichbar. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob weinen ein ernsthafter Lösungsversuch war?
"Soll ich dich abholen?" Ein seichter Tränenschleier ließ mich die Buchstaben auf den ersten Blick nicht identifizieren - aber sie waren da und ich tippte aufgeregt: Ja bitte! Mein Akku war bei 8%, ich bekam keine Luft mehr im Zug, meine Tasche war schwer und die Monstera ließ die Blätter geschafft hängen, als ginge es ihr da ganz ähnlich wie mir. Mein Reiseoptimismus von heute früh war wie weggefegt und ich brauchte dringend eine Umarmung auf Rezept!
Grille