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The Headwinds - Handlung

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Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

Beiträge: 1004

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 29.10.2023 20:15

So groß seine Freude darüber sein mochte, hier über Nirah zu stolpern, sie wurde nicht erwidert. Seine unruhige Energie traf auf eine undurchdringbare, kühle Wand.
Ach, Abschied. Notos schaute sofort überrascht auf, als ihn die Schärfe der Worte traf. Musterte verwundert das Gesicht vor ihm. Fand jedoch nichts außer angespannten Zügen und einer finsteren Kälte. Augenblicklich zog er den Kopf ein. Warum überfiel ihn das Gefühl, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte? Seine Finger bohrten sich verkrampft in seinen Nacken. „Natürlich habe ich Zeit dafür", erwiderte er auf den kaum versteckten Vorwurf der Heilerin. Er würde sich immer Zeit für einen Abschied nehmen. Schließlich wusste er am besten... Notos schluckte befangen, wich einen winzigen Schritt zurück. „Ich wäre gekommen. Hab dich nur noch etwas länger schlafen lassen wollen", versuchte er leise zu erklären. Es klang selbst in seinen Ohren wie eine Ausrede.

Einen Moment lang sah er suchend in Nirahs Augen. Hoffte darauf, den kleinsten Funken von Verständnis in diesen zu sehen. Er hoffte vergebens. Jetzt geh endlich. Getroffen verzog er das Gesicht. Senkte langsam seinen Kopf, ließ seinen Arm wieder fallen. Stieß gepresst die Luft aus. Und schaffte es dennoch nicht der klaren Anweisung Folge zu leisten. Er verharrte weiterhin wie angewurzelt an Ort und Stelle, nicht gewillt, sich zu rühren. „Nirah, ich...", versuchte er erneut das Wort zu ergreifen.

Hinter ihm erklang Weißhaars Stimme, dicht gefolgt von einem Fauchen, welches Jasper stolz gemacht hätte. Dann machte es den Anschein, als würde die Heilerin endgültig das Gespräch beenden und flüchten. Oder...doch nicht? Verwundert verfolgte Notos, wie Nirah ihm den Rücken zudrehte und ging. Nur um abrupt wieder kehrt zu machen und seine Hand zu packen. Überrumpelt ließ er sich widerstandlos nach draußen mitziehen. Falls er erwartet hatte, dass sie sofort durch die nun offenstehende Tür verschwinden und ihn stehen lassen würde, so lag er falsch. Sie ließ ihn stehen – und sich gleich mit dazu.

Notos wagte es kaum zu atmen, während Nirah vor ihm offensichtlich mit sich rang. Als würde eine einzige falsche Bewegung ausreichen, dass sie sich doch umentschied und gehen würde. Doch diese Befürchtung trat nicht ein. Stattdessen... wünschte sie ihm abermals eine gute Reise? Deutlich weniger feindselig als zuvor jedoch. Er blinzelte verdattert. Mehrmals. Seine Brauen verzogen sich nachdenklich, während er sie vorsichtig betrachtete. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie... anders ihre Ausstrahlung wirkte. Unruhe. Sie war aufgewühlt. Weitaus stärker als sonst. Ihre Aura musste so wild flackern wie eine Flamme, die durch einen Luftzug zu erlöschen drohte.

Allmählich wich die Anspannung aus seinem Körper. Der Griff um seine Hellebarde lockerte sich. Er schloss kurz die Augen. Tätigte einen tiefen Atemzug. Einen weiteren. So lange, bis er zu seiner eigenen, vertrauteren Gefasstheit zurückfand. „Ich danke dir für alles. Ich werde das nicht vergessen.", fing er bedächtig an. Lehnte dabei seine Waffe gegen die Holzwand, den Blick zu Boden gerichtet. Dann hob er den ruckartig den Kopf an. Der Gedanke, der durch seinen Kopf blitzte, wanderte wie von selbst über seine Lippen. „Ich werde dich nicht vergessen."

Eine Zeit lang sah er Nirah stumm an, beinahe erstaunt über seine eigenen Worte. Nach und nach verschwand dieser verwunderte Ausdruck jedoch, hinterließ nichts als eine schwer zu verbergende, sanfte Wärme. Lächelnd erhob er eine Hand, legte diese sachte auf den Kopf der Heilerin ab. Dieses Mal würde seine Aura mit Sicherheit zu ihr rüberschwappen. Sollte sie sich doch über die ihre legen wie ein schützender Mantel. „Leb wohl, Feuerherz. Möge die heilige Mutter dir weiterhin den Weg weisen...", fing Notos an. Stockte kurz, bevor er seine andere Hand verhalten auf ihren Rücken legte und Nirah zu sich zog. Seine Berührung war flüchtig. Vorsichtig. Immer darauf achtend, bei dem kleinsten Widerstand sofort loszulassen. „...und der Wind dir den Rücken stärken", beendete leise mit belegter Stimme.

Notos beließ es bei dieser knappen Geste, nahm augenblicklich Abstand, nachdem er fertiggesprochen hatte. Auch wenn er diesen Moment gerne noch herausgezögert hätte, er sollte nicht. Aus mehreren Gründen. Er trat ein paar Schritte zurück – nicht jedoch, ohne der Rothaarigen ein letztes Mal leicht die Haare zu zerzausen. Selbst wenn sein vertrautes Necken dieses Mal von einer hartnäckigen Schwermut begleitet wurde.

Wie auch bei ihrem Lehrmeister, deutete Notos eine Verbeugung an, schnappte sich wieder seine Waffe, ehe er an ihr vorbeilaufen wollte. Nur um abermals in der Bewegung innezuhalten. Verhalten schmunzelnd drehte er sich zu ihr um: „Übrigens, ich habe dir noch eine Kleinigkeit dagelassen. Du solltest es nach dem Gespräch mit deinem Mentor wohl holen, bevor es jemand anders tut. Falls du es annimmst, natürlich." Eine Antwort wartete er nicht mehr ab. Er nickte ihr lediglich zu, bevor er sich einen Ruck gab und seinen Weg fortsetzte.

Der entschlossene Ausdruck auf seinem Gesicht fiel, genau wie seine Geschwindigkeit, kaum dass er die Grenzen des Dorfes überschritten hatte. Das Grün des Waldes verschluckte ihn sofort, brachte ihn schnell aus der Sichtweite jeder Dorfbewohner. Inzwischen wirkte dieses Bild für ihn nicht mehr so befremdlich wie zu Anfang. Beinahe hätte er behauptet, die friedliche Ruhe des Waldes war ihm inzwischen so bekannt wie der Anblick eines alten Freundes. Und wo man von Freunden sprach...

Ein wohlvertrautes Gewicht landete auf seiner Schulter. Das elektrische Kribbeln erfolgte keinen Wimpernschlag später. „Es geht mir gut", fiel Notos seinem Partner ins Wort. Er erntete dafür einen skeptischen Blick, den Jasper ihm mit schief gelegenen Kopf zuwarf. Sein Gefährte kannte ihn leider etwas zu gut. Notos wandte den Kopf ab, auch wenn er den bohrenden goldenen Augen dadurch nicht entkam. „Ich hätte aber eine Bitte an dich.", versuchte er hastig abzuschweifen. Selbst wenn in dieser Ablenkung tatsächlich ein wahrer Kern lag. Notos griff in seine Tasche, präsentierte dem kleinen Drachen den seit letzter Nacht darin verborgenen Inhalt. Ein runder Ring aus reinem, erdig roten Jaspis war auf der offenen Handfläche zu erkennen. Derselbe Ring, den er vor zwei Tagen noch selbst getragen hatte. Nun war der Ring zusammen mit zwei Daunenfedern von Jasper auf einem Lederband aufgehangen.

„Würdest du zurückfliegen und diesen Anhänger bei den Hütten ablegen? Egal wo. Hauptsache Nirah findet ihn." Sofort verengte Jasper seine Augen und funkelte ihn verurteilend an. Schuldbewusst seufzte Notos auf. „Gib mir gar nicht erst diesen Blick. Ich weiß. Du musst es mir nicht noch mehr reinreiben... kannst du mir nicht einfach aushelfen?"

Wenn er die Augen verdrehen könnte, hätte Jasper es bestimmt getan. Sein Partner schnaubte abfällig. Schließlich nahm der Drache das Lederband jedoch behutsam zwischen die Zähne, stieß vielsagend einen letzten elektrischen Stoß in seine Schultern, bevor er abhob und zwischen den Bäumen verschwand. Notos sah ihm noch für eine Weile nach, bevor er sich losriss und tief in Gedanken verloren weitermarschierte. Wie hatte Nirahs Lehrmeister gesagt? Er hatte noch einen langen Weg vor sich. Er durfte sich keine weiteren großen Ablenkungen mehr leisten, wenn er noch rechtzeitig ankommen wollen. Und das musste er. Koste es, was es wolle.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 01.11.2023 14:33.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 03.11.2023 02:17

Nirah erstarrte endgültig, als Notos' Hand auf ihrem Kopf landete. Im nächsten Moment lag ihre Stirn an dem rauen Stoff seines Oberteils. Ihre Arme hingen schlaff herab, während er sie umarmte. Er war warm. Tröstlich warm. Zitternd schnappte sie nach Luft. Selbst nachdem er sie los ließ, bewegte sie sich nicht. Sie starrte weiterhin die Wand an, versuchte nur nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Notos brach auf, verschwand. Nirah verharrte an Ort und Stelle, blinzelte. Schließlich sah sie auf und entdeckte mehrere Augenpaare, die sie beobachteten. Fast alle Dorfbewohner drehten sich sofort weg und taten so, als hätten sie nichts gesehen. Nur einer nicht. Devon sah ihr direkt in die Augen. Er versteckte nicht die ungläubige Erheiterung, die sich zunehmend in eine provokante Grimasse verwandelte. Nirah unterbrach den Blickkontakt. Er grinste zufrieden, hob das Kinn und stolzierte davon. Endlich setzte der Fluchtinstinkt ein.

Die Tür krachte laut ins Schloss. Nirah befand sich mitten im Raum. Ihr Atem ging zu schnell und sie sah angestrengt blinzelnd nach oben. Weißhaar blieb ruhig sitzen und musterte sie mit seiner immerwährenden Ruhe. "Hat es funktioniert?" brachte sie gepresst heraus. "Denkst du, du hast dein Zeichen bekommen?"
"Ja." Sie zitterte und ihre Stimme auch. "Ich weiß nicht?" Widersprüchliche Gefühle wanderten über ihre Miene. "Es hat nicht funktioniert, oder?" Ein lautes Schluchzen entkam ihr und ihre bis jetzt verbleibende Kontrolle zerbröckelte. Sie versuchte ihr Gesicht zu verstecken, nicht den anbrechenden Fluss von Tränen zu zeigen. Selbst wenn sie es geschafft hätte, konnte sie doch nicht das Beben ihres gesamten Körpers verbergen oder das immer stärker werdende Schluchzen. Sie war wütend, verwirrt, traurig, frustriert. Es fiel ihr schwer, genau auszumachen, was sie war. Auf einmal war da Weißhaar, der sie behutsam in einen anderen Raum führte. "Es ist nicht schlimm, Nirah. So etwas lässt sich nicht erzwingen" Er wollte sicher tröstend klingen, verstärkte aber nur Wimmern. Ihre Füße gehorchten und sie fand sich in einem kleinen Schlafzimmer wieder. Ihr Mentor versorgte sie mit Decken, dann war sie alleine. Sie fiel auf das Bett, vergrub sich darin und hoffte, sie müsste nie wieder daraus hervorkriechen.

In den nächsten Tagen fraß sich die Erkenntnis über ihr Versagen noch tiefer in ihr Bewusstsein. Wieder und wieder sprach sie davon, ob sie etwas übersehen hatte. Weißhaar erinnerte sie daran, dass sie es wissen würde, wenn sie ihr Zeichen erhielt. Aber sie wusste gar nichts. Ihre Träume blieben aus. Der Wolf zeigte sich nicht mehr, hinterließ auch keine Hinweise. Sie suchte nach ihm, seinen Pfotenabdrücken, nach einem Büschel Fell oder irgendetwas anderem, das auf seine Anwesenheit schließen ließ. Und wie sie suchte. Es war, als hätte die heilige Mutter sie vergessen. Wie sollte sie irgendetwas unternehmen, wenn sie nicht wusste was? Sie hatte geschrien, gefleht. Nichts änderte sich. Sie war gezwungen, weiterhin die Schülerin zu spielen.

Die Tag-und-Nacht-Gleiche rückte in großem Tempo näher und Weißhaar verplante wie immer ihre gesamte Zeit für die Vorbereitungen. Auf dem Dorfplatz wuchs ein gewaltiger Stapel Holz. Bald schon schmückten Sommerkränze das ganze Dorf. Ihr eigener verstaubte in ihrer Hütte, direkt neben der Ring-Kette und dem Zahn. Sie hatte alles aus dem Heilerquartier geholt und aufgeräumt. Bis auf die beiden Windtänzer. Beinahe hätte sie die Kette übersehen, die über einem drapiert gewesen war und seine beruhigende Melodie gedämpft hatte. Das musste Notos gemeint haben, bei seinem Abschied. Notos. Sie verbot sich an ihn zu denken und sie verstand nicht, wieso er ihr dieses Geschenk gemacht hatte. Nicht einmal über den Fangzahn, der auf dem Boden gelegen hatte, direkt unter dem Windtänzer, freute sie sich. Was sollte sie mit zwei Monsterzähnen? Trotzdem arbeitete sie an dem verschollen geglaubten Zahn, wann immer sie konnte. 

"Du sollst dich entspannen." Weißhaar saß ihr im Schneidersitz gegenüber, mitten im Wald, unweit vom Dorf entfernt. "Ich weiß wie man meditiert!" fauchte Nirah. "Du tust es aber nicht." stellte ihr Mentor fest. "Genauso wenig, wie du das Ritual übst. Du hast kaum an dem Strängen gezupft." Er lag nicht ganz falsch. Sie riss die Augen jedes Mal sofort wieder auf, sobald sie diese schloss und trommelte ungeduldig mit den Fingern. Seit Notos' Aufbruch wollte ihr keine einzige Meditation gelingen und erst recht kein Hauch von Magie. Inzwischen prüfte sie gelegentlich, ob sie die Energieströme überhaupt noch spürte. 
"Ich kann es schon." Weißhaar seufzte schwer, bei ihrer Antwort. "Natürlich kannst du es. Dann kannst du es wohl auch ausführen, oder? Darf ich dich erinnern, dass ich extra die gemeinsamen Übungen für dich gestrichen habe? Devon hat schon angemerkt, dass er sich gerne mehr mit der Gruppendynamik vertraut machen möchte. Und nicht nur er würde davon profitieren ..." Nirah schnaubte. "Devon! Devon kann mir gestohlen bleiben. Und Melia und diese Neue auch." Ihr Mentor sah sie mahnend, die Art von Ausdruck, die ihr klarmachte, dass sie es zu weit trieb. Normalerweise. Abrupt stand Nirah auf. "Ich habe genug geübt." knurrte sie und stapfte davon. "Das ist nicht an dir zu entscheiden!" Oh, sie hörte die Schärfe in seiner Stimme. Sie hörte und ignorierte sie. "Ich schicke die anderen", rief sie über ihre Schulter nach hinten, ohne sich umzudrehen. 

Im Dorf wurde sie verfolgt von wispernden Stimmen, die immer dann verstummten, wenn sie sich nach ihnen umsah. Sie hatte wirklich vor, wenigstens den restlichen Wächterlehrlingen Bescheid zu geben. Es auszuhalten. Allerdings lief ihr zuerst Devon über den Weg. Von allen, musste es ausgerechnet er sein. Statt an ihr vorbeizugehen, wandte er sich ihr zu und schenkte ihr sein süffisantestes Lächeln. "Schon zurück?" fragte er unschuldig. "Such den Rest und bring sie zu Weißhaar. Beim Baumstumpf mit den Pilzen. Ihr sollt fürs Fest üben." So, sie hatte es hinter sich. Sofort machte sie kehrt und lief davon. "Das ist die falsche Richtung, das weißt du?" Devon folgte ihr. Nirah erhöhte ihr Tempo. "Was machst du?"
"Geht dich nichts an." Sie hörte ein leises Lachen hinter sich. "Du drückst dich wieder. Seitdem dieser Kerl weg ist, bist du gar nicht mehr du selbst" Devons Stimme triefte vor falscher Besorgnis. "Ah, du vermisst ihn", sagte er, als wäre ihm der Gedanke eben erst gekommen. Nirah stoppte und Devon lief beinahe in sie hinein. Dieses Mal würde ihre Faust in seinem Gesicht landen. Das war längst überfällig. "Ich meine, drei Tage ganz alleine, nur ihr zwei ... Niemand verübelt es dir, dass du dich mit ihm angefreundet hast. Dass du in diesen Dingen besonders schnell bist, wissen wir ja." 
Nirah wirbelte herum, holte aus. Doch Devon sprang aus ihrer Reichweite. "Es geht dich nichts an, habe ich gesagt! Du hast keine Ahnung, wovon du redest", schrie sie in einem viel zu hohen Ton. "Gar keine Ahnung. Also halt den Mund, Devon. Halt einfach den Mund. Bei der heiligen Mutter, wenn du noch einmal deinen dämlichen Mund aufmachst, breche ich deine Nase und teile ihr am besten gleich mit, wen sie auf keinen Fall zum Wächter machen sollte." Sie hob drohend die Faust. "Als ob du das könntest." zischte Devon leise. "Aber gut gemacht", flüsterte er, warf einen vielsagenden Blick zur Seite. Dann zuckte er mit den Schultern, hakte die Daumen in seinen Gürtel und ging kopfschüttelnd gen Wald. Alle starrten sie an, endlich verstummt. Nirah wischte sich die Tränen der Wut aus den Augen während sie rannte.


Möge das Chaos mit uns sein!
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(=Schreibproben / öffentliche Rollenspiele / Ideensammlung)

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.11.2023 02:49.

Zladune

26, Weiblich

  11. Ghostwriter

Neuling

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 04.11.2023 23:55

Es dauerte lange, bis er wieder das vertraute Gewicht auf seiner Schulter spürte. Länger als gedacht. Notos sah zu seinem Gefährten rüber, ohne seinen gemächlichen Trott zu unterbrechen. „Alles in Ordnung? Du warst eine ganze Weile unterwegs für eine einfache Lieferung." Der Drache bohrte lediglich die Krallen in seine Haut, sendete ein paar kurze, elektrische Impulse. Notos runzelte die Stirn. Auch meins. Was sollte das bedeuten? Hatte Jasper ihr auch etwas gebracht?

Er sollte es nicht erfahren. Plötzlich spannte sich Jaspers gesamter gefiederter Körper an. Wie unter Strom. Seine Ohren zuckten – und sofort bekam er zwei elektrische Schläge zu spüren. Notos verstand und passte auf den Befehl hin leicht die Richtung an. Ab dem Punkt hakte er nicht mehr nach, was sein Partner getrieben hatte. Besser er störte ihn nicht weiter. Jasper würde einen guten Teil seiner Konzentration zum Navigieren benötigen. Schade, dass er nicht ebenfalls die Energiequellen aufspüren konnte, die sein Gefährte zum Wandeln benötigte. Wobei es ihm immer noch ein Mysterium war, warum es in diesem Bereich so wenige gab.

Der restliche Tag verging ohne große Zwischenfälle. Es war noch lange vor Sonnenuntergang, als sie beschlossen, ein Nachtlager aufzuschlagen. Nun, Nachtlager. Wenn man ein kleines Lagerfeuer inmitten einer Lichtung so beschreiben wollte. Sie hatten keine Höhle wie bei der ersten Nacht in diesem Wald gefunden, aber der Himmel war klar und Jaspers alleinige Präsenz würde ausreichen, um die meisten ungewollten Besucher fernzuhalten. Außerdem wollte er nicht riskieren, das letzte Licht des Tages damit zu vergeuden, sinnlos umherzuirren, nur um dann doch nichts zu finden. Da würde er sich lieber etwas mehr Ruhe gönnen und Nirahs Rat – Nein. Stopp. Sofort kappte Notos diesen Gedanken. Widmete sich lieber mit einem verbissenen Ausdruck dem Feuer. Über dem dieses Mal kein Kochtopf hing. Sein Magen verzog sich protestierend bei der Erinnerung an das gestrige Essen. Die nächsten Tage würde er wohl ohne größere Mahlzeiten bestreiten müssen. Für so etwas fehlte ihm einfach die Zeit. Selbst wenn Nirah ihn wohl dafür getadelt – Notos kniff die Augen zusammen. Atmete tief ein. Und schaute ergeben in seiner Tasche nach, ob er nicht doch eine Kleinigkeit zum Essen fand. Nur um sofort innezuhalten. Stumpft starrte er die roten Kügelchen an, von denen viele inzwischen ein wenig eingeschrumpft waren. Feuerbeeren. Er blinzelte. Lächelte sachte. Ein Augenblick verstrich. Ein weiterer. Dann verdunkelte sich seine Miene umgehend.

Im nächsten Moment zuckte er zusammen, als Jasper ihm einen fragenden Stromstoß verpasste. Beinahe ertappt schloss er seine Tasche wieder. „Es ist nichts.", beteuerte er hastig, mit etwas mehr Nachdruck als er müsste. Jasper quittierte dies mit einem skeptischen Mustern. Notos ignorierte ihn beharrlich, lehnte sich stattdessen an den rauen Stamm des breiten Baumes hinter ihm. „Lass uns schlafen. Morgen haben wir einen langen Tag vor uns." Vielsagend wandte er den Kopf ab, schloss die Augen. Und verharrte in dieser Position. Auch wenn er die Augen am liebsten sofort wieder aufgerissen hätte. Die Stille, die mit der Dunkelheit hereinbrach, brachte ihm dieses Mal keinen Frieden. Nein, vielmehr gab sie Raum für allerlei unerwünschter Gedanken. Und egal wie er es drehte und wendete, meistens endeten diese bei...

Notos seufzte schwer auf, als er an den Abschied zurückdachte. Er hatte es sehr wohl gespürt. Ihr Zittern. Am liebsten hätten er Nirah in dem Augenblick noch fester umarmt. So lange, bis ihr Zittern aufgehört hätte. Aber es wäre unmöglich gewesen. Er wusste das. Was er nicht verstand, war das seit seinem Aufbruch anhaltende Gefühl, dass irgendetwas falsch war. Notos drückte seine Arme fester an sich, die Brauen dicht zusammengezogen. Nein. Lass sie gehen. Lass alles gehen. Konzentriere dich auf deinen Aufgabe. Er wiederholte sich diese Worte wie ein Mantra. Erfolg hatte er damit nicht wirklich. Das würde noch eine lange Nacht werden...

So zogen sich die ersten Tage dahin, immer mit demselben Ablauf: Er stand auf, noch bevor das erste Sonnenlicht durch die Blätter schien. Trainierte für eine Weile. Brach auf, sobald Jasper von seiner Jagd zurückkam. Dann marschierten er den ganzen Tag, ließ sich dabei von seinem Gefährten leiten. Notos trottete in einem zügigen Tempo voran, behielt dabei aufmerksam die Umgebung im Blick. Ständig begleitet von leisem Vogelgesang. Eine lange, eintönige Reise. Wenigstens schaffte er irgendwann einen Rhythmus zu finden, der es ihm erlaubte, in eine angenehme Gedankenlosigkeit zu fallen. Zumindest so lange, bis er abends ein Lager aufschlug. Nachts hatte er Zeit, sich mit seinen Gedanken zu beschäftigen. Die Erinnerung an die letzten Tage. Sein neu gewonnenes Wissen. Die stetig größer werdende Sorge, ob er rechtzeitig ankommen würde. Was passieren würde, wenn er es nicht tun sollte. Gerade an letzteres vermied er es strengstens zu denken.

Doch auch dieser Ablauf fand ein jähes Ende. Es war am selben Tag, als Jaspers das erste Mal kurz hintereinander den Kurs änderte. Was an sich kein Problem wäre - wenn es nicht nahezu die gegensätzliche Richtung gewesen wäre. Notos stoppte in seiner Bewegung, schaute seinen Partner fragend an: „Bist du dir sicher?" Ein frustriertes Schnauben erklang und der kleine Drache schloss die Augen. Seine Öhrchen zuckten unruhig. „Mach dir keinen Druck," versuchte er seinen Gefährten sofort zu beschwichtigen. „Versuch es nochmal in Ruhe. Keine Eile. Die Zeit haben wir." Das Federbündel brummte laut. Spannte seine Schwingen an und verharrte so für einen Moment. Nach einer Weile bekam er wieder eine Antwort. Jasper hatte die Richtung abermals leicht korrigiert. Sie wirkte diesmal logischer als die erste Angabe. Aber dafür deutlich unsicherer. „Nun gut, versuchen wir es", gab Notos zuversichtlich lächelnd von sich. Nur, dass er die unterschwellige Sorge nicht ganz aus seinem Kopf tilgen konnte. Der Gedanke, dass sie für Stunden in eine falsche Richtung gelaufen waren, war beunruhigend...

Solche Vorfälle wiederholten sich zunehmend öfter. Er versuchte die Frustrationen seines Partners zu mildern. Ihn zu beruhigen, dass alles in Ordnung war. In Wahrheit zerrte die Unsicherheit an ihm, so sehr er sie auch zu verstecken versuchte. Aber es war weiterhin alles in Ordnung. Sie würden das hinkriegen. Die Zeit, die Jasper zum erneuten Lokalisieren ihres Zielortes benötigte, holten sie wieder ein, indem sie nun bis zum Anbruch der Dunkelheit durchwanderten. Er strich ebenfalls seine morgendlichen Trainingsrunden. Später als am Morgengrauen aufzubrechen wurde zur Seltenheit - genauso wie durchgeschlafene Nächte. Immer öfter schreckte er aus seinem Schlaf auf. Unruhig, mit einem Puls, der viel zu schnell gegen seine Brustwand hämmerte. Wenigstens schlief er meist traumlos. Er wollte nicht wissen, welche Bilder sein Kopf zusammenspann, wenn ihn der Schatten der Beklemmung bis in den nächsten Tag verfolgte. Nun, wenigstens erwiesen sich geröstete Feuerbeeren tatsächlich als wunderbares Mittel zum wachhalten.

Die Tage verliefen schleppender. Immerhin waren sie gestern nach Tagen voller wurzelübersäter Pfade auf einen breiten Fluss gestoßen. Zum Glück. Seine Wasservorräte waren gefährlich zu Neige gegangen. Seine Hoffnung tat es auch. Notos seufzte leise auf, was im Rauschen der Strömung neben ihm unterging. Er richtete seinen Blick zum Himmel, der inzwischen besser sichtbar war, nun da der Fluss eine breite Schneise in den Wald fraß. Und ließ keinen Moment später wieder seine Schultern hängen, den Blick gen Boden gerichtet. Ein bitteres Auflachen blieb in seiner Kehle stecken. Fast hätte er es in Erwägung gezogen. Ein Gebet an die Götter zu richten. Sie um Hilfe zu bitten. Wenn er an die Macht der Götter glauben würde, hätte er es wohl getan.

Notos blieb stehen, als sich Jasper auf seiner Schulter verspannte. Mittlerweile bohrte der Drache seine Krallen regelmäßig in seine Haut, auch ohne ihm eine Nachricht übermitteln zu wollen. Es verging während ihrer Reise kein Augenblick, an dem das Gefieder seines Partners nicht genervt aufgebauscht wäre. „Jasper...", begann Notos ruhig. Lächelte dabei besänftigend. Die Antwort darauf war lediglich ein tiefes Knurren „Willst du nicht einen Rundflug über die Wälder machen? Vielleicht hilft es dir bei der Orientierung. Ich könnte währenddessen versuchen, uns zur Abwechslung mal was zu fangen". Vor allem würde er zur Abwechslung mal ein Tier haben, das er sowohl erlegen als auch zubereiten konnte. Eine Sache, die ihm sein Vater erfolgreich einprägen konnte. Und sein Partner konnte etwas zum Essen vertragen. Vielleicht würde es seinen Frust mildern.

Jasper gab ein gereiztes Brummen von sich, hob aber schließlich mit ein paar kräftigen Flügelschlägen wirklich ab. Notos beobachtete seinen Partner nur für eine Weile, bevor er seine Hellebarde mit der Spitze zum Boden umdrehte und zum Fluss lief. An einigen Stellen fiel das Wasser wie kleine Wasserfälle über die glatte Felsen, während an anderen Stellen ruhigere Becken entstanden. Er blieb jedoch nahe einer Einmündung stehen – und wartete. Jasper würde eine Weile brauchen, bevor er wieder zurückkam. Mit etwas Glück wären sie bis zu seiner Rückkehr um eine Mahlzeit oder zwei reicher.

Der kleine Drache indes flog enge Schlaufen über dem Meer aus endlosen Grün. Erweiterte erst nach und nach seine Kreise, sobald er sich sicher war, dass keine interessante Energiequelle in der Nähe war. Er verstand es nicht. Manchmal waren die Energiestränge klar, zogen ihn geradezu zu sich. Nur um dann zu schlackern und zu verschwimmen. Ab und an verschwanden sie sogar vollkommen, tauchten dann wie aus dem Nichts an einer anderen Stelle wieder auf. Wenigstens schienen sie am Fluss entlang etwas klarer zu sein. Dennoch, es war überaus – oh, was war das?

Jasper blieb mitten in der Luft stehen, als er eine Energiequelle erfasste, die ihm vage bekannt vorkam. Flammen. Es war nur ein winziger Punkt, aber er ähnelte der Flamme eines Feuers. Wenngleich verworrener und... anders. Wie anscheinend so ziemlich jede Energie in diesem Gebiet. Der Drache gab ein abfälliges Schnauben von sich, flog aber dichter an die Baumkronen ran. Je näher er der Quelle kam umso vertrauter kam ihm diese vor. Nach kurzem Hadern vollführte das Federbündel einen lautlosen Sturzflug inmitten der Bäume. Leise pirschte er sich näher an die flammende Energie ran. Nutzte dabei seine Fähigkeit, um so unbemerkbar wie möglich zu bleiben. Bis... Mit einem mal richtete er sich aus seiner lauernden Haltung auf. Oh. Sein Schweif zuckte freudig in die Höhe, als er die Person erkannte. Heiler-Mädchen! Dann legte er den Kopf schief. Was machte sie hier?

Noch für eine ganze Weile beobachtete der Drache die Heilerin bei ihrem Tun. Blinzelte nachdenklich. Dann duckte sich Jasper, stieß sich von seinem Ast ab – und sprang ihr von hinten mitten auf die Schulter.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 07.11.2023 10:49.

Saphyr

26, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 19.11.2023 02:11

Lautes Klopfen an der Eingangstür ließ die kleine Hütte beben. Nirah antwortete nicht. Sie lag ausgestreckt auf ihrem Bett in fast völliger Dunkelheit. Den restlichen Tag hatte sie erfolgreich alle weiteren Begegnungen vermeiden können. Nur einer würde sich die Mühe machen, sie so spät am Abend noch aufzusuchen. Und sie wusste ganz genau, wieso er hier war. Wieder klopfte es, lauter, nachdrücklicher. "Nirah. Ich weiß, dass du da bist." Weißhaars Stimme klang gedämpft. Natürlich wusste er es. Sie konnte sich nicht die ganze Zeit im Wald verstecken. Nicht so kurz vor den Festlichkeiten. "Ich muss mit dir reden." Wohl eher eine Strafpredigt halten. Nirah zog sich die Decke über den Kopf, versuchte keinen Laut zu machen, während sich ihre Augen wieder mit Tränen füllten. "Kann ich reinkommen?" Das Klopfen stoppte abwartend. Von draußen drang ein leises Seufzen herein. "Nagut. Dann sehen wir uns morgen. Ich brauche Hilfe mit den Lampen." Nirah hörte Schritte. Sie verklangen bald. 

Am nächsten Tag stand die Sonne bereits hoch am Himmel, als Nirah ihre Hütte verließ. Sie sollte zu Weißhaar gehen und ihn unterstützen. Für das Fest brauchten sie noch mehr Öllampen und sicherlich wollte er noch ein paar Räucherbündel schnüren. Allerdings schlug sie den falschen Weg ein und fand sich am See wieder. Viel zu langsam lief sie am Ufer entlang. Wie gerne wäre sie wieder in den Wald entflohen. Ihre Pflicht hielt sie davon ab, während ihre Erinnerungen sie abhielten, ihrer Pflicht nachzugehen. So landete sie in einem seltsamen Zwischenzustand, unfähig sich deutlich in eine Richtung zu bewegen. Bis sie beinahe auf eine blaue Blüte trat und unvermittelt stoppte. Etliche leuchtende Blüten säumten den Bereich um das glitzernde Wasser. Sie kannte diese Pflanze. Vergissmeinnicht. Bis vor Kurzem hätte sie ihrer Existenz kaum einen Gedanken gewidmet. Jedes Jahr blühte sie hier am See, doch Nirah verwendete sie nicht als Heilkraut. Ihre Wirkung war zu schwach. Es war lediglich eine hübsch anzusehende Pflanze. Notos hatte offensichtlich seinen Gefallen an ihr gefunden. Die Blüte in ihren Haaren, war im Nachhinein betrachtet wohl kein Zufall gewesen. Nirah beugte sich herab und pflückte einen Stiel. Nachdenklich drehte sie ihn zwischen den Fingern, bis sie irgendwie bei den Heilerquartieren landete. Die Melodie der Windtänzer gehörte inzwischen zu dem Ort wie das Rascheln von Blättern im Wind. Sie stand bei den Bänken und betrachtete die Blume. So zerbrechlich. Ihr Kopf hing bereits abgeknickt nach unten. Nirah warf sie in die kalte Feuerstelle. 

Hinter ihr erklang ein Geräusch, das nicht zu den restlichen passte. Sie erstarrte. Schritte? Hektisch fuhr sie herum. Es war nicht Notos. Natürlich nicht. Er wird nicht zurückkommen. Es waren auch nicht Devon oder Weißhaar. Das Mädchen ihr gegenüber wirkte mindestens genauso erschrocken wie Nirah. "Alyn? Was machst du hier?" stieß Nirah mit immernoch klopfenden Herzen hervor. Alyn presste schuldbewusst ihre Arme an den Körper, trat von einem Fuß auf den anderen. "Ich warte auf Colin und Brann. Sie wollten noch bessere Stöcke suchen, aber Colin hat gesagt, sie brauchen nicht lange. Also bin ich schonmal vorgegangen." 
"Ihr trefft euch hier?", fragte Nirah verwundert. Alyn nickte. "Wir haben es nicht gemacht, als naja ... ihr beide hier wart. Aber es ist sonst nie jemand hier.  Colin hat gesagt, es stört niemanden." Nirah ging auf sie zu und sank vor ihr in die Knie, sodass sie auf gleicher Höhe waren. Alyn sah unsicher auf und Nirah hatte das Gefühl, sie wollte zurückweichen, traute sich aber nicht. "Ihr seid also öfter hier, ja?" Alyn nickte wieder. "Wir haben auch nichts kaputt gemacht oder so. Wirklich nicht." Das Mädchen klang beinahe verteidigend. Deshalb setzte Nirah ein möglichst freundliches Lächeln auf und hoffte, es würde auch so ankommen. "Ich weiß, dass ihr nichts kaputt gemacht habt. Und ich denke Colin hat recht. Es stört niemanden, wenn ihr hier spielt." sagte sie sanft. "Jetzt verstehe ich auch, wie Notos euch gefunden hat. Oder ihr ihn." fügte sie schmunzelnd hinzu. Langsam wich die Vorsicht aus der Haltung des Mädchens. "Colin und Brann wollen ständig Schwertkampf spielen seit da. Sie lassen mich jetzt aber öfter auch bestimmen, was wir spielen. Wir wechseln ab!" verkündete Alyn ganz stolz. "Er ist weggegangen, oder?" Nirah verzog das Gesicht. "Wer? Notos? Ja, er ist weggegangen."
"Gehst du auch weg?" Es war eine simple Frage. Trotzdem blieb Nirah der Mund offen stehen und sie suchte einen Moment lang nach Worten. "Ich? Nein, ich gehe nicht weg."
"Wieso nicht? Ich dachte, du ... magst ihn? Meine Tante ist weggegangen, weil sie meinen Onkel so sehr mochte. Sie besucht mich und Mama manchmal und bringt immer Honig mit. Der ist lecker. Du könntest uns auch besuchen." Alyn klang völlig ernst, keine Necken, kein Sticheln. "Das ist nicht so einfach." fing Nirah an. Wie sollte sie bitte einem kleinen Kind ihre Situation erklären? Selbst in ihren eigenen Ohren hörten sich ihre nächsten Worte wie eine Ausrede an. "Ich kann nicht weggehen. Ich muss meine Ausbildung beenden. Und ich mag ihn nicht." 
Das Mädchen runzelte die Stirn. "Nicht? Ich dachte, er ist nett. Ich fand ihn nett." 
"Er ist auch nett, Alyn. Und doch, ich mag ihn, nur nicht so...."

"Alyyyyyyyn!" 

Eine laute Stimme schallte über die Lichtung, zusammen mit einem hohen Lachen 
"Wir haben etwas Tolles mitgebraaaacht!"
Über den Pfad zum Dorf kamen Brann und Colin und schwenkten triumphierend zwei Gegenstände, die in der Sonne verdächtig glitzerten. Nirah sah sie zuerst. Die beiden wiederum realisierten zu spät, dass Alyn nicht alleine war. "War viel zu einfach, die Dinger zu borgen." Brann entdeckte Nirah und stieß seinem Freund in die Seite, der plötzlich Wurzeln schlug und zu einem ruckartigen Halt kam. Nirah erhob sich und lief den Jungen entgegen, um einen gewissen Verdacht zu bestätigen.
"Sind das echte Schwerter?" Sie stemmte die Hände in die Hüften. Beide starrten sie aus großen Augen an. Fordernd streckte sie die Arme aus. Ohne Widerrede übergaben Brann und Colin ihr die Waffen. "Nehmt lieber Stöcke zum Üben. Ihr werdet noch früh genug echte Schwerter in die Hand bekommen. Bis dahin, Stöcke. Verstanden?" Die Jungen wichen ihrem Blick aus. Brann murmelte eine leise Zustimmung. "Verstanden, Colin?" 
"Jaaa..."
"Seid froh, dass ich euch erwischt habe. Ihr könntet euch ernsthaft verletzten. Wenn das aber noch einmal vorkommt, sorge ich dafür, dass ihr mir und deinem Großvater, Colin, einen ganzen Mond mit den Kranken helfen müsst. Den Rest der Zeit schicken wir euch Kräuter sammeln und sortieren." Damit drehte sie sich unwirsch um, stapfte mitsamt Schwertern zu Alyn zurück und beugte sich ein weiteres Mal zu ihr hinunter. „Keine Sorge, ich werde euch nicht verraten. Schaut einfach, dass hier weiterhin alles heil bleibt. Und niemand sich verletzt." Flüchtig legte sie dem Mädchen die Hand auf den Kopf. „Viel Spaß beim Spielen." Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, blieb ihr Blick an einer Stelle zu ihren Füßen hängen. Die Konturen waren fast nicht mehr erkennbar. Der Abdruck hätte von allem sein können. Nirah fasste die Schwerter fester und marschierte davon. Als sie an den Jungen vorbeikam, die immernoch vor den Kopf gestoßen wirkten, lächelte sie den beiden zu. „Passt auf euch auf, bitte. Und viel Spaß. Lasst Alyn auch zu Wort kommen."

Es klirrte metallisch. Sie war nach dem Klopfen an Weißhaars Tür direkt zum Tisch gelaufen und hatte die Schwerter darauf geworfen. Auf dem Weg dorthin hatte sie alle Menschen gekonnt ignoriert. Ihr Mentor beäugte die Waffen rätselnd. "Ich schätze, die gehören zu den Kriegern. Sie wollen sie vielleicht zurück haben. Ich habe sie ... gefunden. Jemand muss sie vergessen haben. Im Wald." 
Weißhaar zog die Augenbrauen hoch. "Gefunden?" zweifelte er, beließ es aber dabei."Wie auch immer. Schön, dass du doch noch vorbeischaust. Ich hätte dich früher erwartet."
"Machen wir jetzt die Öllampen?" fragte Nirah, ging bewusst nicht auf den Anflug von Tadel ein. "Wir haben die Lampen schon fertig. Das wird reichen. Nein, lass uns die Gelegenheit nutzen und reden. Setz dich." Hilfesuchend sah Nirah zur Tür, doch ihr Körper gehorchte der Aufforderung. Natürlich. Als hätte ihr Mentor vergessen, weshalb er extra gestern Abend zu ihr gekommen war. Natürlich ließ er sich nicht von den Vorbereitungen fürs Fest ablenken. "Worüber?" 
"Über dich, Nirah. Ich habe mitbekommen, was gestern passiert ist." Sie schnappte nach Luft, murmelte sofort eine Reihe an Verteidigungen für ihr Verhalten. Es wäre anders gewesen, Devon hätte gelogen, Devon hätte sie provoziert, sie hätte ihn gar nicht geschlagen. Das meiste war wohl kaum bis gar nicht verständlich, so schnell ratterte sie es hinunter. 
"Immer langsam, kleiner Wolf. Es geht nicht um den Vorfall, sondern um dich." beschwichtigte Weißhaar sie. Er setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl und verschränkte die Finger. "Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Ich weiß auch, dass du normalerweise keinem Fremden hinterhertrauern würdest, den du wenige Tage kanntest. Sicher, ich hatte den Eindruck, ihr versteht euch gut und wäre in Ordnung seinen Aufbruch zu bedauern. Aber darum geht es nicht, oder?" 
"Nein. Darum geht es nicht." antwortete Nirah tonlos. Sie verschränkte die Arme, wandte den Kopf ab und sah an Weißhaar vorbei. "Möchtest du mir erzählen, worum es geht?" 
"Muss ich?"
"Du musst nicht. Möchtest du?" 

Lange sagte Nirah nichts. Sie blickte in die Leere, hadernd. Was sollte sie sagen? Weißhaar blieb still sitzen, wartete geduldig ab bis sie eine Entscheidung traf: Versuchen das Chaos in sich zu beschreiben oder aufzustehen und zu gehen. Oh, sie war mehr als nur versucht, dem Gespräch den Rücken zu kehren. Etwas hielt sie auf ihrem Platz. Ihr wurde klar, dass ihr Mentor aufrichtig besorgt war und viel wichtiger, dass er sie verstehen würde. "Ich dachte..." Sie räusperte sich. "Aus irgendeinem Grund dachte ich, ich bekomme mein Zeichen wenn er geht und gesund ist. Dass das meine Aufgabe ist. Einem Fremden helfen. Wie es aussieht habe ich mich geirrt. Wie kann ich eine Wächterin werden, wenn ich die Botschaften der heiligen Mutter so sehr missdeute?" Ihre Stimme zitterte.
"Wie bist du darauf gekommen, dass er etwas mit deinem Zeichen zu tun hat?" fragte ihr Mentor.
"Wegen meiner Vision bei meinem Namensritual. Ein Wolf mit blauen Augen. Ich hatte sie noch einmal am Morgen, bevor ich Notos gefunden habe. Erst dachte ich, es wäre ein echter Wolf. Er sah genauso aus und hat mir das Wild verjagt. Ich bin ihm gefolgt und habe Notos gefunden. Ich habe erst am nächsten Tag seine Augen gesehen. Sie haben dasselbe Blau. Ich ... wusste es einfach, dass es mit meiner Vision zusammenhängt. Später habe ich herausgefunden, dass er verletzt ist und ich dachte darum geht es. Es ist das, worin ich gut bin..." erzählte sie knapp die Ereignisse. Inzwischen quollen Tränen aus ihren Augen und rannen heiß an ihrem Gesicht herab. "Ich habe alles falsch verstanden." schluchzte sie leise.
Weißhaar lächelte sanft. "Ein Wolf der exakt so aussah, wie der aus deiner Vision hat dich zufällig zu einem Fremden im Wald geführt? Nirah. Denk darüber nach. Was habe ich dir gesagt. Du weißt es, wenn du dein Zeichen bekommst. Dasselbe gilt für Visionen, ihre Bedeutung. Ich glaube nicht, dass dein Bauchgefühl dich getäuscht hat."
"Aber warum hat es nicht..." Weißhaar unterbrach sie, streckte die Hand aus und legte sie auf ihre verkrampften Finger, die sich in die Tischplatte bohrten. "Lass es uns gemeinsam durchgehen. Gab es noch mehr Botschaften außer deinem Traum?"
"Nein." sagte sie sofort. "Oder...doch? Du meinst der Wolf hat mich geführt?" Ihr Gegenüber nickte zustimmend. "Er war noch einmal da, als wir im Wald übernachtet haben und hat unser Fleisch gestohlen. Das war, aber bevor ich erkannt habe, dass es um Notos gehen muss. Ich hatte auch ein paar Träume. Hm...." Auf einmal kam ihr ein Gedanke, der sie die Hände befreien und ihre Tränen vom Gesicht wischen ließ. "Ich habe ihn auch bei den Heilerquartieren gesehen. Er stand da, hat mich angesehen. Dann wollte er, dass ich ihm folge. Er hat mich zu den Hütten gebracht und ist dann verschwunden. Zu Notos Hütte." Ihr Herz begann zu rasen. Schon in dem Moment, war das unerwartete Treffen wichtig erschienen. Sie hatte es nur nicht verstanden. "Es gab einen Pfotenabdruck direkt bei Notos am Feuer! Es führt alles zu ihm, oder? Ich habe mich darin getäuscht, dass es um seine Heilung ging?" Der alte Mann wirkte zufrieden. "Es scheint so."
"Aber... was ist dann meine Aufgabe. Und..." Ihr Kopf sank wieder kraftlos herab. "Er ist bestimmt längst Zuhause." 
"Ich kann dir nicht sagen, was die heilige Mutter mit dir vorhat. Nur, das du deiner Intuition folgen solltest. Vertrau darauf. Du hast das Potenzial eine großartige Wächterin zu werden, das weißt du. Allerdings kann ich dir mit einiger Sicherheit sagen, dass die junge Donnerschwinge ziemlich wahrscheinlich noch in unseren Wäldern verweilt. Es würde mich doch sehr wundern, wenn nicht. Sein Weg ist weit." Warum auch immer der Alte sich so sicher war, sie gab sich keine Zeit darüber nachzudenken. Soeben hatte sich alles geändert. Eigentlich hatte sie es gewusst. Sie hätte ihm folgen sollen, etwas hatte sie zu ihm gezogen. Sie hatte es nur nicht verstanden. Oder gehofft, dass es nicht so war. Doch alles war besser als diese Ungewissheit der letzten Tage, als das brennende Gefühl von Versagen in ihrem Bauch. Sie war vom Tisch aufgesprungen, hatte die Tür aufgezogen und wäre um ein Haar wortlos verschwunden. "Ich gehe ihn suchen. Ich muss. Versuch nicht mich aufzuhalten!" Weißhaar schmunzelte. "Nicht ich habe dich bisher aufgehalten, kleiner Wolf. Viel Glück." 

Atemlos traf Nirah bei ihrer Hütte ein. Sie stürmte hinein, suchte in kürzester Zeit alles zusammen, was sie benötigte: Ihren Bogen, Pfeile, Köcher, Heilerausstattung, Reisekleidung, Beutel, Messer, Schuhe, Proviant, Gürtel, Mantel. In dieser Reihenfolge. Sie hastete hinaus, entdeckte im letzten Moment die Steinkette auf ihrem Arbeitstisch und drehte wieder um. Der Stein fühlte sich erstaunlich warm an in auf ihrer Haut. Kurzerhand streifte sie die Kette über und verstaute den Amhänger unter ihrem Oberteil. Auch die beiden Monsterzähne klaubte sie auf, quetschte sie gerade noch so in ihre Taschen. Schließlich verließ sie das  Häuschen endgültig und sah keinen Moment zurück.

Es dauerte ewig bis sie auch nur eine Spur fand, die von Notos sein könnte. Es gab eine, weit vom Dorf entfernt, die zielstrebig in eine Richtung führte. Sie war undeutlich, nicht mehr ganz frisch und brach immer wieder ab, sobald sie durch dichteres Gestrüpp führte. Manchmal war es ein abgebrochener Ast, der sie wieder Orientierung schenkte, oft führte sie nur ihr bloßer Instinkt. Als sie das erste provisorische Lager entdeckte, ungeschützt zwischen den Bäumen und einer Feder zwischen einigen Blättern, war sie sich sicher, dass sie der richtigen Spur folgte.  Danach wurde es einfacher. Die Abdrücke im weichen Waldboden, waren besser erkennbar. Sie folgte ihnen ohne größere Pause den ganzen Tag, die halbe Nacht und am frühen Morgen. Am Mittag änderte sich plötzlich die Richtung, obwohl sie zuvor konstant gleich geblieben war. Notos und Sir Jasper hatten daraufhin immer wieder Haken geschlagen, und einmal waren sie sogar ein Stück zurück gegangen. Das ergab keinen Sinn. Über einige Felsen verlor sie die Spur und sie entschied sich in die grobe Richtung zu gehen, die Notos als einzige immer wieder angepeilt hatte. Bald schwanden ihre Vorräte und ihre Kräfte.

An einem Morgen kam sie nur noch langsam voran. Heute Nacht würde Silberquell feiern und sich danach auf den Winter vorbereiten. Und sie war irgendwo mitten im Wald auf der Suche nach einem Schatten, den sie vielleicht nie finden würde. Seit ihrem Aufbruch war das Ende des Sommers rasant näher gerückt. Die Blätter färbten sich bunt. Es war der Tag, an dem sie beinahe aufgegeben hätte.
Aus dem Nichts landete etwas auf ihrer Schulter. Nirah schrie so laut auf. Etwas Spitzes bohrte sich in ihre Haut, durch den Stoff ihrer Kleidung hindurch. Sie schüttelte sich, versuchte panisch das Etwas von sich zu trennen. Es flatterte um ihre Ohren. Mit einem leisen Rascheln setzte es sich ein Stück entfernt auf einen niedrigen Ast und sah sie eindeutig empört an. 
"Sir Jasper?" keuchte sie. Das war der kleine Katzenvogel, ganz sicher. "Du hast mich erschreckt" knurrte sie ihn an. Noch immer saß der Schock tief in ihren Knochen, brachte ihr Blut zum Rauschen. Aber... wenn er hier war, konnte Notos nicht weit entfernt sein. 
"Tut mir leid, wenn ich dich getroffen habe. Kannst du mich zu Notos führen?" Das gefiederte Wesen gab nichts auf von seiner verstimmten Laune. Doch es entschied sich, ihr eine Richtung zu weisen nachdem sie etwas getrocknetes Fleisch aus ihrem Beutel gezogen hatte und Nirah folgte ihm.

Ein sanftes Plätschern kündigte einen Gewässer an. Als Nirah und Sir Jasper aus dem Gebüsch traten erblickten sie Notos über an einem Fluss, seine Hellebarde an der Hand und ein kleiner Haufen Fisch neben seinen Beinen. "Donnerschwinge." begrüßte sie ihn. Erleichterung durchflutete sie. Sie hatte ihn gefunden. Endlich.


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 19.11.2023 18:33

Spielverderber.
Hatte Jasper am Anfang noch vergnügt die Flügelspitzen ausgestreckt, als Nirahs überraschter Schrei seine Ohren erreichte, so fiel es ihm bald schwer, bei ihrem Gezappel weiterhin Halt zu finden. Und dass obwohl er sich sogar festzukrallen versuchte. Das ungestüme Ding schlug wilder um sich als ein Jungdrache bei seinem ersten Reiterflug. Als ihn schließlich sogar ihre Hand erwischte, ließ er von ihr ab und flatterte empört zum nächsten Ast. Aufgebracht plusterte er sein Gefieder auf. So groß seine Freude gewesen sein mochte, ausgerechnet hier auf das Heiler-Mädchen zu treffen: was zu weit ging, ging zu weit. Gekränkt schnaubend drehte er seinen Kopf von ihr weg, als sie ihn zu tadeln begann. Nur um dann aufmerksam mit den Ohren zu zucken, als sie sich doch tatsächlich entschuldigte. Mehr noch, ihn sogar fragte, ob er sie zu Notos führen konnte.

Der kleine Drache schüttelte sich. Erst Anknurren und dann bitten? Na, das könnte ihr so passen. Vielsagend begann er mit den Pfoten sein Gefieder zu säubern, ignorierte ihr weiteres Tun dabei geflissentlich. Er konnte sie natürlich zu seinem Partner führen. Aber wollte er? Nachdem sie ihn und Notos so oft grummelig behandelt hatte? Ihn als dummen Vogel betitelt und nun sogar verletzt – oh, Futter!

Kaum hatte Nirah das Stück Fleisch aus ihrer Tasche gezogen, fixierten die goldene Augen nur noch diesen bestimmten Punkt. Ließen auch dann nicht von ihm ab, als die Heilerin das Trockenfleisch hoch in die Luft warf. Sofort stieß er sich von seinem Ast ab und schnappte sich die angebotene Beute mit unfehlbarer Präzision. Er hatte das Futter verschlungen, noch bevor er auf dem nächsten Ast landen konnte. Jasper leckte sich über die Zähen, legte nachdenklich den Kopf schief. Führen sollte er also. Nun, er würde dieses Mal eine Ausnahme machen können. Außerdem wäre sein Partner wohl nicht sehr erfreut darüber, wenn er die Heilerin hier einfach stehen lassen würde. Erst recht, wenn sie ihn sogar zu suchen schien. Ohne Vorwarnung sprang Jasper erneut von seinem Ast, landete im Gleitflug auf dem nächsten, nur wenige Flügelschläge von Nirah entfernt. Drehte sich dann zu ihr um und wartete ungeduldig darauf, dass sie ihm folgte. Verengte dabei jedes Mal skeptisch die Augen. Sie sah nicht wirklich bei Kräften aus. Aber diese Strecke würde sie wohl noch durchhalten müssen.

Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel. Bald würde die Hälfte des Tages wohl wieder vorbei sein. Jasper ließ ganz schön auf sich warten. Mit einem plätschernden Geräusch zog Notos seine Waffe aus dem Wasser. Betrachtete den gefangenen, mit dunklen Punkten gesprenkelten Fisch mittlerweile nur noch mit einer milden Zufriedenheit, bevor er ihn mit einem Schlag gegen den Kopf endgültig von seinem Leid befreite – zur Sicherheit, falls der kleine Stromstoß das Tier nicht sofort erlegt haben sollte. Nach all den Jahren hätte er nicht gedacht, dass ihm das noch so gut gelingen würde. Die Lektionen seines Vaters hatten wohl doch noch etwas Gutes an sich.

Mit zunehmend eingeübteren Bewegungen, machte sich Notos dran, den Fisch zu entbluten und auszunehmen, ehe er ihn nach kurzem Überlegungen zu einem schattigen Ort etwas abseits seines Jagdplatzes brachte. Dort wickelte er ihn mit den restlichen Fischen in ein Tuch ein und legte dieses Päckchen wieder an den Uferrand, auf ein dichtes Netz aus Wasserpflanzen. Es war keine ideale Zwischenlagerung, aber die unmittelbare Nähe zum kalten Flusswasser sollte seinen Fang noch für eine Weile feucht und frisch halten.

Wieder verging mehr Zeit. Wieder ohne ein Lebenszeichen von Jasper zu bekommen. Seufzend senkte Notos den Kopf, den er bis eben in den Nacken gelegt hatte. Doch der Himmel blieb leer. So langsam konnte sein Gefährte zurückkommen. Inzwischen hatte er ein Feuer vorbereiten können. Hatte mithilfe von Ästen ein paar Konstruktionen gebaut, um später die Fische über der Glut braten zu können. Vermutlich würde er das auch bald angehen – sobald er noch etwas mehr Futter für seinen Partner gefangen hatte. Mittlerweile reihten sich vier Fische zu seinen Füßen. Eine kleine Mahlzeit für den größten Hunger seines Gefährten. Wenn er denn mal auftauchen würde.

Energisch schüttelte Notos den Kopf, versuchte seine Unruhe nicht weiter von ihm Besitz ergreifen zu lassen. Sondern schob seine Gedanken lieber zu Seite, konzentrierte sich darauf, einen weiteren Fang zu landen. Beharrlich wartete er darauf, dass erneut die Silhouette eines Fisches im klaren Wasser auftauchte. Verfolgt diese fokussiert. Die Hellebarde fest in der Hand haltend und auf den flüchtigen Schatten im Fluss gerichtet. Er hob seinen notdürften Speer an. Erhöhte den Druck auf seinem Griff und – Donnerschwinge.

Er erkannte die Stimme sofort. Natürlich tat er das. Der dazugehörige Name entkam ihm, noch ehe er sich gänzlich zu ihr umdrehen konnte: „Nirah?" Verwunderung. Unglaube. Der Ton seiner eigenen Stimme rutschte verräterisch in die Höhe, als sich ein Funken an überraschter Freude in seine Miene schlich, während diese Gefühle  in genau dieser Reihenfolge seine Gedanken durchjagten. Sofort glitt sein Blick zu der Gestalt, die aus dem Dickicht stolperte. In derselben Bekleidung wie am ersten Tag ihres Zusammentreffens. Die noch wärmenden Strahlen der Sonne umrahmten ihre Konturen, ließen ihre Haare beinahe wirklich in flammenden Farben aufleuchten. Ganz getreu des Spitznamens, den er ihr heimlich verpasst hatte.

Unwillkürlich hellte sich seine Miene auf, als er verstand, dass er sich wirklich nichts eingebildet hatte. Trat dabei ein paar Schritte auf sie zu. Es gab keinen Zweifel. Das hier war wirklich Nirah – und sie sah erschöpft aus. Die dunklen Ringe unter ihren Augen würden den seinen wohl mühelos Konkurrenz machen können. Der Schatten einer schwer greifbaren Besorgnis schlich sich in seinen Ausdruck, als er sie erneut musterte, die Brauen dicht zusammengezogen. Sie wirkte blasser als sonst, oder? Stellenweise hafteten Nadeln und Blätterstaub an ihrer Kleidung. Als wäre sie eben noch auf dem Waldboden gelegen. Beinahe machte es denn Anschein, als wäre sie ebenfalls wie er tagelang auf Wanderung gewesen.

Bevor er sich noch näher zu ihr begeben konnte, landete endlich das Gewicht auf seiner Schulter, dass er schon so lange Zeit erwartet hatte. Noch während Notos begriff, warum Jasper wohl so lange für seine Rückkehr gebraucht hatte, übermittelte sein Gefährte ihm eine Nachricht, die ihn sofort in jeglicher Bewegung innehalten ließ. Sie hatte ihn gesucht. Warum? Was konnte so wichtig sein, dass sich Nirah so weit weg vom ihrem Zuhause begeben würde?

Alles in ihm spannte sich mit einem Mal an, als eine Reihe unangenehmer Gedanken seinen Kopf durchflutete. Die Sorge grub sich tiefer in sein Gesicht ein. „Was machst du hier? Ist bei euch im Dorf etwas passiert?" Notos stockte, bevor er etwas zögerlicher fortfuhr: „...Ist bei dir alles in Ordnung?"



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Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 08.12.2023 02:00

Sie zuckte beinahe zusammen, als Notos sich ruckartig umdrehte. Überraschung und Unglauben spiegelten sich in seinem Gesicht. Ergriffen von plötzlicher Verlegenheit sah Nirah zu Boden. Ja, ich. Wer hätte das gedacht. Dass ich dir hinterherlaufe. Natürlich hatte er nicht mit ihr gerechnet. Der Abschied war endgültig gewesen. Ihre Anwesenheit musste auch nicht unbedingt erwünscht sein. Sie an seiner Stelle wäre nicht erfreut gewesen.
Aber...
Er lächelte. Zumindest für einen Moment. Je weiter er auf sie zukam, desto ernster wirkte er. Und müder. Dunkle Furchen hingen unter seinen Augen und er bräuchte definitiv ein Bad. So wie sie. Da konnte sie sich nichts vormachen. Beim Anblick der frisch gefangenen Fische hinter ihm, knurrte ihr Magen laut. Gut, vielleicht benötigte sie noch einiges mehr. Immerhin schien er unverletzt und gesund.

Flatternd landete Sir Jasper auf Notos' Schultern. Notos erstarrte, sein Ausdruck auf einmal hart. "Was? Nein. Im Dorf ist alles wie immer." gab Nirah zurück. "Wieso sollte bei mir nicht alles in Ordnung sein?" Ihre Stimme nahm einen genervten Unterton an und unwillkürlich verschränkte sie die Arme vor der Brust. "Mir geht es gut." Sie atmete einmal tief durch, ging einen Schritt auf Notos zu und hob den Kopf um ihm in die Augen sehen zu können. "Mir geht es gut." wiederholte sie leiser. Erschöpfter. "Ich dachte nicht, dass ich dich tatsächlich finde, aber du bist nicht so weit gekommen, wie ich dachte." Sie versuchte sich an einem Lächeln. "Ich bin hier weil ich..." Sie stockte. "Weil ich..." Sie wandte den Blick ab. "Also es ist nicht alles so gelaufen, wie ich dachte. Und ich muss... Ich würde dich gerne begleiten."

Vorsorglich hob sie die Hände in einer abwehrenden Geste. "Keine Abmachungen oder Verhandlungen. Ich werde dich nicht aufhalten. Du gibst den Weg an und ich folge. Und ich kümmere mich um mich selbst." Sehnsüchtig beäugte sie einen kleinen Moment die Fische. Nirah hielt inne, verkniff sich die Frage wo er eigentlich hin wollte und den Kommentar über seine seltsamen Richtungswechsel. Sie runzelte lediglich die Stirn.
"Darf ich dich begleiten, Notos?" fragte sie vorsichtig.



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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 08.12.2023 18:30

Im Dorf war also alles in Ordnung. Augenblicklich lockerte Notos den Griff um seine Waffe, als er den leisen Hauch von unterschwelliger Irritation in Nirahs Stimme vernahm. Seine eigene blieb an seiner Miene haften. Zusammen mit einem gewissen Anflug von angespannter Sorge. Genaustens studierte er ihre Gesichtszüge, verfolgte ihre erschöpften Atemzüge, ihre Unfähigkeit, ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Einzig als sie in einer ihm vertrauten Geste gereizt die Arme verschränkte, zuckte ein Mundwinkel kurz erheitert in die Höhe.

Doch dieser Ausdruck wurde schlagartig ausgetauscht von einer erneuten Welle der Besorgnis, als ihm wieder Nirahs ausgelaugter Zustand bewusst wurde – dann verzog er mit einem Mal beinahe schmerzhaft das Gesicht. Was zum guten Teil wohl dem sehr echten Schmerz zu verschulden war, als Jasper ihm mit ausgefahrenen Krallen einen elektrischen Stromstoß in die Schulter jagte. Der kleine Drache kniff verärgert die Augen zusammen. Ja, Nirah war mitnichten die einzige die angenommen hatte, dass sie inzwischen viel weiter hätten kommen müssen.

Notos würgte die aufkeimende Unruhe, die ihre Worte bei ihm hinterließen, so gut wie möglich ab. Fokussierte sich lieber auf Nirahs ungewohntes Herumdrucksen, versuchte dabei den Sinn dahinter zu verstehen. Und stutzte sichtbar bei ihrer Bitte. Sie wollte ihn begleiten? Das sollte der Grund für ihre Eile gewesen sein?

Er blinzelte. Runzelte nachdenklich die Stirn. Und seufzte anschließend tief auf. „Nirah, du bist mir gefolgt. Tagelang. Anscheinend ohne dabei größere Rasten für Essen und Schlaf einzulegen. Natürlich mache ich mir da Sorgen, ob es dir und allen im Dorf gut geht." Und mit jedem Wort, das ihre Lippen verließ, gewann er zunehmend den Eindruck, dass es ihr sicherlich nicht so gut ging, wie sie ihm weiszumachen versuchte.

Erneut erklang ein leises Seufzen. „Wie wäre es, wenn du dich erstmal kurz hinsetzt?" Mit einer Geste zum kleinen Lagerfeuer untermalte er seinen Vorschlag, der mehr einer stummen Aufforderung glich. Dann drehte er sich ruckartig um, ohne eine Antwort abzuwarten. „Jasper, die Fische dort sind für dich." Sein Gefährte zuckte fragend mit den Ohren. Beinahe veranlasste es ihn dazu, ungeduldig die Augen zu verdrehen. „Ja, wirklich alle," beteuerte er mit Nachdruck. „Nimm. Du hast Hunger."

Das ließ sich der kleine Drache nicht zweimal sagen. Im Gleitflut schoss er zu seinem neu zugeteilten Futter hinab. Der erste Fischlaib war verschlungen, noch während Notos das Päckchen mit den restlichen Fischen vom Uferrand holte. Langsam trottete er damit zum Lagerfeuer und faltete den Stoff vorsichtig zwischen ihm und Nirah aus. Hatte er bislang seinen Blick von ihr abgewandt, so hob er nun den Kopf, um der Heilerin bestimmt in die Augen zu sehen. „Nimm so viel du brauchst." Eine weitere, dieses Mal weitaus weniger versteckte Aufforderung. Dann verschwand die Ernsthaftigkeit in seiner Miene, wurde abgelöst von dem Ansatz eines amüsierten Lächelns. „Jemand hat mir mal gesagt, solange wir uns nicht versuchen gegenseitig umzubringen, werden die Vorräte geteilt."

Abermals wartete Notos nicht auf eine Antwort, sondern begann schweigend, seinen Fisch auf dem Stock aufzuspießen. Er vertraute darauf, dass sie zugreifen würde. So stolz sie manchmal auch sein mochte, ihr hungriges Starren hatte er sehr wohl bemerkt. Nachdem er seine Hauptmahlzeit vorbereitet hatte, machte er sich daran, einen seiner mageren Fische in kleine Stücke zu schneiden, diese zusammen mit ein paar Feuerbeeren in Blätter einzuwickeln und sie am Rande des Feuers mit Glut zu bedecken. Während er sich dieser Arbeit widmete, entkam ihm kein Wort. Erst nach einer Weile der Stille wandte er sich mit ruhiger Stimme an seinen unerwarteten Gast. „Wir werden wohl noch etwas warten müssen, bis wir essen können.", fing er bedächtig an. Beinahe unschuldig. Dann hob er mit einem Mal den Kopf, lächelte dabei sachte. „Möchtest du mir vielleicht in der Zeit in Ruhe erklären, was genau vorgefallen ist?"



Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.12.2023 18:30.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 10.12.2023 01:41

Natürlich akzeptierte Notos nicht einfach so, dass er eine Begleitung haben sollte. Nirah sah es in seinem Gesicht. Die eindeutige Verwunderung nach ihrer Eröffnung. "Wie hätte ich dich sonst einholen sollen?" verteidigte sie sich. "Es war nichtmal sicher, dass ich dich überhaupt einhole." Wofür genau sie sich verteidigte, wusste sie selbst nicht. Dafür, dass sie wenig gegessen und geschlafen hatte? Sicher nicht. Erstens war das allein ihre Angelegenheit, zweitens ging es ihr gut und drittens hatte er es nicht besser gemacht. 

Dennoch setzte sie sich, wie auf Befehl. Insgeheim gab sie zu, dass es gut tat. Außer zum Schlafen, war sie die letzten Tage dauerhaft auf den Beinen gewesen. Sie streckte Füße und Hände den Flammen entgegen. Nicht, dass sie fror. Noch brannten ihre Glieder von der Reise. Nein, sie mochte die Wärme des Feuer und es erzeugte den Hauch von Entspannung in ihrem Körper. Nirah sah zu, wie sich Notos entfernte. Bislang verlangte er nicht, dass sie ging. Das war ein guter Anfang. Von Notos schweifte ihr Blick zwangsläufig zu seinem gefiederten Begleiter und sie musste schmunzeln. Auch er hatte Hunger. Nicht verwunderlich. Dann wiederum, hatte Sir Jasper nicht immer Hunger?

Notos kehrte mit noch mehr Fisch zurück. Er hatte eine ansehliche Menge gefangen. Bilder von gebratenem Fisch am Stock kamen unweigerlich in Nirah auf, als sie den kleinen Haufen betrachtete. Obwohl der Hunger an ihr nagte, zögerte sie zuzugreifen bis Notos den Mund zu einem Lächeln verzog. Er erinnerte sich, an ihre Worte. Seit diesem Abend schien eine kleine Ewigkeit vergangen zu sein. "Wir haben es bisher noch nicht geschafft und gegenseitig umzubringen. Das zählt, oder?" gab sie grinsend zurück. Sofort schnappte sie sich einen Fisch, hielt inne und murmelte leise einen schnellen Dank und einen Segen. "...viel Glück auf der Reise. Mögen eure Seelen in den ewigen Kreislauf eingehen." 

Wenig später brutzelten die Fische aufgespießt über dem Feuer. Beiläufig beobachtete sie Notos' Bemühungen um ein etwas raffiniertes Mahl. Ihre Aufmerksamkeit lag aber vorerst auf dem Stock in ihrer Hand. Der Fisch duftete bereits köstlich und färbte sich braun. Als Notos zu sprechen begann, zog Nirah ihren Spieß bereits ungeduldig heran und testete ihn auf Essbarkeit. "Nichts ist vorgefallen." sagte sie sofort und schluckte einen Bissen, zog eine Gräte aus ihrem Mund. Dann hielt sie ihn wieder über das Feuer. Außen war er schon gut, innen vertrug er noch etwas. Nirah seufzte. Irgendeine Erklärung war sie Notos wohl schuldig. 
"Kannst du dich daran erinnern, was ich über meine Vision gesagt habe und deine Augen und meine Aufgabe? Ich habe mich ein wenig..." Sie stockte und quetschte das nächste Wort mühevoll heraus, beinahe gequält. "...geirrt. Meine Aufgabe ist... nicht abgeschlossen. Ich hätte dich gar nicht erst alleine gehen lassen dürfen." Wieder prüfte Nirah den Fisch und wieder hielt sie ihn übers Feuer. "Außerdem..." fing sie leise an, unterbrach sich direkt wieder. "Ach, vergiss es." murmelte sie und starrte in die Flammen. Sie konnte auf keinen Fall erklären, dass sie sehr wohl den Abschied bedauert hatte. Devon lag natürlich völlig daneben mit seiner Interpretation, keine Frage. Aber die heilige Mutter wusste, was Notos denken mochte. Wenn sie sich in ihren eigenen Erklärungen verhedderte, dass sie ihn irgendwie vermisst hatte aber auch nicht richtig. Dass sie eine gewisse Sympathie entwickelt und sich an seine Anwesenheit gewöhnt hatte. Dass sie ihn...mochte? Zudem hatte sie selbst keine Ahnung, ob das überhaupt wirklich der Grund war, wieso sein Aufbruch ihr schwer im Magen gelegen war. Vermutlich war es nur an der Enttäuschung über die unvollendete Aufgabe gelegen, dass sie sich schlecht gefühlt hatte. 
"Ich bin froh, dass du noch lebst, Notos." sagte sie stattdessen irgendwann in die Stille hinein. Schließlich machte sie sich über den gebratenen Fisch her. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 11.12.2023 00:00

Jasper hatte zwei seiner Fische verschlungen, als er sich das erste Mal umsah und bemerkte, dass die beiden Menschen sich zum Lagerfeuer verzogen haben. Und anscheinend bereits wieder miteinander herumwitzelten? Der kleine Drache legte fragend den Kopf schief. Das Heiler-Mädchen konnte grinsen? Ihm war gar nicht bewusst, dass sie überhaupt dazu fähig war, ihre Mundwinkel so sehr nach oben zu ziehen. Was auch immer vorgefallen war, es schien zu einer ausgelasseneren Laune geführt zu haben. Selbst der Ausdruck seines Gefährten wirkte das erste Mal seit vielen Tagen wieder etwas wärmer, während er sie betrachtete. Für einen kurzen Moment fast sogar sorglos. Sein Lächeln verfiel leider viel zu schnell der vorherigen matten Ernsthaftigkeit, um letzterem wirklich glauben zu können.

Ohne groß darüber nachzudenken vertilgte Jasper einen weiteren Fisch, bevor er sich den verbliebenen Fisch schnappte und ihn mit stolz erhobenen Haupt zu den anderen am Feuer trug. Deren Fische hingen bereits über den Flammen und nahmen eine ihm bekannte, bräunliche Farbe an. Ob er das wohl mit seinem auch hinkriegen könnte? Während Jasper nachdenklich in die Glut starrte und eigene Pläne schmiedete, musste Notos sich hüten, bei Nirahs ersten defensiven Worten nicht zu offensichtlich die Augen zu verdrehen. Stattdessen bedachte er sie nur mit einem vielsagenden Blick. Nichts ist also vorgefallen? Musste ein sehr wichtiges "nichts" gewesen sein, wenn sie sich deswegen spontan entschied, ihn tagelang zu verfolgen.

Bevor er aber in irgendeiner Form nachhaken konnte, führte Nirah sogar von selbst aus. Es ging also wieder um ihre Vision? „Ich kann mich vor allem daran erinnern, wie du mich das erste Mal mit deiner Vision in Verbindung gebracht hast. Es ist etwas schwer zu vergessen, wenn jemand dein Gesicht packt und dir dabei lange und intensiv in die Augen starrt." Notos schenkte ihr ein schiefes Grinsen, ehe seine Miene nachdenklichere Züge annahm. „Du hast mir allerdings nie gesagt, was du als deine Aufgabe erachtet hast. Aber da du angenommen hattest, dass es mit mir in Verbindung steht und du dich aber geirrt hast und du mich nie hättest gehen lassen dürfen... nehme ich an, dass du dachtest, deine Aufgabe würde bis zu meinem Fortgehen erledigt sein?" Selbst wenn er sich weiterhin keinen Reim draus machen konnte, wie er  ausgerechnet ihr dabei hätte helfen können.

Außerdem...Notos hob mit einem fragenden „Hm?" aufmerksam den Kopf. Doch Nirah hüllte sich in ein verkrampftes Schweigen. Eine Zeit lang musterte er sie noch abwartend, bevor er seufzend aufgab. Vermutlich hing dies auch mit ihrem vorherigen Hadern zusammen. Er hatte ihren gequälten Gesichtsausdruck sehr wohl bemerkt, als sie über ihren Irrtum gesprochen hatte. Als wäre es ein persönliches Versagen gewesen. Wobei... Hatte sie nicht gemeint, sie müsse diese Aufgabe unbedingt erfüllen, um als vollwertige Wächterin anerkannt zu werden. Als eine Art abschließende Prüfungen?

Notos haderte zuerst, dann fing er bedächtig an zu sprechen: „Du meintest, die Pfade und Visionen der Wächter sind nicht eindeutig und einfach zu verstehen, richtig?" Mit einem Stock fischte er währenddessen die eingewickelten Fischstücke aus der Glut. Die sollten aufgrund ihrer Größe als erste fertig werden. Nebenbei verscheuchte er mit der anderen Hand Jasper, der seinen gefiederten Kopf etwas zu nah ans Feuer steckte. „Selbst wenn du dich geirrt haben solltest, das kann bei so etwas Komplexem, wie es deine Aufgabe zu sein scheint, passieren, oder? Ich bin mir sicher, dass die heilige Mutter dich nicht länger als nötig im Dunkeln tappen lassen wird. Wenn jemand dieses Rätsel irgendwann lösen wird, dann du", gab er mit völliger Zuversicht von sich. Hoffentlich hatte er die Worte so wählen können, dass sie Nirah etwas Aufmunterung schenken konnten. Er wusste selbst zu gut, wie es sich anfühlte, wenn man bei einer Prüfung oder wichtigen Mission scheiterte. Aber der einzige richtige Weg war letztendlich nur der nach vorne. Immer. Egal was vorgefallen war.

 

Ein frustriertes Fauchen bemächtigte sich seiner Aufmerksamkeit. Sofort glitt sein Blick zu seinem Partner – der anscheinend seinen Fisch in die Glut geworfen hatte und ihn nun verzweifelt umzudrehen versuchte. Wenn nur die dämlichen Brocken nicht so heiß wären. Mit einem amüsierten Schmunzeln half er dem kleinen Drachen aus, nur um gleich daraufhin erneut überrascht den Kopf anzuheben. Was hatte Nirah gesagt? Sie war froh, dass er lebte?

Er blinzelte verdattert. „Ich bin ebenfalls froh?", gab er dezent verwirrt von sich. „Dass du lebst, meinte ich natürlich." Dann zuckte er zusammen, als wäre ihm etwas eingefallen und er korrigierte schnell „Nicht dass ich wirklich etwas anderes von dir erwartet hätte natürlich!" Verlegen fasste er sich an den Nacken und wandte den Blick ab. „Ich bin einfach nur erleichtert, dass es dir gut geht. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht bei deinem plötzlichen Auftauchen." Mit neugefundenem Interesse widmete er sich stumpf seinem Essen. Er sollte das Reden einfach sein lassen. Selbst sein Gefährte bedachte ihn mit einem irritierten Blick.

Es dauerte eine Weile, bis Notos sich wieder das Wort zu erheben traute. „Nun... was jetzt? Du meintest, du hättest mich nie gehen lassen sollen. Heißt das, du hast nun eine klarere Idee, was von dir verlangt wird?"



Antworten Zuletzt bearbeitet am 13.12.2023 22:37.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 12.12.2023 02:25

Nirah versuchte sich nicht allzu deutlich die Erinnerung an besagten Moment ins Gedächtnis zu holen. Sie war verwirrt gewesen. Verwirrt und überrumpelt. Nach außen musste es überaus abstrus gewirkt haben, wie geschockt sie vom bloßen Anblick klarer Augen gewesen war. "Ich habe nicht lange gestarrt. Und erst recht nicht intensiv." zischte sie dazwischen. Dieses dämliche Grinsen. Sie hatte es nicht vermisst, dennoch wärmte es sie durch seine Vertrautheit. Nun, vielleicht hatte sie es doch ein kleines bisschen vermisst? Nein. Das wäre absurd.
Sie schenkte sie Notos einen langen Blick, der in etwa besagte "Du hast ja gar nichts verstanden, Donnerschwinge." Wenn sie nicht wusste, was die Aufgabe war, konnte sie es auch schlecht sagen. Aber sie hätte erledigt sein müssen, bis zu seinem Aufbruch wenn sie mit Notos verknüpft war, unabhängig davon wie sie lautete. Wie hätte sie die Aufgabe erledigen sollen, wenn er fort war? Und nun war sie hier. Bereit dem Mann zu folgen, den sie eigentlich vom ersten Moment an verflucht hatte. Blind ins Ungewisse. So blind, wie er es manchmal war. Trotzdem spürte sie keinen Widerwillen in sich aufsteigen, nicht den Drang im nächsten Moment zu flüchten. Es fühlte sich richtig an, hier zu sein. Diese Erkenntnis schenkte ihr eine ungekannte Erleichterung. Die Last, die seit Notos' Aufbruch auf ihren Schultern gelegen war, verflüchtigte sich. Jetzt war sie auf dem richtigen Weg, möglicherweise zum ersten Mal seit ihrem Treffen. Nirah schickte ein Stoßgebet überschwänglichen Danks zur heiligen Mutter.

Notos' fragender Blick, sein ergebenes Seufzen. Es war alles wie immer. Während beide eisern schwiegen, kämpfte Nirah ein sorgloses Lächeln nieder, welches sich ihrer zunehmend nachdrücklich bemächtigen wollte. Sie aß ihren Fisch, wippte dabei mit den Füßen bis Notos' das Wort ergriff. Zuerst nickte sie. Die Pfade der Wächter waren nicht eindeutig. "Versuchst du mich gerade aufzumuntern?" fragte sie dann mit hochgezogener Augenbraue, sacht schmunzelnd. Damit war er reichlich spät. "Sie lässt mich nicht im Dunkeln tappen, sondern gibt mir genau so viele Informationen wie ich brauche. Ich weiß, dass ich es lösen kann. Ich muss. Ich hatte nur... ein paar davon übersehen." Genauer gesagt hatte Nirah sie übersehen wollen. Aus irgendeinem Grund hatte sie verdrängt, dass sie bereits direkt nach der Enthüllung bereit gewesen war, Notos überallhin zu folgen wenn sie dadurch ihre Ausbildung beenden konnte. Weil du es nicht zugeben kannst. Weil es es so klingt, als bräuchtest, wolltest du ihn bei dir. Weil du so sehr den einfacheren Weg gehen wolltest, dass du den richtigen verleugnet hast. So sehr Nirah diese Gedanken unterbinden wollte, diese Schwäche war es, die schwer auf ihr lastete. Keine Zuversicht von Notos oder ihr Glauben an die heilige Mutter konnte das ändern. 
Das Fauchen Sir Jaspers lenkte sie ab und zauberte dieses Mal sichtbar ihr Lächeln hervor. Sie hatte die letzen Tage auf Reisen ohnehin genügend Zeit damit verbracht, ihre trübseligen Überlegungen von vorne bis hinten, wieder und wieder durchzugehen. Nur um auf dasselbe Ergebnis zu kommen: Jetzt hatte sie die Möglichkeit etwas zu ändern. Wenn sie nur weiterlief. Einen Schritt nach dem nächsten. 

Das Futter des Katzenvogels rettete Notos mit einer schnellen Handbewegung. Er redete er sich um Kopf und Kragen und starrte daraufhin an Nirah vorbei. Sie blinzelte ebenfalls, allerdings mehr erheitert und sagte nichts. Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe. Ich bin froh, dich zu sehen, korrigierte sie ihre eigenen Worte im Geiste. Fragte sich im selben Moment, warum sie das tat.
"Ich habe weiterhin keine Ahnung, was genau ich machen muss. Dieses Mal werde ich den Zeichen folgen und abwarten. Die Zeichen haben von Anfang an in deine Richtung geführt. Also folge ich dir. Das ist mein Plan. Unsere Pfade sind verknüpft. Die heilige Mutter möchte, dass ich einen Teil des Weges mit dir gemeinsam gehe. Darauf vertraue ich." erklärte sie ruhig und spießte einen frischen Fisch auf. "Gib mir aber Bescheid, falls du zufällig einen Wolf mit nachtschwarzem Fell und eisblauen Augen siehst, der die Angewohnheit hat, sich in Luft aufzulösen. Ich könnte ebenso gut ihm folgen, wenn er mich lassen würde." 

Nirah klemmte den Stock zwischen die Knie und kramte plötzlich eilig in ihren Taschen. "Da fällt mir ein..." murmelte sie. Sie zog ein dünnes Lederband hervor an dem der Zahn einer Bestie baumelte. Auf der cremefarbenen Oberfläche waren runenhafte Zeichen eingeritzt und geschwärzt worden. In deren Mitte war das winzige Abbild eines rennenden Wolfes, ähnlich dem auf Nirahs Dolch. Die Arbeit wirkte etwas grob. Nirah hielt die Kette Notos entgegen. "Ich habe deinen Ring gefunden und ich wollte dir den Zahn sowieso geben und irgendwie habe ich dann versucht etwas Ähnliches daraus zu machen" ratterte sie ungewöhnlich scheu klingend herunter. Sie legte die Hand an den Stoff ihres Oberteils, genau dort wo der Ring darunter ruhte. "Falls du ihn zurückhaben willst, gebe ich ihn dir aber. Also den Ring, meine ich." Oh nein, auch das noch. Hitze färbte ihre Wangen rosa. Nirah war es, die nun den Blick abwandte und händeringend einen Themenwechsel ersehnte.
"Wann gehen wir los? Und wohin gehen wir überhaupt?" erkundigte sie sich, übermäßig tatkräftig. 







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