The Headwinds - Handlung
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 09.01.2025 22:50Der Dorfplatz war dicht gedrängt, und das Grölen und die aufgeregten Stimmen der Leute verschmolzen zu einem einzigen, lauten Lärmteppich. Kay versuchte sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, stieß dabei mit einem „Lasst uns nach vorne" ein paar Leuten den Ellenbogen in die Rippen, nur um direkt weiterzudrängeln.
Dann blieb sie abrupt stehen. Die Mitte des Platzes wurde sichtbar. Dort standen zwei Männer einander gegenüber: Ihr Vater Hal, breit wie ein Berg und mit dem typischen steinernen Gesichtsausdruck, der nur zu gut zeigte, dass er keinen Spaß verstand. Und Notos, der im Vergleich zu Hal stichelnd grinste und sich keinen Deut einschüchtern ließ.
Kay wurde eine Spur blasser. „Was bei der heiligen Mutter ...?" murmelte sie, bevor sie instinktiv nach einer vertrauten Gestalt in der Menge suchte. Sie entdeckte Jerell, der laut jubelnd am Rand stand. Doch kaum, dass der Krieger sie auf ihn zueilen sah, fiel sein Grinsen. „Oh verdammt."
Kay schob sich zu ihm durch. „Jerell! Was ist hier los?" fragte sie panisch.
Jerell verzog das Gesicht. „Oh, Kay ... Es tut mir leid, dass du das so mitbekommst. Dein Vater und Notos, sie kämpfen ..."
„Das sehe ich doch!" fiel sie ihm unwirsch ins Wort. „Ich meine, was ist passiert?"
Jerell hob abwehrend die Hände in die Luft. „Also gut, also gut. Dein Vater hat eine Versammlung der Jäger abgehalten. Wegen der Monsterangriffe, du weißt schon. Notos war auch da. Es lief zuerst ganz normal – bis dein Vater gemerkt hat, dass Notos blind ist. Und naja, Hal war ... sagen wir mal, weniger begeistert."
„Notos ist...?" Kay schüttelte den Kopf. „Warum sollte er deswegen wütend werden?"
Jerell zuckte mit den Schultern. „Schätze, er hat sich hintergangen gefühlt." Kay blinzelte verständnislos und der Krieger fuhr fort. „Er dachte, Notos hätte ihm absichtlich verschwiegen, dass er blind ist. Und naja... du kennst deinen Vater." Jerell verschränkte spielerisch seine Arme, imitierte dabei Hals Sprechweise. „Du würdest nichtmal das Monster treffen, wenn es vor dir stehen würde! Du bringst mit deiner Verantwortungslosigkeit nur alle in Gefahr!" Jerell verschränkte die Arme hinter seinem Nacken. „Es war echt nicht schön. Er lässt bei sowas leider nicht mit sich reden." Mit einem Mal bedachte er Kay mit einem mitleidigen Blick. „Hal war so aufgebracht, er hat auch dir und Nirah verboten, bei der Jagdtruppe mitzumachen."
Kay's Augen weiteten sich vor Empörung. „Das ist unfair! Was habe ich oder Nirah damit zu tun, dass –"
„Ja, du bist nicht die einzige, die das wütend gemacht hat, glaube ich," unterbrach sie Jerell. „Notos hat alles zunächst scheinbar ergeben aufgenommen. Aber dann ..." Der Krieger schüttelte den Kopf und lachte kurz, als könne er es selbst kaum glauben. „Dann hat er plötzlich einen Kiefernzapfen aus seiner Tasche gezogen und deinem Vater direkt an den Kopf geworfen. Mitten in der Versammlung!"
„Er hat was getan?" fragte Kay ungläubig.
„Ja, wirklich." Jerell kicherte. „Und dann war er noch so dreist, um den mörderischen Blick deines Vaters zu erwidern. „Ich denke, ich kann noch hervorragend treffen, hat er gesagt. Und dabei nur gegrinst."
Kay starrte ihn fassungslos an, aber Jerell fuhr bereits fort. „Natürlich ist Hal explodiert. Es gab eine Riesendiskussion. Ich, Quinnick und sogar Arren haben versucht, Hal zu beruhigen und Notos zu verteidigen. Aber Hal hat dann gesagt, wenn Notos unbedingt zeigen wollte, dass er fähig ist, dann soll er es beweisen. Er hat Notos herausgefordert, gegen ihn, und uns, die ihn verteidigt haben, zu kämpfen."
Kay's Augen weiteten sich. „Ihr habt wirklich zugestimmt?"
Jerell hob abwehrend die Hände. „Hey, ich wollte nicht. Aber Notos hat darauf bestanden. Hat nur gemeint, dass er einen Plan hat und ich mir keine Sorgen machen soll." Der Krieger zog eine Grimasse. „Ja, sein Plan war es scheinbar, mich sofort auf den Boden zu befördern. Und sie her!", er deutete auf seinen Körper. „Nicht ein Kratzer."
Trotz allem zuckte Kays Mundwinkel belustigt in die Höhe. „Du weißt, dass das nicht gerade für deine Kampffähigkeiten spricht, oder?"
„Hey! Das war nicht fair! Ich hatte gezögert – ich meine, er ist blind! Aber er hat mich trotzdem wie einen Welpen flachgelegt," verteidigte sich Jerell, lachte aber dabei.
„Notos ist ein Monster." Arren trat plötzlich hinter ihnen hervor und massierte dabei seinen Nacken. „Ich hätte nie gedacht, dass jemand wie er so schnell und wendig sein kann."
„Dich hat er auch geschlagen? Aber du bist einer der stärksten Krieger hier neben meinem Vater.", entgegnete Kay ungläubig.
Arren wirkte erst zerknirscht, zuckte dann aber mit der Schulter. „Er hatte nur den Überraschungsmoment. Aber gegen Hal hat er trotzdem glaube ich keine Chance."
Kay atmete tief durch. „Das hier wird kein gutes Ende nehmen, oder?," murmelte sie und schob sich noch ein Stück weiter nach vorn, um besser sehen zu können.
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Notos umkreiste Hal, der ruhig und stoisch in der Mitte des Platzes stand. Das Grölen der Menge verblasste zu einem dumpfen Rauschen, das er kaum noch wahrnahm. Dafür war er zu fokussiert auf seinen Gegner. Er wusste, dass Hal rein körperlich her stärker war – viel stärker. Und das war ein Problem. Problem Nummer zwei? Notos wusste, dass er gegen den mächtigen Krieger nicht gewinnen durfte – zumindest nicht so einfach. Jerell und die anderen hatten gestern zwar darüber gewitzelt, aber er hatte daraus gut entnehmen können wie nachtragend Hal sein konnte. Wenn er sich in irgendeiner Form herausgefordert fühlte, würde er niemals nachgeben, vor allem nicht vor der Menge. Nein, er musste dafür sorgen, dass Hal den Kampf von sich aus beendete – und das war gar nicht so einfach, weil Hal genauso unnachgiebig war wie ein Granitfels.
Immer wieder tänzelte Notos um Hal herum und verpasste ihm den ein oder anderen Fausthieb gegen Rücken und Rippen, wenn er hinter ihm war. Simple Neckereien, die aber kaum Schaden anrichteten. Dafür verfehlte ihn Hals Faust einige Male nur um Haaresbreite.
„Du hättest nie ein Krieger werden dürfen", brummte Hal, als Notos ihm mal wieder einen spielerischen Klaps gegen den Rücken lieferte.
Die Diskussion schon wieder... Du kannst kein Drachenritter werden! Hast du etwa ebenfalls einen Todeswunsch!?
Notos Lächeln verschwand für einen Moment. „Ich gehe meinen eigenen Weg", entgegnete er betont ruhig, während er erneut auswich. „Und er funktioniert."
Hal knurrte. „Das ist keine Art zu kämpfen, Notos. Du würdest uns alle in Gefahr bringen, mit dieser... dieser Spielerei!"
Notos Gesichtszüge verhärteten sich, sein Lächeln nahm schärfere Züge an. „Spielerei hat nicht drei deiner Krieger auf den Boden befördert."
Er wollte erst nach Jerells Aura tasten – doch plötzlich stutzte Notos, stolperte im schlammigen Boden ein paar Schritte nach hinten. Er fühlte es sofort – die vertraute Wärme. Die instinktive Art und Weise, wie seine Aura ihn in die Richtung zerrte. Was? Wann...?
„Und du denkst, deine Blindheit hindert dich nicht, in Gefahr zu geraten?" Hal war mit einem Mal bei ihm. Seine Faust traf Notos in die Seite, und selbst mit der gepolsterten Weste fühlte sich der Schlag an, als hätte ihn ein Schmiedehammer erwischt. Notos reagierte instinktiv: ließ jegliche Spannung aus seinem Körper, drehte sich seitlich und ließ den Schlag an sich vorbeigleiten, wie Wasser an einem Fels. Dennoch verzog er das Gesicht. Warum musste es immer die Seite sein...
Hal setzte weiter gereizt nach. „Was passiert, wenn du das nächste Mal stolperst, Notos? Wenn das Monster deine Blindheit nutzt?"
Notos wich wieder aus, funkelte dabei den Dorfanführer an. „Dafür hat man einen Partner, der einem den Rücken deckt." Ein weiterer Schlag, diesmal gezielt gegen das Schulterblatt.
Hal stoppte mitten in der Bewegung, als er diese Worte hörte, und Notos spürte eine unwillkürliche Reaktion in Hals Aura. Sie zitterte kurz – schon wieder! Was war bitte los mit dem Mann? Allmählich fand er dessen Art wirklich irritierend.
„Einen Partner, dem man sein Leben anvertraut", fügte Notos entschlossen hinzu, als er vor einem weiteren Angriff zurückwich.
Hal's Stimme war plötzlich tief und bedrohlich. „Und was passiert, wenn deine Partnerin wegen dir stirbt, Notos? Was dann?"
Notos' Herz stolperte. Es war ein Moment der Erkenntnis, der wie ein Blitz durch seinen Kopf schoss. Er hatte nicht Nirah gemeint. Er hatte an Jasper gedacht. Aber das – das saß trotzdem. Schmerz huschte über sein Gesicht. Seine Aura flammte unter der Flut an Gefühlen auf. Eins stach besonders heraus, pulsierend, wie ein Herzschlag.
beschützen, beschützen, beschützen, beschützen
Mit einem plötzlichen Ausbruch von Energie drehte sich Notos zur Seite, wich Hals nächstem Schlag aus und begann, gezielte Angriffe zu setzen. Hals. Rippe. Knie. Und wieder. Seine Bewegungen waren wie ein Fluss – jede Handlung führte nahtlos zur nächsten. Nach und nach wirkte Hals Aura, als würden kleine Risse an diesen Orten entstehen. Tiefes Blau haftete an diesen.
Und dann, als Hal einen weiteren Angriff starten wollte, hielt Notos inne, seine Haltung aufrecht, aber bereit. „Sie wird nicht sterben, solange ich bei ihr bin!" Der Klang seiner Worte hallte wie ein Donnerschlag über den Platz. „Niemand wird das.", fügte er leiser hinzu. Sollte es Hal auch nur noch einmal wagen...
Doch Hal....stoppte. Das erdige Orange seiner Aura zitterte sichtbar. Dann verschränkte er die Arme. „Gut. Das reicht. Ich habe genug gesehen." So etwas wie genervte Genugtuung tränkte seine Stimme. „Ich denke, du hast dich bewiesen. Solange die anderen dich dabei haben wollen...darfst du meinetwegen mitkommen." Von irgendwo aus der Menge ertönte ein freudiger Ausruf.
Notos spannte sich unzufrieden an. „Und Nirah und Kay?", fragte er ruhig. Das ist wichtiger.
Hal schwiegt. Überrascht? Oder nachdenklich? Ein Moment der Stille, dann nickte er knapp. „Kaylin und deine Partnerin dürfen auch mit." Die Lautstärke um ihn herum nahm wieder zu. Hal kam näher, legte ihm fest eine Hand auf die Schulter, seine Stimme nun leiser. „Ich bin nicht blind. Du hast mit Absicht lieber eingesteckt, als einen meiner Leute zu verletzen."
Notos grinste schief, ein stummes Geständnis. War er so leicht zu durchschauen? Hal schien das aber nicht wirklich glücklich zu stimmen. „Deine Art wird dich irgendwann umbringen." Sein Griff verstärkte sich. „Du hast nur ein Leben. Vergiss das nicht." Dann ließ der Druck von seinen Schulter ab.
Notos sah den Dorfanführer verwundert nach, die Spannung, die seinen Körper wie ein Bogen gespannt hatte, begann allmählich nachzulassen. Doch das Flackern seiner Aura wollte einfach nicht erlischen. Bevor er aber einen Schritt tätigen konnte, wurde er in einen freundschaftlichen Würgegriff genommen. „Du hast es geschafft, Notos", sagte er mit einem schiefen Grinsen. „Niemand hat Hal so in Schach gehalten seit Jahren. Warum verschweigst du, was du drauf hast?"
Notos blinzelte verdattert. „Ich... habe einfach nie gedacht, dass es nötig wäre?"
Jerell lachte nur und das Stimmengewirr um ihn wurde wieder lauter. Doch Notos hörte nur halb zu. Sein Blick wanderte unruhig zurück zur Menge. Nirah. Er hatte vorhin Nirah gespürt, oder? Wo war sie?
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 25.01.2025 02:38Kay drängte sich durch die hinteren Reihen der Menschen und Nirah folgte ihr. Zwischen einigen Köpfen hindurch erhaschte sie einen ersten Blick auf den Grund für das Getümmel: Notos. Oh nein. Was tust du? Alleine wäre sie vermutlich stehen geblieben und hätte gestarrt. Doch Kay arbeitete sich weiter vor.
Sie erreichten eine kleine Gruppe johlender Krieger. Von hier aus hatte Nirah eine gute Sicht und zur Platzmitte, wo Hal und Notos einander umkreisten. An einen der Männer erinnerte sie sich. War das nicht der, den Kay zu Notos geschickt hatte, um ihn herum zu führen? Jerrell? Netterweise beschrieb er ausführlich, was vorgefallen war.
Das Verbot zum Jagdtrupp bewegte Nirah nicht. Aber als er den Kiefernzapfen erwähnte, fuhr Nirah herum. Kay nahm ihr die Worte aus dem Mund. Du bist so ein Idiot, Donnerschwinge.
Bislang verlief der Kampf ruhig, nahezu vorsichtig. Notos landete ein paar Treffer, die Hal nicht weiter zu stören schienen.
"Er ist nicht blind." warf Nirah in die Diskussion ein, direkt nachdem sie zusammenzuckte, weil Hals' Faust knapp an Notos vorbei schwang.
"Zumindest nicht richtig. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich bin sicher, er kann etwas sehen." Sie drehte sich zu den zwei Besiegten um.
"Notos hat euch besiegt, weil er besser ist als ihr", sagte sie scharf. Die Männer glotzten sie an. "Und er wird nicht gegen Hal verlieren."
Auf Jerrells Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. "Natürlich bist du auf seiner Seite. Du hast keine Wahl." Er lachte und die anderen stimmten ein. "Was soll das bitte heißen?" Nirah fauchte den Kerl an. Sein Grinsen ist ja noch schlimmer als das von Notos.
"Er hat blind ein Monster erlegt, das mich fast umgebracht hätte und mein Leben gerettet, deshalb bin ich auf seiner Seite. Ich mag kein Krieger sein, aber ich habe Augen! Ich weiß, dass er gut ist." Energisch verschränkte sie die Arme vor der Brust. Dafür erntete sie lediglich einen vielsagenden Blick, gepaart mit einem feixenden "Mhm, das ist der Grund."
"Sagen wir es mal so," schaltete sich der Mann hinter Jerell ein. "Es stimmt schon, dass ich von einem Blinden deutlich weniger erwartet hätte"
"Immer ganz der Diplomat, Arren" spottete Kay.
Nirah wandte sich abrupt ab und ignorierte die Unterhaltung. Stattdessen fokussierte sie sich auf den Kampf.
Niemand konnte die Oberhand gewinnen. Da stolperte Notos nach hinten und Hal traf ihn hart in die Seite. Nirah stieß die Luft in ihren Lungen aus, als wäre sie selbst getroffen worden. Das musste weh getan haben.
Die Kämpfer umkreisten sich wieder, doch Notos' Bewegungen verloren langsam ihre spielerische Leichtigkeit. Der wahre Kampf spielte sich allerdings in dem andauernden, zunehmend intensiveren Wortgefecht der beiden ab.
Was, wenn deine Partnerin wegen dir stirbt?
Meint er mich?
Bevor Nirah darüber nachdenken konnte, ging Notos plötzlich auf Hal los, wo er vorher noch gelassen einzelne Hiebe ausgeteilt hatte. Obwohl ihr keine Gefahr drohte, überkam sie das Gefühl, sich ducken zu müssen. War das ...wirklich Notos? Was war bloß los mit ihm? Dieser spontane Anfall von Wut passte nicht zu ihm.
Sein Schrei über den ganzen Platz und Nirah erstarrte. Was danach geschah, rauschte an ihr vorbei. Sie blickte zu Boden und rang mit dem Drang zu verschwinden, scharrte lediglich mit dem Fuß, als würde das die Erde dazu bewegen sie zu verschlingen.
Wieso? Wieso sagte er so etwas?
Jemand stieß einen Jubelschrei aus und das steckte den Rest zu lautem Stimmengewirr an. Ist es vorbei? Links und rechts strömten Menschen an ihr vorbei, die Versammlung geriet in Bewegung.
Jerell kam von hinten an und hängte sich schwungvoll an Nirah, sodass sie einen Schritt nach vorne taumelte. "Ha! Das war mal eine Ansprache." lachte er.
"Fass mich nicht an! Verstanden?" Nirah stieß grob seine Hände von ihren Schultern, fuhr herum wie ein bissiges Tier.
"Woah." Jerell hob die Handflächen beschwichtigend in die Luft. "Entschuldige? War nicht böse gemeint?" Kay wechselte einen Blick mit Arren und zuckte mit den Schultern. "Kommt, wir gehen unseren Gewinner beglückwünschen", sagte Arren. Die Truppe strömte nach vorne zu Notos, nur Kay hielt kurz inne, bevor sie hinter Jerell und Arren her lief. Nirah sah aus der Entfernung zu, wie Jerell Notos um den Hals fiel.
Sie blieb einfach stehen, schwer atmend, mit einem tödlichen Blick im Gesicht. Hal stapfte ausdruckslos an ihr vorbei, nickte und ging weiter. Nach und nach lichtete sich der Platz. Jerell, Arren und Kay mussten irgendwann von Notos abgelassen haben, denn Jerells lautes Lachen war nun ein Stück entfernt zu hören. Erst als Notos sie am Rand stehend entdeckte,setzte sich Nirah in Bewegung und ging mit verschränkten Armen auf ihn zu.
"Bist du verletzt?" fragte sie in einem Ton, der bereits ihre Verstimmung ankündigte.
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 26.01.2025 20:20Notos wusste, dass Nirah da war, noch bevor er sie sah. Ihre Aura brannte wie das Licht einer Fackel am Rande seines Wahrnehmungsfeldes – unruhig. Viel zu unruhig. Doch sie kam nicht zu ihm. Warum? Vermutlich war sie wirklich aufgebracht.
Ein fester Schlag auf die Schulter riss ihn aus seinen Gedanken. „Nicht schlecht, Donnerschwinge. Ich wusste gleich nach unserem Kampf, dass du Hal ebenbürtig sein könntest.", gab Arren wohlwollend von sich.
Sofort erklang neben ihm ein scharfes Schnaufen. Eindeutig Kay. Ihr Ton verbarg nicht, wie sehr sie sich amüsierte. „Ja, klar, das glaubst du doch selbst nicht. Die Einzige, die Notos hier wirklich verteidigt hat, war Nirah." Ein Lachen ging durch die Gruppe.
„Das stimmt," stimmte Jerell kichernd zu. „Sie hat uns angefahren, als hätten wir sie persönlich beleidigt. Aber mal ehrlich, bei Nirah zählt das nicht so richtig, weil—"
Der Rest ging in einem dumpfen Rauschen unter. Notos spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Er blinzelte verdattert. Nirah ... hatte ihn verteidigt? Seine Nirah? Das konnte nicht stimmen...oder?
„Was habt ihr mit ihm angestellt?" Russ trat mit verschränkten Armen hinzu, ein hörbares Grinsen schwang in seinen Worten mit. „Der wird ja rot wie ein Feuerball. So verlegen hab ich ihn noch nie gesehen."
„Ich bin nicht—" begann Notos, doch Jerell war schneller.
„Oooh, Partner aber immer noch so verlegen bei sowas", fing Jerell im spielerischen Singsang an. „Ich will auch das haben, was die zwei haben!" Er warf einen Blick über die Schulter. „Heh, Quinnick?"
„Vergiss es."
Gelächter war zu hören, während Russ ihm kopfschüttelnd sein Schwert und die Gürteltaschen, überreichte, die er für den Kampf abgelegt hatte. „Nichts für ungut, dass ich dich vorhin nicht verteidigt habe übrigens", begann er knapp, bevor er sich witzelnd zum Rest wandte, „aber ich wusste, dass ich mich besser raushalten sollte. Meine Intuition hat mir gesagt, dass ich mich sonst vielleicht so sehr wie mein Bruder blamieren würde."
„Hey!" rief Quinnick empört, was nur neues Gelächter auslöste.
„Alles gut", antwortete Notos ruhig, während er überaus erleichtert seine Sachen wieder an sich nahm. „Ehrlich gesagt bin ich einfach froh, dass niemand ernsthaft verletzt wurde meinetwegen." Selbst wenn Arren es ihm echt schwer gemacht hatte.
Russ gab nur ein zustimmendes „Hm.", von sich, während Notos wieder seine Waffenscheide anbrachte. „Quinnick verpasste ihm einen freundschaftlichen Hieb gegen den Arm. „Wir hätten dir schon nichts getan."
Notos schmunzelte gutmütig. „Ihr vielleicht nicht. Aber bei Hal wäre ich mir da nicht so sicher."
„Hal ist nicht so schlimm, wie er wirken kann", schaltete sich Arren wieder ein. „Er ist stur, ja. Eigen, sicher. Aber unterm Strich ein guter Mann. Aber wo wir bei ihm sind..." Der Krieger sah nach oben. „Würde mal sagen, wir sollten den restlichen Tag nutzen, solange wir noch Licht haben", schloss er ab, woraufhin die anderen zustimmend aufseufzten. Die Gruppe setzte sich in Bewegung, Jerell drehte sich noch einmal um.
„Übrigens, Notos. Falls wir heute mit dem Wall fertig werden, wollte Russ vielleicht ein Fass anschlagen. Kannst ja später vorbeischauen. Oder, äh, kommen."
„Lade ihn halt selbst ein", murrte Russ trocken, aber Jerell überging ihn völlig. „Vorausgesetzt, du wirst freigegeben, natürlich." Sein Grinsen war nicht zu überhören. „Sieht so aus, als bahnt sich Ärger im Paradies an."
Notos brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass Jerell von Nirah sprach. Er wollte etwas erwidern, kam jedoch nicht dazu, denn Kay wandte sich ebenfalls zum Gehen.
„Kay", rief er ihr nach, was sie innehalten ließ. Kay zögerte, warf der Gruppe einen Blick hinterher und trat dann nach einem kleinen Hadern zu ihm zurück. Notos lächelte sachte: „Wie lief das Training mit Nirah?"
Die junge Schülerin verschränkte die Arme. „Lass mich überlegen. Will ich gerade mit dir reden, nachdem, was du angestellt hast? Du hast dich verhalten wie ein Idiot." Notos hätte ihre Worte glatt ernst genommen, wenn nicht ein offensichtliches Grinsen mitschwingen würde. Er lachte leise auf. „Ja. Das habe ich. Aber ich bereue nichts. Es wäre nicht fair gewesen, euch für meine Blindheit zu bestrafen."
Kay sagte nichts für eine Weile, dann seufzte sie auf. „Du bist echt unmöglich. Aber gut ... Das Training war in Ordnung. Ich habe viel gelernt. Aber Nirah kann anstrengend sein. Sie hat echt hohe Anforderungen", beschwerte sie sich stöhnend.
Notos gab einen verständnisvollen Laut von sich. „Sie möchte das Beste aus dir rausholen. Das muss noch nicht verkehrt sein."
Kay zuckte mit den Schultern „Schätze nicht. Und es war auch nicht sooo schlimm. Es hat zugegeben echt Spaß gemacht. Fast mehr als sonst."
Notos schmunzelte. „Und das ist die Hauptsache."
Bevor er mehr etwas hinzufügen konnte, spürte er, wie Nirah näherkam. Ihre Aura flimmerte immer noch. Als sie sprach, zog er sofort den Kopf ein – doch der Ausdruck purer Erleichterung in seinen Zügen blieb.
„Mir geht es gut", sagte er schnell, doch Kay verschränkte skeptisch die Arme.
„Du hast einen Schlag von meinem Vater einstecken müssen. Meinem Vater. Sicher, dass Perrine sich das nicht zumindest mal anschauen sollte?"
„Mir geht es gut", wiederholte Notos leise, aber nachdrücklicher, sah dabei einzig und allein Nirah an. Seine Aura erdete sich spürbar. Und das obwohl er wusste, dass sie unzufrieden war mit ihm. Es war nicht zu überhören gewesen. Aber das war in Ordnung. Sie durfte ihn zusammenstauchen. Wenn sie wollte, sogar schlagen und anschreien. Sie dürfte alles tun und nichts würde ihn dazu bringen, seine Entscheidung zu bereuen.
Nun ... vielleicht nicht alles. Er presste die Lippen zusammen, ein Anflug von Unsicherheit huschte über seine Miene. Er wollte nicht, dass sie ging.
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 29.01.2025 23:35Kritisch beäugte Nirah die Stelle, wo Notos Hals Faust abbekommen hatte. Notos hatte ihr schon einmal eine Verletzung verschwiegen und es war ausgerechnet wieder diese Seite. Aber wenn er sagte, es ging ihm gut...
Sie hätte ihn gerne stehen lassen, doch ihre Füße gehorchten ihr nicht. Wieso genau musste Kay hier sein?
"Ja klar, soll Perrine es sich ansehen", sagte sie spitz. "Sie hat bestimmt nichts besseres zu tun." Kay sah zwischen Nirah und Notos hin und her.
"Ich bin sicher, sie hat kein Problem damit. Niemand weiß besser als sie, was es bedeutet, wenn hier aus Spaß gekämpft wird. Und ich sage euch, das ist gar nicht so selten bei solchen Dummköpfen wie Jerell und Quinnick. Ach was sage ich, eigentlich bei allen Kriegern."
"Du gehörst auch zu den Kriegern", bemerkte Nirah trocken, Kays Augen funkelten verschmitzt. "Eben." "Krieger!" schnaubte Nirah abfällig in Notos' Richtung.
Inzwischen hatte sich Kay bereits mit einem "Los, kommt." in Bewegung gesetzt und führte sie quer durch die Siedlung zum Heilerquartier. Nirah reihte sich ganz hinten ein, stapfte regelrecht widerwillig hinterher, ohne etwas zu sagen.
Bei dem Gebäude angekommen, riss Kay schwungvoll die Tür auf und winkte Nirah und Notos hinein. Schwer seufzend ging Nirah voran. Als die Tür hinter ihnen wieder zu fiel, war Kay nicht mehr da. Nur Notos, ihr blinder, idiotischer, verwirrender Reisegefährte. Gerade hatte sie absolut keine Lust, sich mit ihm in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen. Waren ein paar Momente allein zu viel verlangt?
"Vorsicht, da ist ein Tresen." warnte sie, schon auf halbem Weg an diesem vorbei. Nach hinten gewandt packte sie Notos' Handgelenk und zog ihn ungeduldig in die richtige Richtung, sodass er nicht ausversehen in dem schmalen Durchgang hängen blieb. Ihn im Schlepptau klopfte Nirah an der Tür zum Heilerraum, wartete nicht auf eine Antwort und trat einfach ein.
Perrine saß wie üblich mitten im Chaos, dieses Mal allerdings nicht an einer ihrer Apparaturen. Stattdessen schwenkte sie nachdenklich ein Fläschchen, als berge es ein großes Geheimnis, das sie zu entschlüsseln gewillt war. Im Vergleich zu gestern schien noch weniger Platz für ein müheloses Durchkommen zu sein. Die Stühle dienten als Ablagen, statt als Sitzgelegenheiten, die Luft roch nach einer undefinierbaren Mixtur aus Kräutern - und irgendwie ein wenig verbrannt.
"Hm?" machte Perrine, ohne aufzusehen.
"Ich habe einen Patienten für dich."
Keine Reaktion.
"Perrine?" versuchte Nirah es ein weiteres Mal. "Würdest du ihn dir anseh-" Perrine wedelte mit einer Hand, um Nirah zum Schweigen zu bringen, mit der anderen schwenkte sie weiter.
"Untersuchungszimmer im Westflügel. Du weißt selbst, was zu tun ist." murmelte sie schließlich geistesabwesend.
Unsicher verharrte Nirah in der Tür. "Das heißt, ich komme nach. Bereite ihn vor.", fügte Perrine in einem nachdrücklichen Ton hinzu und starrte dabei verärgert die grüne Flüssigkeit an, als hätte diese sie persönlich beleidigt. Sie erteilte ihr eine Lektion, indem sie das Fläschchen plötzlich wild schüttelte.
Nirah drängte Notos rückwärts aus dem Raum und führte ihn zu dem von Perrine angewiesenen Raum. Dort schob sie ihn bestimmt zur Patientenliege und brachte ihn dazu, sich zu setzen. "Bitte einmal das Hemd ablegen, Donnerschwinge", befahl sie missmutig.
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 30.01.2025 22:20Notos zog leicht den Kopf ein und verfolgte das kleinere Wortgefecht zwischen Nirah und Kay mit einem zurückhaltenden Lächeln. Er sagte jedoch nichts dazu. Vorsichtshalber. Nirahs Laune musste er nicht mehr als nötig herausfordern...
Einzig als Kay sie aufforderte, ihr zu folgen, öffnete er leicht den Mund, um zu protestieren. „Es ist wirklich nicht nötig, dass ich -" Doch Kay war bereits vorausgelaufen. Mit einem leisen Seufzen ergab er sich seinem Schicksal und schloss zu ihr auf.
Der Weg verlief im Stillen. Von Vorne strömte Kays überraschend gute Laune auf ihn ein, von hinten Nirahs Missmut – und er war gefangen in der Mitte. Wundervoll. Dass sie die Heilerhütten erreicht haben, erkannte er erst, als Kay stehen blieb, dicht gefolgt von einem leisen Knarzen einer Tür. Notos blieb wie angewurzelt stehen. Das Innere eines Gebäudes zu betreten, ohne sich vorher orientieren zu können, widerstrebte ihm eigentlich. Doch Nirah ging voran, also hatte er wohl wenig Wahl, als ihr zu folgen – wenngleich eher widerwillig.
Mit Bedacht betrat er die Heilerhütte, versuchte dabei sich nicht von Nirah abhängen zu lassen. Vorsicht, da ist ein Tresen, hörte er Nirahs Stimme, doch die Warnung kam zu spät. Mit der Hüfte stieß er unsanft gegen das Holz,und er zog scharf die Luft ein. Er presste die Lippen aufeinander, rieb sich kurz die Stelle. „Was du nicht sagst...", brummte er leise, ein Hauch von Genervtheit schwang in seiner Stimme.
Noch bevor er wieder richtig in Bewegung kam, packte Nirah sein Handgelenk und zog ihn ungeduldig hinter sich her. Er folgte ihr, dieses Mal dichter, um nicht erneut irgendwo gegen zu laufen. Auch nicht die idealste Strategie – als sie abrupt stehen blieb, wäre er beinahe in sie hineingelaufen.
Während sie mit einer Person sprach, richtete er seine Aufmerksamkeit auf deren Aura. Sie war blau, aber nicht so dunkel wie seine. Sie war so hell, dass sie stellenweise gräulich wirkte. Und die Aura flackerte nicht wie Nirahs, sondern waberte ruhig herum, wie Nebel. Das war also Perrine, ja? Er wusste nicht, was genau sie tat, aber sie schien sehr gedankenversunken zu sein. Plötzlich verdichtete sich der Nebel für einen Moment und flimmerte wütend. Notos schmunzelte. Es erinnerte ihn an Aryll.
Er kam jedoch nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn Nirah begann ihn vor sich herzuschieben. Dabei verzog er missmutig das Gesicht. Er mochte es nicht, sich so hilflos allem ausgeliefert zu fühlen. Dennoch ließ er sich grob von ihr navigieren und fand sich schließlich auf einer Liege sitzend wieder.
Dann kam die Aufforderung, die ihn innehalten ließ. Bitte einmal das Hemd ablegen, Donnerschwinge. Er blinzelte sie an. Ihre Worte waren immer noch scharf. Allerdings... es war kein Befehl. Es war eine Bitte.
Notos atmete leise aus. Seine Hand hob sich bereits, der Stoff seines Oberkleides zwischen den Fingern – dann hielt er inne. Sein Blick wanderte in ihre Richtung. „Nein." Seine Stimme war ruhig, aber fest. Dann legte er den Kopf leicht schief. „Zieh es doch selbst aus."
Unter anderen Umständen hätte dieser Satz vielleicht von einem verschmitzten Lächeln begleitet werden können. Eine kleine Neckerei, um sie etwas zu sticheln. Doch diesmal blieb sein Ausdruck ernst.
„Oder willst du mich lieber wieder anfauchen, so wie du es bis jetzt immer getan hast?" Er fuhr fort, ohne ihr viel Zeit für eine Verteidigung zu lassen. „Ich habe mit Kay gesprochen. Sie hat gesagt, dass das Training gut gelaufen ist und dass sie Spaß hatte. Es ist also nichts währenddessen vorgefallen." Ein kurzer Moment Stille. Dann ein resigniertes Schnauben. „...Das bedeutet also, dass ich an deiner Laune Schuld bin, oder?"
Notos richtete sich auf, nahm beinahe eine sich schützende Haltung ein „Dann lass es an mir aus." Er atmete tief durch. Kniff die Augen zusammen. Der ruhige, bedächtige Ernst jedoch blieb. „Schrei mich an, wenn du willst. Oder tritt mich, so wie du es mir damals angedroht hast." Bei der Erinnerung an ihre erste Begegnung schnaufte er amüsiert und kurz zuckte sein Mundwinkel nach oben, bevor sein Ton sich wieder in Frust getränkt. „Ist mir gleich. Aber mach etwas. Alles ist besser, als...was auch immer hier vor sich geht."
Dann wurde seine Stimme mit einem Mal leiser. „Aber was ist mit Reden passiert?" Er ließ seine Schultern sinken. „Haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass wir als Partner ehrlich zueinander sind?" Eine Sekunde verstrich. Zwei. Schließlich sah er zu ihr auf, musterte die unruhig flimmernde Aura. „Nirah...was ist los?"
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 31.01.2025 21:05Nein?
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 01.02.2025 21:02Er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass sie auf die Herausforderung eingehen würde. Nirah war impulsiv, sicher, aber das hier? Notos' Augen weiteten sich einen Moment, als sie sich tatsächlich näherte und nach seiner Weste greifen wollte – und dann auch so unbeirrbar sturköpfig. Es war so typisch für sie.
Notos konterte instinktiv, drückte ihre Finger weg, zog sich zurück, nur um im nächsten Moment wieder gegen ihre Angriffe zu blocken. Eine lächerliche Rangelei entbrannte, bei der sie sich aneinander verkeilten. Und doch war sie trotz all der Nähe nicht in der Lage dazu, sich anders als in Verteidigungen auszudrücken.
Notos verzog genervt das Gesicht. „Du trittst nie etwas?" gab er schließlich zwischen zwei Atemzügen von sich. „Sag das zu meiner Hellebarde."
Er wehrte einen weiteren Versuch ab, ihre Finger an seine Weste zu bekommen, was Nirah nur dazu verleitete, nachzusetzen. Ihre Wut war spürbar – nicht nur in ihren Worten, sondern in jedem ruppigen Griff, in jedem züngelnden Flackern ihrer Aura.
Aber Notos war kein Drachenritter geworden, um sich so leicht aus der Fassung bringen zu lassen.
Bis sich etwas änderte. Plötzlich war Nirah direkt über ihm, ihre Beine gegen ihn gepresst, ihre Atmung so unruhig wie seine eigene. Ihre Stimme wurde kälter. Schneidend. Und mit einem Mal war es kein Spiel mehr.
Du hast auch nicht geredet, bevor du es für nötig befunden hast, in meinem und Kays Namen einen Kampf anzuzetteln.
Notos' Griff lockerte sich unwillkürlich. Für den Bruchteil eines Moments hielt er inne. „Was? Nein." Er versuchte seine Stimme betont ruhig zu halten, stattdessen kam sie jedoch nur hart und gepresst rüber. „Hal hat recht. Ich bin mit meiner Blindheit zu gefährlich. Es ist sein gutes Recht, mich nicht dabei haben zu wollen." Sein Magen zog sich unangenehm zusammen. „Ich habe gekämpft, weil es unfair ist, andere, Unschuldige, ebenfalls zu bestrafen. Andere, die nicht mal anwesend sind."
Kay.
Er konnte es immer noch fühlen– das tiefe Verlangen, sich zu beweisen. Sie hatte es nicht laut gesagt, aber Notos hatte es gespürt. Und er kannte dieses Gefühl. Dieses Bedürfnis, sich beweisen zu müssen. Zu zeigen, dass man nicht nutzlos war.
Aber Nirah war noch nicht fertig. Er atmete tief durch. Ließ die Worte auf sich wirken. Und merkte erst jetzt, dass sich seine Brust heftig hob und senkte – nicht vom Kampf, sondern von der Auseinandersetzung.
„Was es sollte?", zischte er. „Vielleicht habe ich es getan, weil ich dich verdammt nochmal mag, Nirah!" Seine Stimme war fest, entschlossen. „Und ich mag Kay, Jerell, die anderen. Ich würde für jeden von ihnen das Gleiche tun. Ich will nicht sehen, wie sie sterben, wenn ich weiß, dass ich etwas hätte tun können."
Es war keine Heldentat. Keine edle Geste. Es war einfach nur der Wunsch eines selbstsüchtigen Idioten.
Nirahs Angriffe ließen nach. Die Spannung wich nicht aus seinen Muskeln, aber Notos hörte zeitgleich auf, sich zur Wehr zu setzen.
Du verlangst von mir Dinge, die du selbst nicht bereit bist zu geben. Ehrlichkeit? Ich bitte dich. Ich weiß nichts von dir.
Das war der letzte Tropfen.
Notos schnaufte. Ein Laut irgendwo zwischen Belustigung und Verbitterung. „Als ob es dir wirklich darum geht. Du tust ja so, als würde ich dich wirklich interessieren." Die Worte verließen seine Lippen leiser, als er erwartet hatte. Und deutlich schärfer. Er kniff die Augen zusammen. „Aber gut. Du willst mich kennenlernen? In Ordnung. Dann rede mit mir."
Und damit ließ er sich ohne Vorwarnung fallen. Und weil sie auf ihm gestützt war, zog er sie mit sich.
Das Chaos ihrer Rangelei löste sich auf in einen unerwarteten Stillstand. Nirah landete halb auf seiner Brust, seine Arme um sie geschlungen – nicht fest, nicht als Gefangennahme, sondern einfach, um sie... dazuhalten.
Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. „Aber das kannst du nicht, oder?"
Er ließ den Kopf gegen die Wand sinken, atmete aus. „Ich will dich kennenlernen, Nirah. Dass wir uns kennenlernen. Aber wann immer ich das versuche, fährst du mich an oder flüchtest dich in Verteidigungen – und manchmal auch wirklich. Als würde ich dich bedrohen."
Notos lockerte seinen Griff um sie, gab ihr die Möglichkeit, zu tun, was immer ihr Herz verlangte. Nicht jedoch ohne davor eine leise Frage zu stellen. „Wovor hast du solche Angst?"
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 02.02.2025 02:38"Es ist mir egal, ob Hal mir verbietet mitzugehen!" betonte Nirah inmitten des Wortgefechts. "Ich will nicht in diesen verfluchten Jagdtrupp!"
Und ihm sollte es ebenfalls egal sein. Notos verstand es einfach nicht. Egal wie unfair das Verbot war, niemand hatte ihn gebeten, sich darum zu kümmern. Sie konnte ihre eigenen Kämpfe ausfechten. Sie brauchte keinen Notos, der sich für sie einsetzte. Wenn es ihm um sie gegangen wäre, dann hätte er wenigstens gefragt. Sollte er es doch für Kay machen oder für sich selbst. Aber nicht für sie.
Er verstand auch nicht, dass es eine Sache war, jemanden in einem Kampf schützen zu wollen, eine ganz andere jedoch, einem kompletten Dorf zu verkünden, wie ernst man es damit meinte, Noch dazu grundlos und völlig übertrieben.
"Niemand stirbt, verstanden?" fauchte sie gereizt. "Keiner von uns war in Gefahr oder in einem Kampf. Nur du."
Mal davon abgesehen, dass niemand für sie den Kopf hinhalten und möglicherweise dabei sein eigenes Leben riskieren durfte. Niemand. Notos am allerwenigsten. Er hatte kein Recht dazu, sich so zu verhalten.
Jeder ihrer Muskeln war angespannt, obwohl der Kampf um die Weste zum Erliegen gekommen war und sie sich nur regungslos auf Notos stützte. Wie kam er bloß darauf, dass nichts an ihm sie interessierte?
Sie hätte gerne mehr über seine seltsame Magie, die bunten Tätowierungen und seinen gefiederten Begleiter gelernt.
Darüber, woher seine Blindheit kam und wieso er trotzdem immer genau wusste, wo sie war.
Wie genau er es gestern geschafft hatte, sie in einen so ruhigen Zustand zu versetzen, dass sie keinen Gedanken an seine unmittelbare Nähe verschwendet hatte.
Er hatte ihr auch nie erzählt, was ihn so durcheinander bringen konnte. Ihn, der sonst alles mit einem schrägen Lächeln oder pathetischem Ernst hinnahm.
"Mich interessiert, wohin wir gehen." erwiderte Nirah gepresst.
Plötzlich verschwand der Halt, den Notos ihr gegeben hatte. Der Boden unter ihren Füßen entglitt. Mit einem erschrockenen Laut landete sie auf Notos und wurde sofort von seiner Wärme umhüllt.
Nirahs Herz begann zu rasen. War es überhaupt ihr eigenes? Das Pochen von Notos' Herzschlag direkt unter ihr machte eine Unterscheidung unmöglich. In ihren Ohren erklang ein Rauschen. Es verzerrte seine Worte, die dumpf durch seine Brust dröhnten.
Wieso lag sie auf ihm? Wieso umarmte er sie? Wieso wollte er mit ihr reden?
Sie musste weg. Weg, weg, weg,
Doch ihr Körper war wie eingefroren. Atemlos versuchte sie zu sprechen, zu reagieren, sich zu verteidigen. Alles, was sie zustande brachte, war ein wimmerndes. "Das stimmt nicht,"
Sie konnte und wollte reden.
Eine Weile atmete sie hektisch ein und aus. "Das stimmt nicht." wiederholte sie.
Er bedrohte sie nicht,
Wieso ließ er sie los?
Die Wärme um ihren Körper schwand und sie reagierte, indem sie nach ihr griff und versuchte sie festzuhalten. "Ich habe vor gar nichts Angst," Nirah krallte ihre Finger in das, was sie zu fassen bekommen hatte. "Ich rede doch, Notos." murmelte sie nach einer Pause so leise, dass es beinahe unterging. Sie konnte sich nicht bewegen, obwohl in ihr der Drang brannte, davon zu rennen. Weit, weit weg.
"Ihr seid nicht sonderlich weit gekommen." bemerkte eine Stimme trocken, irgendwo hinter Nirah. Blitzschnell fuhr Nirah hoch und stieß sich dann von Notos weg, Erschrocken sah sie sich um.
Seit wann war Perrine hier?
"Ich muss...gehen." verkündete Nirah, wandte sich mit gesenktem Kopf zum Ausgang, bereit aus dem Raum zu stürmen. Doch die Heilerin legte sacht lächelnd eine Hand auf die Tür und versperrte ihr den Weg. "Nein."
Nirah wich zurück.
Perrine schlenderte in den Raum hinein. "Du wolltest, dass ich ihn mir anschaue und was ihr hier getrieben habt, interessiert mich nicht. Es ist dein Patient. Berichte"
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 02.02.2025 22:37Notos hätte es wissen müssen.
Er hätte es spüren müssen, lange bevor Nirah panisch nach ihm griff. Ihre Finger gruben sich mit einer Verzweiflung in seine Schultern, die ihn augenblicklich aufmerken ließ. Ihr Körper war wie erstarrt, ihre Atmung flach und stoßweise. Alles davon war Warnung genug. Verdammt, warum hatte er es nicht kommen sehen?
„Nirah?". Notos versuchte nach ihr zu greifen, sie zu beruhigen wie er es gestern Abend auch getan hatte – und haderte. Er wusste, dass sie nicht wollte, dass er sie einfach beruhigte, nicht ohne ihre Erlaubnis. Er verzog die Miene. Aber er konnte auch nicht nichts tun. Nicht, wenn sie so verzweifelt war.
Vorsichtig streckte er seine Aura aus – nicht, um sie zu beeinflussen. Nur um zu verstehen. Ein Hauch dessen zu sehen, was sie so in Panik versetzte.
Doch kaum tippte er an die Oberfläche ihrer Aura, schwappte sie über ihn hinweg.
Es riss ihn mit.
Ein unbändiger Fluchtinstinkt schoss durch seine Brust, als hätte jemand den Boden unter seinen Füßen aufgerissen. Ein Gedanke hämmerte in seinem Kopf, vibrierte in seinem ganzen Körper, übertönte alles andere.
Weg, weg, weg.
Wenn er gestanden hätte, hätte es ihn glatt in die Knie gezwungen. Notos sog scharf die Luft ein, hielt dagegen an.
Nein. Nicht weglaufen. Ich bleib hier.
Die erste Flut an Gefühlen schwappte an ihm vorüber und er tastete weiter, drückte sich tiefer in das Chaos, um es zu verstehen.
Und was für ein Chaos es war. Gefühle strömten auf ihn ein, von allen Richtungen. Jede davon widersprüchlicher als die erste. Notos spürte Abneigung...gegen ihn? Nein, seine Nähe. Ein unmissverständliches Nicht anfassen! das sich wie Feuer unter seine Haut fraß. Doch im selben Moment spürte er ...ein Zögern. Ein stockendes Entgegenlehnen, ein unterdrücktes aber vielleicht doch? Ein Funken von Überraschung. Ein Wunsch... zu reden?
Doch gleichzeitig legte sich über alles eine schwere Decke aus lähmender, alles erstickender Angst.
Nicht vor ihm.
Ein Wispern, kaum greifbar. Dann bestimmter.
Nicht vor ihm.
Notos' Atem stockte als ein zögerliches, warmes Gefühl ihn umhüllte. Und dann...verstand er. Die Hitze in ihrer Aura legte sich nicht wie ein unkontrollierbares Feuer über ihn. Sie versengte ihn nicht, züngelte ihm nicht entgegen wie einem feindlichen Angreifer. Sie ließ ihn zu. Da war keine Angst vor ihm. Da war...
Vertrauen. Zartes, aufkeimendes Vertrauen.
Sein Brustkorb hob sich, als er sich selbst sprechen hörte, ohne wirklich darüber nachzudenken.
„Nirah, atme."
Er machte es ihr vor. Tief ein, langsam aus. Und wartete. Wartete darauf, dass ihr Körper sich daran erinnerte. Nach einer Weile wurde ihr hektisches Atmen schwächer. Ging über in ein leises Wimmern. Noch immer fühlte er ihre Finger, die sich fest in sein Hemd vergraben hatten. Notos zögerte. Er wollte ihr eine Hand auf den Rücken legen, sie an sich drücken. Ein wenig Halt, doch –
Ihr seid nicht sonderlich weit gekommen.
Nirahs gesamte Aura zuckte zusammen. Blitzschnell fuhr sie hoch, stieß sich von ihm ab und wirkte für einen Moment wie Jasper, wenn er auf frischer Tat ertappt worden war. Notos spürte den Verlust ihrer Nähe fast sofort – nicht nur körperlich, sondern vor allem in dem abrupten Aufriss in der Aura, die sich vorher an seine geschmiegt hatte.
Notos schloss für einen Moment leise stöhnend die Augen. Sein Kopf dröhnte immer noch von der Flut ihrer Gefühle. Mehr gedämpft nahm er den Rest des Gesprächs wahr. Ich muss... gehen. Nirah klang atemlos.
Nein.
Nirahs Aura flackerte unruhig.
Du wolltest, dass ich ihn mir anschaue, und was ihr hier getrieben habt, interessiert mich nicht. Es ist dein Patient. Berichte.
Das Flackern wurde wilder. Das war sein Zeichen.
„Ich—", begann er.
„Nein.", funkte ihm Perrine sofort dazwischen.
Notos blinzelte. „Aber—"
Perrine winkte ab. „Sie soll Bericht erstatten, nicht du."
Notos runzelte grummelnd die Stirn. „Ich bin blind!", stieß er aus.
Stille. Eine Sekunde herrlicher Stille. Das war das erste Mal, dass Perrine ihn nicht unterbrach.
„Manchmal." , fügte er genervt hinzu, bevor sie wieder einhaken konnte.
Jetzt schien er ihr Interesse zu haben. Ihre Aura wirbelte neugierig auf. „Manchmal?"
Notos nickte, schob sich bereits nach oben. „Aber da etwas zu tun ist vergebene Mühe. Also kann ich genauso gut gehen."
Er machte einen Schritt nach vorne. Und verharrte.
...Verdammt. Er war blind.
Er konnte die Tür nicht sehen. Konnte nicht einmal sicher sein, dass er in die richtige Richtung ging, geschweige denn, was ihm im Weg stand.
Perrines Lächeln war so hörbar, dass es ihn innerlich zusammenzucken ließ. „Ah, du verstehst. Wunderbar. Jetzt setz dich wieder."
Ein wenig verfluchte er die Frau.
Notos haderte, ließ sich dann aber seufzend wieder sinken. Und als wäre das nicht genug, hörte er, wie Nirah zu berichten begann – über den Kampf, über Hal. Und darüber, dass Notos mindestens einen Schlag abbekommen hatte. Sein Blick zu ihr war vernichtend. Verräterin. Nein, wisperte ihm eine innere Stimme zu. Heilerin. Er presste die Lippen aufeinander.
Falls Perrine über den Kampf urteilte, sagte sie nichts. Stattdessen kam ihre Anweisung klar und unmissverständlich: „Zieh das Hemd aus."
Notos tat nichts. Seine Finger gruben sich in die Liege.
Perrines Stimme wurde bestimmter – mit einem verdächtig amüsierten Unterton. „Zieh es aus, oder ich sage niemandem, wo ich den Schlüssel für die Tür hingelegt habe."
Notos Kopf zuckte nach oben, sah die Heilerin entgeistert an.
...Sie hatte die verdammte Tür abgeschlossen? Wann?
Letztendlich hatte er keine Wahl. Mit einem gequälten Ausdruck zog er widerwillig seine Weste und schließlich das gleiche verdammte Hemd, um das er sich mit Nirah gestritten hatte.
Er wusste nicht, was genau sie sah, aber er wusste, dass sein Körper von mehreren Blessuren gezeichnet sein musste. Die Spuren des Kampfes, nicht nur von Hal. Unwillkürlicher schwoll ein Anflug von Stolz in seiner Brust an. Nicht Jerell, Quinnick oder Arren trugen diese Blessuren. Er tat es. Gut.
Es verging ein Moment der Stille. Notos wartete angespannt. Bereit, sich zu wehren, falls sie wie Nirah damals seine Tätowierungen ertasten wollte. Doch stattdessen spürte er plötzlich ihre Hand an seinem Kinn. Instinktiv wollte er zurückweichen, aber die Wand hinter ihm ließ ihm keine Chance.
Perrine drehte seinen Kopf hin und her, murmelte dabei: „Faszinierend... ein blinder Krieger also? So etwas hatte ich noch nie." Notos' Miene versteinerte sich. Reflexartig spannten sich seine Schultern an, ein Anflug von Widerstand. Dann atmete er langsam aus. Er zwang sich, stillzuhalten. Erst wollte er nicken, bevor er sich zu einem knappen „Ja." entschied.
Perrines Aura wirbelte auf. Strich über seine, so nah, dass er es spüren konnte. Das Aufleuchten. Kein Mitgefühl. Keine Sorge. Nein, es war reines, unverfälschtes Interesse.
Die Heilerin ließ ihn los. „Wie lange dauert sie an?" fragte sie unvermittelt. Kein Zögern, kein sanfter Übergang. Sie wollte direkte Antworten für seine Freiheit haben? In Ordnung.
„Unterschiedlich." antwortete er knapp. „Manchmal Stunden. Manchmal Tage."
Perrine nickte kaum merklich, als hätte sie diese Antwort erwartet. „Was beeinflusst die Dauer?"
„Wer weiß." Die Ungeduld, die ihm plötzlich entgegenstrahlte, erfüllte ihn zugegeben mit etwas Genugtuung. Ein Blick auf Nirahs unruhiges Flackern war aber genug, um ihn zusammenreißen zu lassen. „Vermutlich Überlastung"
„Hmpf." Die ausweichende Antwort war wohl gerade so gut genug für sie gewesen. Perrine tippte sich mit dem Finger ans Kinn, als würde sie sich gedanklich alles aufschreiben. Oder vielleicht tat sie es wirklich? Wer wusste es schon. Er war ja blind.
„Seit wann?"
Er zuckte mit den Schultern. „Mein halbes Leben ungefähr."
„Also nicht von Geburt an." Keine wirkliche Frage, eher eine Feststellung.
Dann kam eine Pause. Nicht lang. Aber lang genug, dass Notos wusste, was als Nächstes kommen würde. Die Frage, die er nicht hören wollte. „Mögliche Gründe?"
Hatte er die vorangegangenen Fragen beinahe abgestumpft beantwortet, so schwieg er nun. Er hörte ein ungeduldiges Schnaufen. Perrine verlagerte ihr Gewicht, verschränkte die Arme. „Na los." Ihre Stimme war drängend, scharf, als würde sie keine Lügen, keine Ausflüchte und schon gar kein Schweigen akzeptieren. „Wenn du etwas weißt, sag es."
Notos wand das Gesicht ab. „Niemand weiß es genau," gab er gepresst von sich. Es war noch nicht mal gelogen. Bisher hatte ihm niemand eine eindeutige Antwort geben können, was genau an dem Tag passiert war. Aryll hatte eine Theorie gehabt – zu viel Energie, vielleicht eine Überladung seines Körpers. Aber war das die Wahrheit?
Und selbst wenn – was würde es ändern?
Ein durchdringender Blick nagelte ihn fest. Beinahe veranlasste es ihn dazu, den Kopf einzuziehen. Doch zu seiner Überraschung hakte Perrine mit einer anderen Frage nach.
„Wie wurde es bisher behandelt?"
Notos spürte, wie sich seine Schultern unmerklich anspannten. „Ich bin kein Heiler. Ich weiß nicht genau, was sie gemacht haben."
Er hoffte, dass das ausreichte, um sie zufriedenzustellen. Doch das Gegenteil war der Fall. Perrine beugte sich leicht nach vorne. „Also wurde eine Heilung angestrebt!" Ihre Stimme war fast triumphierend. „Du wirst zumindest etwas wissen müssen."
Notos schwieg. Er wollte nicht. Sein Blick schwenkte zu Nirah rüber. Erst Hilfesuchend. Dann spürte er selbst auf die Entfernung das unruhige Flackern. Den tiefen Wunsch, zu flüchten.
Wenn er jetzt weiter zögerte, wenn er Perrine zu lange auf Antworten warten ließ, dann konnte er nicht garantieren, dass sie nicht wirklich auf die Idee kam, sie beide hier festzuhalten, bis sie zufrieden war. Er war allein in dieser Sache hier. Aber vielleicht könnte er zumindest Nirah rausholen.
Nach einem langen, sehr langen Hadern, holte er tief Luft, griff langsam in seine Tasche und zog ein kleines Fläschchen hervor. „Ich denke, so etwas Ähnliches wurde vielleicht genutzt."