The Headwinds - Handlung
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 17.04.2023 23:35Notos schaffte es einfach nicht, das warme Schmunzeln aus seinem Gesicht zu bannen. Es blieb an ihm haften wie Honig. Seine neuen jungen Freunde hatten ihn irgendwann in ihren Kreis aufgenommen. Zumindest halbwegs. Von der vorherigen misstrauischen Haltung war auf jeden Fall kaum noch was zu spüren. Ihrer statt hatte sich eine kindlichen Unbeschwertheit breit gemacht, die deutlich mehr zu dieser lebendigen Bande passte. Ähnlich sah auch der "Unterricht" aus, falls man diesen überhaupt so bezeichnen konnte – ein ungewohnter Kontrast zu den Lektionen, die er selbst bestritten hatte. Doch ein willkommener.
Wachsam beobachtete er die gesamte Truppe, hielt dabei sowohl sein kämpferisches Duo als auch die kleinste im Bunde, Alyn, im Blick. Wenngleich letztere deutlich weniger seiner Aufmerksamkeit beanspruchte als Colin und Brann. Mit einer schwer zu durchbrechenden Ruhe und Geduld studierte er ihre Bewegungsabläufe. Sah gutmütig lächelnd über die Zankerei hinweg, die mehr als vertraut bei den beiden wirkte. Versuchte von dieser lediglich auf seine Art und Weise abzulenken, indem er sofort kleinere Fehler in der Haltung zu korrigieren begann. Der sanfte Ausdruck blieb jedoch.
Die Jungs erinnerten ihn so sehr an früher. Er und Lux hatten während den Trainingsstunden immer miteinander herumgeblödelt. Waren in spielerische Sticheleien und großmütige Worte und Wetten verfallen. Und immer hatten sie dafür einen ermahnenden Schlag auf den Hinterkopf kassiert. Ihr Lehrmeister duldete fehlende Disziplin nicht. Solch kindlichen Unsinn wie diesen erst recht nicht. Zurecht wohl. Aufgehalten hatte es ihn und seinen Freund trotzdem nie sonderlich lange. Und bei Colin und Brann... nein, das würde er niemals tun. Eine Zurechtweisung war hier nicht nötig. Nicht, wenn dies mehr ein Spiel war als alles andere – und sowieso lernte man am meisten lernen, wenn man Spaß bei der Sache hatte.
...Eine äußerst schwache Rechtfertigung für seine fehlende Strenge vermutlich. Wäre Kiki hier gewesen... er konnte geradezu vor sich sehen, wie sie tadelnd eine Braue in die Höhe ziehen würde, den Anflug eines Lächelns auf den Lippen tragend. Du bist zu weich, Donnerschwinge...
Eine helle Stimme durchbrach seine Gedanken. Darf ich dich nochmal abwerfen? Abermals kämpfte sich unaufhaltbar das verräterische Schmunzeln hervor. Was tat er eigentlich hier? Und warum würde die Antwort darauf immer ein klares "Ja" sein? Auf beide Fragen, die ihm gestellt wurden. Notos Miene' leuchtete auf, als Nirah das Wort erhob, lange bevor er sich in Seelenruhe zu ihr umdrehte. Lächelte dabei weiterhin ausgelassen. Im Gegensatz zu der kleinen Rasselbande konnte man bei ihm nicht behaupten, dass er über ihr Auftauchen sonderlich überrumpelt oder gar bestürzt wäre. Nein, wenn schon, dann überraschte ihn etwas gänzlich anderes.
Vorerst überließ er den Kindern das Reden. Wartete nicht ohne eine gewisse Neugier die Antworten dieser ab. Schließlich wollte er selbst wissen, wie ihre Reaktion zu dieser Konfrontation aussehen würde. Allerdings... seine Augen ruhten dabei unaufhörlich auf der Heilerin. Erwiderten ihren Blick mit derselben Intensität, ohne sich auch nur einmal abzuwenden. Mit einem Ausdruck im Gesicht, welcher auf der hauchdünnen Linie zwischen verhaltener Erheiterung und freudigem Strahlen balancierte. Denn er hatte es bemerkt. Das kleine Lächeln, dass Nirah zum Besten gab. Es stimmte ihn vielleicht ein klein wenig glücklicher als es sollte. Er blieb bei seiner Meinung. Es stand ihr.
Seine Aufmerksamkeit verlagerte sich erst gegen Ende auf eine andere Person. Notos' Blick huschte wie von selbst zu Colin, der bei der Erwähnung seines Vaters ein wenig blasser zu werden schien. Ein Funken an Mitgefühl beschlich ihn. Ja, diese Reaktion kam ihm bekannt vor. Früher hätte er wohl nicht anders reagiert, wenn ihm die Missgunst seines Vaters drohen würde. Ja. Früher.
Notos ließ für einen Moment die Stille auf sich wirken, als Nirah sich nach ihrer kleinen Strafpredigt letztendlich direkt an ihn wandte. Vergewisserte sich, dass keiner der Kinder nochmal das Wort ergreifen wollte. Doch die grüblerische Niedergeschlagenheit hatte sich in der Miene der Kleinen bereits festgesetzt wie widerspenstige Kletten. Er schenkte der Heilerin mit hochgezogenen Brauen ein verschmitztes Schmunzeln. Spielverderber. Dann würde er wohl Überzeugungsarbeit leisten müssen.
„Komm schon, Nirah," fing er beschwichtigend an. Augenblicklich hob Brann den Kopf. Runzelte irritiert die Stirn – was Notos wiederum ein wissendes Lächeln entlockte. Ihm war es schon vorhin aufgefallen. Die stumme Verwunderung, als sein Name gefallen war. Donnerschwinge. Dieselbe Verwunderung hatte Nirahs Mentor in den Augen getragen, als er sich vorgestellt hatte. Nachdenklich, fast fragend. Ein ungewöhnlicher Name, hatte der alte Wächter es nicht so genannt? Vermutlich dachte sich Brann dasselbe. Und jetzt... nun, wenn er wetten müsste, hatte ihn wahrscheinlich die selbstverständliche Vertrautheit, mit welcher er Nirah beim Namen nannte, stutzig gemacht. Der Junge war aufmerksamer, als es den Anschein machte.
„Du siehst es zu ernst. Es ist nicht verkehrt, etwas Neues lernen zu wollen. Müsstest ausgerechnet du doch am besten wissen." Notos' Grinsen vervollständigte den unausgesprochenen nächsten Satz. Oder hast du womöglich doch kein Interesse mehr an unserer Abmachung? „Für so etwas sollte ihnen kein Ärger drohen. Und falls es doch jemanden missfallen sollte, halte ich dafür gerne meinen Kopf hin." Wohl nur ein schwacher Trost. Er sah es Colin an, dass ihm das kaum Beruhigung schenkte. Allerdings war ihm selbst wichtig zu zeigen, dass er für die Kinder Verantwortung übernehmen würde. Dass sie wussten, dass er hinter ihnen stand. Zumindest Alyn und Brann schienen ihm das zu glauben.
„Allerdings," und damit wandte sich Notos ab, betrachtete stattdessen der Reihe nach jedes Mitglied der Bande, bevor sein Blick beim Anführer haften blieb. „schlussendlich liegt es an euch. Ich wäre für eine letzte Runde zu haben. Als finalen Abschluss. Dann könntet ihr Nirah hier zeigen, was ihr gelernt habt. Aber die Entscheidung müsst ihr treffen."
Oh, es war wahrlich nicht schwer zu bemerken, wem der dreien diese Idee gefallen würde. Selbst wenn es Bedenken gab. „Aber du bist doch noch krank!", kam sofort der erste aufgebrachte Protest von Alyn.
„Ach was, sehe ich so schwach aus? Keine Sorge, Nirah hat großartige Arbeit geleistet!" Die offensichtliche Anerkennung in seiner Stimme musste er noch nicht einmal vorspielen. Hinter dem verbarg sich dieselbe Aufrichtigkeit, mit welcher er die Heilerin nun doch anstrahlte: „Außerdem ist Nirah ja jetzt hier und kann darauf aufpassen, dass ich es nicht übertreibe, nicht wahr?" Seine rothaarige Heilerin würde wohl hoffentlich keinen Rückzieher machen. Nicht wenn Alyns Augen abermals hoffnungsvoll zu leuchten anfingen.
„Und was genau würden wir bei dem Abschluss machen? Nur Abwerfen wäre langweilig." Alyn warf Brann für diesen Kommentar einen vernichtenden Blick zu. „Nun" fing Notos an, gab sich die größte Mühe, nicht dem aufkeimenden, heiteren Lachen zum Opfer zu fallen, „ich dachte an eine Eroberungsmission. Es gibt einen Schatz, den ihr in die Hände bekommen wollt. Und ich werde ihn verteidigen." So wie Alyn zu strahlen anfing, war es klar wie der See dieses Dorfes, dass sie an seine Geschichte zurückdachte. „Und damit ich keinen unfairen Vorteil habe..." fuhr Notos fort, versank mit einem dumpfen Geräusch die Spitze seiner Hellebarde in den sandigen Untergrund. Verschränkte danach entschlossen die Arme. „Werde ich ohne Waffen kämpfen."
Erneut mischte sich Verwunderung in die Züge der Bande, zusammen mit einem Hauch von Skepsis – und einer unübersehbaren Neugier. Verhaltene Blicke wurden ausgetauscht, die aber immer öfter zu Colin rüberwanderten. So auch der von Notos. Und der Anführer erwiderte diesen, sichtlich zwiegespalten. Der Junge wusste, was von ihm erwartet wurde – eine Entscheidung. Selbst wenn die seiner Freunde schon gefallen war, würden sie letztendlich wohl trotz allem auf ihn hören, wenn er es verbieten sollte. Doch würde er dies tun und dafür die Enttäuschung von Brann und Alyn in Kauf nehmen? Oder würde er ihnen den Gefallen tun und stattdessen den Missmut seines Vaters riskieren?
Colin schien noch lange zu hadern. Musterte Notos dabei unentwegt. Er schenkte dem blonden Jungen ein aufmunterndes Lächeln. Schließlich kam nach einer Weile ein unschlüssiges: „Was genau wäre der Schatz?" Keine endgültige Zusage. Aber fast.
Die Antwort darauf kannte Notos hingegen genau. „Nirah!" Er grinste ausgelassen in die Runde, drehte sich dann einen Moment später zur Heilerin. „Ich finde, Nirah sollte das entscheiden."
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 18.04.2023 16:52Notos fing ihren Blick auf und hielt ihm stand. Oh, er wusste ganz genau, dass sie diese Sache nicht guthieß. Auch wenn sie noch so herzerwärmend war. Das hätte sie gar nicht andeuten müssen. Er hatte die letzte Nacht nur halb lebendig verbracht. Sie hätte ihm unter anderen Umständen für weniger Hausarrest erteilt. Seinem unterdrückten Grinsen nach zu urteilen, war es ihm aber herzlich egal. Sie schenkte ihm ein winziges, tadelndes Kopfschütteln. Sie war nicht einmal verwundert über diese ganze Aktion. Es schien lediglich zu sagen "Musste das wirklich sein?"
Nirah ließ das aufkommende Knurren nicht entweichen, als Notos ihr mit hochgezogenen Augenbrauen und beruhigender Stimme ihren Namen ansprach. Sie sah ihn nur mit zusammengepressten Lippen an. Bei den nächsten Sätzen nahm ihr Blick jedoch die Schärfe von Dolchen an, die bereit waren ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. "Ich sehe es nicht zu ernst!" grollte sie leise. Sie zwang sich zu einem unbeeindruckt wirkenden Schulterzucken und gab ein leises "Macht nur." für das ganze Gespann von sich. Er tat vor den Kindern gerade so, als wäre es ein Verbrechen, Bedenken zu äußern. Außerdem hörte sie nur eine bestimmte Provokation heraus. Witzig, wirklich witzig, Donnerschwinge.
Sie zog sich in den Hintergrund zurück und ließ Notos seine Pläne mit den Kindern ausdiskutieren. Erstaunlicherweise hatte er zumindest einen Wink verstanden - Er hatte nicht vor, noch allzu lange mit ihnen zu "üben". Solchermaßen zufriedengestellt, setzte sie sich auf einen morschen Baumstumpf und beobachtete. Sie nickte nur knapp auf den Kommentar mit dem Aufpassen, um die kleine Alyn zu beruhigen und hoffte derweil, es mochte nicht zu lange gehen. Dabei, so musste sie zugeben, missfiel es ihr nicht so sehr, den Kindern beim Spielen zuzusehen. Es war, als hätten sie und der Krieger sich gesucht und gefunden. Leider hatte nur ebenjener Krieger es wieder einmal übertrieben.
Sie hörte dem Gespräch nur am Rande ihres Bewusstseins zu, spielte mit dem Tannenzapfen in ihrer Hand. Derweil listete sie all die zu klärenden Fragen in ihrem Geist auf. Dann dachte sie darüber nach, ob sie Notos gleich heute oder morgen früh loswerden sollte. Sie hörte irgendetwas von einer Eroberung. Dann die Frage nach einem Schatz. Als darauf viel zu laut plötzlich ihr eigener Name fiel, zuckte sie sichtbar zusammen.
"Ich?", fragte sie irritiert. "Ich werde ganz bestimmt nicht den Schatz spielen." Erst einen Moment später drehte sich Notos zu ihr um und ergänzte seine Aussage zum Glück. Doch das Unheil war bereits geschehen und alle Aufmerksamkeit lag auf ihr. "Wieso nicht?" feixte Colin herausfordernd. Die Rückzahlung für ihre Drohung?
"Ich werde ganz bestimmt nicht den Schatz spielen!" wiederholte sie aufbrausend, plötzlich wieder auf den Beinen. Zu laut. Alyns Augen wurden groß und rund. Brann sah nur etwas verunsichert aus und Colin zeigte keine Regung. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich, woran insbesondere das verängstigte Gesicht des Mädchens schuld war. "Schön." versuchte sie es, hoffentlich beruhigend klingend. "Aber ich werde ... den Schatz nur halten." schlug sie vor. Sie atmete tief ein und aus. "Entschuldigt. Ich denke nur ... es sollte etwas wirklich Besonderes sein, nicht?" Nirah brachte sich zu einem Lächeln und erleichterte sie ungemein, die Angst aus Alyns Blick weichen zu sehen. Auch wenn da nun ein Misstrauen war, das sie vorher nicht gesehen hatte. "Bringt mir den schönsten Stein, den ihr finden könnt. Das wird unser Schatz." Die Kinder zögerten, aber das Flackern von Begeisterung war unverkennbar bei Alyn. "Los!" lächelte sie und scheuchte die Gruppe mit den Händen Richtung Seeufer. "Je schneller ihr seid, desto mehr Zeit haben wir für das Spiel."
Die Bande stob davon. Nirah kniff die Augen zusammen und fixierte Notos. Noch bevor sie anfing zu reden, holte sie aus und warf ihm im Affekt den Tannenzapfen mit Wucht gegen den Kopf. Das war zumindest, wohin sie zielte. "Ich hatte nicht vor sie zu verraten, du Idiot!" zischte sie den Krieger an. Ich wollte nur, dass ihr zum Ende kommt. Sie sprach es nicht aus, zu sehr war sie damit beschäftigt, vor Ärger zu schnauben. Sie machte einen großen Schritt auf ihn zu, erhob einen anklagenden Finger, öffnete den Mund - "Du ... Wieso musstest du ..." brachte sie hervor - und schloss ihn wieder. Empört verschränkte sie die Arme und funkelte ihn einen Moment an. Dann drehte sie sich abrupt um, stapfte zu ihrem Baumstumpf zurück. Verharrte einen Moment. Drehte sich dann wieder um. Und setzte sich mit einem dumpfen Geräusch auf das Holz. Ihre Arme waren nach wie vor verschränkt. In der Ferne hörte sie die Stimmen der Kinder, freudige Ausrufe, trampelnde Schritte, die lauter wurden. "Wenn ich nur einen Schlag abbekomme, Donnerschwinge. Dann, dann ...." Sie suchte nach einer passenden Drohung, aber "... bringe ich dich um" war ein wenig zu hart. "Dann werde ich ... " Nirah verzog das Gesicht. "... Ich werde bestimmt noch etwas finden." murmelte sie beinahe beleidigt.
Da sauste auch schon wieder das Dreiergespann an, welches wirklich sehr schnell gewesen war. Alyn hielt triumphierend ihre Beute in die Höhe. "Willst du mir den Stein geben? Ich muss ihn doch festhalten." fragte Nirah das Mädchen vorsichtig. Sie zögerte, aber kam näher. Ehrfürchtig legte sie den Stein in Nirahs ausgestreckte Hände. Er war von einem reinen Weiß und er war fast perfekt rund. Im Sonnenlicht leuchtete er regelrecht. Das war ein angemessener Schatz. Nirah ließ die Kugel behutsam in der Mulde ihrer Hände ruhen.
"Der ist wirklich hübsch. Ein guter Fund." lobte sie die Kinder schief lächelnd. Sie hoffte, es überdeckte ihre Unsicherheit und wirkte zumindest ein bisschen ermutigend. "Nun ..." Sie räusperte sich. "Ich werde hier sitzen bleiben und den Schatz genau so in den Händen liegen lassen. Wer ihn stehlen kann, hat gewonnen. Der Gewinner darf den Schatz behalten. Wenn ihr es nicht schafft, hat Notos gewonnen. Und sollte er herunterfallen, weil mich jemand anrempelt ... hat niemand gewonnen." bestimmte sie die Regeln, zum Ende hin durchaus mit düsterer Stimme.
"Colin, Brann, Alyn. Da rüber. Notos, du ... darfst bei mir bleiben" presste sie mit mehr Mühe heraus, als es sie kosten sollte. Und damit ging das Spiel - oder eher die Schlacht - los. Nirah zwang sich, nicht bei jeder schnellen Bewegung in ihrer Nähe den Kopf einzuziehen, um wirklich ganz ruhig sitzen zu bleiben. In einer Haltung, die fast aussah, als meditiere sie. Nur, dass sie sich dem Gewusel um sich herum nur allzu bewusst war. Der Schatz war zwar offiziell nicht sie, aber es änderte nicht viel daran, dass sie sich wie auf dem Präsentierteller fühlte. Und neben, vor und hinter ihr war Notos - ganz der ungewollte Leibwächter, den sie am liebsten im hohen Bogen in die Wasserfläche in ihrem Rücken befördern würde.
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 20.04.2023 00:20Oh je. Hatte er wieder mal etwas Verkehrtes gesagt? Aus Versehen einen sensiblen Punkt erwischt? Bereits bei Nirahs ersten Protest hatte Notos sich zu ihr umgedreht, denselben Hauch von Irritation auf seiner Miene tragend, welche in der Stimme der Heilerin schwang. Die nur anwuchs, als die ganze Situation ein wenig eskalierte. Alyn war nicht die einzige, welche den Rotschopf mit überraschten Augen ansah. Nur dass Notos im Gegensatz zu dem jungen Mädchen nicht in eine starre Angst verfiel. Nein, ihn überrollte für den Bruchteil eines Moments ein innerer Zerissenheit. Machte dabei den Anschein, als wolle er einen Schritt auf Nirah zu gehen, die Arme bereits beschwichtigend erhoben – doch ein Blick genügte, um ihn stattdessen zurückweichen zu lassen. Zumindest soweit, bis er sich beinahe neben der Jüngsten seiner Schützlinge befand. Seine Finger streiften Alyns Schulter, berührten sie mit einem sanften Druck. „Wenn Nirah nicht möchte, ist das vollkommen in Ordnung. Mehr als sie zu fragen können wir nicht." Beruhigende Worte, ein aufmunterndes Lächeln. Ein kleiner Versuch, die Lage zumindest ein wenig zu entschärfen.
Nirah indes schien selbst bemerkt zu haben, welche unbeabsichtigte Wirkung ihre Reaktion hatte. Allein, dass sie sich zu einer Entschuldigung durchrang, sprach Bände. Und ihre Mühen trugen bald auch schon die ersten Früchte. Hätte er es selbst nicht gespürt, wie die Anspannung ein wenig aus Alyns Körper wich, hätte er es spätestens anhand der sichtbaren Erleichterung der Heilerin erkannt, dass sie die Verunsicherung erfolgreich vertreiben konnte.
Mehr oder minder. Das kleine Hadern blieb, selbst als die Bande davoneilte, auf der Suche nach einem Schatz, der diesem Spiel würdig wäre. Notos sah ihnen erst mit einem gutmütigen Lächeln nach – welches sofort fiel, kaum dass sie außer Reichweite waren. Die Brauen dicht zusammengezogen, prägte ein undefinierbarer Ausdruck sein Gesicht. Beinahe wäre er so sehr in seiner nachdenklichen Laune versunken, dass er dem nicht ganz so überraschenden Angriff zum Opfer gefallen wäre. Seiner Ausbildung sei Dank war sein Arm jedoch noch in dem Moment in die Höhe geschnellt, als das braune Projektil die Grenzen seines Sichtfeldes passierte.
Ein verwunderter Blick auf den Tannenzapfen in seiner Hand reichte aus, um ihn mit ebenjener stiller Verwunderung zu Nirah umdrehen zu lassen. Ein Schatten voller widersprüchlicher Gefühle huschte über seine Miene, als er die Lippen fest zusammengepresst die darauffolgende Standpauke erwartete. ...Die jedoch nicht kam? Noch verdutzter als zuvor beobachtete er seine Heilerin dabei, wie sie nach Worten rang, während die Wut in ihren Augen unsicher flackerte. Notos schluckte befangen, als etwas in ihm zu bröckeln begann, Raum für die aufkeimenden Samen der Zweifel bot.
Als Nirah davonstampfte, entspannte sich seine Haltung vollständig und er ließ ergeben die Schultern sinken. Nach und nach verschwand die Zwiespältigkeit in seinem Gesicht, wurde ersetzt durch einen weicheren Ausdruck. „Die Kinder haben deine Drohung auf jeden Fall ernst genommen. Colin hast du damit mehr verschreckt, als er wohl selber gerne zugeben würde", gab er sachte schmunzelnd von sich. Erwähnte dabei mit keinem Wort, ob er nicht vielleicht doch ein wenig daran gezweifelt hatte, wie ernst es die Heilerin mit ihren Andeutungen meinte. Den Vorwurf, dass sie unter den Kindern besser auf ihre teils aufbrausende Ausdrucksart aufpassen sollte, unterließ er. Es war nicht nötig, Salz in die Wunde zu streuen. Mal ganz davon abgesehen, dass sie ihre Reaktion eindeutig bereute und wiedergutzumachen versuchte. Allein das war ihm mehr wert, als alles andere.
So also nahm er lieber eine entschuldigende Haltung an, näherte sich der Heilerin vorsichtig mit gesenktem Blick. „Aber es tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, dich zu reizen. Oder gar zu verletzen?" Er blieb direkt vor ihr stehen. Begab sich dann langsam in die Hocke, hörte sich die erneute Drohung von ihr an. Wenn ich nur einen Schlag abbekomme, Donnerschwinge... Die Antwort war einzig ein warmes Lächeln, als er behutsam den Tannenzapfen vor ihr auf den Boden legte. „Mach dir keine Sorgen. Du bist hier neben den Kindern schließlich das Wertvollste, was ich schützen kann. Versuch mir etwas zu trauen."
Als die Bande wieder herangestürmt war, hatte sich Notos bereits aufgerichtet und in Windeseile eine wachsamere Haltung an Nirahs Seite angenommen. Leise schmunzelnd beobachtete er die Übergabe des Schatzes, runzelte lediglich die Stirn, als die Regeln erklärt wurden. „Warte, und wann ist das Spiel für mich..." Das Trio sauste bereits zu ihrer Position, noch bevor er seine Frage gänzlich aussprechen konnte. Ein ergebenes Aufseufzen entkam ihm, als er sich ebenfalls vor der Heilerin positionierte. Dann wäre es wohl erst zu Ende, wenn die andere Seite aufgab. Das machte es nicht einfach, aber gut. Das würde er schaffen. Er hatte einen Schwur einzuhalten.
Die ersten Angriffe kamen vereinzelt. Alyn hatte sich in die hinteren Reihen begeben, wieder bewaffnet mit Wurfgeschossen aller Art. Brann selbst haderte sichtlich– also übernahm Colin einfach mit einem „Trau dich einfach. Und du, bleib zurück, Alyn!" die Führung. Notos gewährte ihm diesen Versuch, wehrte die ersten Astschläge mit den Unterarmen ab, ohne dabei einen Schritt zurückzuweichen. Die Stärken des blonden Jungen waren klar – recht gut eingeprägte Fundamente, er blieb beim Bekannten und vernachlässigte niemals seine eigene Verteidigung. Selbst wenn seine Attacken dafür ein wenig an Kraft einbüßen mussten. Allerdings... „Pass auf deine Stellung auf. Du trittst immer mit dem linken Fuß zu weit nach vorne. Zusammen mit deinem Zögern wird es dich irgendwann zum Stolpern bringen." Und mit diesem Rat entriss er seinem Gegner die Waffe und schleuderte sie im hohen Bogen zum Ufer.
Brann erkämpfte seinem Freund ein wenig Zeit, um seinen Ast zurückzuerobern, indem er sich mit einem wilden Schwung auf ihn stürzte. Notos nutzte ebendiesen, um den Jungen mit den rabenschwarzen Lockenschopf am Arm zu packen und in die entgegengesetzte Richtung zu leiten. Beinahe hätte dieser dabei wirklich das Gleichgewicht verloren. „Zu viel Energie und Kraft ist hinderlich. Denk an die Technik, die ich gezeigt habe", ermahnte er seinen jungen Gegner – bevor der Schlagabtausch auch schon weiter ging. Immer unter dem ständigen schwachen Regen aus Kiefern- und Tannenzapfen, der auf sie einprasselte.
Ein wenig erinnerte es ihn an damals. Mehrere Gegner, Verbot von Nutzung seiner eigenen Magie... die ersten Lektionen nach seiner Erblindung waren hart gewesen. Aber bitter nötig. Ein Krieger ist nur so stark wie seine Waffe, war die Devise seines Lehrmeisters gewesen. Also musste jeder Schüler auch in der Lage sein, allein mit der Macht seines eigenen Körpers zu kämpfen. Bei ihm hat sich sein Mentor besonders viel Mühe gegeben, ihm das einzudrillen. Allerdings hatte Notos noch mit den Jahren weitere Bedingungen für sich hinzugefügt. Ein Krieger war ebenfalls nur so stark wie sein Wille. Seine Überzeugung. Sein Ziel. Und sein Ziel war es...
Mit einem weiteren sachten Stoß nahm er die Luft aus Colins Angriff, zwang ihn auf Abstand. Schaute sich flüchtig um, als er bemerkte, dass der Beschuss von Alyn seit geraumer Weile ausblieb. Vor ein paar Augenblicken hatte er noch Branns aufgebrachtes „Geh mir aus dem Weg, Alyn", gehört. Und nun...sofort wirbelte Notos umher, als er die Präsenz hinter seinem Rücken spürte. Der Ast, der beinahe auf seinen Kopf gedonnert wäre, brach in seiner Hand mit einem Knacken entzwei. Sein finsteres Lächeln sprach Bände, als er mit einem schnellen Handgriff den Jungen packte. Weiterhin bedacht darauf, ihm nicht den kleinsten blauen Flecken zu verpassen. Colins Freund fiel mit einem überraschten Laut zu Boden, mit Notos direkt über ihm thronend. Das dunkle Lächeln wurde zu einem verschmitzten Grinsen. „So, du magst es also lieber hinterhältig, Brann? Dieses Spiel können zwei spielen."
Kichern erfüllte die Lichtung, welches bald zu einem ausgewachsenen, nicht ganz freiwilligen Lachanfall wurde. Sichtlich überrumpelt versuchte sich der schwarzhaarige Junge mit einem „Hey! Hilfe! Aufhören", aus der fiesen Kitzel-Attacke zu befreien, bevor seine Stimme vom Lachen erstickt wurde. Beinahe hatte Notos Mühe, nicht selbst leise in sich hineinzulachen. Doch er blieb erbarmungslos, ließ sein Opfer in seinem Griff weiterhin hilflos wie ein Fisch auf dem Trockenen winden. Erst als die Antwort auf sein wiederholtes „Gibst du auf?" ein heftiges Kopfnicken war, gewährte er seinem Gegner die Freiheit. Brann schnappte heftig atmend nach Luft, verzog sich aber schließlich wirklich mit einem säuerlichen Ausdruck nach hinten.
Notos nickte zufrieden. Einer weg, fehlten noch zwei. Und an der Reihe war nun... Mit einer geschmeidigen Bewegung schnappte er sich den Rest des langen Astes, den er Brann entwendet hatte, tätigte ein paar Schritte nach hinten – und gebot somit Alyn Einhalt, die nur noch wenige Schritte von Nirah trennten. Sofort erstarrte das junge Mädchen, welches die Gunst der Stunde genutzt und sich leise an die Heilerin herangepirscht hatte. Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln: „Derselbe Trick funktioniert selten mehrmals, junge Dame. Du schaffst es bestimmt, dir eine bessere Lösung auszudenken, oder?" Alyn nickte aufgeschreckt und flüchtete sofort Richtung Waldrand.
Nicht, dass sie überhaupt so weit kam. Colin hatte sich aus seiner Perplexität gerissen, die ihn beim Anblick der Kitzelattacke überfallen hatte und stürmte abermals auf ihn und Nirah zu. Wohl um dem kleinen Mädchen mehr Zeit zum Verschwinden zu geben, so wie Brann ihm immer wieder Zeit erkauft hatte. Nur dass Notos nächster Gegner sicherlich nicht Alyn war. Mehr als ein paar tänzelnde Schritte zur Seite waren kaum nötig. Aber es war mehr als genug, um seine Vorwarnung wahr werden zu lassen. Der blonde Junge hatte zu viel Schwung genommen, musste durch die Ausweichmanöver abrupt abbremsen – und geriet dabei ins Stolpern. Notos überbrückte die Distanz und hielt Colin am Kragen wie eine Katzenmutter ihr Kleines, bevor dieser stürzen konnte. Die Verwunderung stach dem blonden Anführer aus den Augen. Für einen Moment betrachteten sich die beiden wortlos. Dann schenkte Notos dem Jungen ein wissendes Schmunzeln. „Ich nehme an, ich muss dich nicht zu Boden werfen, um dich zum Aufgeben zu bewegen, richtig?" Eine lange Pause. Dann ein stummes Nicken, ein niedergeschlagener Blick. Keine Sekunde später hob er jedoch abermals den Kopf an, als er mit einem lobenden Klopfen auf die Schulter entlassen wurde. „Das war bereits ein guter Versuch. Wenn du so weiter machst, wird aus dir irgendwann ein furchterregender Gegner werden. Aber..." Notos lächelte den störrischen, halbwüchsigen Kämpfer stichelnd an, „es kann nicht schaden, manchmal etwas mehr auf die Meinung anderer einzugehen."
Und so war es nur noch Eine. Während Colin versuchte, trotz Niederlage sich mit stolzem Schritt zu Brann zu gesellen, waren die meisten Augen wohl nur noch auf eine Person gerichtet. Alyn fühlte sich ganz allein offensichtlich unwohl, ihr Blick ständig hektisch erst zu ihren Freunden, dann zu dem weißhaarigen Fremden und Nirah schweifend. Notos konnte sehen, wie sich das kleine Mädchen auf die Lippen biss und die Hände in dem Stoff ihrer Kleidung vergraben hatte. Er wartete ohne große Hektik. Gab ihr Zeit für ihre Entscheidung. Bis...
„Bitte!" sprudelte es plötzlich mit zitternder Stimme aus ihr raus. „Bitte gib mir eine Chance, den Schatz zu erobern."
Notos blinzelte verdutzt. Ließ die kampfbereite Haltung sofort sinken. Das... kam unerwartet. Allerdings...warum nicht? Langsam begab er sich zu der letzten im Bunde. Alyn sah aus, als würde sie bald in Tränen ausbrechen – bis er vor ihr auf die Knie ging und ihr seine Hand entgegenstreckte „Nun, ich weiß nicht, ob Nirah wirklich so einfach ihren Schatz hergeben möchte. Aber... wie wäre es, wenn wir sie mal fragen? Würdest du es mit mir versuchen wollen?" Alyn haderte. Schaute vorsichtig zu der Heilerin rüber. Dann zu ihm. Spielte nervös mit dem Saum ihres Oberteils. Ehe sie sich letzendlich doch ein zaghaftes Nicken abkämpfte und seine Hand ergriff. Er schenkte ihr ein sanftes Lächeln, erhob sich und begleitete sie in ihrem Tempo zu der Wächterin des Schatzes. Vielleicht wäre dies eine gute Möglichkeit, um der Kleinen endgültig die Angst vor Nirahs vorherigem Ausbruch zu nehmen und die beiden miteinander zu versöhnen. Schließlich blieb das Duo vor der Heilerin stehen, mit zwei weiteren, deutlich skeptischeren Blicken im Rücken. Notos' gutmütiges Schmunzeln schwang deutlich in seiner Stimme mit, als er sie beide ankündigte: „Hey Nirah. Ich glaube, Alyn wollte dir eine Frage stellen. Richtig?"
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 05.05.2023 14:27Wahrscheinlich bemerkte Notos gar nicht, dass Nirah ihm eine Reihe an bitterbösen Blicken zuwarf, als die Kinder schon hörbar auf dem Weg zu ihnen waren. Er war zu beschäftigt mit ihrer Verteidigung. Sie hatte "Die Entschuldigung kannst du dir sparen" nur tonlos gezischt. Er hatte sie nicht verletzt! Wie könnte er? Diese Macht hatte er nicht, würde er nicht erhalten. Die folgenden Worte irritierten sie zuerst mehr, dann bestärkten sie ihren Anfall von hilfloser Verärgerung. Wovon redete er eigentlich? Wertvoll? Bei der heiligen Mutter, was war bloß los mit diesem Kerl? Und außerdem: Notos Donnerschwinge trauen? Nirah hatte geschnaubt, hoffentlich auch hörbar für ihren "Beschützer".
Nirah blieb sitzen, die Hände wie eine Schale ausgestreckt, und versuchte nicht zu zucken, als das erste Objekt in ihre Richtung flog. Atmen. Den Körper ruhig halten. Sie fixierte eine Stelle hinter dem Schlachtfeld, stellte sich vor, sie würde darauf zielen. Die kleine blaue Blume schwankte leicht unter dem sanften Wind und sah verdächtig nach der aus, die Notos gestern in den Haaren getragen hatte. Die Strategie funktionierte besser als erwartet. Trotzdem war es etwas anderes, ein statisches Ziel anzuvisieren statt ein sich bewegendes und im Gegenzug das Chaos direkt um sich herum zu haben. Während sie sich sonst weit abseits positionierte von allem, das gefährlich werden könnte.
Wirbelnde Äste, fliegende Tannenzapfen, rennende Kinder. Überall. So fühlte es sich zumindest an. Bald schon verlor Nirah die Blume aus dem Blick und beobachtete doch den Kampf des unbewaffneten Kriegers gegen die Meute aus übermäßig enthusiastischen "Schatzdieben". Es war nur ein Spiel, harmlos. Dennoch musste sie einen Aufruf unterdrücken, als sich hinter Notos Kopf ein Arm erhob, bereit zuzuschlagen. Das Bild eines riesigen Monsters, das mit gewaltigen Pranken nach einem blinden Mann ausholte, schob sich in Nirahs Gedanken. Einen Wimpernschlag später war die hölzerne Waffe zerstört und Brann lag am Boden. Das helle Gekreische ließ sie vollends vergessen, weiterhin auf ihre Beute zu "zielen". Besorgt sah sie zu dem Jungen. Dann wurde ihr klar, dass er lachte und sie verzog das Gesicht.
Kein Schlag erwischte sie, nicht einmal eines der Wurfgeschosse fand seinen Weg zu ihr. Irgendwann entspannte sie sich ein wenig. Halbwegs. Sie dachte, das Spiel wäre vorbei, als sie Alyn in die Augen sah, die langsam auf sie zu schlich. Heimlicher Diebstahl wäre nicht der schlechteste Ausgang für Nirahs Gesundheit. Sie lächelte dem Mädchen zu, hielt den Schatz ein wenig höher. Und seufzte, weil Notos ihr den Weg abschnitt.
Der Gewinner schien festzustehen, spätestens nachdem Colin aufgab. Erleichtert ließ Nirah den letzten Rest der Anspannung aus ihrem Körper verschwinden. Sie war unangerührt, die Jungen lediglich verletzt in ihrem Stolz. Und Alyn traute sich nicht, eine Offensive zu wagen.
Nirah empfand einen Anflug von Mitleid, für das hilflose Mädchen, das keine Chance hatte gegen Notos. Drei gleichzeitig hatten es nicht geschafft, ihr den Stein zu entwenden. Jetzt, wo all die Aufmerksamkeit ihres Verteidigers auf einer einzigen Person lag, war es quasi unmöglich, dass er verlor.
Es sei denn ...
Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete sie, wie Notos und Alyn gemeinsam näher kamen. Es sei denn, Notos gibt auf. Das war nicht ganz, was sie erwartet hatte. Auf der anderen Seite ... Irgendwie passte es zu ihm.
"Was hast du denn für eine Frage?", fragte Nirah das Mädchen ruhig und zwang sich, dabei nicht zu wohlwollend zu lächeln. Alyn blickte sie an, zögerte. Als sie anfing zu sprechen, flüsterte sie fast. "Ich wollte fragen ..." Sie warf einen Blick zu Notos. Ihre Stimme wurde fester. "Ich wollte fragen, ob ich den Schatz ... einfach so ... haben kann?" brachte sie sichtlich verunsichert hervor. Nirah legte den Kopf schief und tat als müsse sie überlegen, obwohl ihre Entscheidung schon längst gefallen war. "Also ich denke ..." Nun legte sich das Lächeln doch auf ihr Gesicht. "Nicht jeder Konflikt lässt sich mit einem Kampf lösen. Kämpfe sollten nur ausgetragen werden, wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt. Viel öfter muss man miteinander reden, um eine Lösung zu finden." erklärte sie und kam sich dabei vor, als zitiere sie entweder ihre Mutter oder Weißhaar. Wahrscheinlich tat sie das tatsächlich.
"Und bestimmt ist das der heiligen Mutter auch lieber, oder?", wisperte Alyn befangen, schien sich damit selbst bestärken zu wollen. Nirah nickte anerkennend. "Das stimmt."
Nirah richtete sich etwas auf und hob Alyn feierlich den Schatz entgegen. "Nun denn, damit sei es entschieden: Alyn gewinnt die Eroberung. Durch eine große Portion Mut, einen anderen Weg als den offensichtlichen zu wählen. Der Schatz ist dein." verkündete sie. "Nimm ihn." ermutigte sie Alyn leise. Zögerlich klaubten die kleinen Hände den Stein aus ihren Händen. Mit großen Augen sah das Mädchen die weiße Kugel an. Dann begann sie zu strahlen.
"Colin, Brann, ihr habt ebenfalls gewonnen. Ihr wart ein Team und gewinnt gemeinsam. Vergesst das nächste Mal nicht, dass jeder einer Gruppe wichtig ist. Notos ..." Nirah warf dem Krieger ein Schmunzeln zu. "... du hast selbstverständlich verloren!"
So das Spiel beendend, stand sie auf und sah in die Runde. Die Jungen schienen sich nicht ganz entscheiden zu können, wie sehr sie sich freuen sollten. Jedenfalls lächelten sie zwar wieder, doch ihre Haltung zeugte von darunter verborgener Niederlage.
"Das Training ist beendet. Mein Patient muss sich ausruhen und ihr drei solltet euch wieder bei euren Eltern blicken lassen." wandte sich Nirah etwas mehr Ernsthaftigkeit erneut an die Bande. Nach einem kurzen Blick in den Himmel fügte sie hinzu: "Wir wollen doch nicht, dass sie Verdacht schöpfen, weil ihr beim Essen fehlt." Sofort waren die Kinder sichtbar aufgeschreckt, denn der Einwand war keineswegs unberechtigt. Die Verabschiedung folgte prompt, die dankbaren Gesichter waren hauptsächlich auf Notos gerichtet, aber auch Nirah bekam kurze Blicke zugeworfen. Colin stolperte beinahe über seine Füße, als er an der Spitze, mit den anderen im Schlepptau, zwischen den Bäumen verschwand.
Umgehend trat Nirah auf Notos zu, legte schnell eine Hand auf seine Stirn und musterte ihn danach aus zusammengekniffenen Augen. "Du siehst nicht gut aus." stellte sie fest. Sie seufzte genervt. "Hast überhaupt etwas getrunken seit heute Morgen? Wenn du umkippst, ist es definitiv nicht meine Schuld!" beschwerte sie sich und machte einen Schritt nach hinten, brachte mehr Abstand zwischen sie. "Du weißt, wir müssen reden. Unsere Abmachung ist noch nicht erfüllt. Nicht ganz." Sie war drauf und dran sich auf der Stelle umzudrehen und zu den Heilerhütten zurückzumarschieren, und Notos notfalls mit sich zu schleifen. Nach einem weiteren Blick, kam sie wieder zurück zu ihm. Sah ihn einen Moment stumm, fast zögerlich an. Und stieß dann aus: "Willst du dich lieber kurz setzen? Wir können auch hier reden. Aber... ich brauche mehr Informationen."
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 08.05.2023 18:03Es bedarf keiner weiteren Worte. Nirah hatte den Plan ohne größere Mühen und Andeutungen sofort verstanden – und nahm allem Anschein nach nur zu gerne an diesem Teil. Dabei spielte sie ihren Part wahrhaftig hervorragend. Und irrte er sich oder... hatte sie tatsächlich das erste Mal seit Beginn der spielerischen „Eroberung" tatsächlich doch ein wenig Spaß an der ganzen Sache? Das gutmütige, kleine Lächeln, so sehr sie es auch zu verstecken versuchte, sprach zumindest dafür. Er erwiderte dieses, beobachtete währenddessen wie Alyn weiterhin haderte. Fing dabei den Blick seines jungen Schützlings auf. Suchend, nach dem Zeichen einer Bestätigung. Er gab es ihr nur allzu gerne in Form eines zuversichtlichen Nickens. Drückte dabei leicht ihre Hand. Es reichte scheinbar aus, um ihr das letzte bisschen Mut zu geben, den sie benötigte.
Notos bemühte sich im Gegensatz zu Nirah gar nicht erst, sein warmes Schmunzeln aus dem Gesicht zu verbannen. Es gewann eher stetig an Intensität, je länger sich die beiden unterhielten. Putzig. Alle beide. Allerdings... Nirah hatte recht. Hätte mit ihren Worten seine eigenen aussprechen können. Nicht jeder Konflikt ließ sich mit einem Kampf lösen. Oftmals reichten ein paar einfache Worte und ein klärendes Gespräch aus. Aber abgesehen davon, dass er das Gefühl nicht abschütteln konnte, dass die rothaarige Heilerin ihren Rat ebenfalls öfter befolgen könnte – es stand ihr gut. Die beinahe mütterliche Art, wie sie mit Alyn umging. Den Hauch von unbeirrter Ruhe und Selbstsicherheit, die sie ausstrahlte. Sie handelte wie...
Wie eine Wächterin. Notos Blick glitt zu Nirah, die in sanft lächelnde Erklärungen verfallen war. Wächter. Er hatte sich von Anfang an schwergetan, sich genaueres unter dieser Bezeichnung vorzustellen. Nirahs bereitwillige und umfangreiche Erklärungen hatten ihm die Suche nach einer Antwort nicht erleichtert. Allerdings, wenn er sie so beobachtete, schien sich das verschwommene Bild in seinem Kopf ein wenig zu klären. Wächter waren also nicht nur Diener der heiligen Mutter. Sie konnten auch... Ratgeber sein. Eine behutsam leitende, unterstützende Rolle einnehmen. Mit einer Portion von Weisheit, Wärme und Verständnis. Beinahe so, wie es die Wächter die ihm bekannt waren, tun sollten.
So zwiespältig die Gefühle auch sein mochten, die sich mit dieser einsickernden Erkenntnis in sein Inneres fraßen – Notos' Ausdruck wurde zunehmend weicher, je länger er Nirah musterte. Dass sich ein ebenso weiches, fast schon zärtliches Lächeln auf seine Lippen geschlichen hatte, bemerkte er erst, als Alyn ihn mit ihrem Strahlen geradezu aus seiner eigenen Starre herausriss. Und er teilte die offensichtliche Freude der Kleinen, ließ sich von ihrer Laune anstecken. Als wäre er es gewesen, der mit den Kindern gewonnen hatte.
Was wohl nicht der Fall war, wie Nirah ihm im selben Atemzug mitteilte. Er hatte verloren. Die Antwort darauf war nur ein nonchalantes Schulterzucken und ein gut verstecktes Grinsen. „Hab ich das nun?", lautete die leise Gegenfrage, kaum lauter als ein Flüstern. Sanfter Stolz glomm in seinen Augen auf, als er den Blick zu jedem seiner jungen Lehrlinge schweifen ließ. Sie haben sich sehr gut geschlagen. Bräuchten vielleicht noch eine kleine Lektion, was Team-Arbeit anging. Aber er machte sich in diesem Fall keine großen Sorgen. Nicht bei dieser chaotischen kleinen Rasselbande.
Die ungeplante Trainingsstunde nahm somit langsam ein Ende. Nirahs Einwand war wohl nicht ganz unberechtigt – zumindest, der Reaktion der Kinder nach zu urteilen. Notos fühlte sich mit einem Schlag in seine eigene Kindheit zurückversetzt, als ihm ein Hauch von aufgeschreckter Panik und Sorge entgegenschlug und sich die Bande hektisch von ihnen verabschiedete. Er sah ihnen mitfühlend lächelnd nach, winkte ihnen nur kurz hinterher. Eine wirklich liebeswerte, bunte Truppe. Ein wenig erinnerten sie ihn an...
Plötzlich landete eine kühle Hand auf seiner Stirn. Vollkommen unerwartet, unterbrach damit seinen Gedankengang. Er zuckte leicht zusammen, erwiderte vorsichtig den fokussierten Blick. Flüchtige Bilder kämpften sich in sein Bewusstsein hervor. Ersetzten den Tadel in Nirahs Stimme mit unterschwelliger Sorge, die ansetzende, angenehme Müdigkeit mit tiefsitzender Erschöpfung. Der Schatten einer ihm vertrauten Hitze wallte erneut in seinen Adern auf, verflüchtigte sich jedoch genauso schnell wieder, als die Heilerin zurücktrat. Es brauchte ein verwundertes Blinzeln und ein paar weitere kritisierende Worte, damit er sich seiner Perplexität entreißen konnte. Diese ganze Situation entlockte ihm ein schiefes Lächeln, doch außer einem ergeben Seufzen gab er keine Antwort von sich. Natürlich. Ihre Abmachung. Sie wollten sich absprechen. Bevor er ging, damit das Dorf und sie vermutlich für immer verlassen würde. Aus ihm unerfindlichen Gründen erfüllte ihn dieser Gedanke mit einer schwer erfassbaren Schwermut.
Notos ließ die Schultern hängen, als das letzte bisschen der vorherigen, übermütigen Energie aus ihm wich, drehte sich um und marschierte mit bedächtigen Schritten zum Seeufer, wo er seine Hellebarde in den weichen Untergrund gestoßen hatte. Seine Finger berührten die Waffe jedoch kaum, da hatte sich Nirah abermals an ihn gewandt. Ob er sich kurz setzen wollte?
Für einen Moment betrachtete er die Heilerin schweigend. Dann setzte er ein mattes, verschmitztes Grinsen auf: „Umkippen hört sich fantastisch an." Und damit ließ er sich ohne Vorwarnung einfach fallen. Spielte erst mit dem Gedanken, in einen aufrechten Sitz überzugehen. Die Beine gekreuzt, die Hände auf den Knien. Er entschloss sich dagegen. Ein dumpfer Ton erklang, als Notos sich auf den sandigen Boden legte, die Arme ausgestreckt. Kühles Wasser schwappte gegen seinen Hinterkopf, tränkte die Kleidung um seinen Nacken. Er schloss mit einem lautlosen Seufzen die Augen. „Ich habe es übertrieben", gab er zu. Sein höchst zufriedenes Lächeln zeugte dabei allerdings von allem, nur nicht Reue. „Aber das war es mir wert. Wenn ich jetzt deswegen sterben sollte, sterbe ich als glücklicher Mann."
Wenn seine Freunde das jemals erfahren sollten... Notos Donnerschwinge, besiegt von drei Halbwüchsigen. Allein beim Gedanken daran konnte er Lux lautes, herzliches Lachen hören. Und das vorwurfsvolle Kopfschütteln von Kiki sehen, während sie das halb vergnügte, halb spottende Schmunzeln aus ihrem Gesicht zu vertreiben versuchte. Und dann natürlich.... Notos' Mundwinkel fielen etwas herab, als er den kalten, verurteilenden Blick seines Mentors geradezu auf ihm ruhen spürte. Er hätte ihn jetzt dazu aufgefordert, sofort aufzustehen. Ein Ritter sollte sich seine Schwäche niemals anmerken lassen. Doch ausnahmsweise...ignorierte Notos den inneren Befehl. Öffnete lediglich die Augen, um seinen Blick gedankenverloren über den Himmel wandern zu lassen, soweit es ihm das Blätterdach über ihm ermöglichte. Ein Himmel, der immer noch so weit entfernt wirkte. So unnatürlich leer.
Zeitgleich mit der Beklemmung, die seine ihn warnende Intuition mit sich brachte, huschte ein Hauch von sehnsüchtiger Trauer über seine Miene, dicht gefolgt von einer Ernsthaftigkeit, die selbst sein immerwährendes Lächeln nicht gänzlich verbergen konnte. Er versuchte sich halbwegs aufzurichten, um Nirah anzuvisieren. „Ich würde mich ungerne hier austauschen. Könnten wir nicht einfach...später darüber reden? Am Abend bei den Hütten - beim Essen vielleicht?" Sein Magen verzog sich automatisch bei der alleinigen Erwähnung von Essen. Denn das war etwas, was er neben Wasser seit heute Mittag ebenfalls nicht zu sich genommen hatte.
...Nun, falls er noch für ein paar Minuten länger hier lieben bleiben würde, würden seine Verbände komplett aufgeweicht sein. Vielleicht sollte er einfach... Mit einem Ruck erhob sich Notos in den Schneidersitz – überraschenderweise ohne den stechenden Schmerz, der ihn in den letzten Stunden immer begleitet hatte – und sah nachdenklich in Richtung des Sees. „Ich habe wegen der Rasselbande nicht mal in Ruhe baden können..." Dass er vergessen hatte, Ersatzkleidung mitzunehmen, verschwieg er dabei absichtlich. Stattdessen drehte er sich nun gänzlich zur Heilerin um, betrachtete sie mit einem Schmunzeln. „Übrigens: Danke. Dafür, dass du mitgemacht hast." Wandte sich dann befangen ab, schenkte stattdessen lieber der glitzernden Wasseroberfläche vor ihm das verhaltene, von Wärme durchdrungene Lächeln. „Es mag aus meinem Mund nicht viel für dich bedeuten. Aber soweit ich beurteilen kann, wirst du eine sehr gute Wächterin abgeben."
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 31.05.2023 19:46Langsam folgte Nirah ihrem Patienten Richtung Seeufer, wo seine Waffe im Boden steckte. Er hatte nicht geantwortet. "Notos?", fragte sie verwirrt. Wollte er nun gehen oder bleiben? Notos war inzwischen verharrt und sah sie einfach nur an. Den Blick erwiderte sie stirnrunzelnd. Er sollte sich wirklich setzen, bevor er ...
Nirah sah gerade noch, wie Notos beim Sprechen den Mund verzog, als würde er jeden Moment irgendetwas anstellen. Da knickte er plötzlich zusammen und landete auf dem Boden. Die Arme seitlich ausgestreckt, den Kopf im Wasser, die Hellebarde unberührt neben ihm aufgerichtet, regte er sich nicht mehr. Sie machte einen sehr großen Schritt auf ihn zu und sah von oben auf sein Gesicht herab. "Notos?" erklang es ein weiteres Mal, nicht ohne den Hauch von Besorgnis, obwohl sie innerlich ruhig war. Als wüsste ihre Intuition automatisch, dass alles in Ordnung sein musste.
Kurz darauf bestätigte Notos selbst diesen Eindruck. Er lächelte ihr mit geschlossenen Augen entgegen. "Wie wäre es, wenn du in Zukunft nicht aktiv versuchst, dich umzubringen?", entgegnete sie eisig. Er gab sogar zu, dass er es übertrieben hatte und das musste etwas heißen! "Womit verschwende ich hier eigentlich meine Zeit?", murmelte sie, doch es klang nicht sonderlich scharf. Eher wie ein Seufzen mit Worten.
Sie folgte Notos Mienenspiel mit verschränkten Armen. Er wirkte beinahe abwesend. Schließlich kam endlich ein Vorschlag, ein ganz vernünftiger sogar. Sollte sie sich nicht komplett getäuscht haben, hatte Notos wahrscheinlich den ganzen Tag nichts gegessen, geschweige denn getrunken. Das optimale Verhalten nach einer langen Nacht mit hohem Fieber.
Essen klang gut und etwas Zeit um alle Fragen ordentlich anzugehen auch. Vielleicht zeigte sich bis dahin der Wolf noch einmal und klärte auf, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen. "Schön. Heute Abend also." stimmte Nirah zu. "In dem Zustand würde ich dich sowieso nicht gehen lassen. Das weißt du, oder?"
Ruckartig setzte sich Notos auf und Nirah ging einen Schritt zurück. "Selbst schuld", brummte sie. "Ich könnte dich in den See werfen, dann hast du gebadet." sprach sie den Gedanken aus, der ihr bereits mehrmals gekommen war. Wie sie das anstellen würde, war nach wie vor bedeutungslos. Irgendwie eben. Eine nette Wunschvorstellung. "Ich werde dich aber ganz sicher nicht noch einmal längere Zeit alleine lassen, bis ich selbst sehe, wie du etwas isst und trinkst. Egal ob gebadet oder nicht. Nur damit das klar ist."
Beim darauffolgenden Dank zuckte sie nur mit den Schultern. Sie hatte nicht wirklich eine Wahl gehabt als mitzumachen, nicht? "Es war nicht für dich", sagte sie leise. Was danach kam, ließ sie jedoch das Gesicht abwenden und sie war froh, dass Notos nicht zu ihr, sondern zum See sah. Ihr Kiefer verkrampfte sich unwillkürlich, die Zähne knirschten und Wärme breitete sich auf ihren Wangen aus. "Du hast recht, es bedeutet nichts. Du hast doch keine Ahnung davon, Donnerschwinge. Von gar nichts." Er wusste nicht, was Wächter waren, er wusste nichts von ihrer Magie, er kannte nicht einmal die heilige Mutter und alle sie betreffenden Bräuche. Wieso löste er trotzdem ein eigenartiges Gefühl in ihrem Magen aus? Es war kalt, bitter und doch angenehm warm zugleich. Bevor es überquellen konnte, blinzelte Nirah ein paar Mal und vertrieb es. Er wusste nichts, es bedeutete nichts. Sie atmete tief ein und aus.
Einen Moment lang blieb Nirah unentschlossen stehen. Sie wollte sich nicht zu Notos setzen, wollte ihn aber auch nicht drängen aufzustehen, falls es ihm wirklich nicht gut genug ging. Immerhin hatte sie selbst vorgeschlagen, sich auszuruhen und das war offensichtlich auch notwendig. Ihre Füße scharrten über den Untergrund, als sie eine Entscheidung traf und sich auf der Stelle umdrehte. "Warte hier kurz. Ich bin gleich zurück. Wag es nicht, dich von der Stelle zu bewegen." bestimmte sie, lief los und verschwand im Gebüsch.
Nirah lief auf direktem Weg zurück zu den Hütten, quer zwischen den Bäumen hindurch, Notos hinter sich zurücklassend. In der Hoffnung, er möge einmal auf sie hören. Sie würde wirklich nicht lange brauchen. Die Strecke war schnell überwunden und die beiden Hütten ragten in der Sonne vor ihr auf. Zur Sicherheit sah sie sich aufmerksam um. Weder die blauen Augen, noch der Schatten von schwarzem Fell ließen sich erspähen. Nach wie vor.
In Notos' Quartier fand sie die Reste des Frühstücks, das Devon gebracht hatte und es schien kaum weniger zu sein als es nach ihrem Mahl gewesen war. Wie gedacht. Das hieß, es war noch eine ganze Menge da. Sie klaubte alles, was auf dem Tisch lag, zusammen und legte es zurück in den Korb. Aus den Heilerutensilien förderte sie ein weiteres kleines Bündel zutage.
Draußen fiel ihr ein weiterer Korb auf einer der Bänke an der Feuerstelle ins Auge und sie sah hinein. Der musste dann wohl für heute Abend sein. An Weißhaars Zuverlässigkeit konnte man nicht zweifeln. Nirah schnappte sich eine Handvoll Früchte daraus, die zum Frühstückskorb wanderten.
Wieder am Seeufer ließ Nirah ihr 'Gepäck' geräuschvoll neben Notos auf den Boden fallen, dort wo der Untergrund fest genug war. Einen voller Wassereimer. Den Frühstückskorb. Ein Bündel, das leise klimperte als es auftraf. Sie knotete es auseinander und offenbarte ein kleines Brett, ein Messer und einen Becher. Das Stück Stoff selbst breitete sie schwungvoll aus und ließ es dann nach unten segeln. Ein weiteres dumpfes Geräusch und Nirah saß daneben, die Knie angezogen und stapelte nacheinander alles auf das Tuch. Zum Schluss schob sie den Korb direkt unter Notos' Nase. "Zwischenmahlzeit am See" verkündete Nirah. Sie klang nicht sonderlich begeistert. Das hier war lediglich die praktikabelste Möglichkeit, um Notos' eine kleine Stärkung zu gönnen. Nicht mehr. Auf keinen Fall mehr. Am liebsten wäre sie wieder gegangen. Aber wie könnte sie? Notos kannte so viel Ruhe wie ein scheues Reh. Die letzten Stunden bis er ging, würde sie nicht noch einmal den Fehler begehen und davon ausgehen, er würde sich schon etwas schonen.
"Iss, Donnerschwinge." forderte sie. "Und der Eimer muss leer werden. Du hast etwas nachzuholen." Mit diesen Worten wandte sich Nirah von dem Krieger ab, streckte sich aus - dem See entgegen - wurde ihre Schuhe los und tunkte die Füße ins Wasser. Es war angenehm in Hitze, die unbewegt über dem Ufer hing. "Wenn du nicht isst, wirst du nass", brummte sie, ohne sich ein weiteres Mal umzusehen. Sie legte den Kopf ab, wie Notos es vorhin getan hatte und ließ die Sonne ihre Haut streicheln. Spürte die gelegentliche sanfte Brise, die man kaum Wind nennen konnte. Und lass mich in Ruhe. Wenigstens dieses Mal. Bitte. Später ist noch genügend Zeit. Hoffe ich.
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 04.06.2023 22:11Noch halb im Wasser liegend, vermochte Notos es nicht, das warme Schmunzeln zu unterdrücken, das mühelos jeden frostigen Kommentar zum Schmelzen brachte. Schuld daran war nicht nur der rührende Hauch von Sorge in ihrer Stimme oder die amüsante Vorstellung, wie Nirah versuchen würde, ihn hochkant in den See zu werfen. Sondern eher..
Ihr seid Torfköpfe. Alle beide. Notos wand den Kopf leicht zur Seite, das Lächeln dabei einen kleinen Hauch breiter tragend. Es fiel schwer, den Schatten alter Erinnerungen zu vertreiben, wenn die Kühle in Nirahs Tadel genauso gut einer anderen Person hätten gehören können. Euch kann man wirklich für keine Sekunde aus den Augen lassen. Hattet ihr diesmal einen Plan oder wäre das zu viel verlangt?
Notos' gutmütiger Ausdruck verblasste allmählich, als sich der bittere Nachgeschmack dieser Erinnerung in seinem Kopf entfaltete. Nein, nein sie konnte ihn wohl nicht aus den Augen lassen. Die vergangenen Tage haben ihm erneut nur zu deutlich gezeigt, welche Konsequenzen es haben konnte, wenn seine Partnerin nicht an seiner Seite stand.
Für einen winzigen Moment erhaschte Notos am Seeufer die vertraute Silhouette einer unscheinbaren, blauen Blume und ließ seinen Blick auf ihr ruhen. Er beobachtete, wie sich die zarten Blütenblätter in der sanften Brise hin und her bewegten. Dann entschloss er sich abrupt, sich aufzurichten und diesem Anblick zu entziehen. Nein, er würde dem stärker werdenden Drang nicht nachgeben. Nicht diesmal. Stattdessen schenkte er seine Aufmerksamkeit jemandem, der deutlich wichtiger war – auch wenn sie diese und seine kurz darauffolgenden, aufrichtigen Worte der Anerkennung nicht gut hieß.
Du hast doch keine Ahnung davon, Donnerschwinge. Von gar nichts. Notos ließ kaum merklich die Schultern sinken, atmete dabei tief aus. Eine wenig überraschende Antwort. Und trotzdem... ein stummes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er das leichte Wanken in Nirahs Stimme vernahm. Den Hauch von Unsicherheit in ihren Worten. Dabei lag sie nicht falsch. Ja, er mochte nicht wissen, was genau von Wächtern an diesem Ort erwartet wurde. Aber er hatte eine recht ausgeprägte Intuition für Menschen. Und Nirah... um sie musste man sich keine Sorgen machen. Sie besaß im Kern ein gutes Herz – selbst wenn sie dieses hinter einer verzweifelter Fassade aus kratzbürstigen Verhalten und eisiger Gleichgültigkeit zu verstecken versuchte. Auch wenn sie gelegentlich etwas Lenkungen und den ein oder anderen sanften Stupser in die richtige Richtung benötigen würde: Sie würde alles schon meistern. Egal was kommen würde. Da bestand für ihn kein Zweifel.
Doch Notos beließ es dabei. Kein Wort, das je über seine Lippen käme, würde jemals eine tiefere Bedeutung für Nirah haben können. Nicht dass das etwas an seinem Verhalten zu ihr ändern würde. Niemand außer dem See selbst wurde Zeuge des verborgenen, gutmütigen Schmunzelns, welches seine neckende Antwort begleitete: „Und wem habe ich es wohl zu verdanken, dass ich keine Ahnung über diese Themen habe, hm?" Ein stichelnder Seitenhieb ohne jegliche Schärfe. Er erwartete keine Antwort, hielt seinen Blick stattdessen unverwandt auf die schimmernde Wasseroberfläche gerichtet. Nur einmal bedachte er die Heilerin mit einem flüchtigen Seitenblick, beobachtete teil amüsiert, teils fragend ihre erneut aufkeimende Unruhe. Dann ertönte auf einmal ein Scharren, dicht gefolgt von warnenden Worten – und Nirah verschwand im Dickicht. Wieder einmal, ohne auch nur den Bruchteil ihres Plans zu erwähnen.
Mit einem ergebenen Aufseufzen wandte sich Notos ab und dem See zu. Ignorierte dabei weiterhin geflissentlich die winzige grünbewachsene Stelle am Ufer. Wenigstens musste er sich diesmal keine Sorgen darum machen, dass seine Begleiterin wieder geradewegs in die Arme eines Monsters reinlief. Hoffte er zumindest. Und dabei warf sie ihm vor, dass er sich aktiv versuchte umzubringen. Tiefe Falten zogen sich über seine Stirn, als seine zuvor unbekümmerte Miene allmählich einer nachdenklicheren Stimmung wich. Nun, zum Glück war es ja nicht so, als ob er und Nirah überhaupt jemals Partner werden müssten. Im Moment schien es von den Göttern eher vorherbestimmt zu sein, dass sie sich nach der heutigen Nacht nie wieder sehen würden. Was wohl besser so war. Nirah wollte ihn nicht hier haben, duldete ihn lediglich aufgrund ihrem Pflichtbewusstsein und weil sie sich Antworten von ihm erhoffte. An was anderes zu glauben wäre pure Naivität. Selbst wenn...er weiterhin daran zweifelte, ob ihre Fürsorge wirklich nur ihrer Rolle als Heilerin verschuldet war. Ein kleiner Teil wollte dem trauen. Dem Hauch von Sorge in ihren Augen. Den wohlgemeinten Drohungen. In dem Zustand würde ich dich sowieso nicht gehen lassen. Das weißt du, oder?"
Notos' Miene verdunkelte sich, als ihn die Erkenntnis traf. Sofort prägte ein neuer Anflug von Ernsthaftigkeit seine Haltung
...Sie waren sich in der Hinsicht etwas ähnlich, richtig? Kiki und Nirah. So äußerst ungerne er es auch zugab. Nur in einigen Aspekten natürlich. Einigen wenigen. Sehr wenigen. Vielleicht ein oder zwei Eigenschaften. Nicht mehr. Niemals mehr. Aber... Notos' Schmunzeln gewann wieder die Oberhand. Diese gewisse Intensität, das kühle Verhalten und den Hang ihn als Idioten zu beschimpfen hatten beide auf jeden Fall gemein.
Noch für eine Moment sammelte Notos seine Energie. Beobachtete das bedächtige Auf-und Ab der Wellen gerichtet, bevor er seine Aufmerksamkeit schweifen ließ. Erst zum Dickicht, in welchem Nirah verschwunden war. Dann das Ufer entlang. Und abermals verfing sich sein Blick bei einem Bündel hellblauer Punkte inmitten vom zarten Grün. Lange betrachtete er diese. Kniff die Augen zusammen. Bevor er schließlich mit einem gutmütigen Seufzen seinen inneren Kampf erneut verlor und aufstand.
Als Nirah wiederkam, saß er bereits wieder im Schneidersitz an seiner vorherigen Position. Als hätte er diese nie verlassen. Lediglich seine Hand legte er in einer beiläufigen Bewegung auf seinen Schoß, verdeckte dabei seine kürzliche Eroberung. Anfangs noch lautete Notos' Plan, Nirahs Ankommen und Tun mit geschlossenen Augen zu ignorieren. Mit der steigenden Vielfalt der kleinen Geräusche entflammte jedoch zunehmend seine Neugier. Als die Heilerin ihm die "Zwischenmahlzeit am See" verkündete, hatte er längst wieder die Augen geöffnet und ihr Tun mitverfolgt. Seinem verwunderten „Danke?" folgte kaum einen Atemzug später allerdings ein nicht minder verdattertes „Was?". Sein Blick richtete sich auf den Wassereimer, dann wieder zu Nirah. Und wieder zum Eimer zurück. Der sehr voll wirkte. Das Wasser schwappte sachte über den Rand, als er den Kübel packte und abwägend hochhielt. „Ich soll das alles trinken? Das ist nicht dein Ernst." Er wusste nicht, ob Unglaube oder stiller Protest am ehesten in seiner Miene erkennbar war, aber er fühlte definitiv beides. Ein paar Becher würde er ja noch hinkriegen, aber die Menge? Den Eimer würde er niemals leer kriegen. Es sei denn... er würde das Wasser auf andere Art und Weise loswerden.
Notos hob den Behälter vorsichtig an. Balancierte ihn knapp über seinen Kopf und starrte ihn nachdenklich an. Begann den Eimer vorsichtig zu kippen – und hielt sofort inne, als die erste kleine Welle auf sein Haupt traf. Irritiert blinzelnd schüttelte er kühle Nass aus den Haaren. Sah dann zu Nirah rüber, ließ seinen Blick ein paar Mal zwischen ihr und dem Kübel in seinen Händen schweifen... und stellte diesen aber schließlich doch einfach wieder auf den Boden zurück. Nein, dafür war das Trinkwasser zu wertvoll. Und Nirah würde ihn umbringen. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich der Herausforderung zu stellen.
Dieses Mal sparte er sich die Frage, ob Nirah nicht mit ihm essen wollte. Dass sie sich abseits von ihm auf den sandigen Untergrund legte, war ihm Antwort genug. Dennoch schade. So aber blieb ihm nichts anderes übrig, als die Umgebung flüchtig abzuscannen, bevor er auffordernd die Hand in die Luft hob. Kein Moment später spürte er Krallen, die sich in seinen Unterarm bohrten. Er hielt dem flauschigen Träger von diesen ein Stück Käse hin. Selbst griff er erst zum Messer, als sein Partner seine Portion mit einem Bissen verschlungen hatte. Notos reichte dem Drachen, hin und wieder ein paar weitere Brocken, während er immer mal wieder vorsichtig zu Nirah schieltem die Stirn nachdenklich gerunzelt. Schließlich suchte er irgendwann mit ernster Miene die goldenen Augen seines Partners auf. Seine Stimme war kaum lauter als ein Wispern: „Jasper. Wir müssten mal reden."
Als die beiden fertig waren mit der kleinen Zwischenmahlzeit, war kaum mehr als die Hälfte im Wassereimer verschwunden. Ähnlich sah es auch mit dem Frühstückskorb aus – wenngleich die meisten Früchte nicht mehr auffindbar waren. Genauso wie ein guter Batzen des Käseblocks. Mit einem bedächtigen Nicken quittierte Notos die letzten elektrischen Impulse, die sich mit einem Kribbeln durch seinen Arm zogen. Seine Augen wanderten immer mal wieder zu seinem Partner. Wanderten wachsam die Lichtung ab. Wandten sich dann zum Himmel. Zu der Wunde an seiner Seite. Schließlich zur Nirah. Und blieben dort haften. Für einen winzigen Moment länger, als vielleicht nötig war. Immer wieder drehte er dabei das kleine Blüten-Bündel in seiner Hand hin- und her, bevor seine Mundwinkel nach oben zuckten und er schließlich aufstand. Leise schnappte er sich den Korb mit all seinen restlichen Nahrungsmitteln und wanderte lautlos zur Heilerin rüber. Ging vor ihr in die Hocke, darauf bedacht, sie nicht zu wecken. Oder zumindest versuchte er ihre wohlverdiente Ruhe nicht zu stören. Den Korb legte er unweit von ihr auf den Boden. Jasper landete mit einer beinahe fragend anmutenden Kopfbewegung neben diesem. Der gefiederte Drache beobachtete, wie der Blick seines Partners noch für einen Moment länger auf Nirah ruhte. Er nach einer Weile die Hand hob, sie scheinbar zu ihrer Schläfe führen wollte. Und sie nach einem Moment des Zögerns wieder zurücknehmen wollte.
Mit einem Mal regte sich die Heilerin ohne Vorwarnung. Wie vom Blitz getroffen fuhr Notos hoch. Flüchtete einen Schritt zurück und hob dabei automatisch abwehrend die Hände in die Höhe. „Tut mir leid, ich wollte nicht stören. Wollte dir nur was zu Essen bringen. Jasper meinte, du hast nachts kaum geschlafen und ich dachte... du könntest die Energie brauchen?"
Verhalten rieb sich Notos den Nacken, mied dabei den Blickkontakt. Die andere Hand behielt er hinter dem Rücken versteckt. Dann erklang ein ergebenes Seufzen, dicht gefolgt von einem sachten, verschmitzten Lächeln. „Ich glaube ich komme dir einfach zuvor." Mit einer fließenden Bewegung zog er seine Stiefel aus. Das naturfarbene Oberteil landete nicht lange direkt daneben. Wenn Nirah ihm damit drohte, wieder Wasser über ihn zu schütten, konnte er ihr die Arbeit auch einfach gleich nehmen. Die Bandagen waren sowieso zum großen Teil völlig durchweicht – da würde ein kleines Austesten der Gewässer hier nicht viel mehr Schaden anrichten. Zwei Schritte später und Notos stand knöcheltief im See. Nur noch einmal drehte er sich zu der Heilerin um, sein unverkennbares, neckenden Grinsens tragend. „Mein Angebot von vorhin gilt übrigens weiterhin. Falls du es immer noch annehmen willst."
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 12.06.2023 23:30Möglicherweise war der Eimer etwas zu viel des Guten. Dennoch brummte Nirah lediglich zustimmend, ohne sich anderweitig zu regen. Er hatte einiges nachzuholen, wie gesagt. Vergangene Nacht hatte sie ihn zu jedem einzelnen Tropfen Wasser zwingen müssen. Dabei war es gerade bei Fieber besonders wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Sie kam nicht umhin, mit verschlossenen Augen zu grinsen, bei dem Gedanken, dass sie sich so für seinen Widerwillen rächte. Sollte er trinken, bis ihm schlecht wurde. Ob es ihm eine Lehre war? Das glaubst du selbst nicht. Hauptsache er trank.
Wärme breitete sich langsam auf ihrem ganzen Körper aus. Ab und an streckte sie die Beine ein Stück, um ihre Füße immer wieder abzukühlen. Die Stille war wundervoll. Nirah gähnte leise. Das Rascheln des Windes und das von Notos vermischten sich, bildeten eine beruhigende Hintergrundkulisse. Die Sonne und die vergangene, rastlose Nacht taten ihr Übriges. Ihre Gedanken drifteten ab, wurden ungreifbar. Selbst die wichtigen Dinge verschwanden in den Hintergrund. Nur einmal blinzelte sie, den Kopf zur Seite gewandt und sah, wie Notos sich Käse in den Mund stopfte - in Gesellschaft von Sir Jasper. Gut, dachte sie nur. Dann fielen ihr die Augen zu. Für eine Weile.
Es konnte kein tiefer Schlaf gewesen sein - falls überhaupt. Tief genug, um die Welt zu vergessen, doch kaum ausreichend, um sich nicht des schleichenden Gefühls gewahr zu werden, dass irgendetwas nicht stimmte. Der dunkle Schleier ihres Bewusstseins lichtete sich. Nirah spürte den unebenen Untergrund und Hitze. Mit einem Mal war ihr viel zu warm. Und etwas stimmte nicht. Nur eine Ahnung, eine vage Sinneswahrnehmung, die nicht genauer erfasst werden konnte. Je wacher sie wurde, desto drängender wurde diese. Bis sich Nirah nicht mehr des Eindrucks erwehren konnte, dass jemand sie beobachtete. Sie drehte sich ächzend in die vermeintlich richtige Richtung und zwang sich, die Augen zu öffnen. Er war noch leicht verschwommen, aber sie erkannte einen weißhaarigen Krieger, der sich scheinbar hastig aufrichtete und die Hände hob. Und sich...entschuldigte? Dabei hatte sie noch gar nichts gesagt. Nur ein unverständliches "Hm?".
Mit der Hand stütze sie sich auf den Boden und schob sich hoch, in eine sitzende Position. Blinzelte noch ein paar Mal, rieb sich über die Augen und unterdrückte ein Gähnen. "Ich hab nicht geschlafen" nuschelte sie. Ihr Blick wanderte zu besagtem Essen. Der Korb war deutlich leerer als zuvor, wenngleich nicht leer. "Und ich esse später." Trotzdem glänzten ihr ein paar dunkelrote Beeren verlockend entgegen. Sie pickte zwei heraus und stopfte sie nacheinander in den Mund. Saftig süß. Bald würden die Sträucher keine dieser Beeren mehr tragen. Sir Jasper beäugte die schnelle Bewegung kritisch, schien kurz davor zu sein zurückzuspringen. Zumindest gab er ein irritiertes Zischen von sich. Aber Nirah saß bereits wieder aufrecht. Kurz sah sie den Katzenvogel an, dann blickte sie wieder zu Notos. "Dein Gefährte ist gesprächiger als gedacht", bemerkte sie. Wie in aller Welt hatte Sir Jasper "gesagt", dass sie wenig geschlafen hatte? Oder hatte Notos sich das zusammengereimt? Denn es stimmte. Wie könnte es auch sonst sein, wenn sich mitten in der Nacht um einen bedenklich kranken Patienten kümmern musste. "Ich schätze es war das letzte Mal, dass du mir den Schlaf geraubt hast. Ich werde es überleben. Außerdem hatte ich heute Morgen noch etwas nachgeholt." murrte sie angesichts der fehlgeleiteten Sorge. Was war schon etwas fehlender Schlaf im Vergleich zu Notos fehlender Rücksicht auf ... so ziemlich alles. Zu ihr brauchte er gar nichts sagen.
Notos' nächste Reaktion hatte jedoch gar nichts mehr mit fehlendem Schlaf, dem Essen oder Sir Jasper zu tun. Nirah wollte gerade fragen, was er meine mit "er käme ihr zuvor" - Womit, was, wie? - aber ihr blieb der Mund offen stehen. Sprachlos saß sie da, während Notos zügig die Schuhe abstreifte und direkt danach das Hemd über den Kopf zog. Zum zweiten Mal in viel zu kurzer Zeit, sah sie einen halb bekleideten Notos am See. Für einen winzigen Moment befürchtete sie, es wäre gleich nicht nur halb. Glücklicherweise - vielleicht weil er doch mehr mitdachte als man annehmen konnte oder ... vielleicht auch nicht - beließ er es dabei, drehte sich zum See und machte zwei platschende Schritte ins Wasser. Verwundert sah sie ihm nach. Die weißen Verbände um seinen Oberkörper leuchteten hell im Sonnenlicht. Mehrere Gedanken rasten gleichzeitig durch ihren Kopf, auf der Suche der einen Sache, die ihr gerade entging. Womit würde er ihr zuvorkommen? Damit sich in den See zu werfen? Nicht, dass sie selbst vorgehabt hätte, sich ... Ah. Ihn hätte sie sehr gerne hineingeworfen und sie hatte angedeutet, es würde Konsequenzen haben, sollte er nicht essen.
Nun, gegessen hatte er, doch nicht alles. Sie spähte zum Wassereimer, der verdächtig funkelte. Getrunken vermutlich auch, ebenfalls nicht alles. Folgerichtig bedeutete das ... Hastig wandte sie den Blick ab und traf umgehend auf den von Notos' der wieder einmal in Rätseln sprach. Nur, dass es ihr dieses Mal direkt dämmerte, was er wohl meinte. Wie hatte er gemeint, sie könne ihm beim Baden zusehen? Ganz bestimmt nicht.
In dem Augenblick, als Notos sich wieder dem See zuwandte, traf Nirah eine Entscheidung. Sie rappelte sich auf, sprang beinahe zum Eimer, ergriff ihn und ... Das Wasser klatschte gegen Notos. Es tropfte von den nassen Strähnen seiner Haare und sogar am Hosenbein auf seine Füße herab. Hätte sie nur gestern einen Eimer zur Hand gehabt! Das war so viel effektiver und so zufriedenstellend!
Dass Notos' ohnehin gleich schwimmen gegangen wäre, war unerheblich. Er war ihr nicht zuvorgekommen und das erfüllte sie mit kindlicher Freude. "Ha!" triumphierte sie. "Bilde dir ja nichts ein, Donnerschwinge. Deine dubiosen Angebote kannst du dir sparen. Außerdem bist du selbst schuld, dass noch Wasser übrig war. Ich würde sagen ... du hast jeden Tropfen verdient." grinste sie und verschränkte dabei die Arme. Es war fast so gut, wie ihn in den See zu stoßen. Nahe dran war sie gewesen, es zu versuchen. Die Variante mit dem Eimer hatte nur etwas erfolgversprechender gewirkt.
Nirah stand vielleicht einen Moment zu lang reglos, ihren Sieg auskostend vor Notos und lächelte vor sich hin. Schließlich bemerkte sie, was sie eigentlich tat und ließ den Eimer fallen, wandte sich ab und vermied jeden weiteren Blick in Richtung Notos. "Beeil dich gefälligst." zischte sie und hoffte er ließ sich nicht zu viel Zeit mit dem Bad. Sie lief zurück zu dem Korb und überlegte, wie sie am besten abwarten sollte, ohne automatisch Notos' "Angebot" anzunehmen.
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Re: The Headwinds - Handlung
von Zladune am 18.06.2023 13:13Notos' Lachen ebbte allmählich ab, ging in ein tiefes Seufzen über, bevor er seine Aufmerksamkeit auf eine immer noch feixende Nirah lenkte. Für einen Augenblick wirkte seine Miene trotz des warmen Lächelns gedämpft. Als hätte sich der Hauch eines Schatten über ihn gelegt. Es wahrte lediglich ein, zwei Atemzüge lang. Dann hörte er die unverkennbare Überlegenheit, die in der Stimme seiner Heilerin mitschwang. Ihre ungewohnt fröhliche, übermütige Laune durchdrang die Luft und er spürte, wie ihn diese selbst einzuhüllen versuchte.
Er gab dem nach. Der leise Anflug von Schwermut schwand allmählich, als Notos in stichelnder Manier Nirahs Grinsen erwiderte. „Ist das wirklich alles, zu was du in der Lage bist? Ich muss zugeben, ich bin fast ein wenig enttäuscht. Ich hatte mehr von dir erwartet." Kurz glitt sein Blick an ihr vorbei – und sofort zuckten seine Mundwinkel verschmitzt nach oben. „Ich an deiner Stelle würde mir aber weniger Sorgen über mich machen." Mit einem Kopfnicken deutete er an eine Stelle direkt hinter der Heilerin. „Ich fürchte fast, Jasper hat ein Wörtchen mit dir zu reden."
Ein mürrisches Knurren erklang als Antwort, dicht gefolgt von einem Fauchen, als Nirah den Eimer auf den Boden abstellte. Anstatt jedoch einen weiten Satz nach hinten zu machen, legte der kleine Drache seine verdächtig nassen, nicht mehr ganz so flauschig wirkenden Ohren an und verpasste dem Holzeimer einen Hieb mit der Pfote. Mit einem dumpfen Ton kippte dieser nahezu widerstandlos um. Jasper schnaufte, fixierte dann aber sofort wieder die Heilerin.
Scheinbar war nicht nur Notos Opfer von Nirahs Angriff gewesen. Jasper hatte die beiden Menschen zuerst nur mit schief gelegenen Kopf beobachtet. Als sein Partner sich schließlich entschloss, von seinem seltsamen Verhalten abzulassen und in den See zu steigen, folgte der Drache ihm ausnahmsweise nicht. Nass werden konnte sein Gefährte gerne allein. Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war die Rothaarige, die ohne Vorwarnung plötzlich hochgeschnellt war. Jasper quittierte die Bewegung mit einem Sprung zur Seite – und befand sich damit auf einmal in unmittelbarer Nähe des Eimers. Den die Heilerin sich jedoch als Ziel auserkoren hatte. Bei ihrem hastigen Manöver kam das Wasser in diesem bedächtig zum Schwanken und ehe er sich versah, wurde Jasper von einem kleinen Schwall getroffen.
Erneut schüttelte sich das kleine Federbündel, sichtlich gereizt über die Nässe, die stellenweise sein Gefieder aneinanderkleben ließ. Seine Augen ruhten unaufhörlich auf dem Rotschopf. Der Vorschlag seines Gefährten klang mit einem Mal sehr verlockend. Nur ein kleines Gespräch. Ein leichtes Einkrallen. Ein winziger Schlag, nicht mehr. Die goldenen Augen verengten sich, als Jasper zu einem anpirschenden Gang ansetzte. Lauernd mit einem leisen, drohenden Brummen, näherte er sich der Heilerin, versuchte sie dabei einzukreisen und ihr einen möglichen Fluchtweg abzuschneiden. Drängte sie dabei näher ans Ufer zurück. Der breit gefächerte Schweif zuckte unruhig hin und her, während er die Distanz zwischen sich und seinem Ziel abschätzte. Plötzlich setzte er zum Sprung an – und verfehlte ganz knapp Nirahs Füße, als sie förmlich von ihm weg ins Wasser gezogen wurde.
Notos erkannte das Vorhaben seines Partners sofort und hatte mit ein paar schnellen Schritten die Distanz zu Nirah überbrückt. Sein Vorhaben war ursprünglich rein unschuldiger Natur gewesen, gut gesinnt noch dazu. Einfach die Heilerin packen und ein wenig zu sich ins Wasser ziehen. Jasper würde niemals auch nur eine Pfote in den See setzen, also müsste sie hier vor seiner Wut in Sicherheit sein. Als seine Finger jedoch ihr Handgelenk umschlossen...nun... es war seltsam. Zuerst überfiel ihn eine gewisse Ruhe, kaum dass er den stetigen Energiestrom unter seinen Fingerkuppen spüren konnte. Eine familiäre Ruhe, selbst wenn er nicht benennen konnte, warum ihm dieses Gefühl so vertraut vorkam. Doch keinen Herzschlag später mischte sich ein lebhaftes Flackern in seine Aura. Verwirbelte diese, als würde der Wind mit ihr spielen. Seine Lippen verzogen sich zu einem verschmitzten Grinsen, als er ohne nachzudenken den Schwung nutzte, um Nirah einmal in eine kleine Drehung zu führen. Beinahe erinnerte es an den Ansatz eines Tanzes. Eines ihm sehr bekannten Tanzes. Bis sich Notos auf einmal entschied, Nirah näher zu sich zu ziehen. Keine Handbreit trennte ihre Körper, als er mit einen Arm ihre Taille umfasste und Nirah so tief hinabließ, dass sie mühelos mit ihrer Hand in den See eintauchen konnte, wenn sie gewollt hätte. Bislang hatte jede kleinste Bewegung das kristallklare Wasser um sie herum zum Kreisen gebracht, hatte sanfte Wellen auf der Oberfläche des Sees gemalt. Nun jedoch kam diese wieder für einen flüchtigen Moment zur Ruhe, während beide in dieser Position verharrten.
Eine Weile lang betrachtete Notos die Heilerin mit einem warmen Schmunzeln, scheinbar verloren in diesem Augenblick. Dann entkam ihm ein neckendes Lächeln. „Oh verzeih. Ich habe vergessen, dass du nichts von mir und meinen dubiosen Angeboten hältst." Und mit diesen Worten... hatte er die Arme zurückgezogen und Nirah beinahe einfach so fallen lassen. Nun, beinahe. Es glich eher einem behutsamen Reingleiten ins Wasser als einem Fall. Selbst wenn der See an dieser Stelle bereits tief genug sein sollte, um alles abzudämpfen, er würde Nirah niemals verletzten wollen.
Mit einem breiten Lächeln beugte er sich zu der Heilerin herab, zerzauste ihr mit einer Hand dabei die Haare. „Warte am besten noch etwas, bevor du aus dem Wasser steigst. Zumindest, bis Jasper weniger grummelig ist." Wie auf Befehl ertönte ein hörbares Schnauben. Jasper hatte sich, die Pfoten unter seinen federbesetzten Leib platziert, auf einen sonnenbeschienenen Fleck am Ufer gesetzt und verfolgte mürrisch das Tun der zwei Menschen.
Notos schenkte seinem Partner keine weitere Beachtung, sondern entfernte sich von seiner Heilerin, begab sich dabei in tiefere Gewässer. Er musste ein wenig Abstand nehmen. Einerseits, weil Nirah sicherlich mehr als aufgebracht nach seiner dreisten Aktion war – zurecht auch. Aber auch weil... Unsicher presste er die Lippen aufeinander, rieb sich dabei die Schläfen. Was bei allen Göttern hatte ihn dazu verleiten lassen? Warum hatte er das getan? Ausgerechnet mit ihr... Aber es hatte sich irgendwie... richtig angefühlt. Auf eine ihm komplett unverständliche Art und Weise... Es musste noch an den Nachwirkungen der Behandlung liegen. Keinen Zweifel. Vermutlich ließ ihn das nicht mehr klar denken. Und dennoch. Notos wandte sich verhalten um und ein sanftes Lächeln stahl sich auf seine Miene, als er ein vertrautes Blau in den roten Haaren aufblitzen sah. Diesmal war es ihm geglückt. Und wie er es sich gedacht hatte: es stand ihr gut. Auch wenn es ihr mit ihrem niedlichen Lächeln noch besser stehen würde. Bevor er sich jedoch mit seinem Starren verraten würde, drehte er sich vollends um und tauchte einmal komplett unter. In der Hoffnung, die Kälte würde die wirren Gedanken aus seinem Kopf vertreiben.
Re: The Headwinds - Handlung
von Saphyr am 26.06.2023 01:21Nirah schnaubte bei Notos Stichelei. War das etwa nicht genug? Sie hatte doch erreicht, was sie gewollt hatte, oder? Sie war ihm zuvorgekommen. Dann aber lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf Sir Jasper und sie sah über ihre Schulter nach hinten. Das kleine Wesen beäugte den Eimer, den sie eben erst fallen gelassen hatte und gab verärgerte Geräusche von sich. Auf seinem Köpfchen glänzte verdächtig ein winziger Wassertropfen, der auf den Federn ruhte. Bei genauerem Hinsehen schien ein Teil seiner Daunen um die Ohren nass an ihm zu kleben. Mit einem dumpfen Geräusch fiel der Eimer um, niedergestreckt von einer äußerst frustrierten Pfote. Nirah versuchte ein amüsiertes Schmunzeln zu unterdrücken. Der Arme hatte wohl etwas Wasser abbekommen. Das war keine Absicht gewesen, aber seine spürbare Verärgerung war hinreißend niedlich.
Bis sie sich auf sie richtete. Sir Jasper schüttelte sich, sodass der Tropfen davonflog und starrte sie wieder an. Dann wurde sein Körper flach, er tapste auf sie zu und brummte sie bedrohlich an. Als wäre Nirah eine Maus - Beute - und kein Mensch, der Sir Jasper um ein Vielfaches überragte. Obwohl sie nicht den Eindruck hatte, ihr drohte echte Gefahr, machte sie einen Schritt nach zurück und hob beschwichtigend die Hände. "Es war wirklich keine Absicht." brachte sie belustigt hervor. Machte ein paar weitere Schritte. Er würde sie nicht wirklich angreifen. Oder doch? Ganz sicher war sich Nirah nicht, denn Sir Jasper ließ nicht von ihr ab, kam näher und näher. Seine Haltung war eindeutig die eines Raubtiers auf der Jagd. Immer weiter ließ sich Nirah nach hinten treiben, bis kühles Nass um ihre Knöchel schwappte.
Nirah gab einen kleinen Aufschrei von sich, als der braune Federball plötzlich auf sie zuflog. Oder vielleicht war es nur der überraschende Ruck an ihrem Arm. Keine Klauen bohrten sich in ihr Fleisch. Dafür verlor sie beinahe das Gleichgewicht, stolperte Notos entgegen weiter in den See hinein. Kaum hatte sie die Balance halbwegs wiedererlangt, zwang Notos sie mit einer schnellen Bewegung dazu, sich um die eigene Achse zu drehen. Erstaunlicherweise folgten ihre Füße dem Impuls, vollführten die Drehung fast von alleine und sie landete sicher aufgefangen in den Armen des Kriegers. Einen Moment sah sie Notos einfach nur an, ihr Atem schwerer als er sein sollte. Ein seltsames Flattern hatte sich in ihrer Brust breitgemacht. Auf einmal wurde ihr klar, wie nah Notos war. Beide ihrer Hände ruhten in seinem Nacken, sie musste sie vorhin automatisch dort platziert haben, um sich festzuhalten. Und sie verblieben dort. "Was tust du?", flüsterte sie, schüttelte dabei den Kopf. Doch es kam lediglich als ein tonloses Hauchen heraus. Notos' Blick hielt den ihren gefangen, sie entgegnete ihn aus großen Augen, regungslos, und lange geschah nichts. Vielleicht war es nur ein kurzer Augenblick, winzig, aber er dauerte ewig.
Als Worte erklangen, holte die Gegenwart Nirah schließlich ein. Bei der heiligen Mutter, was tat Notos? Was sich vorher wie ein sicherer Halt angefühlt hatte, war nun eine unangenehme Umklammerung. Notos war zu nah, viel zu nah. Nirah zog ihre Hände zurück, nur um sie direkt wieder in seine Schultern zu krallen, denn der Griff um ihren Körper lockerte sich auf einmal und sie drohte zu fallen. "Notos?" stieß sie hervor. "Notos!" Ihr Protest wurde begleitet von dem verkrampften Versuch, sich an ihm wieder nach oben zu ziehen. Kälte drang durch den Stoff ihrer Kleidung und wanderte langsam nach oben. "Donnerschwinge!" zischte sie jetzt weniger besorgt, mehr drohend. Allerdings war es bereits zu spät. Notos ließ sie erbarmungslos ins Wasser herab. Es schwappte über Nirahs Schultern und tränkte das letzte bisschen ihrer Kleidung, als sie auf dem Grund ankam. Sie zog die Knie an sich, befreite sich aus ihrer hilflos liegenden Position, nun da Notos sie endlich freigegeben hatte. Da war auch schon wieder Notos und fuhr ihr durch die Haare, brachte sie und ihren Stolz durcheinander. Nirah pustete eine Strähne aus dem Gesicht und funkelte ihn an.
Abrupt stieß sie sich aus dem Wasser, war auf einmal auf den Beinen und wollte davon marschieren. Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Was auch immer das gerade gewesen war, sie wollte weg, weit weg. Sofort. Notos' Warnung hielt sie ebenso sehr auf wie die goldenen Augen, die sie vom Ufer aus fixierten. Nirah sah an sich herab, verschränkte schnell die Arme vor sich und ließ sich anschließend nach unten sinken, wo die Kälte sie abermals umfing. Das alles wurde begleitet von einem frustrierten Knurren. Inzwischen hatte sich Notos ein gutes Stück entfernt. Sie suchte nach Worten, die das Ausmaß ihrer Empörung - und Verwirrung - erfassen und ausdrücken könnten. Die dem idiotischen Krieger begreiflich machen würden, dass seine Aktion nicht in Ordnung gewesen war. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Was hatte sie sich dabei gedacht? Was war eben überhaupt geschehen? Allerdings tauchte Notos unter, bevor sie irgendetwas sagen konnte.
Überaus schlecht gelaunt, vor allem wegen ihrer eigenen Ratlosigkeit, aber auch eindeutig wegen Notos, saß sie im flachen Teil des Sees während er weiter weg seine Runden schwamm. Immerhin hielt er Abstand. Ausnahmsweise. Die unmittelbare Anspannung ihrer Muskeln wich, aber starke Unruhe hatte sich ihrer bemächtigt. Sie scharrte mit den Fingern im steinigen Untergrund, versuchte sich irgendwie zu beruhigen. Den Drang loszuwerden, ihrem Ärger lautstark Luft zu machen oder etwas zu treten. Das schlimmste war, dass sie nicht einmal wusste, wieso genau sie so aufgekratzt war. Notos hatte sich wieder einmal einen dummen Scherz erlaubt. Nichts Neues. Und doch ... Bei all seinem Hang zu dummen Aktionen hatte sie diese dennoch nicht erwartet. So zu tun als stünden sie sich nahe ... Noch schlimmer war, dass sie sich einen Wimpernschlag lang hatte fallen lassen. Ja, das war das Schlimmste. Nichteinmal zu wissen warum. Sie bohrte die Finger in den Boden. Dreck und Steinchen schoben sich schmerzhaft unter ihre Fingernägel. So etwas sollte nie wieder vorkommen. Nicht mehr.
Lange hielt Nirah es nicht aus, still am Ufer abzuwarten, bis sich Notos zurückbequemte. Ruhe wollte sich trotz der an sich angenehmen Szenerie nicht einstellen. Sonnenstrahlen, kühlendes Wasser, Vogelzwitschern. Es half nichts. Ihre Geduld war am Ende. Die Versuchung den Krieger zurückzulassen, ohne Rücksicht auf seinen Zustand war groß. Dennoch ...
"Wir gehen jetzt zurück, Donnerschwinge. Jetzt sofort." brüllte sie ihm unvermittelt und hörbar verärgert entgegen. Ihre Stimme hatte einen schrillen Unterton angenommen, den ihr Vater als hysterisch bezeichnet hätte. "Komm gefälligst her, nimm dein Zeug und ... sorg dafür, dass dein Vogel mich nicht attackiert." Mit einem geräuschvollen Platschen stand sie auf, ignorierte die hauteng klebende Kleidung und stapfte bis kurz vor den Anfang des Ufers, wo sie immer noch nicht sicher war, ob sie einen Fuß aus dem Wasser setzen sollte. Sie musterte Sir Jasper misstrauisch und sah sich ein weiteres Mal mit flammendem Blick nach Notos um, der nach ihrem Geschmack nicht schnell genug auf ihre Anweisungen reagierte.
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