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The Headwinds - Handlung

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Zladune

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 20.10.2022 02:09

Es schien nichts zu geben, was Notos in diesen Momenten eine einzige weitere Reaktion entlocken konnte. Weder als Nirah plötzlich einen Satz nach hinten machte, während er sich aufrichtete. Noch der donnernde Aufprall des Stuhls, der unmittelbar darauf folgte. Eher im Gegenteil. Die Augen leicht zusammengekniffen verharrte sein scharfer Blick umso mehr auf jeder noch so winzigen Bewegung der Heilerin, visierte sie geradezu an. Stutzte kurz. Irrte er sich, oder...

Seine Hand löste sich diesmal erst von der dunklen Lederummantelung seiner Schwertscheide, als erneut Anweisung erklangen. Nirah war noch nicht fertig. Natürlich. Mehr als ein leises Murren erhielt sie als Antwort jedoch nicht. Lediglich ein Hinweis verriet noch, dass er ihre Worte zur Kenntnis genommen hatte. Er erschien in Form einer kleinen Hilfestellung, indem er seine Arme ein wenig anhob. Auch den, mit dem er davor beinahe schützend seine Brust verdeckt hatte. Damit sie leichter an seine Wunde kam. Ihre Behandlung früher abschließen und somit ebenfalls danach schneller wieder verschwinden konnte.

Den Kopf hatte er dabei allerdings abgewandt, vermied es, sie direkt anzusehen. Es war ihm nicht entgangen. So flüchtig der Moment auch gewesen war. Der kurze Anflug an Angst in ihren Augen. Er hasste es. Wollte es ausgerechnet bei ihr nicht sehen. Aber diese Erkenntnis konnte ihn nicht dazu bringen, seine angespannte Haltung fallen zu lassen. Oder ihr gar zu folgen, als Nirah wirklich nach ein paar weiteren knappen Erklärungen geradezu aus dem Zimmer stürmte. Mit seinem Ring, wohlbemerkt. Ein kleiner Teil von ihm wollte ihr dennoch nach. Ihr zumindest anbieten, dass er beim Kochen aushelfen konnte. Ihr Dinge reichen konnte, damit sie nicht zu viel laufen musste. Er erstickte diese Gedanken noch im Keim.

Stattdessen stand er endlich vom Bett auf, ging raschen Schrittes zum Fenster, um die dort befestigte hölzerne Klappe mit einem Ruck aufzuschwingen. Sofort strömte ihm frische Luft entgegen, ließ ihn tief aufatmen. Dann drehte er sich abrupt um. Streifte mit einem fahrigen Blick das Zimmer, bevor er mit einem Griff den Hocker aufrichtete. Die verhedderten Lederbändchen aus dem Korb holte und zu entknoten begann. Alle seine Bewegungen wirkten mehr träge und abwesend als aufgewühlt. Wenngleich sich ein schwer zu unterdrückender Drang dahinter verbarg. Er musste einfach etwas tun.

Jasper hatte sich nach dem Abgang der Rothaarigen wieder auf dem Schrank verkrochen, wo er nun die Bemühungen seines Partners mit großer Skepsis verfolgte. Nach wenigen Minuten wurde sein Anstarren bemerkt und erwidert. Der kleine Drache wich den blauen Augen jedoch nicht aus. Selbst dann nicht, als sich eine Hand in einer fordernden Geste in seine Richtung bewegte, begleitet von der Frage: „Zumindest das Oberteil?" Die erdfarbenen Federn plusterten sich ablehnend auf. Woraufhin ein müdes Lächeln auf Notos' Zügen erschien. „Du willst mich jetzt wirklich nicht reizen, alter Freund." Jasper legte den Kopf schief. Musterte seinen Gefährten lange, bevor er verschwand. Ein Rascheln war zu hören, dann tauchte der katzenartige Kopf wieder auf. Zwischen den Zähnen, der helle Stoff eines Ärmels.

Mit tapsigen, unbeholfenen Schritten und einiges an Mühe hob der Drache ab, drehte einen Kreis über seinen weißhaarigen Menschen – und stürzte ohne Vorwarnung auf diesen herab. Notos fing seinen Partner auf, ohne sich dabei einem warmen Schmunzeln erwehren zu können. Welches nur an Intensität gewann, als Jasper seine Beute fallen ließ, stattdessen leicht die Zunge rausstreckte. Doch je länger er den kleinen Federball betrachtete, umso mehr erlosch der erheiterte Ausdruck auf seinem Gesicht. Seine Züge verzogen sich langsam, als ihn eine Welle leiser Wehmut erfasste. Ohne einen Laut von sich zu geben, drückte Notos seinen Gefährten an sich, vergrub den Kopf in dem weichen Gefieder. Jaspers Körper erfüllte bald ein tiefes, anhaltendes Vibrieren. Es dauerte eine lange Zeit, bis sich beide Wesen wieder voneinander lösten.

Notos ging. Es musste eine geraume Weile vergangen sein, seitdem Nirah aus seinem Zimmer verschwunden war. Allerdings war sie immer noch in der Nähe, er hatte sie draußen herumhantieren hören. Weshalb er sich einfach aus dem Fenster geschlichen hatte. Wie in alten Zeiten. Nur bewaffnet mit seinem Schwert am Gürtel und dem Korb, den Nirah ihnen da gelassen hatte. Letzteres war gefüllt mit verzwirbelten Verbänden und dem restlichen Teil der Wechselkleidung. Das luftige Hemd hatte er inzwischen angezogen. Eigentlich war sein Oberkörper derartig von weißen Verbänden umschlungen, dass dies fast unnötig war. Allerdings, seitdem ihm seine Begleiterin so nahe gekommen war...

Seine Gedanken drifteten ab, während er über Umwege zu dem einzigen Ort in diesem Dorf trottete, welcher ihm nicht völlig fremd vorkam. Die silbern glitzernde Wasseroberfläche begrüßte ihn wie einen vertrauten Freund. Auch wenn sein Weg ihn deutlich entfernt von seinem vorherigen Standort geführt hatte. Er erkannte diese Stelle nicht wieder. Aber es machte ihm nichts aus. Dieser Bereich war immer noch einsam und verlassen, weit weg vom Tumult der kleinen Siedlung.... Und von Nirah.

Was ihn auch daran erinnerte, warum er hergekommen war. Hier hatte er genug Platz um... In einer fließenden Bewegung setzte er den Korb ab, zog dafür sein Schwert hervor. Hielt die Spitze erst gen Himmel, dann zum See gerichtet. Visualisierte erneut, ohne die Miene zu verziehen, die Momente, an dem die Heilerin ihre Behandlung begonnen und beendet hatte. Ein scharfer Ton erklang. Dachte dann daran zurück, wie sie vorsichtig über seine Tätowierung gestrichen hatte. Ein weiteres Zischen war zu hören. Den heißen Zorn, den er dabei gespürt hatte. Diesmal folgte eine ganze Reihe an Schwerthieben, die mit einem leisen Surren die Luft zerschnitten. Doch nichts erinnerte an den federleichten, bedächtigen Tanz, den er beim morgendlichen Training zum Besten gegeben hatte. Alle Schläge waren schnell. Rabiat. Von grober Härte geprägt. Notos steckte unnötig viel Kraft in jede Bewegung, bis ihn selbst diese wenigen Minuten immer öfter nach Luft schnappen ließen.

Aber er hörte nicht auf. Vollkommen im Moment verloren, steuerte er seinen Körper vom See weg, zum Waldrand hin. Das Verlang war groß, seine Gefühle nicht nur gegen widerstandslose Luft auszulassen. Eher beiläufig fiel sein Blick auf einen Baum mit einem besonders breiten Stamm. Er zögerte nicht lange. War nach paar Schritten bei seinem erkorenen Ziel angelangt. Hatte das Schwert erhoben, bereit, es auf seinen Gegner niederschmettern zu lassen.

Dann erklang hinter ihm eine von sanftem Necken durchtränkte Stimme. „Du trägst dein Grinsen verkehrt herum. Bei deiner betrübten Miene lassen ja selbst die Blumen die Köpfe hängen." Sein Schwert stürzte mit einem dumpfen Scheppern zu Boden, bevor die Klinge auch nur einen Kratzer an der rauen Rinde hinterlassen konnte. Sofort wirbelte er herum, suchte schwer atmend die Umgebung ab. Allerdings... war da niemand. Einzig der Wind war zu hören, wie er leise durch das Blätterdach fuhr. Nur unterbrochen von dem hohen, hellen Zwitschern eines Vogels, der bei seiner Kampfeinlage noch nicht verschreckt das Weite gesucht hat. Obwohl er keine Energie in seine Klinge hatte leiten wollen, flirrte die Luft vor Hitze.

Notos ließ noch so lange seinen Blick forschend umherschweifen, bis sich sein Puls weitestgehend beruhigt hatte. Sogleich setzte statt seiner Verbitterung tiefliegender Scham ein. Ein Ritter sollte seine Waffe niemals aus Wut erheben. Allerdings war ihm dieses plötzliche, bis jetzt andauernde Gefühl von Verletzbarkeit so sehr unter die Haut gegangen... Er verzog die Miene, hob langsam sein Schwert auf und steckte es wieder in den hölzernen Behälter an seinem Gürtel. Schüttelte dabei erst sachte, dann entschlossen den Kopf. Es gab keinen guten Grund, dieser Frustrationen derartig zu verfallen. Auch wenn er sich zugegeben ein wenig besser fühlte. Mehr geerdet. Er hätte seine Ruhe in erster Linie niemals verlieren dürfen. Vielleicht setzte ihm seine Verwundung doch mehr zu als gedacht. Entweder das oder die Heilung. Er fühlte sich nicht wirklich besser. Vielmehr hatte sich seine innere Unruhe gesteigert. Inzwischen hatte er das Gefühl, dass Feuerameisen in seinen Adern krabbelten. Aber dass es sogar soweit ging, dass er anfing Stimmen zu hören... Mit einem weiteren Kopfschütteln holte Notos seinen Korb und setzte sich in Bewegung.

 

Noch trieb ihn allerdings nichts zu den Hütten zurück. Er nutzte die Zeit anders. Ging gemächlich am Ufer entlang. Suchte Ablenkung darin, dass er bestimmte Dinge aufzulesen begann. Es fing mit dem ein oder anderen, vom Wassers abgerundeten Stein an. Dann folgten die Halme langer, trockener Gräser. Moos. Alte, unbewohnte Schneckenhäuser. Das ein oder andere herabgefallene Blatt. Der Inhalt des Korbes regte sich irritiert, als sogar trockene Äste in diesem landeten. Notos ignorierte dies, fand sogar erneut irgendwie zu einem leichten Lächeln zurück. Zum Glück hatte Nirah all die Lederbände und Verbände dagelassen. Er würde es gut gebrauchen können.

Wenngleich ihm ein Blick zum See verriet, dass er wohl nicht heute mit allem fertig werden würde. Die ersten Flecken an glühendem Gold und Rot schlichen sich über die Wasseroberfläche. Und so gerne er beobachten würde, wie diese schillernden Farben die Umgebung in warmes Licht tauchen würden – er wollte die ansetzende Dämmerung ausnahmsweise gerne nicht im Wald verbringen. Allerdings, kurz bevor er aufbrechen wollte, fiel seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes. Eines der in der Sonne glitzernden Bänder, zog sich bis zu einer Böschung, an der sich Ufer und Waldrand trafen. Und dort blühten am Wasserrand, in ihrem unverwechselbaren, zarten Himmelblau... Notos zögerte nicht lange. Er pflückte grundlos eigentlich selten Blumen. Aber bei diesen würde er eine Ausnahme machen.

Die untergehende Sonne hatte den Platz inzwischen in ein sanftes Abendlicht getaucht, als Notos bei den Hütten ankam. Eigentlich wollte er nur schnellstmöglich wieder in sein Zimmer. Zwei Dinge ließen ihn jedoch innehalten. Erstens: Die Tür zur anderen Hütte stand sperrangelweit offen. An sich eigentlich nie ein gutes Zeichen. Meist war es ein Grund zur Besorgnis. Wenn da nicht der zweite Punkt wäre: Die temporäre Bewohnerin dieser Hütte war gerade dabei, in der seinen zu verschwinden. Notos schloss die Augen, holte tief Luft und schritt vorsichtig voran.

Selbst das leise Knirschen seiner Schuhe schien sein Näherkommen nicht zu verraten. Er hatte gerade erst den Türrahmen erreicht, als die Heilerin in sein Zimmer eintauchte. Ihr folgte ein schwacher Hauch von gebratenem Fleisch und einer warmer Mahlzeit, welcher ihm fast schmerzlich bewusst werden ließ, wie lange er eigentlich nichts mehr gegessen hatte. Diese Gedanken verbannte er jedoch schnell aus seinem Kopf. Stattdessen trat er nun endgültig ein, blieb hinter seinem Besucher stehen. „Nirah?" Noch während ihm der Name, der mehr wie eine unsichere Frage klang, über seine Lippen rutschte, wurde sich Notos bewusst, dass er ihr wohl zu nah war. Und den einzigen normalen Weg nach draußen versperrte. Verhalten huschte sein Blick umher, bevor er ein paar Schritte nach hinten tätigte, beinahe bereits im Eingang zum gegenüberliegendem Zimmer verschwand. Gab seiner Begleiterin somit wieder einen möglichen Fluchtweg frei.

Und schaffte es nicht, ihr in die Augen zu sehen. Die Angst in ihrem Blick, der ihn das letztes Mal erwartet hatte, waren ihm noch lebhaft in Erinnerung geblieben. Wenngleich er nicht wusste, ob sie bei diesem Anblick wieder solch ein Schrecken überfallen würde. Nun, wo er zum Teil die Kleidung ihres Dorfes trug. Mit Vergissmeinnicht hinter dem Ohr geklemmt und einem Korb voller bizarrer Kleinigkeiten. Der sich bewegte...

Ein Rascheln von Kleidung war zu hören, dicht gefolgt von dem Klackern von herabfallenden Ästen, als sich unter den naturfarbenen Stoffen eine Schnauze freikämpfte. Witternd die Nase in die Luft hielt, bevor, wohl vom Geruch von Futter angelockt, auch der Rest des flauschigen Kopfes folgte. Jasper stemmte sich mit seinen Pfoten am Rand des Korbes etwas in die Höhe – und ließ somit endgültig die verhüllende Präsenz fallen, mit der er sie beide umgeben hatte. Notos folgte schmunzelnd dem hungrigen Blick zur Truthahnkeule. Dann zur Schüssel. Einer Schüssel, wohlbemerkt. Scheinbar würde Nirah nicht mit ihm zusammen essen. Natürlich nicht, meldete sich eine gehässige Stimme. Weshalb sollte sie? Sie hat dir oft genug gesagt, dass sie dich nicht ausstehen kann. Verbessert hast du deine Lage gerade auch nicht sonderlich.

Hatte Notos vorerst noch kleinmütig den Kopf gesenkt, so sah er nun wieder auf. Nun, es mochte stimmen, dass er nicht ihr Gast war. Sondern nur ein Patient. Ein verhasster Fremder. Aber das würde ihn nicht daran hindern... Kurz suchte er den Blickkontakt auf. Nur um danach sofort in eine angedeutete Verbeugung zu verfallen. Wenngleich dieses Mal der spielerische Hauch fehlte, der diese Geste normalerweise begleitete. „Ich wollte mich entschuldigen," fing er bedächtig an. Ernst. „Für meine unangebrachte Reaktion vorhin. Ich habe zu harsch reagiert. Wenngleich ich dich dennoch bitten würde... nächstes Mal das einfach nicht grundlos anzufassen? Zumindest nicht ohne meine Erlaubnis?" Er tippte mit einem verhaltenen, beinahe witzelnd anmutenden Lächeln auf seine Brust. Einen kleinen Vorwurf konnte er aus seiner Stimme jedoch nicht verbannen.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 22.10.2022 13:42.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 21.10.2022 17:29

Nirah balancierte das Essen in einer Hand und drückte die Tür der Hütte vorsichtig auf. Der Eintopf schwappte sacht in der Schüssel hin und her. Fleisch und Gemüse schwammen an der Oberfläche. Einige Tropfen Fett rannen an der Fasanenkeule herab, hinterließen glänzende Spuren am Spieß. Der Duft von beidem wehte ihr um die Nase. Wäre sie nicht gut gesättigt, käme sie in Versuchung, ein Stück abzubeißen. Vielleicht würde sie sich später noch eine Schüssel nehmen. Es blieb abzuwarten, wie viel übrigblieb. Nachdem Notos seinen Hunger gestillt hatte. Im Gegensatz zu ihm hatte Nirah vorhin schon eine Kleinigkeit gegessen. Er musste sehr hungrig sein. Die Mahlzeit gestern Abend hatte sich aufgrund eines gewissen blauäugigen Verfolgers in Grenzen gehalten. Sie würde sich trotzdem sehr wundern, falls er den Topf leerte. Es war viel, etwas zu viel für zwei Menschen. Und ein kleines, katzenähnliches Wesen. Ob Sir Jasper wohl auch Eintopf zu sich nehmen würde? Vermutlich nicht. Was übrig blieb, könnten sie auch noch morgen essen.

Sie ertappte sich dabei, grobe Pläne für Essen und Versorgung für mindestens drei weitere Tage zu machen. Dabei hoffte sie, dass ihr Arrest hier hinten sich möglichst kurz gestaltete.
Musste sie hierbleiben, bis Notos vollständig gesund war? Bis ihr Bein verheilt war?
Sie gab zu, es war ruhig, so abgeschnitten vom Rest des Dorfes. Niemand kam hierher. Höchstens der alte Weißhaar oder ein Jüngling, der ihnen Verpflegung brachte. Ihr gefiel nur nicht, ihrer Freiheit beraubt worden zu sein. Nicht tun und lassen zu können, was sie wollte.
Sie wäre gerne in ihrer eigenen Behausung. Sie war winzig und hatte wenig Platz für Habseligkeiten, ja. Trotzdem war es momentan ihr Zuhause. Der Ort, wohin sie sich zurückziehen konnte, der Sicherheit und Geborgenheit bot. Wie gerne hätte sie sich nach dem Essen in ihrem eigenen Bett vergraben. Zwischen den weichen, ausgefransten Decken, die teilweise aus der Hand ihrer Mutter stammten. Weit weg von Menschen. Von Notos. Seiner Mischung aus nervtötender Albernheit und erschreckendem Ernst. Seinen Augen und was sie bedeuten mochten. Von allem. Sich nur den Stoff über den Kopf ziehen und verschwinden.


Selbst wenn es ihr erlaubt wäre, sie konnte ihren Patienten die nächste Zeit nicht ganz alleine lassen. Bald sollte die Wirkung des Heilrituals für ihn spürbar werden. Und sie hatte keine Ahnung, wie heftig sein Körper darauf reagierte. Bei einer normalen Vergiftung hätte sie auf Erschöpfung, Fieber, vielleicht auch Übelkeit getippt. Wie schwer kam ganz auf den Fall und den Patienten an. Nur, dass diese Vergiftung scheinbar durch Magie erzeugt worden war. Und sie überhaupt nicht wusste, ob sie sich wirklich wie eine Vergiftung verhielt. Eigentlich wusste sie gar nichts darüber.

Der Ring in ihrer Tasche erinnerte sie immer wieder an die Vorsicht, zu der Notos sie im Umgang mit der Verletzung aufgerufen hatte. Sie hatte ihn erst bemerkt, nachdem sie aus der Hütte geflüchtet war. Seitdem trug sie ihn mit sich herum. Nicht am Finger, das Risiko ihn zu verlieren war zu hoch. Beinahe hätte sie ihn aus Gewohnheit zusammen mit den anderen Steinen in den Behältern voller Erde versenkt. Sie musste ihn zurückgeben. Vorhin hatte sie aber nicht umdrehen wollen, um den verärgerten Krieger erneut aufzusuchen.
Sollte seine Vorsicht ein Anhaltspunkt dafür sein, wie stark die Begleitsymptome der beschleunigten Heilung ausfallen würden ... Dann war ein Mindestmaß an Vorsicht geboten. Nicht, dass sie jemals einen Patienten nach solch einem Ritual alleine ließ.

Ginge es nur um das Abendessen, hätte Nirah länger gebraucht, bis sie zu Notos gegangen wäre. Wahrscheinlich hätte sie nach ihm gerufen, wäre gar nicht zu ihm hinein. Die Erinnerung an seine Reaktion erzeugte ein Gefühl von Widerwillen. Dieser Blick ... Es fiel ihr schwer es zuzugeben, aber es gefiel ihr besser, wenn er das dämliche Grinsen nicht aus dem Gesicht brachte. Und verhalten lachte. Oder redete. Vieles war besser als ein eisiges Schweigen, welches deutlich signalisierte, dass sie unerwünscht war. Gleichgültigkeit beispielsweise, genervtes Augenrollen und herablassende Belustigung, sogar Spott. Alles Dinge, mit denen sie umgehen konnte. Die sie selbst verwendete. Wirkte Wunder, um andere auf Abstand zu halten.
Allerdings wiegte die Verpflichtung mehr als das nervöse Flackern in ihrem Magen. Deshalb lief sie entschlossenen Schrittes auf seine Zimmertür zu und klopfte. Keine Reaktion. Vielleicht schlief er?
Sie wartete nicht lange, zögerte nur einen Moment, um Luft zu holen und trat ein.

Das Zimmer war ... leer? Noch einen verwirrten Schritt. Das Fenster war weit offen. Das leise Rauschen von Blättern in der warmen Abendbrise drang hindurch. Von Notos fehlte jede Spur. Wie auch von ihrem Korb und Sir Jasper. Er ist abgehauen. Du hast ihn vertrieben. Gut gemacht. Wieso stand dann dort noch seine ... Weiter kamen ihre Gedanken nicht.
Nirahs Körper spannte sich sofort fluchtbereit an, als ihr Name erklang. Ein leiser Laut des Erschreckens. Der Eintopf schwappte gefährlich nahe an den Rand der Schüssel. Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, nicht wie wild herumzuwirbeln. Die Stimme war bekannt, nicht gänzlich unerwartet. Aber aus der falschen Richtung.

Vor ihr stand, wie gedacht, Notos. Direkt vor ihr. Wieso hatte sie ihn nicht eher gehört? Sie starrte ihn halb aufgescheucht, halb verärgert an. Suchte sofort nach einem Anzeichen von Wut oder Bedrohung an ihm. Sah hektisch einmal rechts und links an ihm vorbei. Machte gleichzeitig einen Schritt zurück, von ihm weg. Fand jedoch nichts dergleichen. Im Gegenteil, er war bereits auf dem Rückzug. Als flüchtete er vor ihr. Ihr Herz pochte noch immer lauter als es sollte. Was hatte dieser Mann bloß mit seiner Angewohnheit, sie zu erschrecken?

Einen Moment lang standen sie sich wortlos gegenüber. Etwas passte nicht so recht in das Bild, das sie erwartet hatte. Während Nirahs Haltung noch vom Schreck und vorsichtigem Misstrauen geprägt war, schien er ... fast scheu? Er sah sie jedenfalls nicht an. Es irritierte sie ein wenig, dass er tatsächlich die ihr wohlbekannte Farbe trug. Nun, zur Hälfte. Noch seltsamer war allerdings die Blume neben seinem Gesicht. Die Kombination gab seinen Zügen den Anflug von Weichheit und ... einer Zerbrechlichkeit, die sie dort nicht sehen wollte. Ließ ihn jünger wirken. Verwirrt legte Nirah den Kopf schief. War er am See gewesen? Dort wuchsen diese Blumen.

Sie erkannte den Korb in seiner Hand, als sich etwas darin bewegte. Ein Kopf lugte hervor, entpuppte sich als Sir Jasper. Dessen Federn zur Hälfte von irgendwelchen Dingen bedeckt war, die bei seinen Bewegungen an ihm herab rutschten. Goldene Augen fixierten einen bestimmten Punkt. Nirah schwenkte ihre Hand ein wenig zur Seite. Der Blick folgte. Unwillkürlich lächelte sie. Da hatte jemand Hunger.
Als sie aufsah, fand sie ihre eigene Erheiterung in dem Gesicht ihr gegenüber wieder. Einen eigenartigen, stillen Moment lang.

Dann wurde er durchbrochen von Notos' Augen, die die ihren suchten. Sie sofort wie erstarrt verharren ließ. Und einer Geste, die ... deplatziert wirkte. Nirah schüttelte sacht den Kopf. Wofür entschuldigte er sich? Oder besser: Wieso entschuldigte er sich mit solcher Vorsicht? Er hatte keinen Grund dazu. Trotzdem sorgte es dafür, dass ein Teil der Anspannung aus ihren Muskeln wich. 
"Lass das." knurrte sie ihn leise an. Doch er war noch nicht fertig, redete einfach weiter. Sie folgte seiner Hand mit den Augen, während er auf die nun versteckte Stelle deutete. Also war es tatsächlich die Tätowierung, auf die er so sensibel reagiert hatte. "Ich ..." fing sie an. Der Rest des Satzes wollte ihr nicht über die Lippen kommen. Sie war nicht gut im Entschuldigen. "Es hat geleuchtet." rechtfertigte sie sich stattdessen. "Und es sieht hübsch aus." fügte sie leiser hinzu. Ungeplant. Rutschte einfach heraus. 

Ein Seufzen bahnte sich einen Weg nach außen, die Augen kurz geschlossen. Sie hatte noch das Gefühl, dass irgendeine Reaktion von ihr erwartet wurde. Wenn er sie schon so direkt darauf ansprach. Ansonsten hätte sie wohl nie wieder davon geredet.
"Du hast nicht zu harsch reagiert. Ich hätte das nicht machen sollen. Wird nicht wieder vorkommen, Donnerschwinge." presste sie schwach hervor und drehte sich weg, ging in den Raum hinein. Die heiße Schüssel stellte sie auf derselben Ablage ab, wo vorhin die Räucherschale gestanden hatte. Gab sich so einige Sekunden Zeit, in der sie nicht mit Notos interagieren musste. Kühlere Luft wehte ihr um die Knöchel, erinnerte sie daran, dass das Fenster weit offen war.

"Hatte ich nicht eigentlich gesagt, du sollst dich nicht mehr als nötig bewegen?", brummte sie in einem strengen Ton gegen die Wand, ohne eine Antwort darauf zu erwarten. Das Fenster, die Äste, der Korb ... Er hatte sich wirklich davon geschlichen. Wie lange war er unterwegs gewesen? Wenigstens ist er zurückgekommen.
Als sie sich ihm das nächste Mal zuwandte, funkelte deutlich der Ärger in Nirahs Blick. Überdeckte den Hauch von Sorge, weil er sich nicht an ihre Anweisungen gehalten hatte. Doch sie unterdrückte den Drang, ihn noch einmal zur Ruhe zu gemahnen. Das änderte nichts, oder? Notos war der eigenwilligste Mensch, der ihr je untergekommen war. 

"Du solltest etwas essen. Falls es nicht reicht, draußen ist noch mehr. Nimm so viel, wie du willst." verkündete sie. "Hier bitte. Für Sir Jasper." Nirah streckte ihm den Fleischspieß entgegen. Damit huschte sie an ihm vorbei aus dem Zimmer, war schon beim Ausgang als sie auf der Stelle umdrehte und zurücklief. Wieder in sein Zimmer, wo sie den Ring neben die Schüssel auf die Ablage legte. Sie murmelte ein "Fast vergessen." Dieses Mal blieb sie kurz stehen, musterte Notos. 
"Ich bin draußen oder in der anderen Hütte, falls du etwas brauchen solltest. Melde dich bei mir, wenn etwas ist. Ich werde aber auch immer wieder nach dir schauen. Du wirst mit Sicherheit Nebenwirkungen von der beschleunigten Heilung haben. Das ist ganz normal. Versuch dich etwas zu schonen. Keine weiteren Ausflüge zum See. Bitte?" sagte sie ernst. "Ach und es würde deinem grimmigen Ausdruck guttun, wenn du das nächste Mal auf die Blumen verzichtest. Zerstört etwas die Wirkung." spottete sie mit dem Anflug eines Grinsens. Der Versuch von Wiedergutmachung, der Wiederherstellung von so etwas wie einer entspannten Atmosphäre.
Abrupt ging sie auf den Ausgang zu, drückte sich abermals an Notos vorbei und wollte ihren Patienten wieder allein lassen. Vorerst. 


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Antworten Zuletzt bearbeitet am 22.10.2022 00:45.

Zladune

26, Weiblich

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Neuling

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 22.10.2022 23:45

Es war auf gewisse Weise bizarr, wie erleichtert man nach einem einzigen, leisen Anknurren sein konnte. Es hatte beinahe einen beruhigenden Effekt auf ihn. Der Anflug eines kleinen, vorsichtigen Lächelns huschte über Notos' Miene, als er die ihm inzwischen wohl bekannte Äußerung von Nirahs mürrischer Unzufriedenheit vernahm. Das war ihm schon lieber. Bissige Kommentare, genervtes Schnauben, feindselige Blicke... damit konnte er deutlich besser umgehen als mit einer von Furcht geprägten Haltung. Als er aus dem Augenwinkel bemerkte, wie ihre verschreckte Ausstrahlung langsam abzuflauen begann, traute er sich sogar, wieder etwas den Kopf zu heben.

Nur um die Heilerin letztendlich bei den darauffolgenden Worten doch direkt anzusehen. Dezente Verwirrung prägte seine Züge, wandelte sich bald jedoch zu verhaltener Verlegenheit. Seine Tätowierung war am Leuchten gewesen. Und es sieht hübsch aus. Hatte Notos zuerst nur überrascht die Brauen in die Höhe gezogen, so schmunzelte er nun befangen, rieb sich dabei unsicher den Nacken. Lachte leise, zurückhaltend auf. „Nun... ich werde das Kompliment an meinen Freund weitergeben." Vernon hätte Luftsprünge gemacht, wenn er Nirah jetzt gehört hätte. Oder zumindest das breiteste, stolzeste Grinsen der Welt zur Schau gestellt. Sein begabter Freund hatte bei der Erstellung dieses Tätowierung die größte Mühe und Sorgfalt an den Tag gelegt. Mehr noch, als er es sowieso schon bei seinen Kunstwerken tat. Ihm lag aus unerfindlichen Gründen sehr viel daran, war von der Idee von Anfang an hellauf begeistert gewesen.

Im Gegensatz zu ihm. Notos konnte sich noch gut daran erinnern, wie er sich davor gescheut hatte, Vernon von diesem Motiv zu erzählen. Wie bedächtig er ihm den Grund dafür erläutert hatte. Zögerlich, nicht fähig dazu, die richtigen Worte zu finden. Sich sehr wohl bewusst, dass das ganze Bild seltsam und fehl am Platz wirken musste. Unpassend für ihn, untypisch für einen Drachenritter. Vernon hingegen hat nur gestrahlt. Seine Augen haben sein inneres Feuer aufgefangen und widergespielt – auch wenn er kurz gewirkt hatte, als wolle er voller Rührung in Tränen ausbrechen. Dann setzte er jedoch von einem Moment auf den anderen eine todernste Miene auf. Als hätte man ihm die wichtigste Mission seines Lebens gegeben. Alleine die Erinnerung brachte Notos zum Schmunzeln. Vernon hatte schon immer einen Hang für Dramatik gehabt. Aber eines musste man ihm lassen: Sein Enthusiasmus war ansteckend. Und er war wirklich schwer von etwas abzubringen, wenn er es sich einmal in den Kopf gesetzt hatte.

Allerdings, die Schönheit von den Meisterwerken seines künstlerischen Freundes hin oder her, es war kein Grund, diese einfach anzufassen. Auch wenn sie scheinbar während der Behandlung ein wenig geleuchtet haben. Hatte er sich das Pulsieren also doch nicht eingebildet. Nirahs Heilkünste mussten wohl auf irgendeine unerklärliche Art und Weise einen Einfluss auf den feinen Edelsteinstaub in den Tätowierungen oder den Energiefluss seines Körpers gehabt haben. Momentan jedoch hatte er weder den Nerv noch die dafür benötigte Konzentration, um sich mit diesem Mysterium auseinanderzusetzen.

Notos war bereits im Inbegriff, zum Sprechen anzusetzen und der Rothaarigen in einem ruhigen, sanftmütigen Ton genau dies nochmal zu erläutern. Dass er ihre Neugierde verstand, aber selbst diese ihre Grenzen hatte. Jedoch kam ihm seine Begleiterin zuvor, gestand sich nach einem Zögern ihren kleinen Fehltritt selbst. Und auch wenn er bei der Erwähnung, dass ihn keine Schuld traf, erst protestierend die Luft einsog, kam kein Wort über seine Lippen. Stattdessen senkte er nur abermals verhalten den Blick, gab ein knappes Nicken von sich. Sie würde es ohne seine Erlaubnis nicht nochmal tun. „Dafür wäre ich dir sehr dankbar", meinte er leise, aber ehrlich.

Der eigenartigen, unbehaglich werdenden Stille, die sich abermals zwischen sie zu drängen versuchte, wurde schnell Einhalt geboten. Erneut von Nirah, die sich ein missmutiges Tadeln nicht nehmen ließ. Notos unterdrückte ein Schmunzeln, lächelte nur stumm. Ja, ja sie hatte ihm gesagt, er solle sich nicht unnötig bewegen. Allerdings war sein Ausflug nötig gewesen. Ihm wäre hier ansonsten das Dach auf den Kopf gefallen.

 

Seine Heilerin schien anderer Meinung. Er erwiderte das aufgebrachte Funkeln in Neelas Augen wie immer mit einem gutmütigen, arglosen Lächeln. Moment. Was? Warte. Notos runzelte verwirrt die Stirn. Nicht Neela. Nirah. Wie hatte er es überhaupt geschafft, die beiden zu vertauschen? Nirah war seiner Schwester in keiner Hinsicht ähnlich. Gut, vielleicht vereinzelt, in einigen wenigen Aspekten. Aber das war zu wenig, um... es musste wohl gerade an der Ausstrahlung gelegen haben.

Zu weiteren Grübeleien wäre er sowieso nicht gekommen. Besagte Person drückte ihm nämlich einfach einen Fleischspieß in die Hand und ließ ihn verdutzt stehen. Er hatte kaum Zeit, ein leicht überfordertes „Danke" von sich zu geben, da kehrte die Heilerin sogleich wieder zurück. Um seinen Ring zurückzugeben. Ein amüsiertes Schmunzeln kämpfte sich auf sein Gesicht. Immerhin schien er nicht der Einzige hier zu sein, der etwas durch den Wind war. Dabei würde er den Ring sowieso nicht gleich anziehen. Nicht ohne Reinigung und solange sich noch Nirahs Spuren darauf befanden. Sie hätte ihn genauso gut noch für eine Weile behalten können.

Als sich die Rothaarige abermals umdrehte, war er bereits dabei, noch einen Schritt zurückzutreten, damit sich die Heilerin nicht an ihm vorbeidrängen musste. Doch seine Begleiterin blieb überraschenderweise diesmal vor ihm stehen. Gab ihm noch ein paar Informationen und Ratschläge. Notos zog leicht die Brauen zusammen. Nebenwirkungen? Auf die konnte er gut verzichten. Aber er würde darauf verstärkt Acht geben. Und was die andere Sache mit dem Schonen anging.... Ein verschmitztes Grinsen stahl sich auf seine Lippen, wenngleich ein wenig vorsichtiger und kleiner als gewohnt: „Nun, ich kann die Bitten einer Dame wohl schlecht ignorieren, nicht wahr?".

Beinahe wirkte die Atmosphäre zwischen ihnen wieder wie zuvor. Fast. Nur das Nirah sich bisher eigentlich ausgesprochen selten zu solchen freundschaftlichen Sticheleien wie dieser verleiten ließ. Wie von selbst wanderte seine Hand in Richtung der Blumen, über die seine Begleiterin scherzte. Erwiderte ihren amüsierten Ausdruck mit einem warmen Schmunzeln. Das Grinsen, so gut sie es auch verstecken wollte, hatte er sehr wohl gesehen. Die nächsten Worte waren über seine Lippen gekommen, noch bevor er wirklich über sie nachdenken konnte. „Und du solltest öfter lächeln. Es steht dir." Anders als bei Nirah schwang jedoch kein Spott in seiner Stimme mit. Sein eigenes, sanftes Lächeln spiegelte nichts als pure Aufrichtigkeit wider.
Noch für ein paar weitere Augenblicke sah er der Heilerin nach, bevor sich der Korb in seinen Händen regte. Jasper machte auf sich aufmerksam, begann mit der Pfote nach dem Fleischspieß auszuholen. Notos lachte belustigt auf: „Ist ja gut, ist ja gut. Ich geh ja schon."

Kaum hatte er den Korb in seinem Zimmer abgesetzt, kletterte der kleine Drache heraus, stieß sein Transportmittel dabei um. Fixierte das Abendessen, welches ihm bevorstand. Welches ihm sein Gefährte aber nicht geben wollte. Nicht zumindest, bevor er abermals ein kleines Tuch auf dem Tisch ausgebreitet hatte und darauf das Fleisch legte. Wohl als Ersatz für einen Teller. Notos selbst hingegen sammelte erst seine Funde auf, bevor er sich mit ihnen auf das Bett setzte. Beobachtete seinen Partner schmunzelnd dabei, wie er alles verschlang. Seiner eigene Mahlzeit wandte er sich jedoch noch nicht zu. Zuerst berührte er mit einer Hand sein silbernes Medaillon. Bedankte sich stumm bei den Göttern. Nach einem kurzen Zögern auch knapp bei der heiligen Mutter. Tat man das hier? Er würde Nirah fragen müssen.

Doch selbst danach aß er nur langsam, einen Löffel nach dem anderen. Machte dazwischen viele Pausen, in denen er die aufgesammelten Materialien sortierte. Damit begann, die Lederbänder und stellenweise sogar die Verbände um die Äste zu wickeln. Mithilfe seiner Waffen vorsichtig Löcher an den ein oder anderen Stellen zu bohren. Auch wenn jede Unterbrechung ihn zunehmend daran erinnerte, wie groß sein Hunger wirklich war. Sein Magen zog sich jedes Mal aus Protest schmerzlich zusammen, wenn er ihm einen weiteren Löffel verwehrte. Aber genau dies war auch der Grund, warum er sich so viel Zeit mit dem Essen ließ. Wenn er jetzt alles auf einmal verdrücken würde, würde mit Sicherheit eine Quittung in Form von Übelkeit folgen. Auch wenn der Eintopf wirklich gut war. Wenn es nicht auch so noch recht schwül draußen wäre, hätte er höchstens vielleicht noch ein paar der Feuerbeeren reingeworfen. Die würden sicherlich hervorragend den Körper von innen wärmen.

Fast schon mit einer gewissen Betrübtheit betrachtete Notos die inzwischen leere Schüssel. Nirahs Angebot, sich noch eine zweite Portion zu holen, ging er jedoch nicht nach. Auch wenn er sie sicherlich willkommen heißen würde. Aber das konnte er sich nicht erlauben. Er würde sich ihr nicht mehr aufbürden als nötig. Wollte das zarte Band des wiedererstellenten Friedens zwischen ihnen nicht strapazieren. Mit einem lautlosen Seufzen stand er auf, stellte die Schüssel auf den Ablagetisch. Erlangte beim Vorbeigehen das Interesse von seinem Partner, der ihn erst schief anschaute, dann den zur Hälfte gefressenen Spieß auf das Tuch legte. In seine Richtung schob. Notos lächelte gutmütig winkend ab, trat stattdessen nach draußen. Dieses Mal benutzte er jedoch nicht das Fenster, sondern die Eingangstür – und sah somit sofort Nirah, wie sie an der Feuerstelle Wache hielt. Beinahe ertappt hielt er inne. Schenkte ihr ein verhaltenes Lächeln. Und verschwand mit eiligen Schritten hinter dem Haus. Nur, um keine Minute später mit drei kleineren Holzscheiten wieder in seine Hütte zu laufen. Und sich dort wieder an die Arbeit zu setzen.

Während Notos noch das letzte ihm vergönnte Licht der Abenddämmerung nutzte, um mit seiner Nadel vorsichtig feine Löcher in die Schneckenhäuser zu bohren, war auf dem Gang ein leises Schaben zu hören. Dann ein lauteres Scheppern, auf die eine kurze Pause folgte. Bevor erneut ein Klappern einsetzte. Jasper hatte inzwischen die Türschwelle überschritten. Zog mit sichtlicher Mühe tapfer die Tonschüssel hinter sich her. Immer wieder rutschten seine Zähne an dem Rand ab, aber der kleine Drache ließ sich davon nicht beirren, biss sich erneut entschlossen daran fest und schleifte die Schale bis zu dem Lagerfeuer. Plusterte sein Gefieder irritiert auf, bevor er sich setzte. Mit einem scharfen Blick den Topf mit dem restlichen Essen anvisierte. Dann den Kopf schief legte und das Gestell analysierend musterte. Wie würde er wohl am einfachsten an Futter für sich und seinen Partner kommen....



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Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 25.10.2022 14:48

Dieses Mal ignorierte Nirah Notos' Getue so gut es ging. Ließ es außer mit dem üblichen ablehnenden Schnauben unkommentiert. Die Bitten einer Dame? Hatte sie das nicht schon einmal gehört? Es erinnerte sie daran, dass sie gedroht hatte ihn zu treten. Vielleicht müsste sie das doch noch wahr machen. Anders als gedacht. Hatte sie bei ihrem ersten Zusammentreffen im Wald noch gedacht, es würde aufgrund seines mehr als zweifelhaften "Charmes" sein, war es nun der Gedanke, ihn zur Ruhe zwingen zu müssen. Zurück in die Hütte, falls er wieder Ausflüge machte und danach auf direktem Weg ins Bett. Seine Antwort war kein Versprechen, kaum eine Zustimmung. Störrisch war das einzige Wort, das immer wieder in ihrem Kopf erklang. Störrisch und mit Absicht enervierend. Mit einem Tiefsinn, der sich gut dahinter verbarg, sich nur manchmal seinen Weg nach außen bahnte. Langsam entwickelte diese Mischung die Eigenschaft, wohlvertraut zu wirken.

Das änderte nichts daran, dass seine nächsten Worte einen Blick aus großen Augen voller Überraschung heraufbeschworen. Und Verwirrung. Verärgerung. Alles gleichzeitig. Es steht dir. Sie holte Luft, wie um etwas zu sagen. Klappte den Mund dann wieder zu. War das so etwas wie die Rache für ihren eigenen Spott? Es klang kein bisschen wie eine Stichelei. Nicht wie ein Vorwurf, dass sie zu wenig lächelte. Oder doch? War es womöglich ernst gemeint? Sie war sich nicht sicher, ob das Lächeln nicht doch eher ein Grinsen war.
Bevor sich ein wortloses Starren einstellen konnte, rauschte Nirah bereits davon. Auf ihrem Weg nach draußen warf sie mehrmals hastige Blicke über die Schulter. Verwundert, fragend, getrieben. Wie auf der Flucht. Sie stolperte beinahe über ihre eigenen Füße. Draußen verwandelten sich die misstrauischen Blicke zu einem Kopfschütteln aus zusammengezogenen Augenbrauen. Welches anhielt, bis sie unruhig und unentschlossen in die Flammen des Lagerfeuers starrte.

Ein dummer Spruch, entschied sie. Ein Spruch typisch für Notos. Sie schnappte sich einen Holzscheit und warf ihn mit Nachdruck in das Feuer. Funken stoben auf.
Schau doch nicht immer so böse. Wirklich Nirah. So brauchst du dich nicht wundern, dass die anderen nicht mit dir spielen wollen. Du musst mehr lächeln, ein bisschen aus dir heraus gehen. Das hat noch keinem geschadet. Erinnerungen an eine wohlmeinende Stimme und belehrende Augen.
"Ich schaue nicht böse." fuhr sie die Flammen vorwurfsvoll an. Mehr Holz folgte dem ersten Holzscheit. Kleine und größere Äste. Sogar Steine, die sie vom Boden auflas und hineinwarf. Weitere Funken, tanzend im Dämmerlicht der bald anbrechenden Nacht.
Und ich lächle sehr wohl, fügte sie in Gedanken hinzu und schleuderte dabei einen Stein versehentlich gegen das Kochgestell. Er prallte ab und erzeugte ein metallisches Klirren. Die nächsten Steine und eine Menge Dreck trat sie mit dem Fuß in eine beliebige Richtung von sich.
Es steht dir. Konnte ihm doch egal sein. Konnte allen egal sein. Sie musste nicht um die Gunst anderer Menschen ringen. Wem es nicht gefiel, wie sie schaute, konnte ja fernbleiben. Das funktionierte wunderbar. Oh, sie hatte es versucht: Zuerst erzwungene Versuche eines freundlichen Lächelns, dann eines unsicheren. Damit einhergehende Bemühungen, mehr abzuwarten, die Füße stillzuhalten, Zurückhaltung zu üben und sich gleichzeitig besser einzubringen. Am Ende hatte ihr eigenes Lachen in der Stille seltsam schrill und das Lächeln gequält gewirkt. Verwirrte Gesichter, die sich einander zuwandten, von ihr ab. Das Gefühl mehr als zuvor ein unerwünschter Gast zu sein, je länger sie versuchte all den Ratschlägen zu folgen. War es danach erst zur Gewohnheit geworden, sich von den tröstenden Armen der Wälder umschließen zu lassen?

Irgendwann hörte Nirah damit auf, frustriert Dinge herumfliegen zu lassen. Sie setze sich auf eine der Bänke und wärmte sich. Die Hütte war nicht die ihre und so bot sie keine wirkliche Zuflucht an, keine Verheißung von Entspannung. Das hier mochte nicht der einsame Ort im Wald sein, den sie zu ihrem persönlichen Rückzugsort auserkoren hatte, aber die Nähe des Wassers, die flirrende Energie, das prasselnde Feuer beruhigten sie dennoch. Mehr als das kahle Zimmer es tun könnte. Weiter entfernen sollte sie sich nicht, nicht heute Abend. Geistesabwesend rührte sie den Eintopf, setzte sich wieder, schloss die Augen. Und öffnete sie sofort wieder. 
Etwas regte sich, ein leises Geräusch. Nirah sah sich Notos gegenüber, der innehielt, sie kurz ansah, um danach so rasch wie möglich davonzulaufen. Die Versuchung etwas zu ihm zu sagen, ihn zurückzurufen war groß. Aber ... eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust, mit ihm zu interagieren. Und würde es etwas bringen? Wenigstens schlich er sich nicht abermals ungesehen davon. Sie seufzte und lehnte sich wieder zurück, behielt aber die Umgebung um das Gebäude noch etwas weiter im Blick. Wenig später tauchte ein heller Haarschopf hinter der Ecke auf. Notos trug ... Holz im Arm? Nirah ließ es sich nicht nehmen, demonstrativ die Arme zu verschränken und ihm einen langen, strengen Blick zu schenken, bevor er nach drinnen huschte. 
Was in aller Welt trieb er mit diesen Dingen? Lohnte es sich dafür, die letzten Momente von erholsamer Ruhe aufs Spiel zu setzen, bevor er die volle Wirkung seiner Heilung zu spüren bekam? Nun, das war seine Sache. 

Sie rutschte nach kurzem Überlegen von der Bank und setzte sich auf den Boden. Den Rücken an das Holz hinter ihr gelehnt, die Beine ausgestreckt. Die Schmerzen waren ein allgegenwärtiger Begleiter, hielten sich aber in Grenzen, seit sie nicht mehr ohne Pause laufen musste. Wieder schloss sie die Augen und ließ sich endlich davon treiben. Hitze brannte auf ihrem Gesicht und ihren Füßen. Das leise Knacken des Feuers war ein willkommenes Geräusch. Ebenso wie das beginnende Konzert einiger Grillen und die letzten, langsam verklingenden Vogelrufe. Sie nutzte die Zeit, um die allzeit präsenten Magieströme wie nebenbei um ihre Verletzung zu beugen. Es war eine einfache Fleischwunde, nichts Kompliziertes. Dafür machte sie sich nicht die Mühe, noch ein zweites Mal die Heilerutensilien zu plündern. Sie wollte einfach etwas Ruhe. Ohne Widerstand ließ sich der kleine Heilzauber bewerkstelligen, so wie es sein sollte. Es fühlte sich weniger wie Anstrengung an, mehr wie ein Heimkommen an einen vertrauten Ort. Friedvoll. 

Es dauerte etwas, bis ein seltsames Schleifen bis an ihr Bewusstsein drang. Erst als es aufhörte, wurde ihr klar, dass es nicht hierher gehörte. Außerdem überkam sie der eigenartige Eindruck, nicht mehr alleine zu sein. Nirah blinzelte. Zuerst sah sie das Feuer, das sich nun stärker von der zunehmenden Dunkelheit abhob. Langsam drehte sie den Kopf, um sich nach der Quelle des Geräuschs umzusehen. Ihr Blick blieb an einer kleinen Gestalt hängen, die ein Stück entfernt in der Lücke zwischen den Bänken saß und das Feuer ansah. Sir Jasper, erkannte sie überrascht. Sie sah sich weiter um, konnte aber Notos nicht entdecken. Der Katzenvogel war alleine hier draußen. Und sie hatte sich geirrt: Er sah nicht das Feuer an, sondern den Kessel. Zu seinen Füßen lag eine Schale. Die Schüssel, die sie Notos gebracht hatte. Leer. 

Nirah ließ ihren Blick weitere Sekunden auf dem Wesen ruhen und glaubte dann zu verstehen. Vorsichtig und möglichst langsam zog sie sich auf die Beine, wollte Sir Jasper nicht erschrecken oder gar verscheuchen. "Hast du die Schüssel ganz alleine hierher gebracht, hm?", sprach sie mit sanfter Stimme, wohlwissend, dass sie keine Antwort bekommen würde. "Du solltest deinen Gefährten besser erziehen." schmunzelte sie. "Er hätte einfach nach draußen kommen können. Das wäre etwas leichter gewesen."
Sie machte einen kleinen Schritt auf ihren Besucher zu, sah ihn zögernd an. "Darf ich?", fragte sie und deutete auf die Schüssel. Wachsam kam sie noch etwas näher und hob die vom Boden auf. Die glänzende Tonoberfläche war übersät von Dreck, außen wie innen. 
"Gib mir einen Moment, ja?", bat sie Sir Jasper und lief dann in ihre Hütte. Kurz darauf kehrte sie mit zwei größeren und vor allem sauberen Schüsseln in den Händen zurück, welche sie kurzerhand aus dem Schrank gezogen hatte. Sie füllte erst die eine mit Eintopf, stellte sie auf der Bank ab. Dann die andere. Und nahm sie schließlich beide. 

"Komm mit, ich bringe es für dich nach drinnen." erklärte sie. Daraufhin ging sie auf Notos' Quartier zu, sah sich auf dem Weg mehrmals nach Sir Jasper um, ließ die Tür für ihn weit offen. Mit dem Ellenbogen klopfte sie an die angelehnte Tür und drückte sie anschließend auf. Ein Ausdruck von leichter Verwirrung schlich sich in ihre Züge, als sie Notos erblickte. Es wollte sich ihr nicht erschließen, was er da tat. Sie sagte nichts dazu, hob nur die beiden Schüsseln, zeigte ihm so, warum sie hier war. "Dein Partner hat noch Hunger." sprach sie den Krieger vorwurfsvoll an. "Ich habe dir gleich auch noch etwas mitgebracht." Damit stellte sie das Essen ab und wandte sich wieder zum Gehen. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 27.10.2022 23:30

Reglos starrte der kleine Drache das Feuer nieder. Wanderte dann mit einem langen Blick das gesamte Kochgestell ab. Verharrte letzten Endes auf dem Griff des Kessels. Die Federn waren inzwischen derartig aufgebauscht, dass Jasper tatsächlich ein paar Zentimeter größer wirkte. Aber es war nicht genug. Nicht groß genug zumindest, um einfach den gesamten metallischen Behälter samt Inhalt zu packen. Nachdenklich legte er den Kopf schief. Vielleicht wenn er ja... aber nein. Dann würde er ja nicht mehr durch die Tür passen.

Worte erklangen neben ihm. Sanfter ausgesprochen, als er bislang gewohnt war. Jasper ignorierte die Trägerin dieser Stimme, so, wie er ihrer Präsenz von Anfang an bewusst keine Beachtung geschenkt hatte. Einzig das kleine, ruckartige Hin- und Herzucken des gefiederten Schweifes auf dem Boden verriet, dass er sie überhaupt gehört hatte. Die stets griesgrämig dreinblickende Menschenfrau. Die seinem Partner gedroht hatte. Ihn meist ausnahmslos unfreundlich behandelte. Sich selbst und dadurch auch seinen Gefährten in Gefahr gebracht hatte ... Die ihnen Futter und Unterkunft anbot ...Notos lächelte oft in ihrer Nähe... Er verstand es nicht. Verstand sie nicht. Alle beide.

Die fremde Frau sprach weiter. Du solltest deinen Gefährten besser erziehen. Jasper legte die Ohren an, verengte die Augen zu Schlitzen. Ließ von diesem feindseligeren Verhalten jedoch sofort ab, kaum dass Nirah weiterredete. Wäre es leichter gewesen, seinen Gefährten nach draußen zu bringen? Für einen Moment war der Blick des Drachen nur lautlos auf das orangene Flackern der Flammen vor ihm gerichtet. Dann versuchte er die Geste nachzuahmen, die er bei Menschen schon unzählige Male gesehen hatte – und bewegte verneinend den Kopf von einer Seite zur anderen. Nur, dass es bei ihm nicht ganz wie geplant funktionierte, er noch dazu beinahe simultan seinen ganzen Körper schüttelte.

Als die Rothaarige vorsichtig auf ihn zuschritt, rührte sich Jasper keinen Millimeter von der Stelle. Stattdessen wandte er sich ihr langsam zu, ließ die goldbraunen Augen auf ihr ruhen, beobachtete sie strengstens. Jedoch wich Nirah nicht vor ihm zurück. Nein, sie hatte sogar den Mut, ihn um etwas Geduld zu bitten. Und ihm sogar die Schüssel zu nehmen. Sein Blick folgte der Fremden noch lange, selbst als sie im Haus verschwand. Kurz daraufhin wieder auftauchte. Mit neuen Schüsseln fürs Essen?

Jasper musterte Nirah fragend, folgte ihren Handbewegungen. Sie... füllte eine der Tonschalen? Kaum hatte sie die erste Schüssel auf die Bank gestellt, war der Drache bereits auf diese gesprungen. Beschnupperte den Rand. Machte den Eindruck, als wäre er drauf und dran, auch diese Schüssel wieder den ganzen Weg zurückzuziehen. Irgendwie. Doch die Heilerin kam ihm zuvor, schnappte sich beide Portionen und war dann bereits auch schon wieder auf dem Weg. Diesmal zu Notos' Hütte. Sie wollte ihm helfen? Jasper betrachtete die seltsame Menschenfrau noch für eine ganze Weile nachdenklich, bevor er von seinem hölzernen Sitzplatz runterhüpfte und ihr hinterherhetzte.

Das Zimmer, welches beide Wesen betraten, lag inzwischen vollständig in der Halbdunkelheit versunken. Einzig eine winzige, tänzelnde Flamme erhellte den schummrigen Raum, warf dafür umso tiefere Schatten an den Rändern und Ecken, erzeugte dort dunkle, flackernde Konturen. Für ihre Größe gab die kleine, tönerne Öllampe erstaunlich viel Licht ab, beleuchtete entschlossen ganz allein die unmittelbare Umgebung bei der Ablage neben dem Bett – und ermöglichte somit auch einen Blick auf einen verdutzt aussehenden Notos, welcher, mit einem Verband bewaffnet, gerade den weißen, festen Stoff durch eines der gebohrten Löcher am Astende zog. Inzwischen schien er die Abwesenheit seines Partners dazu genutzt zu haben, um auch den unteren Teil seiner Montur für die naturfarbenen Kleider auszutauschen, welche Nirah ihm gegeben hatte. Jasper quittierte diese Erkenntnis mit einem mürrischen Blick.

Welcher jedoch sofort zu der Heilerin rüber schwenkte, kaum dass diese beide Schüsseln auf den Tisch abstellte. Jasper horchte auf. Also war die eine Portion doch nicht für sie selbst gedacht? Sondern sie nutzte ihn als Vorwand, um auch Notos etwas mehr zu Essen unterzujubeln? Etwas wie ein Funken an neugefundenem Respekt schlich sich in die goldenen Augen, als der kleine Drache an der Rothaarigen vorbeihuschte. Dabei wie unbeabsichtigt einmal dankend seinen Kopf an ihrem Hosenbein rieb, bevor er mit schneller Trippelschritten zu seinem Partner sprintete, ihm besitzergreifend auf die Schulter sprang. Lauernd Nirah im Visier behielt.

Notos sah bei dem klaren Vorwurf, dass er sich nicht gut genug um seinen Gefährten kümmerte, unverständlich zu dem kleinen Drachen. „Stimmt das? Warum hast du mir nichts gesagt, Jasper? Ich hätte dir sofort was geholt." Scharfe Krallen bohrten sich in seine Haut, sendeten verärgerte, elektrische Impulse. Er musste sich hüten, nicht laut aufzuseufzen. Natürlich hätte er sich dann keine eigene Portion geholt. Wollte diese auch nicht haben oder sie von Nirah verlangen... warte, sie wollte gehen?

Noch im selben Moment legte Notos seine Sachen beiseite, richtete sich mit einem hektisch klingenden „Warte kurz, Nirah" auf – und wäre beinahe sofort wieder aufs Bett gefallen. Allein das scharfe, befehlsgebende Kribbeln auf seiner Schulter hielt ihn davon ab, noch einen weiteren, schwankenden Schritt zu tun. Mit einer flüchtigen Bewegung massierte sich Notos die Schläfen, schüttelte etwas den Kopf. Mit dem Schwindelgefühl hatte er nicht gerechnet. Es war ihm lange nicht mehr passiert, dass ihm vom schnellen Aufstehen schwarz vor Augen geworden war. Lag das an seinem Hunger? Oder war das eine der Nebenwirkungen, von der Nirah gesprochen hatte? Nun, wenn Kreislaufprobleme das Einzige waren, was ihn erwarten würde, dann würde es schon nicht so schlimm werden.

Mit einem verhaltenen Lächeln versuchte er sein kleines Zögern zu vertuschen. Stützte sich dabei mit einer Hand vorsichtshalber nebenbei an der Stuhllehne. „Danke, erstmal, für deine Hilfe. Und, dass du auf Jasper Acht gibst. Aber... ich hätte tatsächlich noch zwei Fragen, wenn ich darf?" Sein Blick fiel auf die Schüsseln voller Eintopf, dann auf das ganze gesammelte Material auf dem Bett, bevor er sich abermals Nirah zuwandte. Sich dabei unsicher über den Nacken rieb. „Nun, ich habe mich gefragt... dankt man bei euch der heiligen Mutter auch für ihre ... Führung? Und Schutz? Oder generell allem? Besser gesagt... wie und wofür dank man ihr generell? Und..." Ein kleines, befangenes Grinsen wurde kurz auf seinen Zügen sichtbar. „Hat sie oder du etwas dagegen, wenn ich hier etwas aufhängen würde? Oder draußen? Nur solange ich hier gefangen gehalten werde, natürlich", meinte er witzelnd. Gott, er musste sich wie ein Idiot anhören... Aber das war es ihm wert.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 28.10.2022 13:29.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 30.10.2022 01:53

Sie tat einen einzigen Schritt. Ein unerwartetes Stupsen an ihrem Bein ließ Nirah innehalten. Sir Jasper lief so dicht an ihr vorbei, dass er sie berührte. Verwundert folgte sie dem kleinen Wesen mit den Augen. Er hatte sich noch nie derart nahe an sie herangewagt und sie hatte umgekehrt ebenfalls einen Sicherheitsabstand eingehalten. Sie musste lächeln, als er auf direktem Weg Notos' Schulter in Beschlag nahm und sie mit dem üblichen Misstrauen ansah. Natürlich, so schnell änderte sich nichts an ihrer beiderseitigen Vorsicht. Draußen war sie zuerst regelrecht ignoriert worden. Dann erst hatte sie irgendwie eine sichtbare Reaktion hervorgerufen, beinahe an ein Kopfschütteln erinnernd. Nicht zum ersten Mal hatte Nirah sich gefragt, wie viel der menschlichen Sprache Sir Jasper verstand. Die Begegnung hatte ihr jedenfalls klargemacht, dass er deutlich mehr Intelligenz besaß, als sie ihm zugerechnet hatte. Die Geste eben war gerade deshalb ein unmissverständlicher Dank gewesen. Niemals hätte er sie aus Versehen gestreift. Sie schenkte ihm ein knappes, fast unsichtbares Nicken. Immer noch lächelnd. Gern geschehen. So eingängig wie er sie betrachtete, würde er es sicherlich sehen und mit etwas Glück auch verstehen.

Ihre Aufmerksamkeit wanderte von dem faszinierenden Wesen zu seinem deutlich weniger bezaubernden, menschlichen Gegenstück. Welcher gerade dabei war, die Taten seines Partners zu hinterfragen. Was automatisch dazu führte, dass auch Nirah sie hinterfragte. Ja wieso hatte Sir Jasper anscheinend nicht einmal Bescheid gegeben, was er vorhatte? Seine Gesten und Blicke waren doch recht aufschlussreich. Für einen kleinen Moment legte sie nachdenklich den Kopf schief. "Ich komme später wieder." verabschiedete sie sich dann im nächsten Augenblick entschlossen. Um wenigstens nicht komplett wortlos zu verschwinden.
Doch bevor sie sich richtig wegdrehen konnte, überraschte Notos sie mit einer schnellen Bewegung. Warte kurz, Nirah. Sie verharrte augenblicklich. Ihr Gesicht eine Maske aus fragender Ungeduld. Was wollte er von ihr?

Der Ausdruck veränderte sich allerdings von einer Sekunde auf die andere. Das unsichere Schwanken. Die augenscheinliche Schwäche. Das beiläufig wirkende Anlehnen. Ein Anflug von Besorgnis ließ sie die Augen zusammenkneifen. Da war es, das erste Anzeichen, dass der Eingriff Wirkung zeigte. Sofort musterte sie den Krieger genauer. Noch schien es ihm recht gut zu gehen. Auf den ersten Blick, wenigstens. Nicht mehr lange.
Hatte Nirahs Haltung eben noch von Aufbruch und Eile gezeugt, wurde sie nun beherrscht von einer neuen Aufmerksamkeit. Diese war wohl auch der Grund dafür, dass sie scheinbar interessiert einen Schritt auf Notos zumachte. Ihn dabei genau im Auge behielt. "Ich erledige nur meine Pflicht." winkte sie den Dank ab. Womöglich auch etwas mehr als das. "Aber bitte, ich beantworte dir gern deine Fragen." Ihre Stimme klang höflich, fast zuvorkommend. Ihr Geist war allerdings ruhelos, suchte Notos Erscheinung nach weiteren Auffälligkeiten ab, während sie den Fragen lauschte.

Ein protestierendes Schnauben entkam Nirah. Du bist kein Gefangener, sondern ein Gast. Sie kam nicht dazu, das laut auszusprechen. Es ging also wieder um die heilige Mutter? Bevor sie sich großartig wundern konnte, wieso Notos ein solches Interesse daran hatte, übernahm die Wächterin in ihr vollends die Führung. Ging noch einen Schritt nach vorne und legte die Hand an den Stuhl, an welchen Notos sich klammerte. "Setz dich wieder, Donnerschwinge", forderte sie in einem Ton, auf den der alte Weißhaar bestimmt stolz gewesen wäre. Freundlich - nicht zu sehr - und entschieden. Sobald er freigegeben war, zog Nirah den Stuhl zu sich und ließ sich darauf nieder. Zur Hälfte war es ein Vorwand, um Notos zur Ruhe zu zwingen. Zur anderen Hälfte wollte sie ihr Bein schonen. Und sie hatte soeben entschieden, sich etwas mehr Zeit zu lassen. Heute nicht mehr wie eine Getriebene aus dem Raum zu stürmen und ihren Patienten ab sofort mit mehr Umsicht zu behandeln. Zur Sicherheit.

Nirah überschlug die Beine, sah so aus, als mache sie es sich bequem. Ein wenig wie ein Geschichtenerzähler, der jeden Moment begann, über allerlei wundersame Begebenheiten zu sprechen.
"Du kannst der heiligen Mutter danken, wann und wofür auch immer du willst. Sie ist die Erde, die uns versorgt, die Stränge des Schicksals, welches uns leitet. Die Seele und die Magie in allen Dingen. Wenn du das Gefühl hast, du schuldest ihr Dank, tu es. Egal ob für Führung, Schutz oder Nahrung." begann sie mit ihrer Erklärung. Da Notos allerdings vorher noch nie von ihr gehört hatte, bezweifelte Nirah, dass er spontan den Drang verspüren würde, Gebete oder Opfergaben an sie zu richten.
"Wenn du ein Leben nimmst, gehört es sich natürlich. Auch, wenn du irgendeinen anderen Schaden verursachen musst. Das habe ich ja bereits erwähnt." fügte sie noch nachdrücklich hinzu. "Für mich und ... eigentlich auch Wächter im Allgemeinen spielt ihre Führung eine größere Rolle. Visionen, Träume, Eingebungen, Kontakt zur Umgebung und ihrer Vergangenheit. Geistern. Das sind die Dinge, die den meisten anderen verwehrt bleiben. Ich selbst konnte immer auf meine Wahrnehmung, meine Intuition vertrauen. Sicher sein, dass ich auf meinem Pfad geleitet werde. Auch wenn ... " Nirah stockte kurz und sah einen langen Moment die blauen Augen vor ihr an. "... auch wenn nicht alle Zeichen eindeutig sind." beendete sie ihren Satz leiser. "Dafür bin ich dankbar." Ihre Stimme klang fest, unerschütterlich in ihrem Glauben.

Sie holte Luft und betrachtete den Mann vor ihr mit einer leichten Zurückhaltung. Klang es für ihn abwegig, gar absurd, was sie erzählte? Das, was der Kern ihres Lebens war. Was sie von klein auf begleitet und geformt hatte. Was so selbstverständlich war wie atmen. Wahrscheinlich ja. Aber er hatte gefragt und was für eine Wächterin wäre sie, den Neugierigen die Auskunft zu verwehren. Selbst wenn jene, niemals ihre Lebensweise aufnehmen, verstehen würden. Niemals Teil ihrer Gesellschaft werden würden. 
Je nachdem wie lange er blieb, hätte er allerdings noch die Chance einen wichtigen Gemeinschaftsritus aus erster Hand zu erleben. Die Verabschiedung des Sommers, die Vorbereitung des Winters. Der Tag, an dem Licht und Dunkelheit im Gleichgewicht waren, bevor das Dunkle dominierte. Falls er blieb. Noch immer war unklar, welche Rolle er spielte. Es wird sich zeigen, sobald seine Heilung abgeschlossen ist, redete Nirah sich ein.

Ein weiteres Mal beäugte sie Notos' Basteleien. Unwillkürlich beugte sie sich nach vorne, um es genauer ansehen zu können. Nun schlich sich endlich so etwas wie ein vages Verständnis ein. Es erinnerte sie am ehesten an die Symbole, die manche Familien zum Schutz platzierten. "Du willst das aufhängen?", fragte sie und deutete auf die von Verbänden zusammengehaltenen Ästen. "Ich denke, es spricht nichts dagegen. Auch ein temporäres Heim ist ein Heim." entschied sie. "Aber ... ich bin mir immernoch nicht sicher, was das wird. Es erinnert mich an etwas, scheint aber doch anders zu sein. Ist es ein Zeichen für deine.... ich meine ... was verehrst du, wenn nicht unsere Mutter?" Ein Unterton von Unverständnis schlich sich in ihre Worte. Aber auch von Neugier. "Darf ich es sehen, wenn es fertig ist?" 

Im selben Augenblick wurde ihr Blick streng, als sie sich daran erinnerte, warum sie noch hier war. "Nicht, dass du heute noch allzu lange daran sitzen solltest ... wirst. Wie fühlst du dich? Hast du bereits irgendwelche Anzeichen von Unwohlsein? Hitze, Kälte? Herzpochen oder Schmerzen?" hakte sie geradeheraus nach. Alles Beobachten half nichts, wenn die Symptome mit dem Auge noch schwer zu erkennen waren. Ein wenig Kooperation würde die Sache einfacher machen. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 31.10.2022 02:22

Nirah blieb, kam sogar etwas auf ihn zu. Notos wich jedoch keinen Millimeter zurück, verharrte stumm an Ort und Stelle. Ein schwacher Anflug eines wissenden Schmunzelns huschte über seine Züge, als die Heilerin zu sprechen begann. Sie tat also nur ihre Pflicht, ja? Da hatte er heute Morgen noch einen anderen Eindruck gehabt. Er erinnerte sich noch zu gut an die Reaktion seiner Begleiterin, als sie zum ersten Mal seit ihrem Aufeinandertreffen seine richtige, nicht vom weißen Schleier der Blindheit geprägte Augenfarbe sah. Ihr steigendes Interesse an seinem verlängerten Aufenthalt. Die Worte, die sie ihm so oft bei der alleinigen Erwähnung von einem möglichen Abschied wiederholt hatte. Du darfst nicht weggehen. Auf gar keinen Fall. Er unterdrückte die natürliche Reaktion, fragend seine Brauen hochzuziehen. Nein, natürlich entsprang ihre Gastfreundschaft nicht reiner Großzügigkeit. Aber das war ihm von Anfang an bewusst gewesen. War wohl nur verständlich.

Weitaus weniger verständlich empfand er da das offensichtliche Gefühl, abermals von Nirah angestarrt zu werden. Nicht so intensiv wie vorhin am See. Allerdings auf jeden Fall rastlos. Auf der Suche. Er versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren. Auch, als die Rothaarige sich erneut einen Schritt näherte, mit ihrer Hand dabei die Stuhllehne in Beschlag nahm, die Distanz zwischen ihnen deutlich verringerte. Jaspers Antwort darauf war schon eindeutiger. Krallen bohrten sich in seine Schulter, als sein Partner sich anspannte, sogar leicht nach vorne lehnte. Als würde er sich notfalls zwischen die beiden Menschen zwängen wollen.

Was jedoch nicht nötig war. Nirah brauchte nur den klaren Befehl zu geben, da ließ Notos auch schon im selben Atemzug von seiner Stütze ab und setzte sich wieder aufs Bett. Ein schwaches, aber dafür umso wärmeres Lächeln stahl sich unbewusst auf seine Lippen. So wie die Heilerin auf dem Stuhl Platz nahm, in einer entspannten Haltung, die Hände ruhig auf dem Schoß abgelegt, erinnerte es ihn sehr an damals. Er konnte sich den Bildern vor seinem inneren Auge kaum erwehren. Bilder aus seiner Kindheit. Das Aussehen der Personen und des Zimmers nur schemenhaft erkennbar, angenagt vom Zahn der Zeit. Dennoch hätte er schwören können, selbst jetzt noch das heitere, kapitulierende Lachen zu hören, welches immer erklungen war, wenn Neela und er es geschafft hatten, ihre Mutter breitzuschlagen. Das liebevolle Necken, welches nie aus ihrer Stimme wegzudenken war. Ihr wollt eine Geschichte zum Einschlafen? Seid ihr nicht schon etwas zu alt dafür? Erzählt hatte sie aber immer. Von in Vergessenheit geratenen Legenden. Ihren eigenen Abenteuern. Es stand mehr als genug zur Auswahl.

Alte Erinnerungen, die wie vom Winde verweht wurden, als Nirah zu sprechen begann. Ihre Antworten erlangten sofort jegliche Aufmerksamkeit von ihm. Auch wenn er an einer Stelle wie bereits bei ihren ersten Erläuterungen zu dieser geheimnisumwitterten heiligen Mutter die Luft einsog. Drauf und dran, der Heilerin zu widersprechen, seine Proteste schlussendlich aber doch lieber schluckte. Der Zwist in seiner Haltung war dennoch klar zu erkennen. Angespannt, die Stirn missmutig gerunzelt, verriet er sich bei einem völlig anderen Satz. Die Stränge des Schicksals. Beinahe wäre ihm ein verächtliches Schnaufen entkommen. Welches sein Mentor mit ihm wohl teilen würde. Bevor er ergeben den Kopf geschüttelt hätte, während eine ungewohnte, sonderbar melancholische Weichheit die sonst so kühle Stimme durchbrach. Nicht alles ist auf eine göttliche Fügung zurückzuführen. Manche Dinge... sind einfach nur Tragödien. Bringen Menschen nichts als Schmerz. Aber geschehen ohne einen guten Grund. Außerhalb unserer Kontrolle. Oder der der Götter.

Schicksal. Ja, er war wahrhaftig kein Freund von diesem Wort. Nirahs Wortwahl und Fortführungen der Geschichte vergrößerten lediglich sein Unbehagen. Es half nicht, dass ihre Beschreibung, wie wichtig die Führung ihrer "Mutter" für sie als Wächterin war, sehr den Fähigkeiten ähnelte, für welche die Wächter der Krone bekannt waren. Notos brauchte daher am Ende nur einen winzigen Moment, um den langen Blick, der auf ihm ruhte, richtig zu deuten. Er verstand es sogar sofort. Die Visionen seiner Begleiterin. Der scheinbar bestehende Zusammenhang zwischen den Augen des Wolfes und der seinen. Die Wichtigkeit, die dieser Umstand für Nirah barg, hatte er heute Morgen ja hautnah miterleben dürfen.

Dennoch hätte die Rothaarige, mit ihrer felsenfesten Überzeugung, ihn am Ende ihrer Erklärungen auch einfach genauso gut ins Gesicht schlagen können. Sie konnte sich sicher sein, dass die heilige Mutter sie auf ihren Pfaden leiten würde. Auch wenn nicht alle Zeichen eindeutig sind...

Hatte er sich in den letzten Momenten kurz verleiten lassen, unwillkürlich das Gesicht zu verziehen, so fing er sich nun schnell wieder. Glättete seine unscheinbaren, harten Züge, wechselte sie für eine weichere Nachdenklichkeit aus. Atmete tief und lautlos aus. Er durfte es nicht vergessen. Nirahs Worte entsprangen nicht purer Ignoranz. Sie konnte es einfach nicht wissen. So, wie ihm das gesamte Bild ebenfalls noch entging. Er musste lernen, bevor er urteilen würde. Diesen Entschluss gefasst, wandte er sich nach einer längeren Zeit des Schweigens wieder an die Heilerin. Ihre überraschende Zurückhaltung spiegelte sich in seinem eigenen, gutmütigen Lächeln wider. „Es würde mich freuen, wenn wir mal ein Gebet zusammen vollführen könnten. Vielleicht ein solches, wegen dem du auch gestern zu dem Monster zurückkehren wolltest? Damit du mir zeigen kannst, wie man es richtig macht", meinte er aufrichtig. Rieb sich dann befangen den Nacken, fügte dabei hektisch hinzu: „Nur, falls es erlaubt ist und dir nichts ausmacht, natürlich."

Seine innere Ruhe, die sich allmählich wieder anzubahnen begann, geriet mit einem Mal abermals heftig ins Wanken. Was verehrst du, wenn nicht unsere Mutter? Notos presste unsicher die Lippen aufeinander, bevor er mit einem gequälten Lächeln den Kopf wegdrehte. Bemüht, Nirahs Blick nicht begegnen zu müssen. „Ich fürchte, was das Verehren von irgendwelchen Gottheiten angeht, wendest du dich nicht ganz an die richtige Person...", presste er schließlich leise heraus. Seufzte laut auf. Und knüpfte schließlich mit deutlichem Widerwillen hadernd an den letzten Satz an. Er wollte nicht. Allerdings... eine Information für eine Information. So lautete seine Devise.

„Ich... nun... mehr als die Macht von einem Gott schätze ich wohl die Macht von Menschen. Freunden. Unseren Gefährten. Den Bindungen zwischen uns. Weil... Menschen und ihre Gefährten mir immer zur Seite standen, als kein Gott es getan hatte." Notos brach abrupt ab. Vollführte eine abwinkende Handbewegung. Lachte dabei leise verhalten auf. Es klang falsch in seinen Ohren. Nicht ehrlich genug. „Aber ich bin da eher die Ausnahme als die Regel. Vergiss einfach, was ich gesagt habe."

Kaum ausgesprochen, befiel Notos im selben Moment noch eine größere Unruhe. Drängte ihn dazu, unbedingt das Thema zu wechseln. Nirahs zusätzlichen Fragen kamen ihm da sehr gelegen – und bugsierten ihn damit allerdings in eine weitere missliche Lage. Nebenwirkungen. Anzeichen von Schwäche. Abermals rief er sich in Erinnerung, dass Nirah eine Heilerin war. Diese Fragen waren normal. Gehörten eigentlich beantwortet. Warum zierte er sich so?

„Mir geht es ganz gut, keine Sorge", rutschte es ihm heraus, bevor er eine bessere Antwort formulieren konnte. Versuchte sich dabei instinktiv an einem beruhigend gemeinten Lächeln. „Habe höchsten ein wenig Kopfschmerzen. Nicht der Rede wert. Und fühle mich seit der Behandlung etwas... rastlos. Allerdings ist das wohl nicht auf etwaige Nebenwirkungen zurückzuführen."

Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich beiläufig über die Brust. Wandte den Kopf ab, mied es erneut, seinem Gegenüber direkt in die Augen zu sehen. Bevor sich das eigenartige Schweigen jedoch wirklich ausbreiten konnte, wurde es unterbrochen von einem Scharren. Dem Klang von langen Krallen, die an hartem Holz entlangfuhren. Jasper hatte inzwischen seinen Platz auf der Schulter seines Gefährten verlassen, war dafür auf den Tisch hochgesprungen. Und fuhr mit einer Pfote ungeduldige Bahnen in der Nähe einer der Tonschüsseln, starrte dabei unentwegt seinen Partner an. Die Schärfe in seinem Blick sprach Bände, ließ keinen Raum für Proteste zu. Der Eintopf in der anderen Schale blieb noch unberührt.

Dieses Mal nahm Notos diese Ablenkung fast schon erleichtert an, verdrehte in gespielter Genervtheit die Augen „Schon gut, ich mach ja schon..." Jedoch verlor er dabei nie den warmen Klang in seiner Stimme. Auch dann nicht, als er erneut das Wort an Nirah richtete, während er die Schüssel zu sich zog. „Es wird zwar nichts Großartiges, aber natürlich kann ich es dir zeigen, wenn es fertig ist. Bei diesem Teil fehlt tatsächlich nicht mehr allzu viel. Du könntest also gerne bleiben, wenn du willst. Oder sogar mitmachen. Material ist genug da", bot er bereitwillig an.

Letzten Endes breitete sich in den nächsten Momenten dann allerdings doch Stille aus. Wenngleich es dieses Mal keine unheilvolle war. Sondern fast schon eine... friedliche Ruhe. Nur unterbrochen von leisen Geräuschen eines Löffels, der ab und an gegen den tönernen Rand der Schüssel traf. Dem Hauch eines Raschelns, als Notos eines der Materialien wieder zu sich zu zog. Jasper, der sich auf seine Portion stürzte, kaum dass er sah, dass sich sein Partner auch wirklich seiner eigenen zuwandte. Wie zuvor brauchte Notos jedoch eine Weile. Aß langsam, als würde das das letzte Essen sein, welches er in den nächsten Tagen zu sich nehmen würde. Erst als die Schüssel geleert war, nahm er erneut Verband und Stöcke in die Hand. Fing an, eine weitere Reihe an Holzstücken jeweils in kleinen Abständen auf ein Band aufzuwickeln. Und begann nach einer Weile von sich aus zu erzählen: „Du meintest vorhin, dass auch ein temporäres Heim ein Heim ist. Damit... stimme ich nicht zu. Ich gehöre nicht hierhin. Und gerade diese Hütten erinnern mich daran. Sie sind kahl. Kalt. Bieten kein Gefühl von Geborgenheit oder einen Ort der Zuflucht. Das einzige nicht völlig Fremde hier ist mein Partner."

Notos setzte ein mattes Lächeln auf. Warf einen Blick in Richtung des noch immer geöffneten Fensters. Ab irgendeinem Zeitpunkt hatte er aufgehört, die kühle Brise wahrzunehmen, die von draußen zu ihnen hineindrang. „Allerdings... entweder könnte ich mich dem Gefühl hingeben. Dass ich mich hier mehr gefangen als frei fühle. Einfach aufgeben und abwarten, dass es irgendwann besser wird. Oder... ich versuche zumindest, etwas daran zu ändern. Und ich habe mir gedacht: Wenn sich dieses temporäre Heim nicht vertraut anfühlt, dann sollte ich vielleicht einfach etwas Vertrautes reinbringen." Ein kleines, gedämpftes Auflachen war zu hören, als Notos sich verhalten an seinen türkisen Ohrring fasste. Dabei nebenbei auch die himmelblaue Blume in seinen Haaren streifte. „Das klingt wie eine wirre Idee, nicht wahr?"



Antworten Zuletzt bearbeitet am 31.10.2022 22:13.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 04.12.2022 02:38

Stumm verfolgte Nirah den sich wechselnden Ausdruck auf Notos' Gesicht. Sie war sich nicht ganz sicher, wie sie ihn deuten sollte. Lediglich frei von Verständnis oder doch voller Abneigung? Die Grimasse, die er schließlich zog, machte jedenfalls keinen Eindruck einer allzu positiven Reaktion.
Er kommt nicht von hier, ist nicht in der Lage es zu spüren. Was erwartest du? 
Ihr konnte es letzten Endes egal sein, welchen Blick irgendein Fremder auf die Wege der Wächter hatte. Er hatte eine Frage gestellt und sie hatte geantwortet. Nicht mehr und nicht weniger. Was sie besaß, ihre unerschütterliche Überzeugung, das Gefühl all dieser Dinge, die außerhalb ihres Selbst geschahen ... Das konnte ihr niemand nehmen. Jemals.
Sie war nicht hier, um Veränderungen in Notos' Weltbild oder gar in seinen Ansichten hervorzurufen. 

Unwillkürlich richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die flirrende Energie, die konstant pulsierend über ihre Haut strich. So wie es sein sollte. Als würde sie verschwinden. Wie könnte sie? Sie war in ständigem Wandel, einem immerwährenden Fluss und doch konstant. So unveränderlich wie der Kreislauf von Tod und Leben.
So saß Nirah auf ihrem Stuhl, den Blick von ihrem Gegenüber abgewandt. Unverfänglich und vielleicht etwas stoisch auf das Sammelsurium neben ihm gerichtet. Ohne einen Kommentar, der sich lohnte, ausgesprochen zu werden. Bis eine unerwartete Bitte sie veranlasste, ihn direkt anzusehen.

Überraschung zeigte sich in ihren Augen genauso wie in ihrer Suche nach einer passenden Antwort. "Wieso sollte es verboten sein, Donnerschwinge?" war der erste Satz, der ihr einfiel. Er trug den Klang von leichter Häme. "Es ist ja nicht so, als würde ich irgendeinem geheimen Kult angehören." folgte leise grummelnd. 
Machte es ihr etwas aus? 
Die Vorstellung, ihre persönlichen Rituale mit einem fast völlig Fremden zu teilen, erzeugte einen gewissen Widerwillen in ihr. Sicher, Gebete solcher Art waren ein gängiger Brauch. Aber die Worte, welche sie an die Mutter richtete, welche sie wählte, waren ihre ureigenen Gedanken. Etwas zutiefst Privates. Wie das Gespräch mit einem vertrauten Menschen. Gerade das war der Grund, wieso es in dieser Sache kein richtig und falsch gab. 
Nirahs Finger trommelten ein unstetes Lied auf dem Holz des Stuhls, während sie mit sich haderte. Er wollte lernen. Das konnte und würde sie ihm nicht verwehren.
"Wenn du wirklich Interesse daran hast ... kann ich dich einmal dabei begleiten", antwortete sie schließlich möglichst vage. "Erinnere mich daran."  

Der Nachklang von Überraschung vermischte sich anschließend mit Verwirrung, bei Notos' Erklärung über seinen Glauben. Oder eher Nicht-Glauben. Seine Ansicht war ... ungewöhnlich. Der Grund dafür war allerdings mehr ein Unverständnis, woher Notos trotz dieser Einstellung seine Neugier für die heilige Mutter hernahm. Nicht die Ansicht selbst. "Ich verstehe, was du meinst ... denke ich", antwortete sie leise. Ohne, dass sie es wollte, bahnten sich die nächsten Worte einen Weg. "Bei mir war es anders." Sofort war es ihr unmöglich, ihm weiterhin anzusehen. Ihr wanderte unvermittelt von ihm weg, auf den Boden, an die Wand und dann geradewegs an ihm vorbei. 
"Die heilige Mutter ist allerdings keine Gottheit. So sehe ich es. Ich habe es bereits gesagt, sie ist die Natur. Alles um uns herum. Eine reale Instanz. Kein ungreifbares Wesen in den Wolken über uns, das Anbetung gegen Gnade tauscht. Man muss sie nicht verehren, um ihrem Einfluss zu unterliegen." brachte sie mit zu großem Nachdruck heraus, in einem Versuch ihre plötzliche Unsicherheit zu überspielen. Fast kam es ihr vor, als spräche Weißhaar durch ihren Mund. Ohne ihn wäre ihr wohl noch nicht klar, dass es solche abstrusen Vorstellungen überhaupt gab. Er dagegen hatte viel erlebt, war vielen Menschen begegnet. 

Glücklicherweise lieferte Notos selbst genügend Möglichkeiten, sich selbst von ihrem nagenden Drang vom Stuhl zu springen und sich umgehend zu verabschieden, abzulenken. Ein Punkt war sein Gesundheitszustand. Nirah nahm ihm seine leichtfertige Antwort nicht ab. Zu schnell, zu defensiv. Sie schenkte ihm einen kurzen Blick mit zweifelnd hochgezogener Augenbraue. Kopfschmerzen also? Ja, das war gut möglich. Und Rastlosigkeit? Nicht was sie erwartet hätte, aber ... Sie folgte der Bewegung seiner Hand zu der Stelle wo das Bild des Vogels sein musste. Verzichtete auf eine Antwort und musterte überaus interessiert die Stöcke auf dem Bett.

Sir Jasper übernahm danach für einen Moment die Aufgabe, Nirah abzulenken. Von ihren sprunghaften Empfindungen und von der steigenden Seltsamkeit der Situation. Nicht absichtlich, keineswegs. Aber das Geräusch, das er machte, das sich durchaus ungeduldig anhörte, zog nicht nur Notos' Aufmerksamkeit auf sich. Eine Weile beobachtete sie den Katzenvogel mit einer Mischung aus Misstrauen und einer sich aus der Faszination entwickelnden Sympathie. Oh, ihr war nicht entgangen, wie er vorhin reagiert hatte. Sie waren keine Freunde und doch ... Sie konnte nicht anders. Sie lächelte, ein wenig.

Wieder überraschte Notos sie, dieses Mal mit seinem Angebot sie solle bleiben. Bis jetzt war sie sich selbst nicht sicher gewesen, was sie hier tat. Nach ihm sehen, ja. Aber musste, nein wollte sie dafür dauerhaft anwesend bleiben? Er nahm ihr mehr oder weniger die Entscheidung ab. Es fiel ihr schwer, in diesem Moment abzulehnen. Vor allem, da sie wirklich neugierig war, was er bastelte. Und so hatte sie einen Vorwand ihn genau im Auge zu behalten, ohne dass es zu seltsam wurde. Statt richtiger Zustimmung glitt jedoch nur ein unwirsches "Gib mir mal die langen Äste da." hervor. Sie konnte ihm nicht bei seiner Arbeit helfen, aber sie hatte eine Idee, womit sie ihre eigenen Hände beschäftigen konnte.

Der Raum und Nirah selbst versanken in Stille. Sie hantierte mit den Ästen und kleinen Streifen Stoff. Ihr Geist fand so etwas Ähnliches wie Entspannung. Dabei prüfte sie das Holz und nahm nur solche, die noch grün und frisch waren. Sie versuchte sich zurückzuhalten, Notos das Material zu lassen, das er benötigte. Trotzdem genügend zu nehmen, um sich beschäftigt zu halten. Ein hörbares Seufzen entwich ihr, als seine Stimme die Stille irgendwann durchbrach. "Ich meinte damit nicht, dass du dich hier zu Hause fühlen musst, sondern ... ach vergiss es." protestierte sie, ohne recht zu wissen, was sie sagen wollte. Er hatte doch nur gefragt, ob es in Ordnung war, etwas aufzuhängen. Obwohl es nicht sein Heim war. Oder nicht? Aber wie sollte sie das in Worte fassen? Sie war in diesem Eck genauso wenig Zuhause wie er. Wenngleich sie nicht weit davon weg war.

Eine Weile arbeitete sie weiter, zwang einen störrischen Ast in seine neue Form und versuchte ihn nicht abzubrechen. "Sie sind kalt", murmelte sie irgendwann, ohne aufzusehen. Ein langer Moment der Stille folgte. "Es klingt nicht wirr, Notos. Vielleicht ist es keine schlechte Idee. Allerdings wirst du sowieso nicht lange bleiben." kommentierte sie mit einem kühlen Unterton. War es eine Frage oder eine Feststellung? Oder gar ein Vorwurf?
"Und jetzt arbeite einfach." forderte sie ihn auf. Und unterband damit alle belanglosen Plaudereien. Damit verfiel sie wieder ihrem Schweigen, welches sich eigenartig angenehm anfühlte. Angesichts der Tatsache, dass sie es gemeinsam mit Notos verbrachte. Also eher, den Umständen entsprechend angenehm.

Irgendwann verließ sie ihren Platz, nur um das Fenster zu schließen. Die heranwehende Luft kühlte ab. Zu kalt in einem beinahe bewegungslosen Zustand und vor allem für einen Patienten. Ihre Finger begannen zu schmerzen, doch langsam formte sich ein Ring aus dünnen Ästen in ihren Händen. Als alle fixiert waren und an der Stelle ruhten, wo sie hingehörten, widmete sich Nirah neuem Material: Blätter, Gräser, Moos und Blüten. Dieses drapierte sie am unteren Rand des Rings wie einen Strauß aus Grün und Bunt. Als sie zufrieden mit ihrem Werk war, wagte sie einen verstohlenen Blick auf Notos' Tun. Versuchte einzuschätzen, ob er ebenfalls fertig war oder ob sie nun wieder unentschlossen auf ihrem Stuhl hin und her rutschen musste. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 16.12.2022 23:28

Nirah hatte noch lange nach ihrer Erläuterung geschwiegen, hob sowohl ihre Stimme wie ihren Blick erst an, nachdem er seine Bitte verkündet hatte. Aus irgendeinem Grund verwunderte ihn es gar nicht mehr. Ihr leicht spöttischer Unterton, unmittelbar begleitet von einem Grummeln - eine ihm inzwischen wohlbekannte Kombination. Vertraut, wie die Gesellschaft eines alten Freundes.

Warum sollte es verboten sein, Donnerschwinge? Die Art, wie sie diesen Satz aussprach, veranlasste Notos beinahe dazu, sich wie ein Kind zu fühlen, welches man für eine dumme Frage tadelte. Empfand sie seinen Gedanken wirklichen als derart abwegig? Selbst in der Stadt der Kronen gab es Orte, deren Zutritt den meisten verwehrt blieb... Nun, immerhin verriet ihm ihre Aussage dafür, dass es in dieser Gegend wohl zumindest nicht untersagt war, einen Fremden in seine Bräuche einzuweihen. Allerdings... wenn es nicht verboten war, dies zu tun, warum haderte die Heilerin dann so lange?

Sein Blick verfolgte stumm das ungeduldige, tänzelnde Klopfen der Fingerspitzen auf dem harten Holz. Die Zwiespältigkeit in Nirahs Miene. Die zweite Sache fiel ihm ein, die er als Bedingung gesetzt hatte. Nur wenn dir nichts ausmachen würde. Hieß das also...?

Völlig aus den Gedanken gerissen richtete sich Notos auf, als Nirah ihm auf einmal doch eine Antwort gab. Eine positive sogar. Sie wollte ihm ein Gebet zeigen. Er gab seine Verwunderung nicht zur Kenntnis. Stattdessen war er an der Reihe, für einen Moment zu zögern, bevor er schließlich ein langsames Nicken von sich gab, die Hand auf die Brust gelegt. „Das würde mich sehr freuen. Und...ich weiß das sehr zu schätzen. Danke."

Eigentlich hätten sie es gerne dabei belassen können. Keine weiteren Gespräche über Dinge, die ihnen beiden nicht ganz behagten. Doch natürlich gab ihm Nirah diese Chance nicht. Verstand nicht, dass er dieses Thema nicht vertiefen wollte. Beinahe ließ er sich dazu verleiten, ergeben aufzuseufzen. Hoffentlich würde nun keine Predigt folgen, wie falsch seine Denkweise bezüglich der Götter doch war. Sie wäre wahrlich nicht die erste, die ihm in dieser Hinsicht den Kopf waschen wollte. Doch scheinbar sollte er sich in der Intention ihrer Worte etwas irren.

Bei mir war es anders. Notos horchte auf. Anders in dem Sinne, dass sie der Führung ihrer heiligen Mutter eher vertrauen konnte als der menschlichen? Oder dass ihr nie Personen zur Seite gestanden haben, als sie es benötigt hatte?

Sei es nun eine Mischung aus seinen beiden Vermutung oder doch eine völlig andere – er hakte nicht nach. Zu groß war die Befürchtung, dass er damit versehentlich in eine eher persönlichere Angelegenheit stechen könnte. Ihre verhaltene Reaktion sprach dafür. Und er wusste selber, wie unangenehm das werden könnte. Zudem gab es da einen völlig anderen Satz, der ihn in eine Woge der Perplexität riss. Die heilige Mutter war eine reale Instanz für sie. Kein ungreifbares Wesen.... in den Wolken über uns? Verdattert stutzte Notos, runzelte irritiert die Stirn. Was für ein befremdlicher Ausdruck. Die Wolken über uns. Hatte er noch nie in dem Kontext gehört. Was sollte das überhaupt bedeuten? Meist befand sich doch immer klarer Himmel über ihnen. Des Öfteren fanden sie sich mal mitten in einem ausgewachsenen Sturm wieder. Und unter ihnen, das stetig strömende Wolkenmeer in seiner wilden, unberechenbaren Macht und schieren Endlosigkeit. Wenn überhaupt, dann war also doch das Gegenteil der Fall– kein Wesen, außer den Göttern vielleicht, konnte in den Wolken unter ihnen leben...Oder?

Den abstrusen Gedanken, der ihn sofort daraufhin überfiel, versuchte Notos rabiat abzuwürgen, bevor er sich in seinem Kopf einnisten konnte. Dennoch konnte er sich dem Drang nicht erwehren, einen kurzen Blick mit Jasper zu tauschen. Er musste sich mit seinem Gefährten dringend austauschen, was am Tag ihres Falles wirklich stattgefunden hatte. Irgendwann, wenn sie wieder allein waren. Doch davor... sollte er Nirah antworten. Bevor sie bemerkte, dass er Löcher in die Luft starrte.

Stattdessen also... begann er sanft zu lächeln. „Es freut mich, dass dir die heiligen Mutter so viel an innerer Stärke und Willenskraft schenken kann – und davon scheinbar auch nicht gerade wenig", gab er mit einem warmen Schmunzeln von sich. Neckend. Aufrichtig. Grinste so witzelnd wie verhalten, wandte den Blick dann jedoch von ihr ab. Richtete ihn erst flüchtig auf Jasper, dann auf seine eigenen Hände. Ehe er abermals bedächtig, doch genauso bestimmt ansetzte: „Es ist wichtig, vertrauen zu können. Zu wissen, dass du dich auf jemanden verlassen kannst. Nicht gänzlich auf dich allein gestellt bist. Und dass dir jemand den Rücken stärkt und auf dich Acht gibt." Wer einem diese Gefühl nun vermittelte, war für ihn relativ unbedeutend. Egal, ob es nun Götter, Personen, oder die Natur selbst war. Oder Gefährten. Gefährten, die einen missmutig anstarrten. Und nachdrücklich darauf bestanden, dass man lieber essen, statt reden sollte.

Notos ging auf Jaspers Ablenkung zu gerne ein. Betrachtete das vorherige Gesprächsthema somit auch als abgeschlossen. Wobei Nirah sowieso viel zu hin- und hergerissen wirkte, um abermals eine weitere Diskussion anzufangen. Allerdings ging sie dann wiederum doch recht zügig auf sein Angebot ein und blieb. Ein wenig auch zu seiner Überraschung, wenn er gestehen sollte. Dafür, dass ihm die Heilerin immer wieder unmissverständlich zu verstehen gab, wie wenig sie von ihm hielt, hielt sie sich deutlich länger als nötig in seiner Nähe auf. War dies wirklich nur ihrem Pflichtgefühl zu verschulden?

Sei es, wie es nun sei – Notos schmunzelte nur gutmütig, als Nirah ihn barsch nach Ästen fragte und reichte ihr diese ohne einen weiteren Kommentar. Und schließlich bekam er für die nächste Zeit das, was er sich vorhin gewünscht hatte: Ruhe. Ruhe, die scheinbar nicht nur er genoss. Immer wieder hob er leicht den Kopf an, schielte heimlich zu seiner neuen Bekannten rüber. Senkte dann sofort wieder lächelnd den Blick auf seine eigene Bastelei. Beinahe war es ihm, als würde er direkt sehen können, wie ihre eigene, flackernde Aura zumindest ein wenig an unruhiger, sprunghafter Wildheit abnahm. Langsam verstand er, warum Vater das immer getan hatte.

Die Zeit verging. Die ersten Momente verbrachte er damit, die Äste, die er umspült vom Seeufer gefunden hatte, sachte aneinanderzuschlagen. Bei manchen unschlüssig die Augen zu schließen, nachdenklich abermals mit dem Holz die anderen Stücke abzuklopfen. Bevor er schließlich zu den dünnen Stoffstreifen griff. Irgendwann setzte er erneut an, im Versuch, den Grund für sein Tun zu erklären. Ohne dabei seine Arbeit zu unterbrechen. Selbst dann nicht, als Nirah ihm antwortete. Ihm recht gab, dass die Räume kühl wirkten. Zeitgleich jedoch dabei sonderbar defensiv wirkte. Ich meinte damit nicht, dass du dich hier zu Hause fühlen musst. Allerdings wirst du sowieso nicht lange bleiben. Trotz ihrer Aufforderung, keine weiteren Gespräche anzufangen, kam Notos nicht umhin, ihre Aussage entschlossen nickend zu bestätigen: „Ja. Ich werde auf keinen Fall lange bleiben." Das konnte er sich einfach nicht erlauben. Nicht wenn... er schluckte befangen, ignorierte die stärker werdende Unruhe, die sich in seinem Magen festnistete. Führte stattdessen fort, was er eigentlich sagen wollte. Lächelte dabei sanftmütig. „Allerdings...selbst wenn ich euch hier nicht lange behelligen werde. Sollte dieses kleine Ding auch nur einer Person zumindest ein wenig helfen, sich in diesen Räumen etwas wohler zu fühlen, dann hat sich all meine Arbeit bereits mehr als gelohnt."

Und nach diesem Satz ließ er sich dann auch nicht mehr ablenken. Holte stattdessen sein kleines Reisemesser aus dem Beutel. Hielt die Klinge immer wieder für eine längere Zeit in das zarte Flämmchen der Öllampe, bevor er die Spitze unmittelbar danach ins weiche Holz der zurechtgeschnittenen Holzscheite drückte. Dies allerdings auch sofort unterließ, kaum dass Nirah das Fenster schloss – dem Geruch nach verbranntem Holz wollte er keinen von ihnen dreien zu lange aussetzen. Stattdessen nahm er sich ebenfalls längere Äste, versuchte sie in eine sichelförmige Form zu bringen, ohne dass sie dabei brachen. Es gelang ihm nicht. Nach dem siebten Versuch gab er auf, suchte sich stattdessen einen trockenen, verkrümmten Ast, der beinahe ein wenig wie ein Teil eines Geweihs aussah. Die zerbrochenen Holzstücke warf er Jasper zu, der in der Zwischenzeit ebenfalls alles Essbare verdrückt hatte – und seine neue Beute prompt in das Nest auf dem Schrank verschleppte.

Nach und nach begann Notos allerdings, kleinere Pausen einzulegen. Nun, wo keine kühle Brise aus dem offenen Fenster zu ihm rüber wehen konnte, kam ihm der Raum zunehmen erdrückender vor. Und wärmer. Das kribbelnde Gefühl in seinen Adern verstärkte sich. Inzwischen verstand er auch, warum das Gefühl der Rastlosigkeit nicht abebben wollte. Sein Energiefluss war schneller – nicht um sonderlich viel, aber er war genug darauf sensibilisiert, um es dennoch wahrzunehmen. War das eine der Nebenwirkungen, vor denen Nirah ihn gewarnt hatte? Oder doch ein Effekt des Giftes?

Beides konnte er nicht gebrauchen. Immer wieder schloss Notos die Augen. Atmete tief durch. Versuchte seine Energiebahnen abzubremsen, sie zu erden. Bis er sich auf einmal beobachtet fühlte. Irritiert öffnete er wieder die Augen – und begann unwillkürlich zu schmunzeln, als er Nirahs heimlichen Blick bemerkte. Lächelnd hob er wie auf einen stummen Befehl sein Werk in die Höhe. Es war, wie versprochen, äußerst simpel. An einem längeren Holzscheit hingen fein säuberlich in einer Reihe aufgehängt mehrere von Sonne und Seewasser ausgebleichte, trockene Stöcke. „Wie gesagt, nichts Großartiges. Nur ein Windspiel." Sein verhaltenes Grinsen nahm weichere Züge an, als er beinahe etwas abwesend drüber strich. Das Holz antwortete mit leisen, sachte klingendem Klimpern. „In meinem Heimatort haben fast alle Häuser solche Windtänzer. Wenngleich ich wohl noch nie einen dieser Art gefertigt habe."

Vorsichtig legte Notos sein Werk zur Seite, nahm stattdessen das andere Teil seiner Arbeit in die Hand, hob auch dieses kurz an. Es ähnelte in gewisser Weise dem ersten Windspiel, wenngleich trotz des gebogenen, hornartigen Astes deutlich graziler gestaltet. Und feiner bearbeitet. Statt schlichten Stücken hatte er die paar Holzstücke, die bereits an Fäden herabbaumelten, in die Form von Blätter geschnitzt. Rußschwarze Verzierungen waren auf diesen sichtbar. Manche sahen aus wie Federn. Ein paar hatten spiralförmige Runen und Musterungen. Andere wirkten wie winzige Pfotenabdrücke, die von Jasper hätten stammen können. „Deines ist noch nicht ganz fertig. Aber ich sollte spätestens morgen dazu kommen", gab Notos eher nebenbei von sich, bevor er es einen Tick zu schnell wieder vor Nirahs Sicht verbarg. Für die spinnenwebartigen Strukturen, die er geplant hatte, hatte er im Moment einfach nicht den Kopf. Zumal er das Gefühl hatte, als würde sich immer wieder ein nebeliger Schleier vor seine Augen schieben. Dabei hatte er es mit der Magie heute doch nicht mal sonderlich übertrieben...

Notos versuchte seinen Missmut über diese Erkenntnis zu überspielen. Zuckte lediglich so müde wie nonchalant mit den Schultern. Gab dabei ein kleines, verhaltenes Lachen von sich: „Wie gesagt, nichts sonderlich Nennenswertes. Zumindest nichts im Vergleich zu deinem Werk." Seine Aufmerksamkeit huschte kurz zu ihrem Blüten- und Gräserkranz, lächelte dabei sachte, bevor er den Blick wieder hob. „Es ist für die kurze Zeit großartig geworden!", meinte er aufrichtig. „Du hast deutlich mehr Fingerspitzengefühl als ich. Dann wiederum sollte mich diese Fähigkeit wohl nicht so überraschen. Schließlich bist du eine Heilerin."



Antworten Zuletzt bearbeitet am 17.12.2022 12:09.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 10.01.2023 03:10

Automatisch verfinsterte sich Nirahs Gesicht, als Notos wieder einmal betonte, wie eilig er es hatte wegzukommen. Vielleicht war es eine gute Sache. Bald wäre er gesund und ihre Aufgabe erfüllt. Je früher ihre Pfade voneinander wegführten, desto besser. Doch wenn sie das nicht taten, wenn sie sich nicht nur in einer losen Überschneidung kreuzten, sondern die Mutter sie enger miteinander verflochten hatte ...
Ein leises Murren drang aus ihrer Kehle. "Es wird sich zeigen", murmelte sie nur unbestimmt, unterdrückte jede weitere Äußerung. Sollte er gerne denken, dass sie sich auf Bastelei bezog. Bevor du nicht gesund bist, gehst du nirgendwohin. Eine Diskussion jeglicher Art galt es zu vermeiden. Die Entscheidung, mit der sie zu Beginn des Tages gehadert hatte, war inzwischen fest in ihren Gedanken eingebrannt. Nicht, dass sie ihr inzwischen mehr behagte. Aber wenn, falls ... Sie würde tun, was nötig war, wenn es der Wille der Mutter war. Notos hatte, möglicherweise zu seinem eigenen Pech, selbst dazu beigetragen. Mit seinen Worten zu Willenskraft und Vertrauen, auf die sie nur mit einem Schnauben reagiert hatte. Sie wäre in dieser ganzen Geschichte nicht auf sich alleine gestellt. Niemals. Diese kleine Erinnerung hatte die Kraft, einen Teil ihres Inneren zu besänftigen, die Wogen der Verunsicherung etwas zu glätten. Abwarten. Bis er gesund ist. Vielleicht hast du Glück.

So vermied sie weitere Gespräche erfolgreich, bis sie neugierig Notos' Werk beäugte, welches er ihr präsentierte. Stöcke baumelte in einer Reihe daran. Nirah legte den Kopf schief. Bis das Holz Klänge von sich gab. Dann zuckten ihre Mundwinkel kaum sichtbar nach oben. Windtänzer. Ein schöner Name. Sie hatte in ihrem Leben schon Windspiele gesehen, doch sie waren nicht allzu verbreitet. Inmitten von Bäumen hatte der Wind es nicht immer leicht, seine Kraft zu entfalten. Wenngleich eine leichte Brise reichen müsste, um dem Windtänzer seine Melodie zu entlocken. "Ich mag es." kommentierte sacht lächelnd. "Vor der Hütte finden wir bestimmt einen Platz dafür. Stell dir vor, wie es sein mag, wenn man draußen am Feuer sitzt und es im Hintergrund erklingt. Oder wenn es nach drinnen dringt, während einer der Heiler Kräuter vorbereitet. Wenn jemand sich in einem der Zimmer ausruht" sprach sie die ersten Bilder aus, die ihr in den Sinn kamen. 

Bevor sich das Lächeln auf ihrem Gesicht festsetzen konnte, zeigte Notos ihr den zweiten Windtänzer. Der offensichtlich noch nicht beendet war. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen." Meines?", fragte sie. In ihrer Stimme war hauptsächlich Verwirrung. Er meinte sicherlich für "ihre" Hütte. Irrte sie sich oder sah "ihr" Kranz kunstvoller aus als der andere, obwohl er noch gar nicht fertig war? "Ihre" Hütte, in die sie wohl bald zurückkehren sollte. Ihr Kiefer spannte sich bei dem darauffolgenden ungerechtfertigten Lob sichtbar an ... Was tat sie hier eigentlich?
Für einen Moment blieb ihr Blick auf dem Kranz hängen, hob ihn so hoch wie er an die Tür gehängt werden würde. "Es ist ebenfalls nichts Besonderes" verteidigte sie sich, ohne zu wissen wieso. "Nur ein simpler Sommerkranz. Einige Familien hängen solche an ihre Türen. Jetzt, da wir uns dem Winter nähern. Sie erinnern an das Licht und die Gaben des Sommers, wenn die dunkle Zeit Einzug hält. Es sind gleichzeitig Symbole der Hoffnung wie auch des Dankes. Nun ... für die meisten sind sie einfach schön anzusehen. Spätestens zur Verabschiedung des Sommers wirst du noch einige davon sehen, deutlich bessere." 

Unvermittelt stand Nirah plötzlich auf ihren Füßen. Das Geräusch von Stuhlbeinen, die über den Boden scharrten, durchbrach die Stille des Zimmers. "Es ist spät. Du solltest schlafen." verkündete sie. Sie hatte sich lang genug von Notos' Gesundheitszustand überzeugt. Noch ging es ihm gut genug, nichts wo man eingreifen müsste. Und sie konnte nicht die ganze Nacht hier bei ihm sitzen. Die Ringe unter seinen Augen waren jedoch unverkennbar. Etwas Ruhe und Schlaf würden ihm guttun. Wenn alles gut lief, wäre er morgen ohne es recht zu merken fast wie neu. Und wenn nicht? Mit festem Blick betrachtete sie ihn für einen Moment. "Ich meine es ernst. Dein Körper braucht Ruhe, um sich ganz auf die Regeneration konzentrieren zu können. Was sich sonst vielleicht Wochen hingezogen hätte, wird in kurzer Zeit ablaufen. Unterschätze das nicht." warnte sie ihn. "Falls es dir plötzlich deutlich schlechter gehen sollte. Falls du hohes Fieber bekommst oder irgendwelche anderen bedenklichen Symptome, holt mich. Weckt mich. Das ist wichtig. Du solltest dann nicht alleine sein. Und du wirst nicht alleine sein." versprach sie. Dafür war sie hier, das war ihre Aufgabe und ihre Pflicht. "Als Patient solltest du auf deine Heilerin hören." fügte sie nach einer Pause, nicht ohne Tadel hinzu. 

Zügig pickte sie die verstreuten Materialien, die neben Notos auf dem Bett und zu seinen Füßen auf dem Boden verteilt waren, auf und legte sie in den Korb. Dann nahm sie den ebendiesen, ihren Kranz und das fertige Windspiel an sich und legte alles fein säuberlich außerhalb von Notos' Reichweite an die Wand. Etwaige Einwände oder sonstige Reaktionen ignorierend, hob sie schließlich das Öllämpchen von der Ablage und behielt es bei sich. "Ruh dich aus, geh schlafen", befahl sie dem allzeit störrischen Krieger in einem Ton, der keinen Raum für Widerworte ließ. Mit wenigen Schritten stand sie vor dem Ausgang, wo sie sich noch einmal dem dunklen Raum zuwandte. "Gute Nacht. Schlaf gut, Donnerschw ... Notos" sprach sie mit sanfter Stimme und ließ ihren Patienten in völliger Dunkelheit zurück. Auf dass er nicht noch weiterbastelte.

Vor der gegenüberliegenden Tür machte Nirah Halt und verharrte einen Moment. Starrte sie an. Es wäre sinnvoller, wenn sie hier im Gebäude blieb. Falls es Notos tatsächlich schlechter gehen sollte, im Laufe der Nacht. Dann schüttelte sie den Kopf, wie um eine lästige Mücke zu vertreiben und verließ die Hütte. Dem Feuer stattete sie nur einen kurzen Besuch ab. Es war inzwischen deutlich heruntergebrannt und würde eingerahmt von Steinen keine Gefahr darstellen. Sie nahm nur den halbleeren Kessel von der Halterung und trug ihn in ihre Hütte. Er musste ja nicht unbedingt irgendwelche Tiere anlocken.
Im kahlen Zimmer, welches nun ihres war, ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Der Tag steckte nicht nur Notos in den Knochen, er hatte auch von Nirah seinen Tribut gefordert. Auch ihr Körper musste genesen, selbst wenn das Ganze halb so schlimm war. Sie wollte nicht schlafen, sich nur etwas hinlegen und sich ausruhen. Noch immer plante sie wach zu bleiben, um noch einmal nach Notos sehen zu können. Zur Sicherheit. 
Allerdings war sie kaum in das Kissen gesunken, da legte sich bereits ein schwerer Mantel aus Müdigkeit über sie. Langsam entglitt ihr das Bewusstsein und Schwärze umfing sie vollständig.

Kein Traum plagte Nirah in dieser Nacht. Zumindest keiner, an den sie sich erinnern konnte. Der Schlaf war friedvoll und erholsam. Bis Geräusche sie daraus hervor rissen. Orientierungslos öffnete sie die Augen. Wie viel Zeit war vergangen? Wieso war es so dunkel? Die Lampe ist leer. Ein Scharren ließ sie sich ruckartig aufrichten und ein kühles Kribbeln über ihren Rücken laufen. Ein Scharren?  Wie erstarrt horchte sie einfach nur. Da war es wieder! Vielleicht einfach nur ein Tier auf der Suche nach Futter. Sie versuchte es zu ignorieren, stattdessen nahm sie wahr, wie es wanderte. An der Wand der Hütte entlang. Bis es ganz eindeutig an einer Stelle verblieb. Schemenartig zeichneten sich langsam die Umrisse des Raumes ab. Das Fenster? Bildete sie es sich ein, oder wurde es lauter, nachdrücklicher?
Nirahs Herz pochte in ihren Ohren. Im Nachhinein wusste sie nicht, wieso sie dem Geräusch auf den Grund ging. Denn hauptsächlich empfand sie Vorsicht, ja vielleicht sogar einen Anflug von Angst vor ... was auch immer solch ein großes Interesse an dem Zugang zu ihrem Zimmer hegte. Denn es verschwand nicht. Im Halbschlaf malte sie sich die grausigsten Szenarien aus. Raubtiere, Monster, die sie holen wollten. Dennoch stieg sie aus dem Bett und tappte langsam zum Fenster. Nach reichlichem Zögern entriegelte sie den Verschlag und ließ die kühle Nachtluft hereinströmen. Vorsichtig wagte sie einen Blick nach draußen. 
Und sah ... nichts. Das Geräusch erklang ebenfalls nicht mehr. Sie hörte nur das leichte Rascheln von Blättern und den Ruf einer Eule. 

Einige Zeit später gab Nirah das aussichtslose Starren und Suchen auf, stellte sicher, dass das Fenster gut verschlossen war und glitt ohne Nachzudenken zurück ins Bett. Zwar stellte sich der Schlaf wieder ein, doch er war unruhig. Sie wälzte sich hin und her. Lose Gedanken strömten unzusammenhängend durch ihren Kopf. Und verschwommene Bilder, die keinerlei Sinn ergaben, blitzten vor ihrem inneren Auge auf. 
Kaum einen klaren Gedanken verschwendete sie an Notos und Sir Jasper im anderen Gebäude. Zu schlaftrunken, zu sehr neben sich stehend war sie. Lediglich eine ungreifbare Sorge vermischte sich mit den Schatten der anhaltenden Unruhe, welche sie ebenso gut davon abhielt, wieder in einen erholsamen Schlaf zu finden.


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Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.01.2023 00:42.
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