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Das Zimmermädchen [FSK18]

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Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 8, Episode 11

von Alina am 05.12.2021 14:06

Paris Marriott Champs- Élysées Hotel, chambre de Cathy
Le samedi 2 novembre 1968



Quelle des Bildes

  Der nächste Tag bringt Klarheit für Cathy. Eine versuchte Vergewaltigung mit Todesfolge wurde als Grund in der Tageszeit genannt. Sie hatte sich „Le Parisien" gekauft und hatte den Artikel im Lokalteil der Zeitung gefunden.
Sie hatte einen verzweifelten Abend in ihrer Kammer verbracht. Sie hatte sich maßlos betrinken wollen und sie hatte nicht wenig Lust gehabt, ihren Zorn auf die Welt an einem Mann abzureagieren – und die Folgen für diesen mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis zu nehmen. Sie hatte Lust jemanden sterben zu sehen. Dafür würde die Welt büssen, zu der sie augenscheinlich nicht gehören durfte.
Sie hatte noch einen Whiskey getrunken, hatte dem Wirt ebenfalls einen zersplitterten Toilettenspiegel bezahlt und war dann zurück ins Hotel gegangen. In solchen Momenten brachte man sich in Teufels Küche wenn man sich nicht disziplinierte.

Dort sass sie dann mit der Angst, die Polizei ja selbst zum Hotel geschickt zu haben. Sie brauchte sich nicht wundern wenn man Eins und Eins zusammenzählte und schlussfolgerte dass dieses fremde Mädchen, welches nicht zur Beweisaufnahme ins Revier gekommen war und über die Identität und den zeitweiligen Wohnort der Toten Bescheid wusste, selbst im Hotel wohnte oder arbeitete. Aber selbst dafür war die französische Polizei zu dumm – so ihr nüchternes Fazit am nächsten Tag.

Sie liegt stundenlang im Bett und starrt an die Decke. Dieser Mann oder die Männer die das getan haben, die mussten sterben. Dieses Mal war es persönlich. Sie würde jagen und zwar mit Hass in den Augen – nicht mit dem gleichgültigen Blick einer Löwin die sich ihrer Beute nähert.

                                                                   ***

Monsieur Gabin kratzt sich am Kinn und legt die Stirn in Falten.

„Ein Mädchen sagen Sie? Mit roten Haaren? So etwas hatten wir diese Woche schon mal... auch drüben im Marriott."
Martins Blick hellt sich etwas auf. Er gehörte zu der Sorte Polizeibeamter die sich niemals von einer Nachricht richtig begeistern liessen. Dafür hatte er schon zuviel gesehen – und auch zu oft seine Hoffnung begraben müssen.
„Was genau ist im Marriott passiert, Gabin?", fragt er nach einer Kunstpause die Gabin wohl zur Steigerung der Spannung bereits eingeplant hatte. Doch der zuckt nur mit den Schultern und antwortet:
„Das hat sicher nicht viel zu bedeuten. Auch ein Mädchen welches beinahe vergewaltigt worden ist. Sie hatte rote Haare, ein hübsches Ding. Sicher eine Irin, vielleicht auch Engländerin. O'Brien hiess sie, ja genau."
„Mein rothaariges Mädchen heisst McMahon, aber ansonsten passt die Beschreibung." Nun kratzt sich Monsieur Martin auch am Kinn. „Vielleicht schaue ich sie mir mal an. Jetzt habe ich aber erst einmal noch genügend Schreibkram zu erledigen. Der Professor im Marriott, zu dem die Tote gehörte, ist ausser sich vor Wut und verflucht Frankreich den ganzen lieben Tag lang. Aber immerhin hat er die Aufgabe übernommen, die Familie zu informieren."
„Sie sind ein Glückspilz, Martin", erwidert Gabin. „Das ist von allen Aufgaben immer die unangenehmste."
„Wem sagen Sie das? – Danke für den Kaffee, alter Freund." Martin schlägt Gabin freundschaftlich auf die Schulter und verlässt dessen Büro. Diese informellen Kaffeepausen waren wohl die eigentlichen Brutstätten diverser Ermittlungserfolge, denkt er wieder mal in diesem Moment und lächelt auf dem Weg in sein eigenes Büro.
Auch Gabin grübelt. Diese O'Brien, sie war auch immer noch seine Zeugin. Und es war sicher ein Augenschmaus sie wiederzusehen. Er schmunzelt und rückt sich seine Krawatte gerade und dreht sich einmal halblinks und halbrechts, um sein Profil in den grossen Fenstern seines Büros zu begutachten.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.03.2022 16:33.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 8, Episode 10

von Alina am 03.12.2021 18:37

Lyon, Bureau de Interpol
Octobre 1968 moitié du mois



Quelle des Bildes


  Nun begann also die Sisyphusarbeit. Eigentlich war es ja unmöglich diesen Fall allein zu bearbeiten, schon allein aufgrund der schieren Menge an Material. Jedoch war das Interesse an diesem Fall nicht gross genug als dass Hill wenigstens Mitarbeiter hätte anfordern können oder gar eine Sonderkommission hätte einrichten dürfen. Auf der anderen Seite war er froh dass Interpol ihm freie Hand liess und es tolerierte dass er sich ausschliesslich nur mit diesem Fall beschäftigte. Er war im Haus auch bekannt als „der heisse Draht nach Washinton", aber davon wurde recht selten Gebrauch gemacht. Falls die Beamten eine Anfrage hatten erledigten sie sie lieber allein, das sparte Zeit und man ersparte sich den mürrischen Blick von Hill der von seinen Akten aufsah.

Hill starrt die zugegebenermaßen nicht komplett leere Wand an und nimmt wieder den Telefonhörer zur Hand. Es ist Zeit für ein erneutes Gespräch mit Donahan. Das Gespräch vor einigen Tagen war erfreulich nüchtern verlaufen nach Hills Ansicht. Sie hatten sich nur kurz einander vorgestellt und dann vereinbart dass Hill sich wieder melden würde wenn er die Vorsortierung der Akten vorgenommen und sich einen ersten Überblick verschafft hatte. Sie waren nicht ins Plaudern geraten und hatten den Fall selbst nicht mal erwähnt.

Dank der Zeitverzögerung rief Hill gern erst am Nachmittag in den USA an. Diese Sache berücksichtigte er eher als seine französischen Kollegen die sich manchmal wunderten „warum denn bloss niemand abhebt". Er schmunzelt und rechnet sieben Stunden zurück, es musste jetzt 9 Uhr morgens sein in St. Louis.
Er lässt sich wieder durchstellen und nach einigen Minuten hört er wieder Donahans Stimme, etwas kratzig und zeitverzögert, aber es war immerhin eine transatlantische Verbindung. Ein Hoch auf die moderne Technik.

„Guten Morgen, Mr. Donahan. Ich habe ja versprochen mich wieder zu melden. Ich habe die Akten soweit gesichtet."

„Guten Tag, Mr. Hill." Donahan ist aufmerksam, denkt Hill. „Ja, ich erinnere mich. Sie arbeiten am Fall 'Cathy Hasselmann', für Interpol, nicht wahr? Sie machen dort weiter wo Evans aufgehört hat."

„Genau, Mr. Donahan. Ich komme nicht umhin Sie zu fragen, was Sie denken. Immerhin arbeiten sie seit dreissig Jahren an diesem Fall."

Es soll nicht nach einem Vorwurf klingen, aber das tut es auf eine leicht verstörende Art und Weise. Man kann so einen unfassbaren Satz nicht sagen ohne dass er irgendwie vorwurfsvoll klingt.

„Seit 32 Jahren um genau zu sein, Mr. Hill. Ich bekam den Fall zum ersten Mal 1936 zu Gesicht. Mein Chef bat mich diese Story zu übernehmen und das auch ohne Zeitdruck. Ihm war klar dass man so einen Fall nicht über Nacht löst. Nun ja, er hat Recht behalten."

Donahan klingt nicht beleidigt oder brüskiert. Er hatte sich wohl mit der Realität abgefunden, schon lange.

„Es klingt verrückt, Mister. Das geht mir genauso", erwidert Hill. „Man fragt sich wie das sein kann. Nun, wie sehen Sie diesen Fall? Nichts interessiert mich mehr als diese Frage. Sie haben sich bestimmt eine Menge Gedanken gemacht... in diesen 32 Jahren."

Die Zahl lässt Hill nicht los. Es war ausserdem die Anzahl seiner Lebensjahre und damit verliess die Dauer den Rahmen dessen, was er sich leicht vorstellen konnte.

„Das ist wahr. Es ist in etwa so als würde man Sokrates' Lehre ständig vor sich sehen: 'Ich weiss, dass ich nichts weiss'. Es ist deprimierend aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn man erkennt dass man die gleiche Chance hat wie ein Schneeball in der Hölle, dann entspannt man sich."

Hill schmunzelt wieder. So spricht nur ein Amerikaner; er kennt das Sprichwort.

„Sie machen mir nicht gerade Mut, Mister. Aber das dachte ich mir schon bereits vor unserem Gespräch. Ich dachte auch daran dass ich unsere Fahndungsmethoden sehr schätze. Vielleicht finden wir wirklich heraus, wo diese Cathy überall war, aber...", er bricht ab.

„Aber...?", fragt Donahan nach.

„Sie wird uns immer einen Schritt voraus sein. Ich weiss, mehr kann man eigentlich nicht tun und es ist auch keine Kritik an den bisherigen Methoden."

„Ich weiss was Sie meinen", erwidert Donahan. „Ich habe auch keine Ahnung wie ich näher an sie herankommen soll, schon seit drei Jahrzehnten geht mir das so. Es ist sehr viel wahrscheinlicher dass der ganze Spuk irgendwann aufhört, ganz von allein. Oder sie wird geschnappt, an irgendeinem Bahnhof oder Flughafen, wegen irgendeines dummen Fehlers. Und alles was wir getan haben war völlig bedeutungslos. Wir können uns dann nur noch einen einzigen Erfolg zuschreiben: das Interesse an diesem Fall über die Jahre nicht verloren zu haben."

Hill schweigt und seufzt leise.

„Melden Sie sich wieder im neuen Jahr, Mister Hill. Dann habe ich wieder den Anwalt getroffen und vielleicht ändert sich etwas für uns. Ich wünsche noch einen schönen Abend."

„Ich wünsche einen guten Tag, Mr. Donahan. Danke für die Einschätzung."

Dann klickt es und Hill hört nur noch das Tuten einer toten Leitung.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.12.2021 13:25.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 8, Episode 9

von Alina am 03.12.2021 18:25

Paris, Square Marigny
Le vendredi 1 novembre 1968



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  „Sie kennen Madame Frejnik, Mademoiselle?", fragt der Mann in Zivil nachdem er einige Instruktionen gegeben hatte und dann zu Cathy geeilt war.
Cathy schluckt hart, sie steht kurz davor sich zu erbrechen. Der Mann sieht ihre Not und winkt einen Kollegen herbei.

„Wasser für das Mädchen und... holen Sie bitte eine Decke", dann zu Cathy gewandt: „Vielleicht fahren wir sie gleich ins Revier, da kann man sich besser unterhalten."

Cathy sieht hoch und schüttelt den Kopf. „Bitte, keine Umstände, Monsieur. Ich... ich, ja. Ich kenne sie. Ist sie... tot?"

Der Mann zuckt mit den Schultern und nickt dann. „Leider ja, Mademoiselle. Wir haben sie auch erst vor einer halben Stunde geborgen. Wir können sonst keine Fragen beantworten, noch nicht. Was können Sie uns über die Tote sagen?"

Cathy atmet tief durch und sagt: „Studentin... sie arbeitet für Professor Gantzburg... sie wohnen derzeit drüben im Marriott. Mehr weiss ich nicht, ich wusste nicht mal ihren Nachnamen. Wir waren hier verabredet, auf eine Zigarette."

„Ich verstehe. Nun, ich danke Ihnen, Mademoiselle. Wir nehmen Sie kurz mit, dann können Sie gleich Ihre Aussage machen und unterschreiben."

Cathy nickt zähneknirschend und sieht sich kurz um. Dann schaut sie dem Mann in Zivil wieder in die Augen.

„Wie ist Ihr Name? Ist es möglich, dass ich mich kurz frisch mache? Ich muss auch eine Toilette aufsuchen. Ich würde gern in einer Stunde aufs Revier kommen. Ich brauche etwas Zeit für mich. Das verstehen Sie sicher, Monsieur."

„Ich bin Martin, Monsieur Martin. Wie ist Ihr Name?"

„McMahon... Shauna McMahon", sagt Cathy mit einer nur sehr unwesentlichen Verzögerung. Der Name einer Lehrerin in der Grundschule, damals in Baltimore. Ein irischer Name der ebenso gut zu ihr passte wie ihr aktueller falscher Name.

Monsieur Martin nickt und schaut sich um, dann gibt er ihr seine Visitenkarte.

„Sie würden uns sehr helfen wenn das ohne grosse Verzögerung passiert. Ich danke Ihnen für Ihre Kooperation."

Cathy nickt fast mechanisch, macht dann auf dem Absatz kehrt und geht langsam davon.


                                                                   ***


Sie hatte nicht vor zum Polizeirevier zu gehen. Sie wollte unter allen Umständen wissen was Anuschka passiert war, aber das würde sie wohl auch aus der Zeitung erfahren können. Die ersten Meter waren von Entsetzen und Furcht begleitet, aber dann ändert sich ihre Stimmungslage mit jedem Schritt den sie sich weiter vom Tatort entfernt. Anuschka war tot! Warum? War sie sich nicht sicher gewesen? Wie konnten die Stimmen das zulassen? Sie muss die Augen schliessen und ihre Lippen beben vor Wut, sie fühlt einen ungeheuren Druck im Kopf. Sie will schreien aber dafür ist sie am falschen Platz. Sie beschleunigt ihr Schritttempo, zurück auf dem Weg ins Hotel. Aber was sollte sie da? Sie stösst ein verzweifeltes Knurren aus und biegt dann ab. Sie will in eine Bar und raus aus diesem Teil der Stadt.

Sie nimmt die Metro und fährt bis Pigalle wo sich zu jeder Tages- und Nachtzeit eine geöffnete Bar finden lässt. Sie setzt sich ohne den Namen der Bar zu lesen und bestellt sofort zwei doppelte Whiskeys. Den ersten stürzt sie sofort herunter und den zweiten trinkt sie nach etwa einer Minute. Der Wirt schaut sie kurz besorgt an, sagt aber nichts. Ganz sicher sieht er sowas nicht zum ersten Mal – nur dass es kein versoffener Penner oder ein gestresster Mitfünfziger war der gerade eben nochmal Vater geworden ist, sondern ein junges und hübsches Mädchen.
Cathy stiert auf die vollen Regale hinter dem Tresen und sie beisst die Zähne so fest zusammen wie sie nur kann. Dann steht sie abrupt auf – so abrupt dass der Wirt schon den Mund öffnet und sie ermahnen will doch erst zu bezahlen bevor sie geht, doch sie stapft in Richtung der Toilette und verschwindet da.
Der Wirt und seine zwei Gäste die ebenfalls an der langen Theke sitzen, hören Cathy dumpf im hinteren Teil des Hauses hinter Wänden schreien und heben die Augenbrauen. Dann zucken sie die Schultern und nehmen einen Schluck... auch der Wirt.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 04.12.2021 18:57.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Kapitel 8, Episode 8

von Alina am 02.12.2021 19:18

Paris Marriott Champs- Élysées Hotel, chambre de Cathy
Le vendredi 1 novembre 1968



Quelle des Bildes


  Cathy liegt auf dem Bett und starrt an die Decke. Sie hatte lange geschlafen und sie freute sich auf das baldige Treffen mit Anuschka. Wieder kehrte die Frage zurück ob sie wohl in der Lage wäre eine Frau zu lieben. Ein Weg aus der Einsamkeit – das war ein grosses, aber erstrebenswertes Ziel. Gerade weil sie Erfahrungen mit Frauen gemacht hatte, war sie sich recht sicher dass ihnen nichts passierte. Es spielte keine Rolle was Cathy tat. Den Stimmen schienen Frauen aus irgendeinem Grund egal zu sein. Natürlich hatte sie dazu keine Studien durchgeführt aber sie war sich recht sicher. Gerade die Affäre in Brest hatte sie dahingehend beruhigt. Der Sex mit dieser Frau war ausschweifend und auch sehr leidenschaftlich gewesen und Cathy hätte ihre Hand dafür ins Feuer gelegt dass bei einer gleichartigen Beziehung zu einem Mann dieser nicht lange überlebt hätte. Ein halbes Jahr wäre die maximale Lebensdauer gewesen während die Dame in Brest sich noch immer bester Gesundheit erfreute. Vielleicht war das ein Zugeständnis der Stimmen die wohl wussten dass der Mensch ein so schwaches Wesen war, dass er nicht für alle Zeiten allein sein konnte. Und schon Gott sprach: „Es ist nicht gut dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gefährtin machen, auf dass er nicht allein sei." Cathy schmunzelt. Eine gewisse Bibelfestigkeit würde sie nie verlieren, eine gute Bildung machte sich das ganze Leben lang bezahlt – wie lange es auch immer dauern mochte.

Sie schwingt die Beine aus dem Bett, nimmt ein Bad und dann ist bereits Zeit loszugehen. Sie würde wieder als Erstes da sein aber das stört sie nicht. Wer die Tugend der Pünktlichkeit besitzt, der lernt die Tugend der Geduld ganz nebenbei.

Das Wetter an diesem Tag ist milder als gestern und Cathy bedauert kein Brot für die Enten dabeizuhaben, die sich recht zutraulich am Rande der Teiche bewegen und nur darauf zu warten scheinen. Sie schliesst die Augen, kratzt sich am Schopf und gähnt. Man konnte sich an dieses Lotterleben gewöhnen erst gegen 9 oder 10 Uhr aufzustehen.
Sie lässt sich die Novembersonne ins Gesicht scheinen, wenigstens die Sonnenstrahlen bringen etwas Wärme an diesem noch immer kalten wenn auch milderen Tag. Sie beginnt zu dösen – Anuschka würde sie schon finden, vielleicht würde sie sie erschrecken oder sich ein wenig lustig machen aber das ist Cathy die Sache wert. Wie lang und wie schön so ein Tag ohne Arbeit doch ist!

Als Cathy hochschreckt weiss sie nicht wie spät es ist. Sie schaut nach der Sonne. Leider hatte die sich den Stand nicht gemerkt aber es war definitiv Zeit vergangen, das spürt sie. Vielleicht eine Stunde? Die Sonnenstrahlen fallen jedenfalls nicht mehr direkt auf sie sondern sie sind weitergewandert. Sie steht auf und streckt sich um wieder schnell beweglich zu sein. Und dann endlich fällt es ihr wieder ein: wo ist Anuschka geblieben?

Sie macht sich auf den Weg, nicht in Richtung des Hotels sondern sie versucht den direkten Weg zur Innenstadt zu finden – dort wo es die meisten Geschäfte gibt. Mit jedem Schritt kommt ihr diese Idee sinnloser vor, aber sie weiss auch nicht was sie sonst tun sollte. Einfach zum Hotel zurückkehren, das wäre vielleicht die bessere Idee. Vielleicht haben sie sich nur verpasst. Sie geht noch ein paar Schritte weiter und schaut nochmal um eine Ecke wo ein dichtes Gebüsch die Sicht versperrt. Dort sieht sie einen Polizeiwagen stehen, mitten im Park und darum ein paar Beamte. Sie atmet tief ein und schüttelt dann etwas ärgerlich den Kopf. Nur den Teufel nicht an die Wand malen, denkt sie.

Sie geht weiter, es war besser sich schnell selbst zu überzeugen. Wenn sie ins Hotel zurückkehren würde und Anuschka dort nicht antreffen würde, dann würde sie sich wünschen sie hätte nachgeschaut. Ihre Schritte werden schneller.

Sie kommt näher und dann sieht sie noch einen Wagen – einen Leichenwagen. Fussgänger werden gebeten doch bitte weiterzugehen. Gerade in diesem Moment wird eine leblose Gestalt unter einer Decke aus dichtem Gebüsch ans Tageslicht geholt, von vier Beamten wo sicher auch zwei gereicht hätten. Es ist eine eher kleine Person und es schauen zwei Füsse unter der weissen Decke heraus. Kennt sie diese dunklen kurzen Stiefel nicht etwa? Cathy wird heiss und ihr wird flau im Magen. Längst ist sie stehengeblieben und gerade kommt ein Polizist auf sie zu und seiner Miene nach zu urteilen würde er sie gleich wohl recht barsch darauf hinweisen zügig weiterzugehen. Cathy hebt sofort abwehrend die Hände und fragt: „Liegt dort drüben... ist das Anuschka?"
Der Polizist hält inne, hebt die Augenbrauen und sieht Cathy fragend an. Dann sagt er:
„Bitte gehen Sie nicht weg, Madame. Bleiben Sie hier stehen."
Dann geht er mit schnellem Schritt zurück und unterhält sich mit einem Mann in Zivil der kurz herübersieht. Cathy spürt wie ihr schlecht wird.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.12.2021 19:18.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Kapitel 8, Episode 7

von Alina am 01.12.2021 16:43

Lyon, Bureau de Interpol
Octobre 1968, au début du mois


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  Hill starrt eine leere Wand an und knackt mit seinen Fingern. Über eine Sache musste er immer wieder nachdenken. Und dies ärgerte ihn sehr, denn er glaubte nicht an übernatürliche Phänomene. Immer wieder stellte er sich diese eine Frage:
Was wäre wenn er diese Cathy irgendwann finden würde und sie ihm ins Gesicht sagen würde dass sie Unfälle auslösen konnte, er aber nichts dagegen tun könne. Was würde er tun? Wäre es nicht besser so ein Monster einfach zu erschiessen und es so zur Strecke zu bringen weil kein Gericht der Welt in der Lage wäre es zu verurteilen? Bliebe am Ende alle Ermittlungsarbeit über Jahrzehnte erfolglos, nur weil es kein Werkzeug geben würde, einen allerletzten Beweis zu erbringen – ja, weil es einfach keinen rationalen Beweis gab?
Diese zugegebenermaßen schwere und auch moralische Frage war aber etwas für Hills Freizeit. Den Luxus dieser Gedanken konnte er sich bei den sehr praktischen Ermittlungen nicht erlauben. Er ermahnte sich dann, einen Schritt nach dem anderen zu tun.

Er versuchte zu sammeln was er ganz sicher wusste. Er suchte nach einer Person die wohl seit dem Jahr 1919 mordete. Ob es diese Person wirklich gab wusste er nicht.
Diese Person hielt sich eigentlich immer in grossen bis sehr grossen Städten auf. Es gab Ausnahmen aber generell konnte man das feststellen. Sicher ging es hier darum die Anzahl der Todesfälle nicht auffallen zu lassen. Er wusste nicht ob das dieser Person bewusst war oder nicht. Aber es war ein Muster.
Viele Todesfälle waren in und um Hotels herum passiert. Dies schärfte das Täterprofil etwas, es lagen mehrere Indizien vor dass es sich dabei um eine Angestellte handeln konnte.
Die Opfer waren alle Männer. Diese Tatsache verlangte natürlich eine nähere Betrachtung.
Es starben auch Frauen auf der Welt und es starben auch Frauen bei Unfällen. Trotzdem konnte man folgende Beobachtung machen: jedes Land, jede Stadt verfügte über Todesraten die wiederum in speziellen Berichten aufgegliedert waren nach der Todesursache. Jeder Platz auf der Welt hatte seine eigene Todes- und Unfallrate. Je kleiner man den Fokus machen konnte, umso eher fielen Unregelmäßigkeiten auf.

Wenn nun in einer kleineren Stadt oder in einem bestimmten Bezirk einer grossen Stadt die Unfälle mit Todesfolge bei Männern exorbitant stiegen, dann waren das genau die Indizien die Hill brauchte. Das waren noch lange keine Beweise – nur Spuren die ihn vielleicht zu dieser Person führen konnten. Und genau das war auch schon passiert. Genau damit hatten sich Evans, Doyle und Donahan beschäftigt. Sie hatten über Jahrzehnte diese Häufungen gesucht, untersucht und mit eventuellen Fahndungen der lokalen Polizei abgeglichen.
Es gab Querverbindungen zwischen dieser Häufung von Unfällen bei Männern und dem immerwährenden Auftauchen eines jungen und rothaarigen Mädchens. Und Hill ging es nun zu Anfang vor allem darum, ob dieses Mädchen nicht nur eine Konstruktion war, eine Wunschvorstellung damit der menschliche Geist, der immer nach einer Erklärung suchte, nicht völlig verzweifelte. In der Geschichte der Welt hatte sich der Mensch schon immer mit der Konstruktion eines Sündenbockes anfreunden können – besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Darum ging es jetzt und Hill würde eine ganze Wand freimachen um alle Verbindungen darzustellen. Und es würde nur das an der Wand einen Platz finden, was absolut unzweifelhaft war. Er seufzt und schüttelt leicht den Kopf. Vielleicht brauchte er doch keine Wand sondern nur ein Blatt Papier.

Nach diesen Gedanken beginnt er damit das grosse Plakat mit den bisherigen Querverbindungen zu entfalten und nach einer kleinen Anleitung, die wohl Evans beigelegt hatte, wieder komplett zu rekonstruieren. Manche Photos und Anmerkungen waren auf Zetteln angebracht die erst wieder angepinnt werden mussten. Zur Sicherheit lag noch ein Photo des Plakates bei, leider sehr klein und nur im äussersten Notfall zu gebrauchen.
Hill staunt nicht schlecht – das sah nach guter Arbeit aus. Zuviel auf diesem Plakat kam ihm hypothetisch vor aber es war ein sehr guter Anfang. Und wie bei einem Kreuzworträtsel musste man manchmal Wörter eintragen, auch wenn man sich nicht hundertprozentig sicher war. Wie sollte man sonst weitermachen? Er würde das Plakat als Arbeitshypothese gelten lassen und aufhängen und seine Wand wäre dann die Theorie, die nur stichfeste Beweise zuliesse. Den Umständen entsprechend zufrieden macht er sich an die Arbeit.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 01.12.2021 23:21.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Kapitel 8, Episode 6

von Alina am 30.11.2021 17:38

Lyon, Bureau de Interpol
Octobre 1968, au début du mois


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  Hill sitzt in seinem Büro und schaut kurz aus dem Fenster. Es wird gerade hell und es dampft bereits eine Tasse Kaffee auf seinem Schreibtisch. Er mochte diese ruhige halbe Stunde bevor die Kollegen das Gebäude fluteten. Dann schaut er wieder in eine bereits geöffnete Akte.

Ein Detective in New York hatte die erste Querverbindung zwischen einem Todesfall in Baltimore und in New York gezogen. Welcher Detective das war, das konnte gar nicht mehr festgestellt werden. Hill hatte nirgends einen Namen gefunden und es spielte auch keine grosse Rolle. Dies musste Anfang der 1920er Jahre geschehen sein und wenn man annahm dass ein erfahrener Detective sicher damals bereits um die dreissig und vierzig Jahre alt war, dann war er sicher mittlerweile auch ein Greis oder vielleicht sogar tot. Aber es existierte eine kleine Akte mit dem Namen "Cathy Hasselmann" und Zeugenbefragungen, ausserdem Details zu den Fällen in beiden Städten.

Dann gab es auch Akten zu vielen anderen Todesfällen die aber alle mehr oder weniger kryptisch angelegt waren. Die Darstellung der Fälle war nicht selten eratischer Art; man spürte beim Lesen der Akten beinahe körperlich das Unbehagen des Detectives, gewisse Unfälle mit einer Tat in Verbindung zu bringen. Niemand hatte die vermeintliche Täterin am Unfallort oder am Tatort gesehen. Und so sahen die Akten dann auch aus: dünn, lückenhaft und mit einem sehr unbefriedigenden Abschlussvermerk in fast allen Fällen: "investigation has been discontinued", die Ermittlungen wurden eingestellt.

Erst in den 1960er Jahren kam Schwung in die Ermittlungen. Hill wusste nicht zu sagen ob es an den erweiterten Möglichkeiten der Ermittlung lag oder ob es individuelle Gründe hatte wie beispielsweise die Überschreitung einer kritischen Masse an Todesfällen oder eben das persönliche Interesse und den Ehrgeiz von Einzelpersonen sich wieder dieses Falles anzunehmen. Er selbst gehörte ja augenscheinlich auch dazu. Dieser Fall war so faszinierend wie aussichtslos. Und es gab immer einen winziger Prozentsatz an Polizisten den das faszinierte, während sich ein überwältigender Teil der Kollegen von der Aussichtslosigkeit eines Ermittlungserfolges abschrecken liess. Und um ehrlich zu sein: den meisten Ermittlern inklusive deren Vorgesetzten war der Fall einfach völlig egal.

Je mehr die immer moderner werdenden und technisch vorzüglich ausgestatteten Nationen in der Lage waren Informationen miteinander zu teilen und somit Wissen zu kombinieren und Lücken zu schliessen, umso eher wurde gute, weltumspannende Polizeiarbeit möglich und nicht zuletzt begann wohl damit auch der Aufstieg von Interpol zu einer ernstzunehmenden Organisation, die zunehmend durch Verträge und Abkommen an Prestige und Möglichkeiten gewann.
Diese Kombination und Vervollständigung von Wissen war für die Polizeiarbeit vor allem immer dann interessant, wenn es sich um Massenphänomene handelte: der Betrug bei Finanzgeschäften, die Drogenkartelle mit ihren Lieferrouten und dem verzweifelten Waschen von Drogengeldern, der Mafia und nicht zuletzt auch bei Serienmördern. Wo immer sich gehäuft bestimmte Phänomene ereigneten, konnte man diese durch quantitative Forschungsmethoden – durch Statistik – aus der Dunkelheit an Tageslicht bringen.

Im Falle von Cathy Hasselmann war dies die einzige Methode welche über die Jahrzehnte ein wenig Erfolg verzeichnete. All die unvollständigen Akten der Polizeibehörden verschiedener Städte und Länder ergab für sich allein gesehen kein Bild. Nur zusammen waren sie eine Hilfe und das hatten Evans/Doyle, beziehungsweise Donahan schneller erkannt als jede lokale oder internationale Polizeibehörde. Sie hatten auch Daten gesammelt die weit über das Aktenmaterial hinausgingen: Todesanzeigen, Zeitungsartikel. Damit konnte man nun etwas anfangen, diese Dinge waren Gold wert.

Hill hatte sich vorgenommen ganz von vorn anzufangen. Ganz von vorn, so als wäre er ein ganz neuer und junger Ermittler der einen Haufen Kartons auf den Schreibtisch gestellt bekommen hatte und sich nun einen Überblick verschaffen musste. Er wollte diese Unvoreingenommenheit zurückerlangen, die man zwangsläufig in Jahren der Ermittlungen, vor allem bei einem einzigen Fall, langsam aber sicher verlor. Und am Anfang einer Ermittlung wie dieser, die sich nicht auf Augenzeugen oder Beweise stützen konnte, stand immer eine sehr profane und doch alles entscheidende Frage.

Gab es einen Zusammenhang? Gab es einen Zusammenhang zwischen einer Person namens Cathy Hasselmann und etwa 1.500 Todesfällen?

Wie schnell konnte man schon hier verzweifeln? War es denn tatsächlich so dass sich überall dort aussergewöhnlich viele Unfälle und rätselhafte Todesfälle ereigneten, wo Cathy Hasselmann aufgrund von Indizien und Hinweisen nicht weit gewesen war? Es war sehr leicht einen Wunsch Vater dieses Gedankens werden zu lassen. Sehr schnell fanden sich schon immer in der Kriminalgeschichte allzu eifrige Ermittler die einen solchen Zusammenhang einfach konstruierten. Es ging darum wirklich stichhaltige Beweise in wenigstens ein paar dieser Fälle zu finden wo Cathy Hasselmann unmittelbar einen Mord verübt oder den Tod eines Menschen ausgelöst hatte – am besten durch ihre eigene Hand. Und es mussten wirkliche Beweise gefunden werden dass sich nicht nur ein hübsches, rothaariges Mädchen immer zu der Zeit an einem Ort aufgehalten hatte an dem überraschenderweise gerade viele Leute eines ungewöhnlichen Todes starben, sondern wirklich diese eine Cathy Hasselmann.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 30.11.2021 17:39.

Alina

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  10. Wannabe Poet

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Kapitel 8, Episode 5

von Alina am 29.11.2021 18:31

Paris Marriott Champs- Élysées Hotel, bureau de Monsieur Morel
Le jeudi 31 octobre 1968


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  Monsieur Gabin ist schon etwas älter, er schiebt einen dicken Bauch vor sich her und lauscht aufmerksam als Cathy ihre Geschichte erzählt. Morel hatte inzwischen sein Büro verlassen. Er hatte zuhören wollen doch es gab zuviel zu tun. Es war unterwegs im Haus und er hatte Cathy und den französischen Polizisten allein gelassen.

Cathy scheut sich nicht ihren Worten mehr Ausdruck zu verleihen, indem sie dem Polizisten ihren Körper zeigt der mit blauen Flecken übersät ist. Monsieur Gabin macht sich Notizen, nickt nur knapp und versucht sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen. Selten hatte er so ein Teufelsweib gesehen, nicht mal in den Freudenhäusern von Paris.
Natürlich konnte es Cathy nicht recht sein dass ihre Identität von der Polizei festgestellt wurde. Vielleicht war das wieder ein grosser Fehler gewesen – das Hotel nicht zu verlassen und sich nicht eine neue Anstellung gesucht zu haben. War diese Stelle hier so wichtig gewesen dass sie dieses Risiko auf sich genommen hatte? Sie seufzt so leise wie möglich während Monsieur Gabin in seinem speckigen Notizbuch herumkritzelt.

"Nein, wirklich, Monsieur. Ich konnte nichts sehen. Es war so dunkel... der Mann trug keine Maske, aber ich habe trotzdem nichts sehen können. Ich weiss nur noch dass er sehr stark war. Als ich ihn wegstossen wollte und kratzen wollte hielt er mich eisern fest. Er muss recht stark sein."
Cathy beendet den Satz mit einem Schulterzucken. Je weniger Informationen sie sich aus den Fingern sog umso weniger konnte sie sich in Widersprüche verwickeln.
Monsieur Gabin nickt nun und erhebt sich.

"Ich denke das reicht, Madame. Ich habe alles notiert und ich lasse Sie wissen falls wir einen Erfolg in diesem Fall verbuchen können. Ich bin jedoch nicht besonders optimistisch."
Cathy nickt langsam. "Ich verstehe. Ja, das ist sehr wenig. Ich verstehe schon."
"Passen Sie auf sich auf und meiden sie die dunklen Ecken im Park. Diese Dinge passieren dauernd, Madame. Guten Tag." Er nickt Cathy zu und verlässt das Büro des Monsieur Morel. Cathy bleibt noch sitzen und denkt nach. Der Polizist hatte ihren Namen, ihre Adresse im Hotel, ihre Beschreibung. Das war nun nicht mehr zu ändern. Es brauchte nur noch einen kleinen Fehler ihrerseits und sie würde Paris verlassen müssen.

                                                               ***

Cathy hatte glücklicherweise eine spätere Stunde des Tages gewählt und sie hatte es eigentlich wegen Anuschka getan; sie ging davon aus dass die Assistentin lange würde arbeiten müssen. Nun ist sie selbst spät dran und sie ist dankbar dass es sich so gefügt hatte. Sie verbringt nach der Befragung noch eine Stunde in ihrer Kammer und dann bricht sie auf und das Ziel ist dieses Mal wirklich der Park.

Sie wartet einige Minuten und raucht eine Zigarette. Soviel war passiert in den letzten vierundzwanzig Stunden. Immer wieder schaut sie sich um, überprüft alle Wege die zu ihrer Bank oder daran vorbei führen. Dann endlich erspäht sie Anuschka und steht auf.

Sie war wirklich gekommen und sie erschrickt sehr als sie einen von Cathys blauen Flecken sieht. Cathy bleibt auch gegenüber der Studentin bei ihrer Geschichte der versuchten Vergewaltigung. Es war zu gefährlich Anuschka davon zu überzeugen, dass diese Geschichte nur nötig war um ihre Arbeitsstelle zu retten, nachdem sie die Nacht mit ihr verbracht hatte. Es würde auch nicht unbedingt dazu führen dass Anuschka ihr wegen anderen Dingen vertrauen würde. Von Anfang an wäre sie eine schlimme Lügnerin. Nur von der Polizei erzählt sie nichts – davon brauchte Anuschka nicht wissen. Und diese ist auch zu aufgewühlt, um danach zu fragen.

Wie würde es nun weitergehen? Darüber sprechen sie in diesen frühen Abendstunden nicht. Beide versuchen erst jetzt sich näher kennenzulernen, unter der Prämisse dass sie sich privat wiedersehen wollen und nicht aus beruflichen oder eben rein sexuellen Gründen. Als es dann kalt wird gehen sie zusammen zurück zum Hotel und verbringen noch etwas Zeit zusammen in Anuschkas Zimmer. Sie sind beide der Meinung dass dort eine geringere Gefahr besteht. Professor Gantzburg würde die beiden mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit stören als es in Cathys Kammer der Fall wäre mit Monsieur Morel. Sie küssen sich aber schlafen nicht miteinander. Cathy will ihr Glück nicht herausfordern und verabschiedet sich bevor es kein Zurück mehr gibt.

Anuschka schlägt vor sich am morgigen Tage wieder im Park zu treffen. Ein glücklicher Umstand hatte dazu geführt dass morgen keine Termine für sie anstanden. Aber sie wollte in der Stadt einkaufen gehen und dann würde sie Cathy gern wieder im Park treffen. Danach würde man weitersehen. Cathy ist einverstanden. Mit einer anderen Frau einkaufen zu gehen stellte sie sich sowieso nicht besonders spannend vor und so konnte sie wieder ausschlafen. Das würde ihr und ihrem malträtierten Körper gut tun.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 29.11.2021 18:34.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 8, Episode 4

von Alina am 28.11.2021 16:41

Lyon, L'Antiquaire Bar
Octobre 1968 au début du mois


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  Hill sitzt in einer kleinen Bar und nippt an seinem Whiskey. Keine Bar und kein Whiskey schafften es ihm das Gefühl zu vermitteln, er würde irgendwo in Winchester oder Washington in einer Bar sitzen und sich einen Whiskey gönnen. Der Whiskey ist nicht schlecht, immerhin ein irischer Single-Malt aber er bevorzugt Bourbon. Leider gab es hier nur die schlechtesten und billigsten amerikanischen Sorten und die benutzten junge Menschen ausschliesslich um sich schnell zu besaufen.

Er knackt mit den Fingern und denkt nach. Donahan war noch immer an dem Fall interessiert. Daran hatte sich nichts geändert. Er hatte wohl den Traum aufgegeben den Pulitzer-Preis zu gewinnen – zumindest wenn es um die Geschichte der Cathy Hasselmann ging. Aber er sammelte weiter Indizien und stand weiterhin mit dieser ominösen Stiftung in Kontakt. Seinen Kontaktmann wollte er nie verraten; es waren wechselnde Anwälte in all den Jahren gewesen, soviel hatte er immerhin preisgegeben.

Donahan hatte jedoch den Eifer verloren jeden Schnipsel selbst zu sammeln. Er konzentrierte sich auf die Kerndaten des Falles, längst gab es nur noch eine grosse Sammlung in privatem Besitz und die hatte Evans' Agentur besessen. Desweiteren besass auch das FBI einige Akten und natürlich Interpol. Allerdings hatte man alle Akten zu Hill nach Europa verschickt, Washington wurde nur noch unregelmäßig von Hill informiert und das lag eher daran dass Hill ab und zu noch gern mit einem früheren Kollegen telefonierte, wenigstens einmal im Jahr, oft zu Weihnachten.
Niemand aus Washington fragte je nach dem Fall. Es war als wäre man froh, dass der Sturm und auch alle Akten nach Europa gezogen waren.

Man wusste dass sich die Hauptverdächtige in Europa aufhielt, vielleicht sogar in Paris. Hills Herz schlug deshalb nicht schneller – es war egal ob diese Cathy sich in Paris oder in Nowosibirsk aufhielt. Auch wenn er nach Paris fahren würde: solange er keinen direkten Hinweis oder eine Adresse hatte war sie für ihn unerreichbar. Es lebten 2,5 Millionen Menschen in dieser Stadt. Auf einen Zufall brauchte er nicht hoffen, eher würde ihn ein Blitz treffen.
Sein Verstand arbeitete so nüchtern wie sein Äusseres wirkte. Und auch einige kleine Gläser Whiskey würden daran nichts ändern. Er neigte nicht zu Gefühlsausbrüchen oder Sentimentalitäten. Diese Cathy war vielleicht die grösste Serienmörderin der Weltgeschichte. Es ging um etwa 1.500 Todesfälle, vielleicht mehr. Es lagen relativ gesicherte Informationen über die Todesursache von ungefähr der Hälfte der Toten vor. Ganz oft handelte es sich um offensichtliche Unfälle. Es war die schiere Masse die nach einer Erklärung verlangte, denn wirklich niemand glaubte an übersinnliche Phänomene.
Dies machte den Fall einerseits attraktiv, andererseits gab es kaum einen Menschen oder Polizeibeamten der wirklich an einen Zusammenhang zwischen all den Fällen glaubte. Oder daran dass ein One-Night-Stand mit einem hübschen Mädchen dafür sorgte dass jemand am nächsten Tage von einem Auto überfahren wurde.

Den ersten Toten gab es 1919, die letzten bekannten Fälle stammten sogar aus Frankreich. Seit 1964 starben immer wieder Männer in Brest und zwar vor allem Männer im mittleren Alter und dafür gehäuft. Die Todesursachen waren wie so oft leider vielfältiger Natur und nur in zwei Fällen konnte man einen Mord vermuten.
Längst verfolgte man keine einzelnen Spuren mehr, sondern FBI und Interpol waren in den 1950er Jahren dazu übergegangen gezielt die Todesfälle in Gemeinden oder Bezirken zu untersuchen. Dies war eine ganz ungeheure Sisyphusarbeit, aber so blieb man dieser geheimnisvollen und so gefährlichen Frau auf der Spur. Seit dieser Zeit fand man ihren letzten Aufenthaltsort oft recht früh per Statistik heraus – noch bevor man einen echten Tipp bekam, beispielsweise bei der Befragung eines Barmannes weil der Tote zuletzt noch in einer Bar gesehen worden war und dieser Barmann aussagte dass das Opfer mit einer sehr hübschen, jungen Rothaarigen den Abend verbracht und anschliessend mit ihr die Bar verlassen hatte.

Es war nun die Auswertung dieser Metadaten, wenn man sie so nennen wollte, die Hills Arbeit bestimmte. Und auch Evans hatte sich darauf spezialisiert. Diese unfassbar vielen Zeitungsschnipsel zeugten ebenfalls von dieser Arbeit.
1.500 Tote. Vielleicht sogar 1.500 Morde. Nur Diktatoren und solche Männer wie Adolf Eichmann, der die Transporte in die Konzentrationslager der Nazis organisiert hatte, waren erfolgreicher gewesen. Aber diese Cathy Hasselmann – sollte sie wirklich real und die Täterin sein – sprengte jeden anderen Rahmen den die Polizei von Serienmördern kannte. Selbst mit dem grössten kriminellen Potential, selbst mit dem grössten Ehrgeiz konnte niemand diese Zahlen erreichen, allein schon aus biologischen Gründen. Eine etwa siebzigjährige Frau die noch genauso munter mordete wie mit zwanzig oder dreissig Jahren? Das war sehr, sehr unwahrscheinlich.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 28.11.2021 16:45.

Alina

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Kapitel 8, Episode 3

von Alina am 27.11.2021 16:18

Paris Marriott Champs- Élysées Hotel, bureau de Monsieur Morel
Le mercredi 30 octobre 1968


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  Monsieur Morel betrachtet Cathy die auf einem Stuhl in seinem Büro sitzt. Er hat die Stirn in tiefe Falten gelegt und fragt zum wiederholten Male
"Und wir wollen ganz sicher nicht die Polizei einschalten? Warum denn nicht?"
Cathy seufzt und wischt sich über die Stirn:

"Es ist ja gar nicht viel passiert. Diese Halunken hatten keinen Erfolg und ich will nur noch schlafen. Können Sie sich vorstellen wie lange mich die Polizisten verhören werden? Das halte ich nicht durch. Ausserdem wäre es schlecht für das Hotel. Das Hotel hat ja gar nichts damit zu tun, passiert ist ja alles im Park."
Zumindest Cathys letzte Worte scheinen Morel zu überzeugen, er nickt besorgt.
"Gut, gut. Du solltest jetzt schlafen und morgen frage ich dich noch einmal. Ich habe dich ja heute Nacht gesehen und kann deinen körperlichen Zustand bezeugen. Gib die Kleidung auch noch nicht in die Wäsche, vielleicht braucht die Polizei sie noch wegen irgendwelcher Spuren."
Cathy nickt nur müde. "Schon gut, ich... werde es mir noch überlegen, morgen in der Früh. Aber ich denke, eine Anzeige hätte keinen Erfolg. Ich habe die Männer nicht erkennen können, es war viel zu dunkel und es ging viel zu schnell."

Monsieur Morel bringt sie höchstpersönlich in ihre Kammer, hilft ihr sogar beim Entkleiden. Er ist dabei so seriös wie eine Krankenschwester und über jeden moralischen Zweifel erhaben. Wenn ihn Cathys nackte Haut erregt dann kann er das perfekt verbergen. Er legt die Kleidung sorgfältig zusammen und bittet Cathy noch einmal diese für eine eventuelle Untersuchung zurückzuhalten. Cathy will sich noch waschen und Morel verspricht ihr bis morgen neue Kleidung bringen zu lassen. Dann verlässt er die Kammer

Cathy liegt noch wach und erlebt den Sonnenaufgang kurz bevor sie einschläft. Sie hatte es geschafft und konnte bleiben. Wahrscheinlich würde sie sogar ein paar Tage frei haben. Das war nicht schlecht gelaufen.

                                                                ***

Sie träumt davon in einen Spiegel zu sehen, in einen dieser grossen ovalen Standspiegel. Sie sieht eine alte Frau, mit blasser aber nun welker Haut. Sie hat sich gut gehalten aber tiefe Falten zerfurchen ihr Gesicht und Altersflecken bedecken ihre Haut. Sie sieht etwas lächerlich aus mit ihrem doch sehr aufreizenden Zimmermädchenkleid. In ihrem Traum ist ihr Haar nicht gefärbt, es sieht schlohweiss aus.
Cathy wacht verdattert auf, starrt erstmal einige Minuten an die Decke und blinzelt. Sie vergewissert sich wo sie ist und starrt auf ihren Arm, auf die fahle und makellose Haut neben den Blutergüssen. Der Traum kommt ihr sehr real vor. Sie reibt sich den Schlaf aus den Augen und holt sich ein Glas Wasser bevor sie sich wieder hinlegt. Es war noch nicht einmal Mittag.

Als sie wieder aufwacht ist es früher Nachmittag und sie fühlt sich erholt und ausgeschlafen. Monsieur Morel klopft bereits an ihre Türe, da ist sie noch nicht fertig mit der Morgentoilette. Sie lässt gerade ein Bad ein und redet kurz mit Morel. Dieser besteht jetzt darauf, dass Cathy den Vorfall der Polizei meldet und er lässt sich auch nicht von Cathy überzeugen dies nicht zu tun. Sie tut dies natürlich auch nicht auf eindringliche Art; hinterher würden vielleicht noch Zweifel an ihrer Geschichte laut. Sie willigt also ein und verspricht, sich am Nachmittag unten im Büro von Morel einzufinden, um die Fragen der Polizei zu beantworten. Morel hatte diese sogar schon verständigt. Widerstand wäre also in jedem Fall zwecklos gewesen.

Sie schliesst die Tür und seufzt. Es war trotzdem noch genügend Zeit bis zum frühen Abend. Sie würde hoffentlich Anuschka treffen. Wofür – das wusste sie in diesem Moment noch nicht. Würden sie das Thema vertiefen und sich über die Worte unterhalten? Würde sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Gantzburg auf einer persönlichen Ebene dafür interessieren warum sie diese Worte kannte? War Cathy das überhaupt recht? Oder wünschte sie sich ein weiteres Mal eine sexuelle Begegnung mit der jungen Frau? Oder wollte sie gar mehr? Konnte sie sich eine Beziehung zu einer Frau wirklich vorstellen, besonders zu dieser Frau? Sie war ein Küken, verglichen mit Cathy. Sie würden nie ebenbürtig sein. Anuschka war klug aber nur in einer Beziehung. Wenn Cathy alles über die Worte wusste würde Anuschka vielleicht sehr schnell uninteressant für sie werden.

Sie zuckt mit den Schultern und setzt sich seufzend in die Badewanne. Das Wasser umschmeichelt ihre zarte und junge Haut. Sie schliesst die Augen und lässt sich wohlig schnurrend tiefer ins Wasser gleiten, bis das Wasser ihre Brüste mit Schaum bedeckt.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 27.11.2021 16:25.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 8, Episode 2

von Alina am 26.11.2021 20:27

Lyon, Bureau de Interpol
Octobre 1968, au début du mois


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 Die Kartons mit den Akten sehen gut gepflegt aus; allerdings schien ihnen die Reise nicht gut bekommen zu sein. Die Kanten waren frisch angestossen und die Pappe schien sogar etwas feucht geworden zu sein. Hill nimmt seine Brille ab und sieht den Dienstboten nun genauer an. Der weiss genau warum Hill ihn so ansieht und er hebt nur abwehrend die Hände. Hill seufzt und verscheucht den jungen Mann.

Hill heisst Rolf mit Vornamen, ein Kind deutscher und englischer Einwanderer, die väterlicherseits im 18. und mütterlicherseits im 19. Jahrhundert nach Amerika kamen. Sie waren an der Ostküste geblieben, sein Elternhaus stand in Winchester, Virginia, nahe Washington. Er selbst war gerade 32 Jahre alt geworden; nicht besonders gross, schlank und er hatte rotblondes Haar und einen ebenso rotblonden, kurzgeschnittenen Schnurrbart. Er sah so unscheinbar aus, dass er schon bei in einer Gruppe von drei Personen oft nicht mehr erinnert wurde – aber was konnte einem Polizisten besseres passieren? Er war unverheiratet und wollte das auch bleiben. Trotz der glücklichen Ehe seiner Eltern hatte er vor Karriere zu machen. Er würde entweder eine gute Frau kennenlernen oder eben nicht. Seine Arbeit liess sowieso keine grossen Eskapaden am Wochenende zu und er kannte genügend Kriminalromane mit unglücklichen Ehefrauen, die angsterfüllt zu Hause auf ihren Mann warteten. So etwas brauchte er nicht, sagte er sich in einsamen Momenten.

Er schneidet die Kartons auf und wirft einen Blick hinein. Dann holt er die Akten aus den Kartons, es waren insgesamt 6 Kartons und in jedem befanden sich etwa fünf bis sechs Aktenordner. Er prüft alle Ordner, sie sehen gut aus und die Dokumente scheinen unbeschädigt zu sein.
In fünf Kartons fördert er so 28 Aktenordner zutage die fast ausschliesslich Zeitungsausschnitte beinhalten und im letzten Karton findet er eine Materialsammlung, die hoffentlich aussagekräftiger war als die ganzen Zeitungsauschnitte. Aber Hill ist sicher, dass alles wichtig sein würde, früher oder später.

Hill arbeitete seit einem Jahr bei Interpol in Lyon. Hier stand das Hauptquartier der einzigen weltumspannenden Polizeibehörde. Er war nicht begeistert davon gewesen zu den "Froschköppen" zu gehen und sogar nach Frankreich ziehen zu müssen. Aber das war der Preis gewesen, er war vom National Central Bureau in Washington aus hierher geschickt worden. Grund dafür war einerseits eine Beförderung; er hatte dort sehr gute Arbeit geleistet, insbesondere hatte er sich durch Diplomatie zwischen dem FBI und dem NCB in Washington einen Namen gemacht. Das hatte nicht allen Kollegen gefallen aber der Erfolg hatte ihm Recht gegeben. Zwei international gesuchte Betrüger waren durch diese gelungenen Kooperationen identifiziert und festgenommen worden.

Dies war aber nicht der einzige Grund gewesen. Hill war mit einem Fall betraut worden für den wohl ein Höchstmaß an Kooperation zwischen verschiedenen Behörden notwendig war. Intern sprach man nur von der "Operation May" die allerdings nicht so hiess weil sie irgendetwas mit dem Monat Mai zu tun hatte, sondern für "Jugend" stand. Ein Fall, in dem seit mehr als 40 Jahren eine Frau die Hauptrolle spielte die nicht zu altern schien.
Hill war kein abergläubischer Mensch. Fast niemand bei Interpol hatte einen Sinn für solche Dinge. Hier ging es um Fakten. Aber genau diese Fakten sammelte er seit einigen Jahren – er hatte sich sogar zum hauptamtlichen Sachbearbeiter dieses Falles durchgedrängelt.

Die Gründe dafür wiederum waren ebenso vielseitig. Einerseits sollte diese Cathy Hasselmann aus Baltimore stammen – einer Stadt die er sehr gut kannte, lag sie doch nur knapp hundert Meilen von Winchester entfernt. Es wohnten Verwandte von ihm in Baltimore. Dazu kam dass ihn dieser Fall wirklich interessierte und zwar gerade wegen seiner unglaubwürdigen Anteile. Andere Mitarbeiter rümpften die Nase wenn es um diese Frau ging, die anscheinend eine immerwährende Jugend genoss. Wie arbeitete man an einem Fall wo es anscheinend nicht mit rechten Dingen zuging, vielleicht sogar mit unnatürlichen Phänomenen für die man aber keinerlei Werkzeuge besass? Hill reizte das und er wusste dass er den Schlüssel zu diesem Geheimnis finden konnte und eine Erklärung finden würde. Für jeden Polizisten gab es diesen einen Fall der ihn faszinierte und diese Faszination war sogar ein besserer Schlüssel zum Erfolg als Erfahrung oder Können. Was nutzten Erfahrung und Können wenn dem Beamten der Fall an sich völlig egal war?
Und das war schliesslich das Ziel von Polizeiarbeit: rationale Erklärungen für jedes noch so unverständliche Phänomen zu finden. Hatte man erst ein Motiv und wusste man über alle Fakten Bescheid, dann löste sich jede Verwunderung über die Tat oft in Luft auf und übrig blieb ein sehr profaner und langweiliger Fall. Vielleicht war es eine Sekte, die rothaarige junge Frauen aufnahm – die dann wiederum seit vielen Jahren Menschen ermordeten! Wer wusste das schon?

Wieder blickt er auf die leeren Kartons nachdem er den letzten Karton ausgeräumt und sich über den Inhalt schnell einen Überblick verschafft hatte. Viele Notizen, Karten, eine grosse Karte mit gezeichneten Querverbindungen. Das war sehr gut – genau das hatte er gesucht. Der Inhalt dieser Kartons war Gold wert und er würde Kopien von den wichtigsten Stücken anfertigen lassen müssen. Er tritt an die Tür und ruft nach einem Dienstboten. Die Kartons mussten aus seinem Büro verschwinden.

Absender war übrigens ein gewisser Henry Doyle. Er selbst hatte Doyle einmal getroffen, damals in Pittsburgh. Das war wirklich ganz am Anfang seiner Karriere gewesen und er hatte damals noch einen anderen Kollegen vom NCB begleitet der diesen Fall bearbeitete.
Die Agentur von Robert Evans war Anfang der 1960er Jahre nach Pittsburgh gezogen und er hatte Evans zwei- oder dreimal getroffen und einmal war Doyle dabeigewesen. Die beiden hatten viele Jahre zusammengearbeitet. Nun war Evans tot, er war vor fünf Monaten an einem Herzinfarkt gestorben und Doyle hatte die Agentur aufgelöst. Interpol hatte glücklicherweise grosses Interesse an Evans' Arbeit, nicht zuletzt hatte Hill darauf gedrängt. Sie hatten die Akten angekauft, es steckte zugegebenermaßen eine ganze Menge Arbeit darin.
Er greift den Telefonhörer und während der Dienstbote griesgrämig die Kartons entsorgt, meldet Hill ein transatlantisches Ferngespräch an und verlangt nach einem gewissen Mr. Donahan vom St. Louis Post-Dispatch.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.03.2022 16:12.
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