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Kapitel 4, Episode 2
von Alina am 06.11.2016 02:25„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
29th of January, 1943, 1830 MT
Quelle des Bildes
Der Alarm hatte sich als Fehlalarm herausgestellt. Es waren wohl Vögel gewesen oder was auch immer. Die Männer an Bord waren nervös. Natürlich kochte hier nichts so sehr wie die Gerüchteküche. Es gab keine Zeitung und kein Radio, also musste man sich anderweitig informieren. Cathy wusste längst, dass man nicht allzuviel auf diese Informationen geben sollte, aber es vertrieb natürlich die Zeit auf eine angenehme Weise. Aber es stimmte wohl, dass die Führung einen Angriff erwartete und daher eine defensive Stellung bezog. Die Japaner zogen hier Truppen zusammen und die Amerikaner taten dasselbe. Das war auch der Grund, warum die USS Enterprise in diese Gewässer verlegt worden war. Man konnte also nicht vorsichtig genug sein.
Cathy hatte sich noch am gestrigen Abend wieder mit dem jungen Matrosen unterhalten. Er hiess Shawn und war wohl am gleichen Tag an Bord gegangen wie Cathy auch. Er war etwas schüchtern, aber das störte Cathy nicht. Sie hatte sowieso nicht vor, Aufmerksamkeit zu erregen. Shawn war zuvorkommend und freundlich und hatte am Abend zuvor nicht einen einzigen Annäherungsversuch gewagt. Sie hatten sich zum Mittagessen wieder verabredet und auch das war nett gewesen. Normalerweise aß Cathy mit den anderen Frauen, aber es gab immer mal Ausnahmen von dieser Regel, die natürlich von den Tischnachbarn fast eifersüchtig zur Kenntnis genommen wurden.
Seit sie an Bord gegangen war, hatte es zwei Männer gegeben, die ebenfalls mit ihr gegessen hatten und mit denen sie sich getroffen hatte. Nur zwei Männer, das war recht wenig für diese ganze Zeit an Bord. Sie rechnete nach und kam auf mehr als drei Monate. Es war sehr wenig, aber hier draussen in der Stille diesen riesigen Ozeans war es anders als auf dem Festland. Sie hatte sogar nur diese zwei Männer eher aus einem Gefühl der Vorsorge getroffen. Sie hatte damit gerechnet, dass sich die Stimmen bald melden mussten, was sie aber nicht taten. Sie waren zwar immer präsent, aber unaufdringlich und leise. Sie wusste, dass die Stimmen auch ganz anders konnten! Und jetzt genoss sie fast die Ruhe die man ihr gab, die Pause die man ihr gewährte. Die vergangenen Jahre waren auch recht anstrengend gewesen.
Und so war sie gar nicht auf ein Abenteuer aus. Da kam ihr dieser junge und schüchterne Matrose gerade recht. Sie unterhielt sich einfach lieber mit Männern, als mit Frauen. Frauen waren neidisch, eifersüchtig, hinterhältig und noch dazu oft verbittert. Das war Cathy oft zu anstrengend und sie hatte auch kein Interesse daran, sich in einer Gruppe von Frauen durchzusetzen und dort zu behaupten. Sie war ohnehin bald wieder weg, da konnte sie sich auch gleich mit Männern unterhalten, die ihr gegenüber keine negativen Gefühle hegten, eher im Gegenteil. Es war einfach sehr viel einfacher und unterhaltsamer. Cathy war sich fast sicher, dass Frauen nur Freundschaften zu Frauen pflegten, wenn diese auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden waren und das auch nicht ändern konnten.
Ein Mann war bei Reparaturarbeiten von Deck gefallen und hatte sich beim Aufprall auf der Wasseroberfläche das Genick gebrochen. Die Bergungsmannschaft konnte den Mann zwar an Bord holen, aber nur noch dessen Tod feststellen. Es war der erste Mann gewesen, mit dem Cathy sich getroffen und mit dem sie auch verkehrt hatte an Bord. Niemand hatte dumme Fragen gestellt, aber Cathy fiel sofort der Nachteil des Schiffes auf: zwar konnte sie hier niemand erreichen, der vielleicht noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen hatte, aber sie konnte hier auch nicht weg, wenn die Dinge heikel werden würden. Vielleicht wussten die Stimmen das und liessen sie deshalb in Ruhe.
Das Abendessen lässt Cathy ausfallen, weil sie noch keinen Hunger verspürt. Sie hatte sich einen kleinen Vorrat angelegt, aus dem sie sich bediente, wenn sie ausserhalb der Essenszeiten Hunger hatte. Zwar hatte sie sich längst an den Rhythmus an Bord gewohnt, aber sie blieb einfach gern nachts etwas länger auf und aß dann noch etwas, bevor sie schlafen ging.
Sie ist gerade auf dem Rückweg vom grossen Speiseraum, weil sie sich wenigstens eine Kleinigkeit holen wollte, damit ihr Vorrat nicht zur Neige geht, als sie hinter sich Schritte hört, die sich schnell nähern. Die Gänge waren zwar klein, aber doch gross genug, dass man auch zu zweit aneinander vorbeigehen konnte. Sie dreht sich um und ein Mann läuft auf sie zu.
Cathy erkennt ihn sofort, es ist Sergio. Mit ihm hatte sie den Jahreswechsel verbracht, besser gesagt in seinen Armen. Um diese Zeit wurde jeder etwas melancholisch, der keinen Partner hatte. Auch wenn die verheirateten Frauen und Männer an Deck hier allein waren, so wussten sie doch, dass zuhause jemand auf sie wartete. Und die anderen fühlten sich ziemlich allein, besonders an Weihnachten und Silvester. Auf einem Schiff war dieses Gefühl viel stärker gewesen und hatte die ganze Stimmung an Bord getrübt oder zumindest beeinflusst. Da es viele junge Männer an Bord gab, gab es auch dementsprechend viele unverheiratete oder höchstens verlobte Männer, die aber dann trotzdem traurig wurden, weil sie grosse Sehnsucht hatten.
Cathy staunt etwas, denn sie hatte ihn seit ihrem Rendezvous nicht mehr gesehen. Obwohl es hier mehr als zweitausend Mann Besatzung gab, war das trotzdem ungewöhnlich.
„Cathy! Cathy..." Er bleibt stehen und grinst sofort wieder auf diese gewinnende Weise, wie sie ihn in Erinnerung hat. „Ich habe dich eben zufällig gesehen und... ich musste dir einfach folgen."
Cathy sieht ihn etwas misstrauisch an und sagt dann:
„Wo warst du denn die ganze Zeit? Du hast doch immer zur gleichen Zeit gegessen wie ich."
Sergio grinst weiterhin breit. „Ich habe im Loch gesessen. Bin auf Wache eingeschlafen und dann... 21 Tage Bunker."
„Du bist... auf der Wache eingeschlafen?" Cathy ist jetzt sogar etwas empört. Sergio fasst Cathy am Oberarm: „Ja, schon gut! Natürlich war das grosser Mist, aber... ich war 21 Tage in Einzelhaft, verstehst du? Ich hab' meine Strafe bekommen! Und jetzt reg' dich nicht auf, okay? Das steht dir nicht." Er stupst über ihre Nase und sie wehrt ihn mit gespieltem Ärger und einem Grinsen auf den Lippen ab.
Sergio schaut sich schnell um, dann greift er Cathy und drückt sie an sich. Er sieht Cathy tief in die Augen und sie kann seine aufgestaute Sehnsucht, die man wohl eher Gier nennen sollte, darin funkeln sehen. „Ich will dich, Cathy. Jetzt. Sofort."
Soundtrack für diese Episode: Demonic Whispers
Kapitel 4 - Pazifik
von Alina am 05.11.2016 00:40„The Big E", Aircraft Carrier USS Enterprise, United States Navy
Rennell Islands, Solomon Islands, Pacific Ocean, 2000 miles northeast from Australia
28th of January, 1943, 1400 MT
4. Mr. Dempsey
Als Cathy an Deck ging, stach ihr sofort die Sonne ins Gesicht. Es war Januar und normalerweise war sie im Januar anderes Wetter gewohnt. Hier jedoch schien es Sommer zu sein. Ein Matrose hatte ihr das mal erklärt, aber es war ihr wieder entfallen, warum Sommer und Winter anderswo vertauscht waren. Eigentlich konnte es ihr auch gleich sein.
Sie kam sowieso nicht oft an Deck. Hier oben konnte man gar nicht ahnen, dass sich mehr als zweitausend Männer auf diesem riesigen Schiff befanden. Für sie war das auch kein Schiff, sondern eher eine fahrende Insel. Eine Fläche, fast so weit das Augen reichte, grösser als ein Football-Feld, dann da hinten die kleinen Flugzeuge. Es war gar nicht gern gesehen, wenn die Mädchen sich an Deck wagten, das brachte nur Unruhe, sagte man. Aber sie musste doch mal Luft schnuppern und ein paar Sonnenstrahlen abkriegen. Man wurde ja richtig schwermütig dort unten!
Dies hier war bisher ihre längste Reise und es war kein Vergnügungsausflug. Sie befand sich an Bord eines Flugzeugträgers der US Navy und soweit Cathy wusste, waren sie in der Nähe von Australien! Das musste man sich mal vorstellen – Australien! Die Jungs wollten den Japs gründlich die Tour vermasseln und bisher sah es wohl ganz gut aus.
Sie war im Oktober 1942 in Pearl Harbour an Bord gegangen, nicht ganz ein Jahr nach dem vernichtenden Angriff der Japaner, und hatte seitdem zwei Schlachten an Bord der USS Enterprise erlebt. Sie hatte natürlich nichts davon gesehen, wenigstens die Mädchen durften während dieser Zeit nicht an Deck. Aber während dieser Zeit herrschte ein Ausnahmezustand an Bord, den man auf jeden Fall permanent spürte.
Ausserdem wurde die USS Enterprise zwischendurch von zwei Bomben getroffen und musste sogar an Land repariert werden. Auch das musste man sich mal vorstellen! Zwei kleine Bomben und dieses riesige Ding konnte kaum noch weiterfahren.
Wie sie nach Pearl Harbour gekommen war, konnte sie nicht mehr genau nachvollziehen, jedenfalls nicht alle Stationen. Sie hatte New Orleans Hals über Kopf verlassen müssen, war nach Houston gefahren. Da war sie etwas geblieben, bis Jules sie mit nach San Francisco mitnahm. Das musste um die Jahreswende 1941/1942 gewesen sein, denn die Vereinigten Staaten waren dem Krieg gegen Deutschland und Japan beigetreten. Er musste nach San Francisco, denn von dort sollte er als Soldat bald in den Krieg ziehen. In seinem Einberufungsbefehl stand jedenfalls, dass er sich in San Francisco melden sollte.
Dort hatte sich Cathy dann auch entschieden, mit der 'President Grant' nach Hawaii zu fahren. Denn in San Francisco war etwas sehr schnell sehr schief gelaufen. Sie musste dort wieder weg und ganz fix. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt gewesen, bis sie die USS Enterprise betreten hatte. Sie musste verrückt gewesen sein!
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Es war eines dieser Plakate gewesen, die Cathy gesehen hatte. Die Frauen wurden dazu aufgefordert, auch ihren Beitrag zu leisten und Cathy fand, dass das gar keine schlechte Idee war. Sie wusste, dass in Europa schon seit vier Jahren ein riesiger Krieg tobte und was Japan anging, nun ja, das würde sie auf einer Weltkarte wohl erst nach längerem Suchen finden, aber die Aussicht darauf, etwas vom Pazifischen Ozean zu sehen und vor allem nicht greifbar zu sein für eventuelle Häscher, das klang in diesem Moment sehr attraktiv.
Sie waren Cathy wohl auf den Fersen gewesen. Höchstwahrscheinlich war es nur die lokale Polizei, aber sie wusste es nicht genau. Sie würde sich nicht wundern, wenn das FBI mittlerweile auch involviert wäre. Sie zog eine Spur von mysteriösen Todesfällen hinter sich her und zwar quer durch die Vereinigten Staaten. Sie wunderte sich schon seit langem, dass niemand auf die Idee kam, diese miteinander in Verbindung zu bringen. Denn die meisten dieser Todesfälle ereigneten sich in den Hotels selbst, in denen sie auch arbeitete. Und schon damals in New York hatte man doch schon diesen Mister, wie hiess der Mann noch gleich der vom Balkon gestürzt war, in Verbindung mit dem Tod ihres Hausherrn in Baltimore gebracht. Was war seitdem geschehen? Es war eine Menge Zeit vergangen, aber die Polizei hatte anscheinend ihre Fährte wieder verloren.
Es war etwas betrüblich, dass sie wie eine Verbrecherin gejagt wurde, jedenfalls kam es ihr so vor. Dabei hatte sie doch nie... Sie stockte und ihr fielen dann erst eine, dann noch eine weitere Ausnahme ein. Aber das war doch immer Notwehr gewesen! Es waren Männer gewesen, die eindeutig zu viele dumme Fragen gestellt hatten. Warum konnte man sie nicht in Ruhe lassen? Wieso reichte es nicht, wenn sie ein oder zwei Mal sagte, dass sie die Herren nicht kennt? Es wurde nachgefragt und nachgebohrt und zwar so sehr, dass sie sich wirklich um ihre Sicherheit sorgen musste.
Sie hatte jedenfalls nie etwas Böses gewollt. Sie war nach New York gegangen, um selbständig zu werden und ein neues Leben anzufangen. Aber sie war nicht allein gegangen. In ihrem Kopf war sie niemals allein.
Sie denkt gerade nochmal an den ehrenwerten und dann verstorbenen Mr. Richards aus Baltimore, als die Luftschutzsirenen an Bord losheulen. Cathy schaut automatisch in den Himmel, genau wie alle anderen an Deck, aber sie kann nichts erkennen. Ein Arm legt sich nur ganz leicht um ihre Hüfte und als sie sich herumdreht, sagt ein junger Matrose:
„Sie sollten schnell unter Deck gehen, Miss. Hier wird es gleich schwer zur Sache gehen. Sie sollten sich in Sicherheit bringen." Er lächelte sie an und auch Cathy schmunzelte, bevor sie nickte und sich dann von ihm löste. Diese Jungs waren alle gleich!
Soundtrack für diese Episode: Django Reinhardt - Manoir De Mes Rêves
Ausblick auf das vierte Kapitel
von Alina am 04.11.2016 14:44Hier ein kleiner Ausblick auf das vierte Kapitel, welches heute Nacht startet. Wo und zu welcher Zeit es spielt, darüber könnt ihr ja vielleicht anhand dieses Ausblickes spekulieren.
Ich wünsche euch viel Spass mit dem vierten Kapitel und ich wünsche euch auch bereits ein schönes Wochenende!
Intermezzo 1, Episode 4
von Alina am 03.11.2016 23:57Baltimore, E Madison Street, 1st of June, 1903
Quelle des Bildes
Schorsch war die ganze Zeit bei Cathy gewesen. Erst im Morgengrauen traute Inge sich, ihren Mann zu wecken, der auch eingenickt war. Sie sieht nach Cathy und wieder schnürt es ihr das Herz zusammen. Auch sie wusste, dass sie ihr Kind bald verlieren würde.
Sie tupft den Schweiss vom dem Gesicht des Kindes. Schorsch hatte in das Bettchen gesehen und war dann in die Küche gewankt. Er musste eine schreckliche Nacht gehabt haben. Inge sieht durch den Türrahmen, dass er den Kaffee trinkt, den sie ihm aufgebrüht hatte.
Als er zur Arbeit geht, setzt sich Inge wieder an das Bettchen und wacht über das Kind. Es ist ein Warten auf den Tod. Auch sie haderte mit ihrem Gott. Aber sie dachte auch an Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern sollte und sogar dazu bereit war. Das hier war eine Prüfung Gottes und sie würde nicht verzagen.
Als der Doc gegen zehn Uhr morgens bei ihr vorbeikommt, geht sie kurz in die Küche, um ebenfalls einen Kaffee zu holen für sich und den Doc. Als sie wiederkommt, sieht sie in ein verblüfftes Gesicht des alten Mediziners.
„Was... ist denn hier passiert?" fragt er so verdutzt, dass ihn Inge anfangs erst gar nicht versteht.
„Was... soll denn hier passiert sein?" fragt sie ebenso verdutzt zurück.
Der Arzt untersucht Cathy weiter und Inge schaut dabei sprachlos zu. Dann endlich dreht sich der Mann zu ihr um und sagt: „Ihre Temperatur ist gesunken. Ihre Vitalfunktionen sehen besser aus. Ihr... geht es besser." Seine Stimme klang noch trügerisch, als würde er dem Braten nicht trauen und er würde sicherlich auch keine trauernde Mutter noch mehr quälen wollen, als bisher nötig gewesen wäre. Aber die Zeichen sind eindeutig. Entweder das war ein teuflischer Krankheitsverlauf und ihr würde es einige Stunden gut gehen, bis sie dann wirklich starb oder sie war auf dem Weg der Besserung.
Inge stürzt zum Bettchen und legt einen Finger auf die kleine Stirn. Cathy atmet auch anders, der Doc hatte Recht! Sie schlägt die Hände vors Gesicht und beginnt Freundentränen zu weinen!
Soundtrack für diese Episode: Ave Maria
Intermezzo 1, Episode 3
von Alina am 02.11.2016 22:30Baltimore, E Madison Street, 31th of May, 1903
Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)
Der Weg nach Hause war verstörend gewesen. Noch nie war er so verwirrt gewesen. Was im Dreiteufelsnamen war das gewesen? Schorsch wusste nicht mal, ob er Carl darauf ansprechen sollte oder nicht. Carl wusste sicher, was dort vor sich ging, aber es war ihm schleierhaft, warum er ihn dorthin geschickt hatte.
Aber die meiste Zeit über hatte er über Cathy nachgedacht. Wenn das Realität gewesen wäre, hätte er Cathy also geopfert, um ihr Leben zu retten? Das klang reichlich absurd. Und während er darüber auf dem Weg nach Hause nachgedacht hatte, war ihm die Ausweglosigkeit der Situation bewusst geworden. Dieser Humbug heute Nacht, das war sein letztes Ass im Ärmel gewesen. Der Doc hatte gesagt, dass es sich eher um Stunden als um Tage handeln musste. Als er zur Tür eintritt, hatte er bereits alle Hoffnung fahren lassen. Vielleicht war sie schon gestorben und er war nicht einmal zuhause gewesen.
Er geht ins Schlafzimmer. Seine Frau wacht am Bett, sie war auch eingenickt. Er geht zu ihr und weckt sie auf. Sie sieht zu ihm hoch und Schorsch sagt:
„Leg dich drüben etwas hin. Ich werde hier wachen." Inge sieht ihn etwas irritiert an, kommt langsam zu sich, dann schüttelt sie den Kopf. „Nein, ich bleibe hier. Sie braucht..."
„Geh rüber, Weib!" Schorsch hört sich selbst reden. Es war nicht das erste Mal, dass er so mit ihr redete, aber es geschah extrem selten. Inge sieht ihn erschrocken an und steht auf.
„Tu, was ich dir sage", sagt er in etwas ruhigerem Ton und sie verlässt den Raum.
Er beugt sich über sein Mädchen. Da liegt sie – seine kleine Prinzessin. Sie sah aus wie eine echte Deutsche. Schorsch beginnt sofort zu weinen und Tränen fallen auf die Decke, womit das Kind zugedeckt ist. Er erinnerte sich daran, wie er vor ihrer Geburt gezittert hatte, ob sie ein gesundes Kind werden würde, wie er bei mancher Fiebernacht an ihrem Bettchen gesessen hatte, obwohl er morgens früh in die Fabrik musste. Er erinnerte sich, wie er mit ihr gespielt hatte und wie sie herumgelaufen war und stolz seine Geschenke umhergezeigt hatte, die er ihr oft mitgebracht hatte. Er liebte sein Mädchen über alles.
Er küsst sie auf die glühende Stirn. Sie sieht schwach aus. Er muss die Hand vor ihr Gesicht halten, um noch Atem zu spüren. Das konnte nicht sein. Wie konnte Gott nur so etwas zulassen? Er sieht sie an und flüsterte dann: „IGISUM. IGISUM. IGISUM."
Soundtrack für diese Episode: My Dying Bride - Symphonaire Infernus et Spera Empyrium (Intro)
Intermezzo 1, Episode 2
von Alina am 01.11.2016 23:29Baltimore, Old Saw Mill, 31th of May, 1903
Quelle des Bildes
Am Abend steht Schorsch vor der alten Sägemühle. Es sieht erst so aus, als wäre niemand da, doch wenn er genau hinsieht, kann er Kerzenschein entdecken. Er fasst sich ein Herz und klopft an die Tür. Es dauert einen Moment, bis eine dunkle Gestalt öffnet, die im Schatten des Raumes steht. Aber Schorsch kann erkennen, dass sie eine dunkle Kapuze trägt, aber gerade absetzt. Schweigend bittet der Mann Schorsch mit einer Geste, einzutreten.
Inge war besorgt gewesen und hatte ihn gefragt, wo er denn so spät abends noch hinwollte. Er hatte gesagt, dass er noch ein Bier trinken geht. Inge war selbst aufgelöst, voller Schmerz, sie weinte den ganzen Tag. Ihr kleines Mädchen lag im Sterben und dieser Mann wollte Bier trinken. Sie verstand wohl, dass er den Schmerz wohl auf diese Weise betäuben müsste, aber dass er sie allein liess, machte ihren Schmerz noch grösser.
Sie hatte gesehen, wie Schorsch vorher noch ins Kinderzimmer ging und nach Cathy schaute. Sie höre ihn bitterlich weinen. Sie tat ihm Unrecht, wenn sie dachte, dass er kein guter Mann und Vater wäre. Er kümmerte sich um seine Familie. Er war ein harter Mann, er arbeitete sehr hart, damit es ihnen gut ging. Er litt wie ein Hund unter der Hirnhautentzündung seiner Tochter. Cathy war sein Ein und Alles. Sie wusste nicht, wie es mit ihrer Ehe weitergehen sollte, wenn sie jetzt stürbe.
Am Schlimmsten war der Verlust seines Glaubens. Sie wusste, dass er meist ihr zuliebe in den Gottesdienst ging, aber er war sicher ein frommer und gottgefälliger Mann. Nicht so bibeltreu und fest im Glauben wie sie, aber er bemühte sich. Gott würde das anerkennen. Aber jetzt, jetzt verlor er seinen Glauben, das hatte sie seinen Kommentaren schon angehört. Er würde Gott verfluchen, wenn Cathy tot wäre, das war so klar wie das Amen in der Kirche. Er würde es Gott niemals verzeihen, wenn er ihm sie wegnehmen würde.
Schorsch tritt ein und die Tür schliesst sich hinter ihm. Nun erst hört er den leisen Singsang im dem grossen Raum. Der Mann mit der Kapuze sieht Schorsch ernst an, legt einen Finger auf die Lippen und bedeutet ihm, zu schweigen. Dann führt er ihn zu dem Kreis der Männer, die sich in der Mühle versammelt haben, schwarze Röcke tragen und Kapuzen aufgesetzt haben. Auch der Mann von der Tür zieht seine wieder auf.
„MAHARU. IRKALLA! MAHARU. IRKALLA!" Schorsch hat das Gefühl, die Worte endlich zu verstehen, die die Männer in einem nuschelnden Singsang vor sich herbrummen, auch wenn sie für ihn keinen Sinn ergeben. Natürlich wird im mulmig, aber er wusste bereits im Ansatz von Carl, was ihn hier erwarten würde. Trotzdem war es einschüchternd, wenn man vor Ort war und es miterlebte.
Plötzlich ist Ruhe und zwar für mehrere Augenblicke. Dann wird in einer fremden Sprache ein Text vorgelesen. Er wird sehr langsam vorgelesen, sodass man fast jede Silbe versteht, aber Schorsch hatte diese Sprache noch nie gehört. Es war auch kein Latein. Er war zwar kein sehr gebildeter Mann, aber Latein hätte er sicher identifizieren können. Dann herrscht wieder Ruhe.
„Warum bist du hier, schwacher Mensch?" Eine Stimme im Kreis sagt das, aber Schorsch kann nicht erkennen, wer es war. Seine Augen fliegen am Kreis der Männer vorbei. Der Mann neben ihm, der ihn an der Tür empfangen hatte, sagt mahnend: „Senke dein Haupt, schwacher Mensch."
Schorsch senkt sofort den Kopf, sucht noch einen Augenblick aus den Augenwinkeln weiter, aber gibt dann auf.
„Warum bist du hier, schwacher Mensch?" Die Stimme wiederholt es, sie wurde ungeduldiger.
Schorsch überlegt, sucht nach passenden Worten. „Meine... meine Tochter ist krank. Sie wird sterben. Sie hat Hirnhautentzündung, sagt der Doc. Sie ist noch ein Kind, fast ein Baby. Ihr müsst... jemand muss mir helfen. Jemand muss ihr doch helfen!"
Wieder Stille.
Dann spricht die Stimme wieder. „NAMTARU freut sich über dieses Opfer. Deine Tochter ist krank, weil er es will. Er hat sein Gift über ihr ausgeschüttet und sie soll zu ihm gehen."
Die Worte des Mannes ergaben keinen Sinn. Tränen flossen über Schorschs Wangen.
„Man sagte mir, dass ihr... mir helfen könnt." Er sieht plötzlich auf und schaut wild in die Runde.
„Könnt ihr das oder nicht? Ist das hier der gleiche Humbug wie in der Kirche und verschwendet ihr nur meine Zeit?" Er merkt, dass ihn etwas am Hinterkopf trifft, dann wird es dunkel.
Als Schorsch wieder wach wird, dröhnt sein Kopf. Er liegt am Boden und jemand hat einen Eimer eiskaltes Wasser über ihm ausgeleert.
„Steh auf, schwacher Mensch. Und zügele deine Zunge. Rede nie wieder so zu NAMTARU. Nie wieder."
Schorsch nickte nur schwach und stand auf, bis er wieder auf wackeligen Beinen an seinem alten Platz stand.
„IRKALLA wird dich vielleicht erhören. IRKALLA ist die Einzige, die Macht über NAMTARU hat. Sie kann ihren Sohn besänftigen, sie wird dich vielleicht erhören, wenn du dein Haupt beugst. Du bist Nichts in ihren Augen und sie wird dir keinen Gefallen tun. Hörst du?"
Wieder nickt Schorsch. Er will nur noch nach Hause. Das hier war ein Reinfall, genau wie das dauernde Beten. Das hier waren arme Irre, aber sie waren gefährlich und er wollte nicht, dass sie ihn nochmals niederschlügen.
Dann dachte er daran, dass er sich geschworen hatte, alles zu tun, was möglich war. Er nahm sich vor, nichts weiter zu tun, um diese Männer zu provozieren und mitzuspielen. Und es beruhigte ihn sogar als die Stimme plötzlich sagt:
„Du brauchst nicht an IRKALLA zu glauben, wenn du sie bittest. Ihr ist es egal, ob ein Wurm wie du zu ihr betet oder nicht. Sie hängt nicht gekreuzigt an einem Pfahl, wie der Gott deiner Frau." Es klingt vorwurfsvoll. „Du bist nur Staub. Vergiss das nie." Dann eine kleine Pause.
„Sie will wissen, ob du ihr das Leben deiner Tochter gibst, wenn sie es dafür erhält und aus den Klauen ihres Sohnen entreisst?"
Schorsch hebt die Augenbrauen und starrt dumpf vor sich auf den Boden. Er dachte nach. Es kam ihm wie ein Zirkus vor, aber die Frage war doch schwerer zu beantworten, als er dachte. Schliesslich nickt er: „Ich würde alles tun. Alles."
„Ja oder nein?" donnert die Frage durch den Raum. Er nickt schnell: „Ja, ich würde es tun."
„Was würdest du tun, du Wurm?" Die Stimme brüllt ihn an und er schreit zurück: „Ich gebe ihr meine Tochter, wenn sie nur nicht stirbt, versteht ihr? Diese... Ikalla kann meine Tochter haben, aber bitte, lasst sie nicht sterben!" Dann bricht er wieder in Tränen aus.
Er wird plötzlich von einem Mann vor sich hergestossen und findet sich schliesslich draussen vor der Tür wieder. Er sieht den Mann an. Der ist überraschend ruhig und er lächelt sogar.
„IRKALLA wird deine Bitte prüfen. Geh' nach Hause. Deine Tochter braucht dich."
Dann flüstert er Schorsch noch etwas ins Ohr und schliesst die Tür.
Soundtrack für diese Episode: Creepy Choir
Intermezzo - Rückblende, Episode 1
von Alina am 31.10.2016 22:30Baltimore, Pearson & Co. Cannery, 31th of May, 1903
Quelle des Bildes
Schorsch, den seine Kollegen nur Josh rufen und er eigentlich Georg heisst, setzt sich auf den harten Stuhl des Pausenraumes. Mittagspause. Er blickt in geschäftige Gesichter, die alle ihr Essen auspacken oder es bereits verschlingen. Der Sportteil der Zeitung macht die Runde. Schorsch nimmt seine Mütze ab und seine Augen suchen die Gesichter ab.
„Carl?" Er ruft es über den Tisch und ein stämmiger, untersetzter Mann sieht auf.
„Können wir gleich mal reden?" Der Mann nickt nur stumm, beisst in sein Sandwich und senkt wieder den Blick.
Etwa eine Stunde nach der Pause hat Schorsch die Maschine endlich repariert. Ein ganzes Fliessband war ausgefallen. Auf diesem Band wurde Fleisch eingemacht. Es roch nach Verwesung, das waren sicher Abfälle, die immer wieder vom Band fielen und nicht sofort aufgehoben wurden. Seit er hier arbeitete, aßen die Hasselmanns weniger Konserven. Er packt das Werkzeug weg und verstaut es. Dann macht er sich auf den Weg zu Carl. Ein paar Minuten konnte er erübrigen.
Die beiden sitzen sich auf dünnen Holzstühlen gegenüber und rauchen. Das Band läuft und Carl braucht gerade nichts zu tun. Schorsch sieht Carl an, bisher haben sie nur geschwiegen und geraucht.
„Cathy geht es immer schlechter", bricht Schorsch endlich das Schweigen. „Es ist jetzt schon fast eine Woche." Der Doc meinte..." Carl sieht den grossen Mann an, der zu ihm an den Arbeitsplatz gekommen ist. Er hat das Gesicht in seine riesige linke Hand vergraben und er weint. Er weint tatsächlich.
„Josh", brummt Carl nur, als wollte er ihn ermahnen, sich zusammenzunehmen. Schorsch nickt und räuspert sich.
„Der Doc meint, sie wird es nicht schaffen. Aber sie... sie ist doch..." Carl legt ihm eine Hand auf die Schulter und atmet tief durch. „...sie ist doch mein kleines Mädchen. Was soll ich denn nur tun?"
Es vergeht sicher eine Minute. Ein Vorarbeiter kommt vorbei, sieht neugierig herüber, doch ein kalter und mitleidloser Blick von Carl lässt ihn schnell weitergehen und zwar ohne Kommentar. Carl zündet sich noch eine Zigarette an und hält Schorsch ebenfalls die Schachtel hin. Der nimmt eine und sieht Carl mit blutunterlaufenen Augen an.
„Da gibt es eine alte Mühle... unten am Fluss." Schorsch nickt nur, er kennt sie. „Da gehst du hin. Heute Abend, wenn sie Sonne untergegangen ist. Hörst du?" Schorsch nickt nur.
„Ich würde alles tun, um meinem kleinen Mädchen zu helfen. Alles,verstehst du?" Er wird laut, als müsste er es allen beweisen, dabei fühlt er sich so machtlos.
„Schon gut, Josh. Geh' dahin. Sie werden wissen, dass du kommst. Wir haben schon darüber geredet. Geh' dahin. Sie werden dir helfen. Aber es wird etwas kosten. Nichts ist umsonst im Leben, Josh."
Der nickt nur und schnäuzt sich in ein Taschentuch, welches ursprünglich aus Deutschland stammt und schön mit Blumen bestickt ist.
„Ich weiss. Ich erwarte nicht, dass es umsonst ist. Sie sollen mir nur Cathy wiedergeben. Mehr will ich nicht. Mehr will ich gar nicht..."
Soundtrack für diese Episode: Asphyx - The Quest For Absurdity
Aussicht auf den Rückblick
von Alina am 29.10.2016 04:18Ich hoffe, euch hat das dritte Kapitel gefallen. Es war bisher das längste und auch opulenteste Kapitel. Da ich mich immer noch steigern will, habe ich mir viel für das vierte Kapitel vorgenommen.
Damit euch die Wartezeit nicht zu lang wird, wird es Anfang nächster Woche einen Rückblick geben, genauer gesagt einen Rückblick ins Jahr 1903.
Das vierte Kapitel wird uns dann ins Jahr 1943 führen, als die ganze Welt miteinander im Krieg liegt. Auf welchen Wegen wird Cathy dann unterwegs sein?
Ich danke euch nochmal für das treue Lesen und wünsche euch ein schönes Halloween-Wochenende!
Kapitel 3, Episode 9
von Alina am 29.10.2016 00:04Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
26th of May, 1936
Quelle des Bildes
Der Trauerzug endet in einer kleinen Kapelle in Algiers, einem Stadtteil von New Orleans. Es war ein schöner und sonniger Tag, man hörte die Vögel singen und die Mücken waren dieses Jahr noch nicht zur Plage geworden. Es folgt ein kurzer, aber recht emotionaler Gottesdienst. Obwohl der Verstorbene zuletzt in ziemlicher Armut gelebt und nach einer fast einjährigen, schweren Krankheit verstorben war, nannte man ihn einen „erinnerungswürdigen Sohn dieser Stadt", auf den „man stolz war".
Frank „Frankie" Dusen, *1878, † May 17, 1936
May he rest in eternal peace.
Cathy steht am Grab des Mannes. Sie trägt schwarz und ist tief in Gedanken versunken. Sie hatte vom Tod des Musikers gelesen, der nach seinem Aufenthalt im Monteleone nie wieder den Mississippi River befahren hatte. Er war kurz danach schwer krank geworden und diesem Umstand war es auch zu verdanken, dass er erst so spät beerdigt wurde. Es war eine Autopsie veranlasst worden, um die Todesursache näher erforschen zu können.
Es war die erste Beerdigung, an der Cathy teilnahm. Sie hatte schon mehrmals die Möglichkeit gehabt, aber sie hatte das nie gewollt. Als sie in die Grube schaut, in der Franks Sarg liegt, da spürt sie zum ersten Mal, dass dieses Begräbnis etwas mit ihr zu tun hat. Sie spürt es unmittelbar und zwar nicht wie eine Schuld, eher wie eine Tatsache. Es war so offensichtlich, dass sie sich wunderte, warum sich nicht alle nach ihr umsahen und sie darauf ansprachen.
Sie blickt in die Runde und erkennt einen weiteren prominenten Sohn dieser Stadt und einen Bekannten. Es war Mr. Felix Edward Hébert und auch er war gekommen, um dem Musiker die letzte Ehre zu erweisen. Man wusste ja, wie das war. Politiker gingen nicht auf eine Beerdigung, um zu trauern, sondern um gesehen zu werden.
Cathy macht nicht den Fehler, seine Aufmerksamkeit erregen zu wollen, ihm vielleicht sogar zu winken. Die Menschen an seiner Seite mochten zu seiner Familie gehören, sie wusste es nicht. Sie kannte und akzeptierte den Wunsch nach Diskretion und vor allem im Falle von Eddie, also Mr. Hébert, gab es keinen Grund für allzugrosse Euphorie bei einem Wiedersehen.
Sie dreht sich wieder um. Cathy war sich sicher, dass Mr. Hébert noch ein langes Leben vor sich hatte. Er lebte und Mr. Dusen lag unten in der Grube, die man ihm geschaufelt hatte. „Des einen Freud' ist des anderen Leid", murmelt Cathy leise vor sich hin.
Der Griff an ihrer Taille wird etwas fester und sie schaut seitlich nach oben in die treuen Augen ihres Gefährten. Joe hatte sie begleitet, auch wenn er nicht verstand, warum Cathy zu dieser Beerdigung fahren wollte. Sie mochte zwar Jazz, aber von diesen Dusen hatte er noch nie zuvor gehört. Joe sieht in ihre Augen und lächelt sie etwas fragend an. Cathy schüttelt nur den Kopf und lächelt. „Schon gut", flüstert sie. „Alles ist gut."
ASU
Soundtrack für diese Episode: Louis Prima - I'm Living In A Great Big Way
Kapitel 3, Episode 8
von Alina am 28.10.2016 05:59Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
16h of August, 1935 (Friday)
Quelle des Bildes
Cathy sitzt rittlings auf Frankies Schoss. Ja, welch Ironie des Lebens, auch Mr. Dusen wurde 'Frankie' gerufen. Ihr Becken klatscht in einem schnellen und trotzdem geschmeidigen Rhythmus auf Frankies Schoss herunter. Sie starrt in seine Augen und er erwidert den Blick.
Sie war immer wild darauf gewesen, mit einem schwarzen Mann zu schlafen und diese Gelegenheit ergab sich hin und wieder. Es waren natürlich meist Jazz-Musiker oder andere lokale Grössen, aber diese waren nicht besonders zahlreich im Vergleich zu den üblichen Gästen. Es kam halt hin und wieder vor. Deren Gier und deren Lust auf eine Frau wurden nicht von dieser puritanischen Zurückhaltung in Zaum gehalten, die für die gesamte amerikanische Gesellschaft charakteristisch war. Cathy spüre das deutlich während des Aktes und sie hatte sich immer darauf gefreut.
Sie hatte sich noch am gleichen Abend mit Mr. Dusen getroffen, als sie von Joe zurück ins Hotel kam. Sie war berechnend und entschlossen gewesen. Frankie war ein Mistkerl und das konnte man nicht wegdiskutieren. Sie hatte es genossen, ihn zu locken, ihn verrückt zu machen. Und sie genoss es, sich selbst auch leiden zu lassen, denn der Schmerz in ihrem Herzen verzehrte sie.
Sie hatte in dieser Nacht nicht mit ihm geschlafen, obwohl er rasend vor Lust war. Sie hatte ihm eine Karotte vor die Nase gebunden und nun sollte er einen weiteren Tag auf sie warten müssen. Diese Vorstellung befriedigte sie wenigstens etwas.
Donnerstag Nacht half dann kein Bitten und kein Betteln mehr. Sie hatte versucht, es auf die Spitze zu treiben, nochmal ungeschoren davon zu kommen. Aber Frankie war die Lust auf Spielchen in den letzten vierundzwanzig Stunden tüchtig vergangen. Er hatte sie beinahe durch die Matratze gestossen. Er war kein Gentleman gewesen und Cathy war im Endeffekt froh darüber gewesen. So kam sie wenigstens auf andere Gedanken.
Und nun sass sie wieder auf ihm und ritt ihn so, dass es offensichtlich war, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Frankie gibt tierähnliche Laute von sich und ist so entzückt von Cathy, dass er selbst sein Becken bewegt, um noch tiefer in sie eindringen zu können. Es war immer noch intensiv, wenn nicht gar hart, aber gestern hatte Mr. Frank Dusen sich so die Hörner abgestossen, dass man das heute fast Blümchensex hätte nennen können.
Cathy setzt zum Endspurt an und kurz bevor es soweit ist, klettert sie von ihm herunter und bringt es mit dem Mund zu Ende. Frankie lässt es mit vor das Gesicht geschlagenen Händen geschehen und stöhnt dabei, als wären es seine letzten fünf Minuten auf dieser Welt. Dann wischt sich Cathy mit dem Handrücken über den Mund und lässt sich schwer atmend neben ihn ins Bett sinken. „Geschafft', denkt sie noch, bevor ihr kurz die Augen zufallen. Endlich Ruhe, vor allem in ihrem Kopf.
Etwa eine halbe Stunde später verlässt sie das Hotel mit einer Zigarette, die sie Frankie stibitzt hatte. Frankie würde auch gleich schlafen, das hatte er jedenfalls angekündigt. Er hatte nicht erwähnt, dass Cathy zurückkommen sollte; vielleicht brauchte er mal Ruhe um den Kopf frei zu bekommen, nach diesen beiden Nächten.
Sie zündet die Zigarette an, ebenfalls mit einem Streichholz aus Dusens grosszügigem Fundus aus Rauchutensilien, die er immer bei sich hatte. Ihr ist kalt. Der Schweiss auf ihrem Körper trocknete unter der dünnen Kleidung, die sie nur übergeworfen hatte. Ihr Blick geht ins Leere, sie inhaliert tief und atmet mit einer melancholischen Schwere den Rauch wieder aus.
Und dann legt sich wieder etwas auf ihre Schultern und ihren Rücken wie eine wärmende Decke. Diesmal dreht sie sich nicht herum, sondern schliesst die Augen. Ihr Mund öffnet sich leicht und sie seufzt leise, als ihr Tränen die Wangen herunterlaufen. Sie braucht die Jacke nicht festzuhalten, denn er nimmt sie von hinten sanft in den Arm, kreuzt vorn die Arme um sie und drückt sie sanft an sich. Sie erkennt den Stoff der Jacke, den Geruch des Leders. Er war es.
„Die Tage in New Orleans sind oft heiss...", spricht die vertraute Stimme hinter ihr. Cathy zieht die Nase hoch, lächelt und sagt leise: „...aber nachts kühlt es sich doch ziemlich ab." Nun lächelt auch er und küsst ihren roten Schopf. Sie war wieder geschwitzt, wie vor einer Woche als sie sich kennenlernten.
Er dreht Cathy herum und als er ihre Tränen sieht, streicht er mit dem Daumen unter ihren Augen entlang und trocknet sie. Sie schauen sich lange an und Cathy weiss, dass sie nicht nochmal so schnell aufgeben wird. Und gerade gab es keinen Grund dafür. Die Stimmen waren voll des Lobes für sie und schmeichelten ihr. Wenn es einen Zeitraum gab, wo Joe sicher war, dann war es in diesem Moment.
Ihr Blick ist voller Sehnsucht und Joe streichelt ihre Wange mit seinem dicken Daumen. Er war so stark. Sein Daumen konnte sicher einen Korken in eine Flasche drücken, falls er durch den Flaschenhals passte. Als er sich herunterbeugt und sie küssen will, da dreht sie den Kopf weg, aber lächelt ihn gleich darauf entschuldigend an. „Nicht... nicht jetzt." Seinem erstaunten Blick entgeht sie, als sie den Kopf an seine Brust drückt und sich an ihn schmiegt. Es dauert nicht lange, bis seine Zweifel wieder zerstreut sind.
Soundtrack für diese Episode: The Mills Brothers - You Rascal You