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Das Zimmermädchen [FSK18]

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Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 5

von Alina am 27.06.2021 01:03

Hotel 'Grand Central', 222 Marylebone Rd, Marylebone, London
Saturday, 10th August, 1963



 Fred war ein gescheiterter Schauspieler der in so glorreichen B-Movies mitgespielt hatte wie "Street of Sinners" aus dem Jahre 1957 oder "Terror from the Year 5000" aus dem Jahre 1958. Und sogar in diesen Low-Budget-Filmen hatte er nur Nebenrollen besetzt. Schon in dieser Zeit hatte er Nebenjobs gebraucht um sich über Wasser zu halten. Und mit der Zeit war er immer weiter abgerutscht, hatte sein Interesse auf kleine Gaunereien verlagert und handelte auch im kleinen Stil mit Drogen. Cathy hatte auch eine Durststrecke hinter sich, seit einigen Jahren hatte sie schon in keinem Hotel mehr gearbeitet, das 'Beverly Hills' war ihre letzte Station gewesen. Sie traute sich nicht mehr in einem Hotel zu arbeiten, war aber auch trotzig gewesen und verschwendete keinen Gedanken daran, Hollywood so schnell wieder zu verlassen. Und so tingelte sie durch die Clubs, schlief mit Männern, trank und rauchte zuviel, probierte diese neuen Wundermittel die man auch Psychedelika nannte. Und da sie nicht gefunden werden wollte und dieses neue Leben wirklich mit grossen Risiken einherging, was ihr nur in manchen klaren Momenten auch offensichtlich erschien, suchte sie immer öfter die Gesellschaft von Leuten die es gewohnt waren im Zwielicht zu leben. Das war zumindest so effektiv dass man sie nicht fand, aber es machte ihr Leben nicht besser oder sorgloser.

Es schien als hätte sie endlich den Ort gefunden, an dem sie ihre verlorene Adoleszenz nachholen konnte. Es war durchaus ein neuartiges Phänomen dass junge Leute begannen, ihr Erwachsenwerden selbst in die Hand zu nehmen und zu ihrer eigenen Jugendzeit war das absolut undenkbar – aber nun eben doch zum Greifen nah und Cathy hatte zugegriffen, mit beiden Händen. Sie war als Teenager in einen fremden Haushalt gesteckt worden. Sie hatte dort auch gewohnt und sie hatte zu arbeiten, zu lernen, höflich zu sein. Und das hatte sich nicht geändert, im Gegenteil. Immer hatte sie vorsichtig sein müssen, es war nicht leicht zu arbeiten und immer wieder unter Mordverdacht zu geraten und fliehen zu müssen, nur um dann wieder völlig neu starten zu müssen. Dazu gehörte eine Menge Geduld, Intelligenz und vor allem Disziplin. Nein, sie hatte ihre Jugend nicht so geniessen können – nicht so!


Elvis Presley hatte einen tüchtigen Wirbel veranstaltet und zwar nicht nur in den USA, sondern überall in der Welt. Es gab Rock 'n' Roll, es gab Drogen, und um den Spruch zu komplettieren, so stimmte es dass sich die Sexualmoral der Gesellschaft auch änderte. Zumindest stimmte das für manche jungen Leute, solche gesellschaftlichen Änderungen gingen immer langsam vonstatten. Cathy war keine Historikerin aber sie hatte das am eigenen Leib erlebt. Früher wurde man rot und hielt sich die Hände vor den Mund, wenn jemand das Thema "Sex" nur andeutete – heute wurde offen über "das Ficken" gesprochen, wenn auch eher unter den jungen Leuten.

Ihre Gedanken kreisen und wollen sich doch nicht einem wesentlichen Gedanken stellen der immer wieder aufblitzt. Sie war eine Prostituierte gewesen, keine billige Dirne von der Strasse, ganz sicher nicht. Aber sie hatte ihren Körper für Geld verkauft. Damals nannte man solche Dienstleistungen noch nicht Escort-Service – was ja auch schon eine Beschönigung darstellte – sondern hinter vorgehaltener Hand sprach man von einem "Sex-Ring"; so nannten es wenigstens die Zeitungen, wenn wieder "einer dieser Sex Ringe aufflog". Es gab kein Etablissement in dem Cathy arbeitete – dies wäre viel zu gefährlich gewesen. Tanzen oder ihren Körper immer am selben Ort anbieten, das musste früher oder später ins Verderben führen. Stattdessen rief man eine bestimmte Nummer an und bestellte ein Mädchen auf ein bestimmtes Hotelzimmer oder in eine Wohnung. Wieder ging es um Hotels aber es waren doch eher diese bestimmten Hotels, die man nur stundenweise mietete und nicht tageweise. Hier interessierte man sich nur für Geld und nicht für Gesichter. Und erst recht hatte niemand Interesse "den Cops" irgendetwas zu verraten.

Cathy seufzt und steht auf. Sie kleidet sich an und verlässt ihr kleines Zimmer welches sie glücklicherweise ihr Eigen nennen kann. Sie hat kein Brot, aber die Enten im naheliegenden Regents-Park würden sie trotzdem schnatternd begrüssen und herbeiwatscheln wenn sie vorbeikam.

Sie schlendert an den Dorset Square Gardens vorbei und wechselt dann auf die Melcombe Street. Es war mit ihr bergab gegangen. Auf der einen Seite konnte sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Sie schlief dauernd mit Männern, sie hörte die Stimmen in diesen Jahren so gut wie nie, sie waren immer satt und mussten nicht drängen und lamentieren. Sie verdiente gutes Geld und führte ein Leben im Schatten. Eigentlich sollte es ein Versuch sein ob man so nicht das ganze weitere Leben gestalten konnte, es würde ihr vielleicht viel Ärger ersparen – so dachte sie zumindest damals. Stattdessen kam es ganz anders und sie hatte mehr Ärger und Sorgen als jemals zuvor.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 27.06.2021 01:20.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 6

von Alina am 28.06.2021 10:55

The Regent's Park, nahe des Stadtteils Marylebon, London
Saturday, 10th August, 1963


Soundtrack für diese Episode: Connie Francis - Who's Sorry Now?


 Sie wirft einige Brotkrumen ins Wasser und sie lächelt verträumt als sich die Enten schnatternd um das Futter balgen, immer mehr Enten kommen herangeflogen, von immer weiter entfernt. Wie ein Stein den man ins Wasser wirft und der eine kreisrunde Welle aussendet und dessen Umfang sich immer weiter ausbreitet, dessen Linie aber auch schwächer wird. Sicher hatte sie alle Enten im Umfeld von 200 Yards angelockt. Nur die wirklich weit entfernten Enten hatten noch nichts mitbekommen.

Sie hatte einer Mutter und ihrem Kind den Beutel mit alten Brotresten abgekauft. Das Kind war natürlich nicht begeistert gewesen und so hatte die Mutter den Beutel wieder zurückgezogen. Als Cathy dann noch ein paar Pennies nachgeschoben hatte, rückte sie den Beutel dann doch heraus. Der heulende Quälgeist wurde mit dem Versprechen beruhigt, dass Mama ihm nun eine Zuckerstange kaufen würde und dann hörte Cathy nur noch trotziges Schnaufen und Schniefen. Sie war froh als die beiden ausser Hörweite waren.

Menschen taten für Geld alles. Alles! Cathy hatte das getan, Fred hatte das ebenfalls getan. Sie war bei Fred hängengeblieben weil es so bequem gewesen war. Er konnte vieles besorgen, vor allem LSD und er war nicht eifersüchtig, warum auch immer. Erstens wusste er dass Cathy für Geld mit anderen Männern schlief und zweitens schürfte er immer noch aus seinem eigenen kärglichen Ruhm. Wenn er ein Mädchen mit nach Hause brachte – meist wenn Cathy nicht da war – und ihr die Filmplakate zeigte, auf denen auch – zwar klein aber immerhin – sein Name prangte, dann war es fast sicher dass beide im Bett landeten und sich vergnügten. Cathy war das lange recht. Manchmal kam sie nach Hause – obwohl sie das nie so genannt hätte – und hörte Geräusche aus dem Schlafzimmer. Dann ging sie nochmal aus oder legte sich schlafen. Ein einziges Mal trat sie ein und machte mit. Dort wo sie arbeitete war das sowieso an der Tagesordnung gewesen dass ein Mann mit viel Geld sich gleich zwei Mädchen aufs Zimmer einlud.

Sie schliesst die Augen. Sie sieht Blut, sie spürt Ärger, sie spürt Enttäuschung und noch immer Verwunderung über einen Mann der offensichtlich ihren Reizen genauso verfallen war wie alle anderen Männer. Aber Fred hatte sie ausgenutzt, er hatte sie ausgenommen, er hatte sie bestohlen, er hatte sie in Sicherheit gewiegt – alles Dinge von denen Cathy bis dato dachte dass sie das Patent darauf beanspruchen konnte.

Sie hatte ihm nie verraten woher das Geld kam welches sie einsetzte um sie beide über die Runden zu bringen wenn er wieder mal einen Gelegenheitsjob verloren hatte oder wenn er bei einem Drogengeschäft übers Ohr gehauen worden war, von Leuten die noch cleverer gewesen waren als er. Natürlich verdiente sie auch viel Geld aber er wusste nie was sie damit tat, dass sie auch hier wieder Scheine tauschte bis sie soviel $100 Noten hatte um sich wieder einen Diamanten zu kaufen. Er hatte nicht das Vogelhäuschen im nahen Garten gefunden aber leider Cathys letztes Wäschestück in dem drei kleine Diamanten eingenäht waren. Cathy fiel es irgendwann auf und als sie nachfragte, da sah sie die Lüge in seinen Augen als er es abstritt. Sie erwähnte es auch nicht wieder, auch nicht die Tatsache dass sie Diamanten vermisste. Sie hatte ihn nach einem Wäschestück gefragt und er hatte gewusst was sie meinte.

Sie hatte geplant die Wohnung zu durchsuchen und Fred dann zu verlassen, irgendwann in naher Zukunft wenn es sich anbot. Stattdessen hatte sie noch am gleichen Tag Fusel und eine Stange Zigaretten gekauft, er hatte noch etwas Acid auf Lager und so endete ihre gemeinsame Zeit ganz anders als Cathy es geplant hatte. Sie hatten sich fürchtlich betrunken, alle beide. Und im Rausch der Halluzinogene hatten sie Sex gehabt, oder besser gesagt: sie hatte ihn gefickt wie noch nie und sie hatte ihn betteln lassen bevor sie es tat. Damit hatte sie auch sein Todesurteil unterschrieben denn sie kannte die Regeln nun viel besser. Sie wünscht sich, sie wäre damals bei Joe bereits so schlau gewesen. Sie hätte lange mit ihm leben können, länger jedenfalls. Mit Fred funktionierte es, sie fütterte die Stimmen und Fred blieb verschont, sie liess ihn nicht betteln und verführte ihn nicht. So unproblematisch er beim Sex war, so unproblematisch war Cathy auch. Sie schlief einfach mit ihm und das ging sehr lange gut.

Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)


  Es ging gut bis zu jener Nacht in der Cathy so von Sinnen war. Es war ihr nicht genug dass er eh sterben musste. Sie hätte ihren Rausch ausschlafen können, sie hätte an einem ruhigen Tag die Wohnung durchsuchen können und ihn verlassen können. Aber sie hatte seinen Schwanz geleckt wie eine Besessene, sie hatte hineingebissen in das kleine Würstchen, sie war aufgesprungen, als Fred anfing zu brüllen, sie war in die Küche getorkelt und hatte sich den Zeh angestossen und die Schulter auch, sie war noch wütender geworden, sie hatte eine Schere geholt und dann hatte sie ihm die Hände weggeschlagen, ihm die Schere ins Gesicht gehauen und dann hatte sie ihm den Pimmel abgeschnitten. Es war eine scharfe Schneiderschere die sie schon bei kleinen Flickereien verwendet hatte. Sie hatte sie ihm dabei auch eine Klinge ein oder zwei Inch weit in die Scham gerammt woraufhin er bereits wieder angefangen hatte zu schreien, aber bevor er sich von dem Schlag wirklich erholen konnte den Cathy ihm versetzt hatte, war die Sache schon vorbei. Danach ging das Geschrei aber erst richtig los und Cathy hatte sich ein Tablett vom nahen Nachttischchen geschnappt und ihn damit zum Schweigen gebracht. Mit der Schere auf sein Gesicht einzuhacken kam ihr sogar im Rausch zu grausam vor; sie hatte die Schere sowieso fallen lassen, nachdem... sie es getan hatte.

Sie hatte aber den Fleischfetzen mit spitzen Fingern aufgehoben und dann im Klo heruntergespült. Sie hatte das Gesicht dabei verzogen als hätte sie in eine Zitrone gebissen und trotzdem hatte sie grimmig auf das plätschernde Wasser gestiert welches den Fleischfetzen in unerreichbare Gefilde beförderte. Dann hatte sie sich aus unerfindlichen Gründen neben den ohnmächtigen Fred ins Bett gelegt und geschlafen. Das war wohl trotz allem klüger gewesen als Hals über Kopf und im Vollrausch aus der Wohnung zu flüchten. Weiss Gott wo sie dann gelandet wäre – sicher auf Alcatraz oder direkt auf dem elektrischen Stuhl.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.08.2021 10:51.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 7

von Alina am 29.06.2021 10:56

The Regent's Park, nahe des Stadtteils Marylebon, London
Saturday, 10th August, 1963

Soundtrack für diese Episode: Ray Charles - Hit The Road Jack



Quelle des Bildes


  Sie sitzt auf einer Bank und starrt in die Ferne. Die leere Tüte hatte sie bereits weggeworfen und die Enten widmeten sich entweder ihrem Geschäft oder hatten sich anderen Gönnern zugewandt. Enten waren da sehr opportunistisch. Gab es kein Brot mehr, verloren sie das Interesse und schwammen wieder davon – selbstsüchtig aber auch frei, wie es die Vögel waren.

Nun, alles weitere war Geschichte. Wie schon damals in San Francisco musste sie raus aus Hollywood, sie hatte dann einige wenige Wochen in einer kleinen Pension weit draussen vor der Stadt gewohnt. Die Wohnung hatte sie nicht mehr durchsuchen können; es war eh ein Wunder gewesen dass niemand die Polizei verständigt hatte nach all dem Gebrüll in der Nacht. Die drei kleinen Diamanten blieben verschwunden, jedoch holte sie wieder einmal des nachts das Vogelhäuschen aus dem nahen Garten und sicherte sich so wenigstens wieder den Grossteil ihres Vermögens. Und dann war es Zeit sich von Kalifornien zu verabschieden. Der faszinierenste Ort war auch gleich der dekadenteste und verdorbenste Ort gewesen, an dem sie sich je aufgehalten hatte.



Quelle des Bildes

  Letztes Jahr um diese Zeit, also im Sommer 1962, befand sie sich auf dem Weg nach Europa. Sie hatte sich ein Ticket für die "United States" gekauft, dem schnellsten Linienschiff der Welt. Innerhalb von weniger als vier Tagen konnte man von New York nach Southampton in Englad fahren. Da hatte die Reise von Los Angeles bis New York nur unbedeutend kürzer gedauert. Sie hatte für diese Reise den Zug genommen. Es war sowieso faszinierend, wie sich die Reisegeschwindigkeiten und -möglichkeiten seit Anfang des Jahrhunderts verändert hatten. Man konnte jetzt sogar fliegen, in weniger als einem Tag war man in Europa! Das war aber nichts für Cathy, sie traute diesen fliegenden Höllenmaschinen nicht. Nie würde sie vergessen was sie vor zwanzig Jahren erlebt hatte, als Kamikazeflieger das Schiff versenken wollten auf dem sie Dienst getan hatte.



Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)


  In London angekommen hatte sie sich gleich Arbeit gesucht. Das "Grand Central" war ihre erste Station und sie wollte es hier so lange wie möglich aushalten. Europa war neu und aufregend, zugleich alt und voller Geschichten die die brüchigen Mauern erzählten. Die alte Heimat der meisten weissen Amerikaner war hier, auf dieser Seite des Atlantik. Sie spürte gleich dass die Uhren hier anders tickten, dass man nach anderen Regeln und Moralvorstellungen lebte. Europa hatte weniger mit den Staaten gemein, als die Europäer und die Amerikaner sich wünschten.

Natürlich hatte sie einen neuen Pass gebraucht aber in der Nähe von Hollywood war es weniger ein Problem als sonstwo. Hier bekam man für Geld alles, wirklich alles. Um die sieben Jahre lang war sie in diesem Sodom Amerikas geblieben, hatte sich treiben lassen, war keiner geregelten Arbeit nachgegangen und hatte dafür so ziemlich alles gesehen was man sich vorstellen kann. Sie hatte sich nicht an allem beteiligt aber sie hatte viel gesehen. Dies reichte ihr und nun sehnte sie sich nach Ruhe und nach Erkenntnis. Nachdem sie London kennengelernt hatte, wusste sie dass dies eher in Europa zu finden war als in den Vereinigten Staaten. Auf der einen Seite des Atlantik herrschte Schnelllebigkeit und angelsächsischer Pragmatismus, auf der anderen Seite Bedächtigkeit und teils schwermütige Nachdenklichkeit bevor man handelte. Sie sehnte sich nach letzterem.

Nun arbeitete und wohnte sie seit einem Jahr im "Grand Central", sie wurde als fleissige Kraft geschätzt, versuchte nicht aufzufallen, verrichtete ihre Arbeit gewissenhaft und es ergaben sich genügend Gelegenheiten, auf die Stimmen zu achten und dafür zu sorgen dass sie immer wieder leiser wurden. Dafür hatte Cathy mittlerweile einen perfekten Rhythmus gefunden, eine perfekte Routine entwickelt und die Regeln so weit verstanden dass ihr eine praktische Umsetzung leicht fiel. Und nie wieder wollte sie sich auf einen festen Partner einlassen – Liebe hin, Bequemlichkeit her.

Sie steht auf und blickt in den wolkenverhangenen Himmel. Die Sonne war fast untergegangen. Sie kann die Scheibe längst nicht mehr sehen, aber ihre Strahlen schiessen noch an den Silhouetten von Bäumen und Gebäuden – nah und fern – vorbei. Sie atmet tief durch und räuspert sich, dann steht sie auf. Es gab keinen Grund viel zu bereuen oder selbst schwermütig zu werden. Sie verstand mehr vom Leben als die meisten anderen Menschen denen sie begegnete und sie lebte. Sie sass nicht hinter Gittern, man hatte sie in Kalifornien nicht auf dem elektrischen Stuhl gebraten, noch in Indiana vergast oder irgendwo bei den Rednecks gehenkt. Das FBI hatte sie nicht gefunden und jetzt war sie ausserhalb ihrer Reichweite und sie kann noch einmal ganz von vorn anfangen.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 29.06.2021 10:59.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 8

von Alina am 30.06.2021 08:30

Hotel 'Grand Central', 222 Marylebone Rd, Marylebone, London
Sunday, 11th August, 1963


Soundtrack für diese Episode: Little Peggy March - I will follow him



Quelle des Bildes


  Endlich ist es soweit – der Sonntag ist da! Cathy hatte zwar lange geschlafen aber nun springt sie umher; sie hatte ausgiebig gebadet und sorgt nun für den Feinschliff indem sie ihre Nägel schneidet, die Haare in Form bringt, sich sogar die Augenbrauen zupft – eine schmerzvolle Prozedur, die sie in Hollywood kennengelernt hatte – und sie würde sich schminken bevor es losging. Sie ist guter Laune und das liegt wirklich nicht unbedingt an Mr. Joseph sondern an der bevorstehenden Aufführung. Was für eine kreative Idee Mr. Joseph da gehabt hatte: eine Nichte aus Irland! Wieso kamen andere Männer nicht auf diese Idee?

So sehr viele wohlhabende oder bekannte Männer Cathy auch begehrten – kaum jemand hatte sie mal wirklich ausgeführt, von dunklen Bars oder Restaurants abgesehen. Sie kann an einer Hand ablesen wie oft sie ins Theater oder in die Oper eingeladen worden war. Und zum Ballett sogar noch nie, dabei verehrte sie diese Frauen und wenigen Männer die nicht nur Tänzer waren sondern in ihren Augen gar Artisten. Sie war zwei-, dreimal selbst in einem Ballett gewesen, allein. Und nun heute mit Mr. Joseph, sie ist ihm dankbar. Er sollte auch nicht sterben – immerhin war er Minister unter "Supermac", wie man den aktuellen Premierminister beinahe liebevoll betitelte. Das würde wieder Untersuchungen und eine Menge Aufmerksamkeit für das Hotel nach sich ziehen.

Obwohl noch hin und wieder Hotelgäste in ihr Netz gingen, so hatte Cathy für alles einen wunderbaren Weg gefunden. Sie versuchte trotz ihrer Arbeit den weisen Spruch zu berücksichtigen, dass "man nicht dort scheisst, wo man auch isst". In ihrem Fall hiess es, dass man nicht tötet wo man lebt und arbeitet. Das war gar nicht so schwer und logisch war es ja ausserdem. Und wenn dies geschah, tat sie es mit weniger Leidenschaft und weniger Emotion – eine weitere Regel die sie gelernt hatte, denn dann dauerte es oft eine gewisse Zeit bis der Todgeweihte dahinsiechte. Niemand kam dann noch auf die Idee dass dies mit einem vergangenen Hotelbesuch zu tun hätte haben können.
Absolute Leidenschaft zeigte sie nur bei Männern die sehr schnell sterben sollten – oder Gästen wie Mr. Joseph, den sie anhaltend beeindrucken wollte aber der auch weiter leben sollte.

Sie verzieht das Gesicht als sie ein weiteres kurzes dunkelrotes Haar ihrer Augenbrauen entfernt, fast genau zwischen ihren beiden Augen und fast unsichtbar, aber die Perfektion und die Symmetrie ihres Gesichts störend. Sie suchte noch immer nach einem Gönner, wie damals als sie sich Franky Yale ausgesucht hatte. Wie gern wäre sie die heimliche Geliebte eines reichen Mannes gewesen, die meiste Zeit für sich allein aber dennoch verfügbar wenn der alte Knacker mal eine Auszeit brauchte. Eigentlich hatte sie genügend Geld um eine ruhige Kugel zu schieben, aber sie hasste es ihr Vermögen anzutasten, zuviel hatte sie schon verloren und zur wundersamen und zinsreichen Vermehrung auf der Bank konnte sie es ja aus bekannten Gründen nicht bringen. Und das Problem mit den Stimmen löste sich auch dann nicht von allein. Nein, sie musste ausgehalten werden – nur dann konnte sie in Ruhe schlafen und sich ihren Aufgaben widmen.

Vielleicht war Mr. Keith Joseph dieser Gönner. Er war total vernarrt in Cathy und wer so progressive Ideen hatte wenn es darum ging, ein "junges Mädchen" zu verführen, dem fiel bestimmt auch noch mehr ein. Sie fand es belustigend dass gerade konservative Politiker sehr progressiv waren wenn es um das Ficken ging. Und es war ebenfalls amüsant wie leicht ihr dieses Wort mittlerweile über die Lippen geht. Hoffentlich hatte Hollywood sie nicht vollständig verdorben und vielleicht war Cathys junge und frische Art, gepaart mit der Abgebrühtheit und Verdorbenheit einer reifen Frau der Grund, warum Männer von Format sie auf eine Bettgeschichte reduzierten. Sie war weder Material für eine reife Ehefrau, noch war sie die schüchterne Geliebte die schmachtend auf ihn wartete. Männer schienen sie besitzen zu wollen doch dann spürten sie instinktiv dass Cathy klüger war als sie und auch gefährlicher. Ficken wollten sie sie trotzdem und deshalb waren die Dinge wohl so wie sie sind.

Gleich wird sie sich schminken und dann würde Mr. Joseph auch schon bald vorbeikommen. Sie kann sich sein süffisantes Grinsen schon jetzt gut vorstellen. Und sie würde ihn danach nicht abweisen, sie würde ihn nicht betteln lassen und die Stimmen hatte sie auch schon ruhiggestellt. Er hatte die Chance, ein alter Mann zu werden.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 30.06.2021 08:30.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 9

von Alina am 01.07.2021 02:36

The Royal Opera House, Covent Garden, Bow St, London
Sunday, 11th August, 1963


Soundtrack für diese Episode: Chopin, Waltz in A minor, B 150, Op. Posth



Quelle des Bildes


 Cathy starrt auf die Bühne und klatscht freudig in die Hände. So schön hatte sie es sich nicht vorgestellt! Alles was sie in den USA gesehen hatte war neureicher Prunk im Gegensatz zu dieser prachtvollen und noblen Ästhetik die man auch durchaus als protzig hätte beschreiben können, aber dafür kam sie seltsam gemächlich daher. Selbstverständliche Pracht, überlegen und auf seltsame Weise einschüchternd, alles andere leicht geringschätzend. Es war jedenfalls ganz anders als diese übertrieben-angestrengte Angeberei der US-Neureichen die vor Geld stanken.

Der Raum ist nur als prachtvoll zu bezeichnen, hier amüsierten sich zu Recht Könige und Herrenmenschen. Der riesige Vorhang allein sieht so teuer aus, dass Cathy ihn mit einem Jahresgehalt nicht hätte bezahlen können, er war sicher von feinster Qualität gefertigt. Keith sitzt neben ihr und er hatte sie dazu angehalten dass sie sich mit dem Vornamen ansprächen, das wäre nicht unüblich unter Verwandten, auch von einer von beiden ein hoher Herr wäre. Genauso hatte er sich ausgedrückt und hatte damit ein weiteres Mal die Verschiedenheit der reichen Europäer unterstrichen. In den USA würde sich niemand so selbstverständlich und offen über andere stellen, man hatte dort teilweise sogar mehr Geld und Macht, aber man war ganz selbstverständlich immer ein Teil der Mittelschicht. Sogar der Präsident gab sich so als wäre er nur zufällig ins Amt geraten und wäre doch ein ganz normaler Amerikaner. Das kam gut an und half dabei, eine Nation auf eine oberflächliche Art zu einen die widersprüchlicher, rassistischer und ungleicher nicht sein konnte. Zusammen mit ihrem Bruder, dem Patriotismus, hielt diese Bescheidenheit eine brodelnde Nation in Zaum.

Cathy schüttelt sich unmerklich, wieder war sie mit ihren Gedanken abgeschweift; dabei war es doch hier so herrlich und beeindruckend. Sie sitzt links von Keith, lächelt ihn lieblich an, sogar ihre Grübchen kann er das erste Mal bewundern und er sieht ehrliche Freude in ihrem Blick. Was für ein Weib! Jung, frisch, üppig und dann dieser leicht verdorbenen Blick, zumindest konnte man das so interpretieren wenn man kaum noch wusste, wo man sein steifes Glied in der engen Hose verstauen sollte. Er sieht sie an, nimmt ihre Hand und sagt:
"Geniess die Vorstellung, Cathy. Was wir heute sehen werden ist etwas Besonderes, eine Sammlung der berühmtesten und beliebtesten Choreographien aus sicher einem Dutzend Stücken. Das ist absolut perfekt für jemanden, der noch nie beim Ballett war."
Da war sie wieder, diese mühelose Geringschätzung, die auch nichts Bösartiges zu haben schien. Cathy lächelt und nickt begeistert.
"Es sind Russen, ja? Bol-shoi... das klingt russisch. Und hier, sieh mal... die ganzen Namen. Ich kann sie kaum aussprechen. Alexander Plis... Pliset..." Sie hält ihm das Programmheft hin.
"Plisetsky. Alexander Plisetsky." Keith lächelt warm und amüsiert sich ein wenig über seine so junge Nichte die noch so wenig von der Welt wusste. Und Cathy spielt diese Rolle perfekt, dabei kannte sie Männer deren russische Namen doppelt so lang waren und doppelt so viele Konsonanten beinhalteten.



Quelle des Bildes


 Keith will gerade ansetzen, vielleicht einen Schwank aus dem Ministerium erzählen oder etwas darüber wie sich die Russen in der Nachkriegszeit verändert hatten. Aber dann wird es langsam dunkler, so langsam dass Cathy der Atem stockt aber schnell genug, dass die Augen folgen können. Es ist atemberaubend, Spannung baut sich auf, sie bekommt eine Gänsehaut. Sicher auch nur sie, aber das ist egal. Keith dreht sich zur Bühne und behält ihre Hand in seiner. Cathy greift leicht zu, starrt weiterhin auf die Bühne und kaut auf ihrer Unterlippe, die Grübchen graben sich so besonders tief in ihr schönes Gesicht und lassen ihre freudige Erregung echt und authentisch aussehen.

Dann endlich bewegt sich der Vorhang, dieser unheimliche schwere Vorhang, den entweder eine Windenmechanik aufrollen muss oder, wie Cathy es sich heimlich vorstellt, von schwitzenden Sklaven eingeholt werden muss wie auf einer Sklavengaleere, mit Peitschen angetrieben. Sie muss schmunzeln und dann ertönt schon die Musik.
Es beginnt: ein Walzer von Chopin wird gespielt und dazu tanzen Nina Chistova und besagter Alexander Plisetsky. Cathy ist vom ersten Augenblick an gefesselt und verpasst nicht eine der anmutigenden Bewegungen. Dies scheint eine Vorstellung von Engelswesen zu sein die direkt aus dem Paradies gekommen zu sein schienen. Immer wieder türmen sich Fragen in ihrem Kopf auf und dann hört sie dankbar auf Keiths flüsternde Stimme. Er verabreicht ihr häppchenweise Informationen zu den Stücken, damit sie diese mehr geniessen kann ohne sie zu überfordern. Sie bedankt sich ohne Worte, mit einem strahlenden Lächeln und als sie ihn gar einmal schnell küssen will, da ist er es der sie gestenreich und mit einem verlegenen Schmunzeln abwehrt. Die Freude beider kann es jedenfalls nicht trüben.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 01.07.2021 02:38.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 10

von Alina am 02.07.2021 01:50

The Royal Opera House, Covent Garden, Bow St, London
Sunday, 11th August, 1963

Soundtrack für diese Episode: Maya Plisetskaya - Dying Swan 1959


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"Das ist 'Der sterbende Schwan'. Die Frau heisst Maya Plisetska-..."
Cathy starrt mit offenem Mund auf die Bühne, sie hebt nur kurz die rechte Hand und signalisiert Keith dass er still sein soll. Der verstummt sofort und schaut ebenfalls wieder herunter zur Bühne. Cathy schluckt, Keith kann ihre Gänsehaut spüren als er wieder ungefragt ihre Hand nimmt und dabei ihren Arm anfasst. Sie lässt es geschehen wenn, ja wenn er nur stille ist. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, noch nie hat sie etwas derart Schönes gesehen. Diese Frau... erstens erkennt Cathy sie sofort wieder, das war die Frau aus dem Foyer des Hotels! Allein das treibt ihr die Tränen in die Augen, sie kennt dieses Engelswesen auf der Bühne. Naja, kennen war vielleicht zuviel gesagt aber sie hatte mir ihr gesprochen und sie hatte gleich gewusst dass dies eine besondere Person gewesen war. Und nun weiss sie auch warum. Noch nie hat sie eine derartige Präsenz gespürt.

Was immer da auf der Bühne auch geschieht – es ist magisch, episch und Cathy ist sich dessen bewusst. Sie braucht sich nicht umsehen um zu wissen dass darüber die Menschen noch jahrzehntelang sprechen sollten. Diese Frau ist auch der Star des Abends, egal ob sie das schon immer gewesen oder ein ganz neues Mitglied des Ensembles war. Cathy weiss es nicht aber spätestens ab heute, ab diesem Moment, ist sie die grösste Ballerina die die Welt kennt. Anders konnte es gar nicht sein. Alle Mädchen hatten perfekt getanzt, sogar die Männer waren gut gewesen, ihre Bewegungen makelllos und ausdrucksstark. Aber das hier, das war nicht von dieser Welt. Cathy kriecht eine Gänsehaut nach der anderen über Arme und Rücken und ihre Brustwarzen sind so steif, sie hatten sich beinahe schmerhaft zusammengezogen. Alles passt perfekt zusammen, jemand hatte sicher diese Choreographie für sie geschrieben. Keith hätte gewusst dass es sich um Michel Fokine handelt, aber das ist Cathy gerade egal. Ein ganzes Orchester spielte die Musik dazu aber auch das ist Cathy egal. Alles fokussiert sich auf diese grazile Gestalt, alle Perfektion schmilzt in ihr zusammen und ergibt ein Gesamtbild welches Cathy sicher nie wieder vergessen sollte. Cathy schämt sich auch nicht für diesen beinahe unfairen Blick auf das Bild denn aus gutem Grunde sieht sie den Choreographen gerade nicht und aus guten Grunde sieht sie auch das Orchester gerade nicht. Sie soll nur die Frau auf der Bühne sehen und das tut sie.

Diese Szene scheint eine Ewigkeit in Anspruch zu nehmen – trotzdem ist sie nur allzuschnell vorüber. Cathy blinzelt und ist beinahe zu Stein erstarrt. Auch Keith wagt nicht sie anzutippen, er bleibt sitzen und hält Cathys Hand während um sie herum der Applaus tobt. Cathy applaudiert nicht und Keith kann nicht applaudieren solange er ihre Hand hält.

Cathy ist so gerührt, ihr ist zum Weinen zumute aber gleichzeitig ist sie auch von einem seltsamen Glücksgefühl ergriffen. Sie fühlt etwas... etwas... was ist es nur?



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 War es die Tatsache dass sie einen Anker gefunden hatte, mit dem sie sich auf dem wogenden und stürmischen Meer der Zeit festmachen konnte? Sie hatte mehr als einmal schmerzhaft erfahren dass die gesellschaftlichen Diskurse sich änderten. Nicht nur Menschen vergingen sondern auch Themen. Die Menschen sprachen über ganz andere Dinge als in den Dreissiger Jahren. Je älter ihr Geist wurde, umso schwerer fiel ihr diese Veränderung. Und sie wurde ja nicht nur alt und konnte sich aufs Altenteil zurückziehen wo sich sowieso niemand mehr um ihre Ansichten gekümmert hätte – nein, sie stand mitten im Leben und musste schmerzlich feststellen wie alles verschwamm: Gesichter ebenso wie Meinungen, Ansichten, Ideologien, sogar Theorien stürzten in sich zusammen und wurden von anderen Theorien ersetzt. Ihre Mutter konnte noch guten Gewissens an die Schöpfung glauben; heute und dazu noch in Europa konnte man dafür auf offener Strasse ausgelacht werden. Alles war liquide, das erfuhren bei der Schnelle des Zeitgeistes mittlerweile schon Menschen innerhalb einer Generation. Aber bei Cathy war es besonders erdrückend. Sie hätte schon eine Grossmutter sein können.

Sie hatte sich nie besonders für eine bestimmte Sache interessiert. Sie konnte etwas schneidern – tat es aber nicht gern. Sie ging gern in Bars, rauchte und trank Alkohol, aber wer tat das nicht und konnte man das als Hobby bezeichnen? Sie las nicht gern, ausser Zeitungen. Sie konnte sich mal hier für dies begeistern und mal dort für etwas anderes, aber wenn man immer auf gepackten Koffern sass, dann war es schwer sich ein richtiges Hobby zu suchen. Ein Hobby bedeutete sein Herz daran zu hängen. Und dafür war es notwendig, einen sicheren Hafen zu haben.

Das Ballett – das war vielleicht die Verbindung die sie brauchte. Es fasziniert sie, fesselt sie, begeistert sie und das sicher nicht nur heute. Sie würde immer und jederzeit ein Ballett besuchen können und man könnte sich über Vorstellungen unterhalten die man bereits erlebt hatte. Und sie würde nach Russland gehen um sich das Bolshi – oder war es das Bolsho? – Ballett in ihrer Heimat anzusehen. Es würde keine Saison mehr vergehen, kein Stück welches sie sich nicht ansehen würde. Vielleicht würde sie gar allein gehen und gar keine Begleitung mehr brauchen. Sie würde sich die Programmhefte selbst kaufen und alles studieren. Ein starkes Glücksgefühl durchströmt sie und sie atmet tief durch. Dann ist sie wieder ansprechbar.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.07.2021 01:52.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 6, Episode 11

von Alina am 03.07.2021 08:29

Hotel 'Grand Central', 222 Marylebone Rd, Marylebone, London
Sunday, 11th August, 1963

Soundtrack für diese Episode: Elvis Presley - Devil in Disguise


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Cathys Hände liegen auf Keiths Brust und sie lässt ihr Becken kreisen. Sie tut es langsam aber er empfindet es trotzdem als sehr intensiv. Sein Schwanz steckt komplett in ihr und sie reitet ihn mit lasziven, kreisenden Bewegungen; dabei blickt sie ihm permanent in die Augen was ihn noch mehr anheizt. Während sie keucht und ab und zu die Augen verdreht, stöhnt er verzweifelt und ist kurz davor in ihr zu kommen. Es ist bereits die zweite Runde, er durfte bereits auf ihre Brüste ejakulieren nachdem sie ihm ausgiebig die Eier geleckt hatte und ihm den Schwanz geblasen hatte. Schon dort hatte sie ihm fast durchgehend in die Augen gesehen, er liebte ihre Katzenaugen und ihr unerhört aufreizendes, ja vielleicht auch schamloses Schmunzeln mit dem sie seine Reaktionen zur Kenntnis nahm. Sie nahm ihn umso tiefer in den Mund je mehr er stöhnte. Sie leckte seine Eier umso ausgiebiger, je mehr er seine Finger ins Bettlaken oder alternativ dazu in ihr Haar krallte.

Dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und Cathy liess es einfach zu, auch das war anders an ihr. Er war schon mit Frauen auf einem Zimmer gewesen, die dann fluchend oder gar schreiend ins Bad gelaufen waren. Cathy entblösste stattdessen ihre Brüste und animierte ihn sogar noch, sie anzuspritzen. Was für herrliche Weiber hatten diese Iren nur? Wieso hatte man damals vor fast tausend Jahren nicht die ganze Insel erobert und ihre Frauen gleich mitgenommen? Sie waren von anderer Qualität als diese hässlichen Stelzvögel mit blaugefrorenen Beinen, von denen er einen aus strategischen Gründen geheiratet hatte.

Cathy lässt den Kopf in den Nacken fallen und greift in ihre Haare, verwuschelt sie und spannt ihre Liebesmuskeln in ihrem Körper so an, dass sie noch viel enger für ihn wird und lässt ihn dann so kommen. Er entleert sich grunzend in ihr und sie lächelt mit geschlossenen Augen, weil es so offensichtlich ist wie sehr er ihr verfällt in diesem Moment. So wurde er lange nicht gefickt, vielleicht sogar noch nie und das würde er nicht vergessen – so wie sie den heutigen Abend auch nie vergessen würde.

Sie lässt sich schwitzend neben ihn fallen und schnappt nach Luft. Sie schluckt und befeuchtet ihre trockenen Lippen und atmet pustend aus. Keith liegt noch schnaufend und mit geschlossenen Augen da, sein Schwanz ist noch halbsteif und verschmiert von ihren Liebessäften. Es ist warm und feucht im Zimmer – und das nicht nur weil August ist und Cathy schmiegt sich zunächst nicht an seinem schweissnassen und warmen Leib. Die Luft ist geschwängert von den Ausdünstungen des Verschmelzens beider Körper. Sie lächelt und greift nach seinem Schwanz und wichst ihn drei-, viermal, ein kleiner Schwall rinnt über ihre Finger und schmunzelnd hört sie ihn nochmal flehend stöhnen. Wie ein Katze leckt sie über ihre Finger und drückt ihm dann einen Kuss auf die noch nasse Eichel und dann flüstet sie: "Hast du genug oder ist dir nach Runde Drei?"
Natürlich blufft sie, auch sie braucht eine Pause. Aber sie weiss auch, dass Keith absolut befriedigt ist und sofort sieht sie auch seine beschwichtigende Geste mit beiden Händen. Er hat genug und so soll es sein. Cathy nickt lächelnd und legt sich wieder auf den Rücken.

Nach einer Weile steht sie auf und holt jeweils ein Glas Wasser für sich und Keith. Sie hatten zwar auch Alkohol getrunken, aber nicht zuviel. Sie wollte dass er den Sex mit ihr nie vergessen würde. Da konnte sie sich nun auch sicher sein. Dankbar nimmt er es und setzt sich auch auf. Staunend blickt er sie an, so wie man einen Magier im Zirkus ansieht und dann nickt er anerkennend. Er muss nichts sagen damit Cathy weiss was er denkt. Sie tut so als wäre sie verlegen und Keith schüttelt nur schmunzelnd den Kopf. Nach diesem Fick nimmt man ihr das nicht ab – wenn sie auch dieses Spiel beherrscht.
Glücklicherweise waren sie nach der Vorstellung gleich ins Hotel zurückgekehrt. Keith liess es sich nicht nehmen noch ein Glas mit seinen Freunden zu trinken und die noch immer ergriffene Cathy als seine Nichte vorzustellen. Cathy erntete noch mehr anerkennende und gierige Blicke und als sich Keith daran sattgesehen hatte, legte er ihr den Mantel um und dann ging es ab ins Hotel. Der Jäger präsentiert erst seine Beute bevor er sie nach Hause trägt.

Im Hotel tranken sie noch etwas auf dem Zimmer; Cathy wollte nicht an der Hotelbar gesehen werden wie sie sich mit einem Gast vergnügte und das war natürlich auch ganz im Sinne von Mr. Joseph. Dann war er über sie hergefallen und sie hatte sich nicht lange bitten lassen.

Cathy sieht ihn an – in diesen feucht-warmen Nächten schlief man besser allein und Keith schien auch einverstanden zu sein. Er lächelt sie an und lässt sich nach einem Schluck Wasser wieder zurück auf die Matratze fallen. Cathy schliesst leise die Tür von aussen und schleicht dann in ihr kleines Zimmer, wo sie glücklicherweise in einem kalten, trockenen Bett schlafen wird.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.07.2021 08:30.

Alina

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Kapitel 6, Episode 12

von Alina am 05.07.2021 15:17

Hotel 'Grand Central', 222 Marylebone Rd, Marylebone, London
Monday, 12th August, 1963


Soundtrack für diese Episode: Chris Montez - Let's Dance




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 Als Cathy am Morgen aufsteht, da geht es ihr blendend. Sie hat keinen Kater denn beide hatten sich ja zurückgehalten. Wieder badet sie ausgiebig, zieht sich dann an und beginnt mit einem Liedchen auf den Lippen ihren Dienst. Es ist eine Melodie des gestrigen Abends – eine die sich besonders leicht in ihrem Kopf verfangen hat. Sogar dem ernsten Mr. Clark ringt sie ein Schmunzeln ab als sie ihn beschwingt begrüsst.

Sie reinigt heute vor allem die Executive Rooms; das waren die grössten und luxuriösesten Zimmer für bis zu zwei Personen, nur Familien und Gruppenzimmer waren grösser. Es gab einen Flügel im Haus wo diese gehäuft zu finden waren, aber generell waren auch noch einige im Haus verteilt.

Am späten Nachmittag wechselt sie in den Service. Nun hält sie sich für Wünsche der Gäste zur Verfügung. In der Zwischenzeit gab es Geschirr zu polieren und Handtücher zu falten, die aus der Wäscherei zurückgekommen waren.

Gegen neun Uhr abends sollte sie Feierabend machen können. Bis dahin ist es aber noch eine Stunde Zeit.
Um halb neun wird sie auf ein Zimmer bestellt. Sie sieht auf die Uhr und seufzt leise. Hoffentlich war es kein grosser Auftrag. Sie macht sich auf den Weg durch das grosse Gebäude. Es ist ein Zimmer der Superior-Klasse, das kleinste Zimmer im Haus aber trotzdem noch luxuriös eingerichtet und gross genug, viel grösser als beispielsweise Cathys Kammer. Als sie das Zimmer betritt bleibt sie sogleich stehen und starrt den Gast an – sie ist es!
Maya lächelt und winkt sie ins Zimmer hinein. Cathy macht einige ehrfurchtsvolle trippelnde Schritte und schliesst die Türe hinter sich.
"Was wünschen Sie, Madame? Sprechen Sie die englische Sprache, Madame?"
"Ja, ich spreche Englisch", erwidert Maya mit stark russischem Akzent aber doch fehlerlos und fragt dann:
"Können Sie für mich ein Ferngespräch nach Moskau anmelden, bitte?"
Cathy starrt die Frau an und nickt dann sofort. "Sofort, Madame!"
Sie hat sich schon herumgedreht und berührt die Türklinke, da dreht sie sich nochmal herum und versucht die Muße der Plisetskaya einzuschätzen. Dann sagt sie:
"Madame! Ich habe... ich habe sie gestern gesehen. 'Der Sterbende Schwan'... ich habe ihn gesehen."
Maya legt den Kopf leicht schief und lächelt bescheiden, dann nickt sie.
"Lebedinoye ozero... Schwanensee, da!" Sie kommt auf Cathy zu und sieht ihr in die Augen. Dann nimmt sie ihre Hände in ihre Hände und dann fragt sie mit gespielt verschwörerischer Stimme:
"Ich sehe es in deine Augen. Es war erste Mal Ballett, da... ja?" Cathy nickt sofort eifrig und bekommt glühende Wangen. Sie strahlt über das ganze Gesicht.
"Es war so wunderbar, Madame! Nie sah ich so etwas Schönes! Sie tanzten wie... wie ein Engel."
Die Plisetskaya lächelt noch immer, doch sie verliert nicht eine gewisse Ernsthaftigkeit die sicher auf Cathy noch stärker wirkt weil sie eine Russin ist.
"Ballett... Tanz ist Sprache von Seele, von Geist. Du brauchen Beherrschung von Körper, Geist. Du brauchen Geduld. Du brauchen vor allem... Disziplin. Soviel Disziplin." Sie verengt die Augen und sieht Cathy scharf an. "Du haben Disziplin. Ich sehe in Augen."
Cathy kann gar nicht antworten, Mayas Blick scheint ihrer Seele auf den Grund zu gehen. Maya ist in diesem Moment 37 Jahre alt. Damit ist sie offensichtlich um die 17 Jahre älter als Cathy, aber in Wirklichkeit 25 Jahre jünger als diese. Mayas Blick ist leicht verwundert, sie scheint zu wittern dass Dinge nicht so sind wie sie scheinen Dennoch erforscht sie Cathys Gedanken, ihre Menschenkenntnis gräbt sich in Cathys Geist.
"Tanz ist Sprache von Seele. Und Seele können nicht lügen. Seele immer sprechen Wahrheit."
Cathy nickt mechanisch zu Mayas Worten und obwohl es einem anderen Mund wie ein profaner Kalenderspruch geklungen hätte, so beinhalten die Worte jetzt eine grosse Weisheit. Sie kommen von Maya selbst, deren ausdrucksstarker Tanz die Worte erst so veredelt haben dass Cathy sie einfach als Weisheit etikettieren muss. Auch deshalb sehnte sich Cathy vielleicht nach dieser Sprache denn sie war das Lügen satt, nach all den Jahrzehnten. Sie hatte sich immer nach einer Person gesehnt zu der sie ehrlich sein konnte. Aber ihre fehlende Naivität liess das Gott sei Dank nie zu.

"Ich will, dass meine Seele spricht", flüstert Cathy und Maya nickt wieder verschwörerisch. Dann lässt sie Cathys Hand los und dreht sich herum. Cathys Herz bekommt einen Stich denn nun ist diese Unterhaltung offensichtlich schon wieder beendet. Maya geht zu einem Koffer und öffnet ihn, holt eine Autogrammkarte heraus und einen Stift und fragt dann höflich: "Wie Name, bitte?"
"Cathy! Cathy wie... mit C und...", erwidert Cathy aufgeregt.
Die Plisetskaya schreibt schon und überreicht dann Cathy die Karte. In geschwungenen Lettern und ohne Fehler steht dort geschrieben:
"Лебединое озеро. Für Cathy. London, 1963."
Cathy strahlt und flüstert: "Danke! Danke, Madame! Das ist so... so lieb von Ihnen!"
Maya nickt lächelnd und faltet dann die Hände. "Bitte, Gespräch nach Moskau anmelden, da?"
Cathy errötet verlegen und nickt übereifrig, steckt die Karte weg und knickst dann vor der Plisetskaya bevor sie dann ohne Verzug aus dem Zimmer eilt.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.07.2021 15:17.

Alina

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Kapitel 6, Episode 13

von Alina am 06.07.2021 03:48

Hotel 'Grand Central', 222 Marylebone Rd, Marylebone, London
Wednesday, 14th August, 1963

Soundtrack für diese Episode: James Darren - Goodbye Cruel World



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 Die aktuellen Tageszeitungen und Hochglanz-Magazine aus der Hotel-Lobby wurden üblicherweise nicht sofort weggeworfen sondern wurden von den Mitarbeitern des Hotels gelesen. Auch Cathy liebte vor allem die Hochglanz-Modemagazine. Die Tageszeitungen verschmähte sie allerdings auch nicht, vor allem die Todesanzeigen las sie aus bekannten Gründen an bestimmten Tagen. Und auch heute wird sie wieder fündig.

Am Montag Nachmittag hatte es Rick erwischt. Manchmal wusste Cathy nicht ob die Stimmen den Tod nur auf irgendeine zufällige Art herbeiführten, oder – was noch unheimlicher wäre – ob sie diese sogar durch ihre Handlungen unbewusst beeinflusste. Manche Unfälle waren so absurd dass es Cathy kaum glauben konnte. Die Stimmen schienen zumindest zeitweise Freude an einem echten Blutbad zu haben.
Rick war achtlos über die Strasse gelaufen und war von einem Auto erfasst worden. Dann war er auf die andere Strassenseite geschleudert, erneut von einem anderen Auto erfasst und herumgeschleudert und dann nochmal überrollt worden, gar von einem dritten Auto. Cathy verzieht schmollend ihre Mundwinkel. War das nötig gewesen, so ein Gemetzel auf der Strasse? Augenzeugen berichteten dass auf einigen Metern Länge "Blut und Gedärme" über die Strasse verteilt lagen. Es musste ein schrecklicher Anblick gewesen sein.

Normalerweise hätte sie diese Todesanzeige achselzuckend zur Kenntnis genommen. Rick war nicht besonders liebenswert gewesen – eben ein ganz normales, neureiches Arschloch. Er machte sein Geld damit anderen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Er überredete sie zu Investitionen die er nicht deshalb anpries weil sie gute Renditen versprachen, sondern weil er eine Provision bekam. Die Welt wurde dadurch nicht ärmer an guten Menschen, so hatte es ihr Vater immer ausgedrückt.

Erst hatte er Cathy von seinen moralisch verkommenen und skrupellosen Geschäfts-praktiken erzählt um sie zu beeindrucken. Aber dann hatte er sogar Cathy gefragt ob sie "investieren wolle" – wohl weil er gesehen hatte dass sie nicht arm sein konnte. Natürlich ging es um "einen Geheimtipp"; etwas was er seinen "normalen Kunden" niemals empfehlen würde. So ein Arschloch!
Cathy hatte es Spass gemacht ihn zur Hölle zu schicken. Sie hatte keinerlei Sympathien für diese modernen Raubritter. Aber da ist noch etwas was sie zutiefst beunruhigt. Sie blättert zurück zum Lokalteil und natürlich gab es nicht nur die Todesanzeige, sondern auch noch einen Bericht über den Unfall, einen ziemlich langen Bericht sogar. Und neben dem Bild des Unfalls welches selbstverständlich nicht den Toten zeigte sondern nur den Strassenabschnitt und eines der beschädigten Autos, da gab es noch ein anderes Photo: Rick mit Cathy im Arm, Cathy unverkennbar in ihrem extrovertierten Outfit, ihr Gesicht im Profil weil sie sich noch abwendet hatte. Ein Mann mit einem kleinen Photoapparat hatte das Bild geschossen – sie war davon ausgegangen dass es ein Freund von Rick war. Sie erinnerte sich noch daran dass Rick aber kaum Notiz davon genommen hatte und dass zwei Rausschmeisser auftauchten und den Mann recht grob aus der Bar entfernten. Das musste doch einer dieser voyeuristischen Photographen sein, die irgendwelche Skanalphotos meistbietend verkauften. Cathy war schon zu alkoholisiert gewesen, um sich darüber Gedanken zu machen, ausserdem war es eh passiert und der Photograph war sicher über alle Berge. Obwohl sie ahnte dass Rick mit ihr im Bett landen sollte und er wohl auch der nächste Kandidat für die Todesanzeigen war, so hatte sie nicht mit dieser grossen Aufmerksamkeit gerechnet. Und für sie war das Photo zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht. Der Photograph wiederum war jedenfalls zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen und sie verflucht diesen elenden Schmutzfinken gerade dafür.

Nun hat sie ein echtes Problem. Es war ein Wunder dass sie bisher nicht von der Hotelleitung darauf angesprochen worden war. Leugnen würde auch zwecklos sein, sie war eindeutig zu erkennen. Und die Polizei hatte wohl nur deshalb noch nicht nach ihr gefragt, weil sie offensichtlich mit dem Tod nichts zu tun hatte. Aber was noch daraus werden konnte, das wollte sie sich gar nicht ausmalen. Ihre Zeit war wohl wieder gekommen oder konnte sie das aussitzen? Würde sich vielleicht gar niemand darum kümmern? Sie glaubte das zwar kaum aber noch gab es keinerlei Anzeichen dafür dass irgendjemand Notiz davon genommen hatte.

Sie faltet die Zeitung zusammen. Vielleicht hatten sie nur Gäste gelesen. Die Zeitung sah so benutzt aus wie alle anderen: Eselsohren, hier und da zerknittert, ein paar kleine Kaffeeflecken. Vielleicht hatte sie Glück gehabt und sie war heute noch niemandem in die Hände gefallen. Sie verlässt den Raum und sie besinnt sich, noch bevor sie ihr Zimmer betritt: es gab keinen Platz für Sentimentalitäten. Photos von ihr waren seltener als ein vierblättriges Kleeblatt und das aus gutem Grund. Sie kann das Photo nicht aufheben, die Polizei würde ihren Raum durchsuchen, es war einfach unnötig. Sie verbrennt die Zeitung im klobigen Spülstein in ihrem Zimmer und sie tut es stellvertretend für die tausenden Exemplare da draussen. Sie seufzt und spült die Reste dann weg. So verschwand ihre Vergangenheit immer, in Rauch und Asche.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.07.2021 03:49.

Alina

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  10. Wannabe Poet

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Kapitel 6, Episode 14

von Alina am 07.07.2021 12:37

Hotel 'Grand Central', 222 Marylebone Rd, Marylebone, London
Wednesday, 14th August, 1963


Soundtrack für diese Episode: The Crystals - Then He Kissed Me


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 Abends arbeitet Cathy wieder im Service und sie ist dabei auf der Hut. Sie vermeidet es, den Gästen zu lange in die Augen zu sehen. Ausserdem hofft sie, dass sich ihre Uniform so sehr von von dem Outfit am Wochenende unterscheidet, dass sie schon allein deshalb nicht erkannt werden wird. Vor allem bei Kollegen und der Hotelleitung war sie da noch mehr in Sorge.

Es ist ein ruhiger Abend und eine ebensolche Nacht. Als sie gegen zwei Uhr ein kleines Mahl auf ein Zimmer bringen soll, da lächelt sie als sie die Zimmernummer sieht. Falls die Russen noch da sind, ist dies Mayas Zimmer. Sie hofft es so sehr, Maya noch einmal zu sehen. Die Worte der Russin klingen noch in ihren Ohren. Sie holt schnell den Teller in der fast dunklen Küche ab und eilt dann hoch zu den Zimmern.

Cathy klopft leise und zögerlich, wie immer um diese Uhrzeiten. Maya öffnet nur nach wenigen Sekunden die Tür und winkt sie lächelnd hinein. Cathy darf den Teller auf dem Tisch abstellen. Schon beim Abstellen des Tellers fällt ihr die aufgeschlagene Zeitung auf, sogar die Seite mit ihren Photo ist in diesem Moment aufgeschlagen und gut zu sehen. "Spasibo", bedankt sich Maya und kommt näher. Cathy starrt noch auf die Zeitung und dreht erst jetzt wieder den Kopf in Richtung Maya. Sie schluckt und Maya sieht ihr in die Augen. Diese nickt in Richtung der Zeitung ohne den Blick von Cathy abzuwenden. Cathy schluckt hart und nickt schuldbewusst, während sie den Blick senkt. Erst als sie den Blick wieder hebt, da erkennt sie Mayas Mitgefühl, da ist keine Anklage. Und wieso sollte Maya sie auch anklagen? Hier war ein schrecklicher Unfall passiert.
Maya legt eine Hand auf ihre Wange und sagt mit sanfter Stimme: "So ist Leben. Manchemal Leben ist gut..." und sie zeigt auf das Photo mit dem lachenden Rick, der Cathy im Arm hält, "...und manchemal Leben ist schleckt", dabei zeigt sie auf das andere Photo mit dem Auto. Dieses Mal spricht mit einem noch stärkeren Akzent – ein Zeichen, dass sie vielleicht gerade recht entspannt war. Cathy ist verwirrt als sie versteht, dass sie Betroffenheit heucheln müsste – dabei hat sie das Gefühl, dass die Plisetskaya in ihr lesen kann wie in einem Buch.

Sie versucht zu lächeln, senkt wieder den Blick und winkt vorsichtig ab. Maya schmunzelt ebenfalls, nickt wissend und dann nimmt sie Cathys Gesicht in beide Hände und küsst sie kurz auf den Mund. Dann schauen sie sich wieder an. Maya sagt mit gedämpfter Stimme:
"Gut. Du bist stark. Stark bleiben." Cathy hat ihr Lächeln zurückgefunden, betastet kurz ungläubig ihre Unterlippe und nickt Maya zu. Maya lässt Cathy los, tritt zurück und sie will Cathy gerade ein Trinkgeld geben, aber Cathy winkt fast entsetzt ab und sagt:
"Nein, nicht nötig, Madame! Guten Appetit und schlafen Sie gut! Schlafen Sie gut!" Dann geht sie einige Schritte rückwarts, lächelt die Plisetskaya freudig an und verlässt schnell das Zimmer.

Draussen bleibt Cathy stehen, lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand und atmet tief durch. Wieder betastet sie ihre Lippen. Von der sozialistischen Tradition dieses Kusses wusste sie nichts, aber es war ein verschwörerischer Kuss gewesen, wie ein Kuss zweier Seelenverwandter. Vielleicht kannte die Russin ihr Leid, vielleicht kannte sie ihre Sorgen – wenn auch sicher nicht im Detail. Maya hatte ihr einen Augenblick der Intimität geschenkt, der Freundschaft. Das ist etwas, was für sie noch seltener ist als die Diamanten die sie besitzt. Und noch dazu hatte die Plisetskaya ihr eine Sprache geschenkt und sie kann es kaum erwarten, diese Sprache endlich zu lernen.

Während sie sich nachdenklich auf den Weg zurück macht, denkt sie darüber nach wie sie ihren Feierabend gestalten wird. Sie würde öfters in die Bibliothek gehen und Bücher über die Geschichte des Balletts lesen und daraus lernen. Sie würde versuchen, den Tanzstil zu erlernen und sicher, soviel weiss sie, würde man sie erst wegschicken wollen weil sie viel zu alt wäre. Und sie würde sich nicht wegschicken lassen und gut dafür zahlen, denn sie hatte nicht vor irgendwo aufzutreten oder Wettbewerbe zu gewinnen. Es würde reine Freude für sie bedeuten und sie würde ein Thema haben, mit dem sie immer überall anknüpfen könnte. Und wer weiss, vielleicht würde sie in den kommenden Jahren oder gar Jahrzehnten zu einer bekannten... nein, das wollte sie nicht, aber vielleicht würde sie zu einer wirklich guten Tänzerin! Sie schmunzelt bei dem Gedanken an das Zeitfenster und und nimmt wieder ihrem Platz ein. Noch drei Stunden und dann hat sie Feierabend. Am frühen Morgen würde sie frühstücken gehen und dann lange schlafen. Sie lächelt und schlägt ein Modemagazin auf.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.07.2021 10:21.
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