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Das Zimmermädchen [FSK18]

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Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 3, Episode 3

von Alina am 23.10.2016 04:18

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
8th of August, 1935 (Thursday)



Quelle des Bildes


Während des nächsten Tages erfährt Cathy zufällig, wessen Zimmer sie gestern Nacht noch gesäubert hatte. Es war der berühmte Jazz-Posaunist Frank Dusen. Er hatte wohl gerade keine Wohnung in New Orleans, obwohl er von hier stammte. Die meiste Zeit über verbrachte er an Bord des Mississippi-Dampfers 'S. S. Capitol' und nun wollte er wohl mal festen Boden unter den Füssen haben, wenigstens für einige Nächte im Jahr.

Morgens suchte sie sein Zimmer nicht auf, denn sie wusste, dass es sauber war. Sie konnte es gern ausfallen lassen, aber bereits am Mittag trug man ihr auf, Mr. Dusen das Essen wie gewünscht ins Zimmer zu bringen. Anscheinend machte er sich nichts aus Gesellschaft im Speisesaal. Cathy steht vor der Tür und klopft an. Ein leise genuscheltes „Herein" bewegt sie dazu, das Zimmer zu betreten. „Mister Dusen? Ihr Essen, bitteschön." Sie kommt zum Tisch, wo Mr. Dusen schon Platz genommen hat.

„Gibt es Ihre Gesellschaft inklusive?", fragt Dusen und schaut Cathy herausfordernd an. Zuerst weiss sie nichts zu antworten, was war nur mit ihr los? Sie fühlte sich ratloser als vor fünfzehn Jahren, als sie noch nicht über ihre erprobte Schlagfertigkeit verfügte.
„Nein, ich... ja, ich meine, nein. Ich muss wieder... wieder runter. Die anderen Gäste, wissen Sie?" Cathy stammelt es und wird rot. Mr. Dusen grinst nur und sagt: „Schon gut, Baby. Es war einen Versuch wert, meinst du nicht? Nun geh' schon." Wieder schippt er einen halben Dollar durch die Luft und diesmal fängt Cathy ihn nicht. Sie schaut ihn prüfend an.

Mr. Dusen blickt Cathy ebenfalls an, er hat den Blick eines Jägers, der seine Beute beobachtet. Er schaut kurz auf das Geldstück, welches sich noch am Boden dreht und windet und dann doch auf der Seite liegenbleibt. Er kratzt mit den Fingern der rechten Hand über die linke Seite seines Kinn und schaut dann wieder neugierig zu Cathy. Diese geht einen Schritt, bückt sich und hebt das Geldstück auf. Dann geht sie langsam zu Mr. Dusen und nimmt mit links seine freie Hand und legt dann das Geldstück in die Hand hinein. Dabei blickt sie ihm lächelnd in die Augen.

Dusen kann nur die Augenbrauen heben und er schaut Cathy verblüfft an.
„Verstehe... ist dir nicht genug, mhmm?" Er grinst Cathy schief an. Diese sieht ihn nur bedauernd an und schüttelt den Kopf. Als Dusen eine Hand nach Cathy ausstreckt, fängt sie die Hand ab und lenkt sie weg. Sie behält ihren bedauernden Blick bei und schüttelt nur sanft den Kopf.

„Warum nicht? Du willst es doch auch, ich sehe es dir an! Oder interessierst du dich nur für Yankee Boys?" Dusen schaut Cathy mit einer Mischung aus Ungeduld und Gier an. Cathy lächelt daraufhin nur und erwidert: „Darum geht es nicht, Mr. Dusen. Ich werde schon erwartet. So ein Hotel putzt sich nicht von allein."
Dusen schnaubt und winkt dann ab. „Ja, verschwinde." Dann wendet er sich ab und kratzt sich den Haaransatz im Nacken. Cathy schaut einen Augenblick auf seinen Rücken, dann verlässt sie eilig das Zimmer. Sollte er sich seinen halben Dollar doch in den Allerwertesten stecken!

Am Nachmittag bereitet sie noch ein Zimmer vor, denn ein Lokalpolitiker hatte sich angekündigt. Mr. Felix E. Hébert sollte ins Hotel Monteleone einziehen und man munkelte, er würde als Abgeordneter für den Staat Louisiana in Washington kandidieren und das schon sehr bald. Cathy war es einerlei, sie interessierte sich noch immer nicht besonders für die Politik. Sie verrichtete ihre Arbeit jedoch besonders gründlich. Je prominenter die Gäste, umso pingeliger waren sie meist.


Soundtrack für diese Episode: Bing Crosby - Love Is Just Around The Corner


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:09.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Kapitel 3, Episode 4

von Alina am 24.10.2016 03:22

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
9th of August, 1935 (Friday)



Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)


Cathy hatte immer ungern mit Prominenten geschlafen, waren es nun Politiker, Musiker oder sogar Schauspieler gewesen. Es hatte zwar einen grossen Reiz, das konnte jedes Mädchen bezeugen, aber die Schuldgefühle hinterher waren immer besonders stark. Erstens erfuhr man immer von ihrem Tod, es stand ja in allen Zeitungen. Und die Welt hatte wieder einen grossen Mann mehr verloren. Dies behagte ihr nicht besonders.

Gerade wechselt sie die Handtücher und hört sich vom hochverehrten Mister Hébert ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit an. Sie hört nur mit einem Ohr zu, aber sie kann sich bereits jetzt vorstellen, wie überzeugend dieser Mann sein konnte. Er war attraktiv, zielorientiert und selbstbewusst. Sie mochte ihn, auch wenn sie seine fachliches Ausführungen etwas zu ausführlich fand. Aber sie nickt, lächelt und sagt hin und wieder: „Da haben Sie recht, Mister Hébert."

Sie hatte bereits zwei Annäherungsversuche von Mr. Hébert zurückgewiesen, von denen sie auch annahm, dass sie nicht besonders ernst gemeint waren. Doch als Cathy mit flinken Fingern das Spülbecken reinigt, spürt sie eine Hand an ihrer Seite.
„Miss?" Sie lässt das Putztuch in das Spülbecken fallen, ihre Finger fühlen sich schrumpelig und seifig an. Sie dreht sich herum.
Der hochgewachsene Mann vor ihr schaut auf sie herunter und lächelt sie charmant, doch fordernd an. „Miss, ich würde mich ernsthaft freuen, wenn Sie sich einen Moment nehmen würden. Ich würde das zu schätzen wissen."
Cathy schaut zu ihm auf und beisst auf ihre Unterlippe. Da war dieser Gewissenskonflikt. So ein Todesfall würde nur für Aufsehen sorgen. Doch die Stimmen tobten schon wieder seit Tagen in ihrem Kopf. Es wurde Zeit und Mister Dusen war keine sichere Partie. Cathy schluckt und fasst seine Hand. Ihre feuchten und schrumpeligen Finger schieben seine Hand weg. Doch ihre Augen sagen etwas anderes und Mr. Hébert ist beileibe kein Anfänger.

Einen Augenblick herrscht Stille zwischen den beiden, als würden sie ein Arrangement treffen, nur mit ihren Blicken. Als Mr. Hébert eine Hand auf Cathys Schulter legt und sie leicht nach unten drückt, ist alles geklärt. Cathy geht in die Hocke und nestelt am Verschluss seiner Hose. Etwa eine halbe Minute später legt Mr. Hébert den Kopf in den Nacken und seufzt zufrieden, als er das leise Schmatzen von unten hört.


Soundtrack für diese Episode: The Mills Brothers - Out For No Good


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:10.

Alina

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Kapitel 3, Episode 5

von Alina am 25.10.2016 00:11

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
9th of August, 1935 (Friday)



Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)



Beide liegen nassgeschwitzt nebeneinander. Cathy weiss kein weiteres Wort zu sagen. Sie hatte wirklich alles probiert, sie hatte alle Register ihrer Liebeskünste gezogen, hatte ihr gesamtes Repertoire eingesetzt, das ganze Arsenal verfeuert. Aber es hatte nichts genutzt. Er hatte sich hundertmal entschuldigt und Cathy war reizend nett gewesen.

Sie hatte ihn am Abend besucht, nachdem sie ihm im Bad einen Vorgeschmack darauf gegeben hatte, was ihn erwarten sollte. Am Nachmittag sah es noch gut aus. In ihren Augen war er ein ganzer Mann und sie freute sich auf den Abend.

Aber am Abend hatte es dann einfach nicht klappen wollen; er hatte seine Männlichkeit nicht unter Beweis stellen können. Sie hatten es immer wieder probiert, sie hatte es mit zarter Hand, flinker Zunge und sogar mit ihren Brüsten versucht, aber alles ohne langanhaltenden Erfolg. Er konnte immer wieder nur für kurze Zeit in sie eindringen, aber es hielt nicht lange an. Dann machte er schlapp und es begann von vorn. Über eine Stunde hatten sie es versucht, aber Cathy war sicher, dass Eddie, also Mr. Hébert, nicht nur ein akutes oder kurzfristiges Problem hatte. Er sollte mal lieber einen Arzt aufsuchen, dachte sie. Cathy konnte nur ahnen, dass Eddie tatsächlich nicht in der Lage war, Kinder zu zeugen und sein Leben lang unter Potenzproblemen leiden würde. Er würde eine Tochter haben, sie würde Dawn heissen, aber es würde nicht seine leibliche Tochter sein. Aber weder er, noch die Welt würden das je erfahren.

Als er wieder zu Atem gekommen ist, sagt er:
„Ich hatte gehofft, es würde klappen. Du bist so hübsch, Cathy. Ich war sicher, es würde klappen." Er seufzt und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Cathy lächelt nur ein weiteres Mal, aber es ist nicht echt und war es auch vorher nicht.
„Das muss unter uns bleiben. Haben wir uns verstanden?" Auf einmal klingt seine Stimme etwas härter, gefasster, wenn auch nicht so selbstbewusst, wie er gern möchte. Cathy nickt nur stumm.
Hébert steht auf und kleidet sich an. Cathy tut dasselbe. Sie konnte ein Bad gebrauchen.
Als er fertig ist, holt er seinen Geldbeutel hervor und zählt dreissig Dollar ab. Eine schöne Stange Geld. Er legt sie auf das Bett und schaut Cathy nicht mehr an. „Das muss unter uns bleiben", wiederholt er ein letztes Mal. Cathy nickt wieder, nimmt das Geld an sich und geht.

Sie brauchte eine Zigarette. Noch geschwitzt und mit nassen Strähnen an der Schläfe verlässt sie das Hotel. Der zunehmende Mond und die Sterne leuchteten hell genug, dass sie zusammen mit den Strassenlaternen für ein angenehmes Licht sorgten. Sie fröstelte etwas. Warum hatte sie keine Jacke angezogen?

Etwa einen Augenblick nach diesem Gedanken legt sich ein Hauch von Wärme auf ihre Schultern. Sie dreht sich überrascht herum und muss aufschauen. Ein Lächeln strahlt sie an und eine sonore und sympathische Stimme sagt zu ihr: „Die Tage in New Orleans mögen heiss sein, aber nachts kühlt es auch hier ab. Sie sollten sich etwas überziehen." Er hatte seine Jacke von hinten über ihre Schultern gelegt. Cathy hält die Jacke nun fest, denn er hatte sie losgelassen, als sie sich herumgedreht hatte. Einen winzigen Augenblick weiss sie nichts zu sagen. Doch dann huscht ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht. Wer immer er auch war, ihn hatte der Himmel geschickt.


Soundtrack für diese Episode: The Mills Brothers - Old Fashioned Love


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:10.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

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Kapitel 3, Episode 6

von Alina am 26.10.2016 03:49

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
11th of August, 1935 (Sunday)



Quelle des Bildes (bearbeitet von Alina)



Was für ein wunderschönes Wochenende war es gewesen. Sie hatte immer wieder mal arbeiten müssen, aber nur kurz. Der Dienstplan für das Wochenende stand schon und sie war noch nicht berücksichtigt worden. Sie war immer wieder mal eingesprungen, war jeden Tag mal im Hotel gewesen. Aber die meiste Zeit über hatte sie in seinen Armen verbracht.

Er hiess Johann, Johann Conrad um genau zu sein, aber sie durfte ihn Joe nennen. Das taten wohl auch alle übrigen Bekannten und Familienangehörigen. Er war genau der gute Geist, den Cathy Freitag Nacht gebraucht hatte. Er hatte sie auf einen Drink eingeladen, sie hatte freudig zugestimmt und dann waren sie zu ihm gegangen. Er war ledig, wohnte allein und hatte wohl keine neugierigen Nachbarn oder sonstige Störenfriede in seiner unmittelbaren Umgebung. Sie hatten noch einen Kaffee getrunken, bevor er angeboten hatte, sie nach Hause zu bringen, doch sie hatten sich angesehen und gewusst, dass sie bleiben würde.

Zuvor hatte er sie gefragt, warum sie so gehetzt ausgesehen hatte und sie hatte ihm erzählt, dass sie ein paar Stunden zuvor hart gearbeitet hatte. Das entsprach sogar der Wahrheit. Vielleicht würde sie ihm irgendwann die Wahrheit sagen, aber sicher nicht jetzt. Jedenfalls hatte sich sein Beschützerinstinkt gemeldet und hatte dafür gesorgt, dass sie zumindest nicht weiter fror. Und dann waren sie etwas Trinken gegangen.

Sie hatte sich noch frisch gemacht, bevor sie zu ihm ins Bett gestiegen war, denn sie schämte sich dafür, vielleicht nach einem anderen Mann zu riechen. Und sie hatte seitdem viele Stunden mit ihm verbracht und die weitaus meiste Zeit in seinen Armen. Sie hatten nicht miteinander geschlafen und Cathy vermisste es auch nicht. Sie hatte Wärme gesucht und gefunden.

So schön das Wochenende auf der einen Seite war, so verstörend war es auf der anderen Seite. Die Stimmen hatten nicht aufgehört zu krakeelen und zu lamentieren. Erst dachte sie, dass die Stimmen immer fordernder würden und sie gar nicht mehr in Ruhe lassen würden, aber dann dämmerte es ihr, dass Mr. Hébert vielleicht doch nicht vorhatte, diese Welt alsbald zu verlassen. Die Demokraten würden keinen vielsprechenden Kandidaten verlieren. Und Cathy würde keine Erleichterung erfahren, kein Gefühl des Lobes und der Anerkennung würde sie durchfahren wie ein wohliger Schauer. Die Stimmen kreischten vor Gier. Sie waren es gewohnt zu warten, aber sie hassten es anscheinend, wenn ihnen ein Fisch vom Haken sprang - vor allem, wenn der Wurm, der als Köder benutzt wurde, schlapp machte.

Und nun wusste Cathy nicht, was sie tun sollte. Sie war sich mittlerweile sicher, die Regeln noch weiter durchdrungen zu haben. Sie wusste, wann die Stimmen zufrieden waren, wenigstens für eine Weile. Und sie wusste, dass es Kontakte mit Männern gab, die die Stimmen gar nicht interessierten. Meist lag es daran, dass sie kurz zuvor getan hatte, was sie tun sollte. Danach gab es ein kurzes Zeitfenster, in der sie frei war. Und es gab eine weitere Regel, die sie unbewusst oder der Etikette entsprechend immer befolgt hatte. Sie musste Interesse wecken und nicht selbst aktiv werden. Sie musste die Annäherungsversuche und unmoralischen Angebote zunächst ablehnen. Nur dann konnte es ein erfolgreicher Fang werden, der die Stimmen für einige Zeit verstummen liess. Und nur dann las sie in der Zeitung davon, ob sie Erfolg gehabt hatte oder nicht. Das alles ergab noch längst keinen Sinn, aber es war ein Anfang. Sie war längst nicht mehr so ratlos wie noch Jahre zuvor.

Und dann stand Joe vor ihr. Ein Bild von einem Mann, Kind deutscher Einwanderer wie sie. Gut gebaut und charmant im Umgang. Er hatte als junger Mann noch im letzten Jahr des grossen Krieges gekämpft, auf der Seite von Deutschland, bevor seine Familie dann in die Vereinigten Staaten emigrierte. Von daher stammte er auch das einzige Bild, welches er von sich besass.
Er verdiente sein Geld mit dem Reparieren von Maschinen auf einer kleinen Werft unweit von New Orleans. Die Grosse Depression, die 1929 begann und noch immer einen düsteren Schatten auf alle Bereiche der Wirtschaft warf, hatte ihm weniger zu schaffen gemacht als anderen. Er hatte Talent und war fleissig und hatte immer wieder eine Anstellung gefunden. Er war ein beeindruckender Mann und das anscheinend nicht nur für Cathy.

Sie hätte nicht mit ihm schlafen wollen, aber er hatte sie auch nicht gedrängt. Er hatte ihr sein Bett angeboten, sie hatte eingewilligt. Er hatte seine starken Arme um sie geschlungen und sie hatte es genossen und war friedlich eingeschlafen. Und so war es auch Samstag gewesen, nachdem sie bis auf wenige Stunden den ganzen Tag miteinander verbracht hatten.

Cathys Angst war immer grösser geworden. Er musste doch zwangsläufig mit ihr schlafen wollen, denn ihre Reize waren übermächtig, wenn man sie in den Armen hielt, ihre weiche Haut streichelte, ihr duftendes Haar an der Nase kitzelte. Wohl jede Frau, die es bis in die Arme eines Mannes geschafft hatte, konnte sich sicher sein, dass dieser letzte Schritt nur noch ein sehr kleiner war. Und das Schlimme war, dass es ihr ja ganz genauso ging. Gerade nach der Enttäuschung mit Mr. Hébert hatte sie sich danach gesehnt, wie eine Weihnachtsgans gestopft zu werden. Er hatte sie aufs Äusserste angefixt und dann hatte sie unverrichteter Dinge das Zimmer verlassen müssen. Nicht nur für ihn war das ein Desaster gewesen. Und dann noch dazu diese Stimmen, die es lautstark einforderten, dass sie sich über ihn rollte und sich holte, was ihr zustand. Es war zum Verzweifeln.

Sie dreht sich in seinen Armen zu ihm herum und schaut ihn an. Es ist ihre letzte Nacht, bevor die neue Arbeitswoche beginnt. Er schläft bereits und sie flüstert leise: „Ich liebe dich, Johann." Dann schliesst sie die Augen und hält sich die Ohren zu, denn das Kreischen in ihrem Kopf erreicht eine neue Intensität.



Soundtrack für diese Episode: Louis Prima - Long About Midnight


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:11.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 3, Episode 7

von Alina am 27.10.2016 01:51

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
14th of August, 1935 (Wednesday)




Quelle des Bildes


Ein Krieg war im Gange. Es war ein Krieg, der eigentlich hätte verhindert werden können. Und es war ein Krieg, der nur in Cathys Kopf stattfand.
Sie hatte alles getan, um die Stimmen zu besänftigen und die Stimmen hatten ein Anrecht darauf, zufriedengestellt zu werden. Doch obwohl beides offensichtlich war und sogar seine Richtigkeit hatte, war ein offener Konflikt ausgebrochen und das nur wegen Mr. Hébert. Und nun sollte Joe dafür büssen. Das sah Cathy nicht ein. Nicht Joe.

Joe war vielleicht der erste Mensch, in den sich Cathy je verliebt hatte. Nun ja, natürlich war sie schon einige Male verliebt gewesen, aber es hatte zu nichts geführt oder es war belanglos gewesen. Damals in Baltimore war sie verliebt gewesen. Er war noch sehr jung gewesen und er war ebenfalls Soldat im Grossen Krieg gewesen, nur für die letzten sechs Wochen und auf der Seite der Amerikaner. Dann hatte das Deutsche Kaiserreich kapituliert. Ihren Eltern hatte sie nichts davon erzählen dürfen, denn sie waren verständlicherweise glühende Verfechter einer pro-deutschen Aussenpolitik der Vereinigten Staaten. Für sie wäre Cathys früherer Schwarm ein Feind im eigenen Haus gewesen.

Sie konnte sich noch an die Repressionen der Regierung erinnern, gegenüber der German Society und gegenüber ihrer Familie. Spätestens nach Kriegseintritt der USA waren sie wie Feinde im eigenen Land behandelt worden. Sie wusste sogar von Internierungen und Lynchjustiz gegenüber deutschen Einwanderern. Sie schüttelt den Kopf, weil sie schon wieder den Faden verloren hatte.

Dann waren da diese oder jene Hotelgäste oder Zufallsbekanntschaften aus den Bars und Clubs der grossen Städte gewesen. Zugegeben, sie wurden mit den Jahren immer weniger, weil Cathy das Interesse daran verlor. Sie waren entweder dem Tode geweiht oder sie musste ihnen explizit aus dem Weg gehen und Cathy hatte kein grosses Interesse an beiden Optionen. Also vermied sie es, sich zu verlieben. Das klang jetzt einfacher als es war, aber es funktionierte irgendwie.

Frankie Yale war zwar nicht der Letzte gewesen, aber um ihn tat es ihr noch immer leid. Auch mit ihm hatte es kein gutes Ende genommen.
Etwa eine Woche nach ihrem Stelldichein hatte Cathy in der Zeitung gelesen, dass Frankie Yale seinen Sunrise Club in New York an der Ecke 14th Avenue und 65th Street verlassen hatte, in seinen neuen Lincoln Coupé gestiegen war und bis zur New Utrecht Avenue gefahren war. Dort war eine Buick-Limousine aufgetaucht, die Yale so sehr bedrängt hatte, dass dieser geflüchtet war. Daraufhin war es zu einer wilden Verfolgungsjagd bis westlich der 44th Street gekommen. Dort waren dann die tödlichen Schüsse aus der fahrenden Limousine auf Yale abgegeben worden und zwar aus mindestens vier verschiedenen Läufen, sowohl Schrotflinten als auch Maschinenpistolen. Yale war noch am noch am Tatort verstorben und sollte gleichzeitig den traurigen Ruhm ernten, das erste Opfer zu werden, welches in New York mit einer Maschinenpistole getötet worden war. Die Täter würde man nie fassen.

Mit Frankie war ein gutes Stück ihrer letzten Hoffnung gestorben, ein Anrecht auf eigenes und vor allem anhaltendes Glück zu haben. Sie war dazu verdammt worden, eine Getriebene zu sein, eine Abenteurerin, eine Reisende, eher sogar eine Flüchtige. Die lange Zeit hatte ihr dabei geholfen, sich mit ihrem Schicksal zu arrangieren und der tägliche Blick in den Spiegel half dabei, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass sie auch alle Zeit der Welt hatte. Was sie dabei vergass, war die Tatsache, dass der Geist sehr wohl alterte. Was sie gesehen hatte, konnte sie nicht mehr ungeschehen machen oder vergessen. Und das machte sie erfahren und vor allem fatalistisch, wie es ein junges Ding niemals sein würde.

Abends fährt sie zu Joe und zwar unangemeldet. Joe war glücklichweise zu Hause und so musste sie den Gang nach Canossa kein weiteres Mal antreten. Er würde kein Verständnis dafür haben, dass wusste sie bereits vorher.
Und tatsächlich steht Joe vor ihr und schaut irritiert in ihre Augen. Seine Hand reibt immer wieder über seinen Mund und sein Kinn, dann schüttelt er den Kopf, als habe er sich verhört. Cathy war gleich auf den Punkt gekommen, ihr stand nicht der Sinn nach Spielchen.
„Warum noch gleich, sagtest du, dass du mich nicht wiedersehen willst?" Seine Worte klingen vorwurfsvoll und ungläubig zugleich. Sie schluckt und sucht nach Worten.
„Ich kann das nicht. Ich bin... eine Dirne und... ich habe dich nicht verdient." Sie schaut zu ihm auf. Sie wollte sichergehen, dass er es beim ersten Mal richtig verstehen würde. Er sollte angewidert sein und sie nie wiedersehen wollen. So hatte sie es sich gedacht. Doch stattdessen wird sein Blick auf eine seltsame Art und Weise liebevoll.

„Verstehe ich es richtig, dass ich dir... wenigstens ein bisschen den Kopf verdreht habe?" Cathy lächelt und senkt verlegen den Blick. Sie wagt es nicht zu nicken.
„Wenn das so wäre, dann... verlange ich nicht mehr, als dass du uns eine Chance gibst, Cathy." Er hebt ihr Kinn mit dem Zeigefinger an und sieht tief in ihre Augen. Der Schmerz in ihrem Herzen und das Unwohlsein in ihrem Bauch wuchsen sogar noch an.
Sie schaut ihn mit Tränen in den Augen an und schüttelt den Kopf. Dann senkt sie den Blick und flüstert: „Ich kann gar nicht lieben, Joe. Du irrst dich." Dann dreht sie sich herum und geht langsam zur Tür.

Dort angekommen wünscht sie sich, dass Joe ihr hinterher eilen würde, sie herum reissen würde und ihr dann einen leidenschaftlichen Kuss geben würde. So hatte sie es im Kino gesehen. Andererseits wäre dann alles umsonst gewesen. Sie konnte ihn nur so schützen, indem sie ihn auf diese krude Weise zurückstiess.
Nichts passiert. Sie kann Joes fassungslosen und enttäuschten Blick brennend in ihrem Rücken spüren. Sie öffnet die Tür, hält kurz inne, beisst sich auf die Lippe und geht dann, ohne ihm einen weiteren Blick zu schenken. Die Stimmen scheinen ihre Seele regelrecht zu zerfetzen, als sie schnellen Schrittes und voller Schmerz zur nächsten Haltestelle geht, dann sogar läuft, als würde der Teufel hinter ihr her sein.


Soundtrack für diese Episode: The Mills Brothers - Moanin' For You


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:12.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 3, Episode 8

von Alina am 28.10.2016 05:59

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
16h of August, 1935 (Friday)



Quelle des Bildes


Cathy sitzt rittlings auf Frankies Schoss. Ja, welch Ironie des Lebens, auch Mr. Dusen wurde 'Frankie' gerufen. Ihr Becken klatscht in einem schnellen und trotzdem geschmeidigen Rhythmus auf Frankies Schoss herunter. Sie starrt in seine Augen und er erwidert den Blick.

Sie war immer wild darauf gewesen, mit einem schwarzen Mann zu schlafen und diese Gelegenheit ergab sich hin und wieder. Es waren natürlich meist Jazz-Musiker oder andere lokale Grössen, aber diese waren nicht besonders zahlreich im Vergleich zu den üblichen Gästen. Es kam halt hin und wieder vor. Deren Gier und deren Lust auf eine Frau wurden nicht von dieser puritanischen Zurückhaltung in Zaum gehalten, die für die gesamte amerikanische Gesellschaft charakteristisch war. Cathy spüre das deutlich während des Aktes und sie hatte sich immer darauf gefreut.

Sie hatte sich noch am gleichen Abend mit Mr. Dusen getroffen, als sie von Joe zurück ins Hotel kam. Sie war berechnend und entschlossen gewesen. Frankie war ein Mistkerl und das konnte man nicht wegdiskutieren. Sie hatte es genossen, ihn zu locken, ihn verrückt zu machen. Und sie genoss es, sich selbst auch leiden zu lassen, denn der Schmerz in ihrem Herzen verzehrte sie.
Sie hatte in dieser Nacht nicht mit ihm geschlafen, obwohl er rasend vor Lust war. Sie hatte ihm eine Karotte vor die Nase gebunden und nun sollte er einen weiteren Tag auf sie warten müssen. Diese Vorstellung befriedigte sie wenigstens etwas.

Donnerstag Nacht half dann kein Bitten und kein Betteln mehr. Sie hatte versucht, es auf die Spitze zu treiben, nochmal ungeschoren davon zu kommen. Aber Frankie war die Lust auf Spielchen in den letzten vierundzwanzig Stunden tüchtig vergangen. Er hatte sie beinahe durch die Matratze gestossen. Er war kein Gentleman gewesen und Cathy war im Endeffekt froh darüber gewesen. So kam sie wenigstens auf andere Gedanken.

Und nun sass sie wieder auf ihm und ritt ihn so, dass es offensichtlich war, dass es nicht mehr lange dauern konnte. Frankie gibt tierähnliche Laute von sich und ist so entzückt von Cathy, dass er selbst sein Becken bewegt, um noch tiefer in sie eindringen zu können. Es war immer noch intensiv, wenn nicht gar hart, aber gestern hatte Mr. Frank Dusen sich so die Hörner abgestossen, dass man das heute fast Blümchensex hätte nennen können.

Cathy setzt zum Endspurt an und kurz bevor es soweit ist, klettert sie von ihm herunter und bringt es mit dem Mund zu Ende. Frankie lässt es mit vor das Gesicht geschlagenen Händen geschehen und stöhnt dabei, als wären es seine letzten fünf Minuten auf dieser Welt. Dann wischt sich Cathy mit dem Handrücken über den Mund und lässt sich schwer atmend neben ihn ins Bett sinken. „Geschafft', denkt sie noch, bevor ihr kurz die Augen zufallen. Endlich Ruhe, vor allem in ihrem Kopf.

Etwa eine halbe Stunde später verlässt sie das Hotel mit einer Zigarette, die sie Frankie stibitzt hatte. Frankie würde auch gleich schlafen, das hatte er jedenfalls angekündigt. Er hatte nicht erwähnt, dass Cathy zurückkommen sollte; vielleicht brauchte er mal Ruhe um den Kopf frei zu bekommen, nach diesen beiden Nächten.
Sie zündet die Zigarette an, ebenfalls mit einem Streichholz aus Dusens grosszügigem Fundus aus Rauchutensilien, die er immer bei sich hatte. Ihr ist kalt. Der Schweiss auf ihrem Körper trocknete unter der dünnen Kleidung, die sie nur übergeworfen hatte. Ihr Blick geht ins Leere, sie inhaliert tief und atmet mit einer melancholischen Schwere den Rauch wieder aus.

Und dann legt sich wieder etwas auf ihre Schultern und ihren Rücken wie eine wärmende Decke. Diesmal dreht sie sich nicht herum, sondern schliesst die Augen. Ihr Mund öffnet sich leicht und sie seufzt leise, als ihr Tränen die Wangen herunterlaufen. Sie braucht die Jacke nicht festzuhalten, denn er nimmt sie von hinten sanft in den Arm, kreuzt vorn die Arme um sie und drückt sie sanft an sich. Sie erkennt den Stoff der Jacke, den Geruch des Leders. Er war es.

„Die Tage in New Orleans sind oft heiss...", spricht die vertraute Stimme hinter ihr. Cathy zieht die Nase hoch, lächelt und sagt leise: „...aber nachts kühlt es sich doch ziemlich ab." Nun lächelt auch er und küsst ihren roten Schopf. Sie war wieder geschwitzt, wie vor einer Woche als sie sich kennenlernten.
Er dreht Cathy herum und als er ihre Tränen sieht, streicht er mit dem Daumen unter ihren Augen entlang und trocknet sie. Sie schauen sich lange an und Cathy weiss, dass sie nicht nochmal so schnell aufgeben wird. Und gerade gab es keinen Grund dafür. Die Stimmen waren voll des Lobes für sie und schmeichelten ihr. Wenn es einen Zeitraum gab, wo Joe sicher war, dann war es in diesem Moment.

Ihr Blick ist voller Sehnsucht und Joe streichelt ihre Wange mit seinem dicken Daumen. Er war so stark. Sein Daumen konnte sicher einen Korken in eine Flasche drücken, falls er durch den Flaschenhals passte. Als er sich herunterbeugt und sie küssen will, da dreht sie den Kopf weg, aber lächelt ihn gleich darauf entschuldigend an. „Nicht... nicht jetzt." Seinem erstaunten Blick entgeht sie, als sie den Kopf an seine Brust drückt und sich an ihn schmiegt. Es dauert nicht lange, bis seine Zweifel wieder zerstreut sind.



Soundtrack für diese Episode: The Mills Brothers - You Rascal You


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:33.

Alina

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Kapitel 3, Episode 9

von Alina am 29.10.2016 00:04

Hotel Monteleone, 214 Royal Street, New Orleans, Louisiana
26th of May, 1936



Quelle des Bildes


Der Trauerzug endet in einer kleinen Kapelle in Algiers, einem Stadtteil von New Orleans. Es war ein schöner und sonniger Tag, man hörte die Vögel singen und die Mücken waren dieses Jahr noch nicht zur Plage geworden. Es folgt ein kurzer, aber recht emotionaler Gottesdienst. Obwohl der Verstorbene zuletzt in ziemlicher Armut gelebt und nach einer fast einjährigen, schweren Krankheit verstorben war, nannte man ihn einen „erinnerungswürdigen Sohn dieser Stadt", auf den „man stolz war".

Frank „Frankie" Dusen, *1878, † May 17, 1936
May he rest in eternal peace.

Cathy steht am Grab des Mannes. Sie trägt schwarz und ist tief in Gedanken versunken. Sie hatte vom Tod des Musikers gelesen, der nach seinem Aufenthalt im Monteleone nie wieder den Mississippi River befahren hatte. Er war kurz danach schwer krank geworden und diesem Umstand war es auch zu verdanken, dass er erst so spät beerdigt wurde. Es war eine Autopsie veranlasst worden, um die Todesursache näher erforschen zu können.

Es war die erste Beerdigung, an der Cathy teilnahm. Sie hatte schon mehrmals die Möglichkeit gehabt, aber sie hatte das nie gewollt. Als sie in die Grube schaut, in der Franks Sarg liegt, da spürt sie zum ersten Mal, dass dieses Begräbnis etwas mit ihr zu tun hat. Sie spürt es unmittelbar und zwar nicht wie eine Schuld, eher wie eine Tatsache. Es war so offensichtlich, dass sie sich wunderte, warum sich nicht alle nach ihr umsahen und sie darauf ansprachen.

Sie blickt in die Runde und erkennt einen weiteren prominenten Sohn dieser Stadt und einen Bekannten. Es war Mr. Felix Edward Hébert und auch er war gekommen, um dem Musiker die letzte Ehre zu erweisen. Man wusste ja, wie das war. Politiker gingen nicht auf eine Beerdigung, um zu trauern, sondern um gesehen zu werden.
Cathy macht nicht den Fehler, seine Aufmerksamkeit erregen zu wollen, ihm vielleicht sogar zu winken. Die Menschen an seiner Seite mochten zu seiner Familie gehören, sie wusste es nicht. Sie kannte und akzeptierte den Wunsch nach Diskretion und vor allem im Falle von Eddie, also Mr. Hébert, gab es keinen Grund für allzugrosse Euphorie bei einem Wiedersehen.

Sie dreht sich wieder um. Cathy war sich sicher, dass Mr. Hébert noch ein langes Leben vor sich hatte. Er lebte und Mr. Dusen lag unten in der Grube, die man ihm geschaufelt hatte. „Des einen Freud' ist des anderen Leid", murmelt Cathy leise vor sich hin.
Der Griff an ihrer Taille wird etwas fester und sie schaut seitlich nach oben in die treuen Augen ihres Gefährten. Joe hatte sie begleitet, auch wenn er nicht verstand, warum Cathy zu dieser Beerdigung fahren wollte. Sie mochte zwar Jazz, aber von diesen Dusen hatte er noch nie zuvor gehört. Joe sieht in ihre Augen und lächelt sie etwas fragend an. Cathy schüttelt nur den Kopf und lächelt. „Schon gut", flüstert sie. „Alles ist gut."



ASU

 

Soundtrack für diese Episode: Louis Prima - I'm Living In A Great Big Way


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:33.

Alina

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  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Aussicht auf den Rückblick

von Alina am 29.10.2016 04:18

Ich hoffe, euch hat das dritte Kapitel gefallen. Es war bisher das längste und auch opulenteste Kapitel. Da ich mich immer noch steigern will, habe ich mir viel für das vierte Kapitel vorgenommen.
Damit euch die Wartezeit nicht zu lang wird, wird es Anfang nächster Woche einen Rückblick geben, genauer gesagt einen Rückblick ins Jahr 1903.

Er beugte sich über sein Mädchen. Da lag sie. Sie war seine kleine Prinzessin. Sie sah aus wie eine echte Deutsche. Er begann sofort zu weinen und Tränen fielen auf die Decke, womit das Kind zugedeckt war. Er erinnerte sich daran, wie er vor ihrer Geburt gezittert hatte, ob sie ein gesundes Kind würde, wie er bei mancher Fiebernacht an ihrem Bettchen gesessen hatte, obwohl er morgens früh in die Fabrik musste. Er erinnerte sich, wie er mit ihr gespielt hatte und wie sie herumgelaufen war und stolz seine Geschenke umherzeigte, die er ihr oft mitgebracht hatte. Er liebte sein Mädchen über alles... seine Cathy.


Das vierte Kapitel wird uns dann ins Jahr 1943 führen, als die ganze Welt miteinander im Krieg liegt. Auf welchen Wegen wird Cathy dann unterwegs sein?
Ich danke euch nochmal für das treue Lesen und wünsche euch ein schönes Halloween-Wochenende!


Antworten Zuletzt bearbeitet am 29.10.2016 04:18.

Alina

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Intermezzo - Rückblende, Episode 1

von Alina am 31.10.2016 22:30

Baltimore, Pearson & Co. Cannery, 31th of May, 1903



Quelle des Bildes


Schorsch, den seine Kollegen nur Josh rufen und er eigentlich Georg heisst, setzt sich auf den harten Stuhl des Pausenraumes. Mittagspause. Er blickt in geschäftige Gesichter, die alle ihr Essen auspacken oder es bereits verschlingen. Der Sportteil der Zeitung macht die Runde. Schorsch nimmt seine Mütze ab und seine Augen suchen die Gesichter ab.

„Carl?" Er ruft es über den Tisch und ein stämmiger, untersetzter Mann sieht auf.
„Können wir gleich mal reden?" Der Mann nickt nur stumm, beisst in sein Sandwich und senkt wieder den Blick.

Etwa eine Stunde nach der Pause hat Schorsch die Maschine endlich repariert. Ein ganzes Fliessband war ausgefallen. Auf diesem Band wurde Fleisch eingemacht. Es roch nach Verwesung, das waren sicher Abfälle, die immer wieder vom Band fielen und nicht sofort aufgehoben wurden. Seit er hier arbeitete, aßen die Hasselmanns weniger Konserven. Er packt das Werkzeug weg und verstaut es. Dann macht er sich auf den Weg zu Carl. Ein paar Minuten konnte er erübrigen.

Die beiden sitzen sich auf dünnen Holzstühlen gegenüber und rauchen. Das Band läuft und Carl braucht gerade nichts zu tun. Schorsch sieht Carl an, bisher haben sie nur geschwiegen und geraucht.
„Cathy geht es immer schlechter", bricht Schorsch endlich das Schweigen. „Es ist jetzt schon fast eine Woche." Der Doc meinte..." Carl sieht den grossen Mann an, der zu ihm an den Arbeitsplatz gekommen ist. Er hat das Gesicht in seine riesige linke Hand vergraben und er weint. Er weint tatsächlich.
„Josh", brummt Carl nur, als wollte er ihn ermahnen, sich zusammenzunehmen. Schorsch nickt und räuspert sich.
„Der Doc meint, sie wird es nicht schaffen. Aber sie... sie ist doch..." Carl legt ihm eine Hand auf die Schulter und atmet tief durch. „...sie ist doch mein kleines Mädchen. Was soll ich denn nur tun?"

Es vergeht sicher eine Minute. Ein Vorarbeiter kommt vorbei, sieht neugierig herüber, doch ein kalter und mitleidloser Blick von Carl lässt ihn schnell weitergehen und zwar ohne Kommentar. Carl zündet sich noch eine Zigarette an und hält Schorsch ebenfalls die Schachtel hin. Der nimmt eine und sieht Carl mit blutunterlaufenen Augen an.

„Da gibt es eine alte Mühle... unten am Fluss." Schorsch nickt nur, er kennt sie. „Da gehst du hin. Heute Abend, wenn sie Sonne untergegangen ist. Hörst du?" Schorsch nickt nur.
„Ich würde alles tun, um meinem kleinen Mädchen zu helfen. Alles,verstehst du?" Er wird laut, als müsste er es allen beweisen, dabei fühlt er sich so machtlos.
„Schon gut, Josh. Geh' dahin. Sie werden wissen, dass du kommst. Wir haben schon darüber geredet. Geh' dahin. Sie werden dir helfen. Aber es wird etwas kosten. Nichts ist umsonst im Leben, Josh."
Der nickt nur und schnäuzt sich in ein Taschentuch, welches ursprünglich aus Deutschland stammt und schön mit Blumen bestickt ist.
„Ich weiss. Ich erwarte nicht, dass es umsonst ist. Sie sollen mir nur Cathy wiedergeben. Mehr will ich nicht. Mehr will ich gar nicht..."


Soundtrack für diese Episode: Asphyx - The Quest For Absurdity


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:34.

Alina

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Intermezzo 1, Episode 2

von Alina am 01.11.2016 23:29

Baltimore, Old Saw Mill, 31th of May, 1903



Quelle des Bildes



Am Abend steht Schorsch vor der alten Sägemühle. Es sieht erst so aus, als wäre niemand da, doch wenn er genau hinsieht, kann er Kerzenschein entdecken. Er fasst sich ein Herz und klopft an die Tür. Es dauert einen Moment, bis eine dunkle Gestalt öffnet, die im Schatten des Raumes steht. Aber Schorsch kann erkennen, dass sie eine dunkle Kapuze trägt, aber gerade absetzt. Schweigend bittet der Mann Schorsch mit einer Geste, einzutreten.

Inge war besorgt gewesen und hatte ihn gefragt, wo er denn so spät abends noch hinwollte. Er hatte gesagt, dass er noch ein Bier trinken geht. Inge war selbst aufgelöst, voller Schmerz, sie weinte den ganzen Tag. Ihr kleines Mädchen lag im Sterben und dieser Mann wollte Bier trinken. Sie verstand wohl, dass er den Schmerz wohl auf diese Weise betäuben müsste, aber dass er sie allein liess, machte ihren Schmerz noch grösser.

Sie hatte gesehen, wie Schorsch vorher noch ins Kinderzimmer ging und nach Cathy schaute. Sie höre ihn bitterlich weinen. Sie tat ihm Unrecht, wenn sie dachte, dass er kein guter Mann und Vater wäre. Er kümmerte sich um seine Familie. Er war ein harter Mann, er arbeitete sehr hart, damit es ihnen gut ging. Er litt wie ein Hund unter der Hirnhautentzündung seiner Tochter. Cathy war sein Ein und Alles. Sie wusste nicht, wie es mit ihrer Ehe weitergehen sollte, wenn sie jetzt stürbe.

Am Schlimmsten war der Verlust seines Glaubens. Sie wusste, dass er meist ihr zuliebe in den Gottesdienst ging, aber er war sicher ein frommer und gottgefälliger Mann. Nicht so bibeltreu und fest im Glauben wie sie, aber er bemühte sich. Gott würde das anerkennen. Aber jetzt, jetzt verlor er seinen Glauben, das hatte sie seinen Kommentaren schon angehört. Er würde Gott verfluchen, wenn Cathy tot wäre, das war so klar wie das Amen in der Kirche. Er würde es Gott niemals verzeihen, wenn er ihm sie wegnehmen würde.

Schorsch tritt ein und die Tür schliesst sich hinter ihm. Nun erst hört er den leisen Singsang im dem grossen Raum. Der Mann mit der Kapuze sieht Schorsch ernst an, legt einen Finger auf die Lippen und bedeutet ihm, zu schweigen. Dann führt er ihn zu dem Kreis der Männer, die sich in der Mühle versammelt haben, schwarze Röcke tragen und Kapuzen aufgesetzt haben. Auch der Mann von der Tür zieht seine wieder auf.
„MAHARU. IRKALLA! MAHARU. IRKALLA!" Schorsch hat das Gefühl, die Worte endlich zu verstehen, die die Männer in einem nuschelnden Singsang vor sich herbrummen, auch wenn sie für ihn keinen Sinn ergeben. Natürlich wird im mulmig, aber er wusste bereits im Ansatz von Carl, was ihn hier erwarten würde. Trotzdem war es einschüchternd, wenn man vor Ort war und es miterlebte.

Plötzlich ist Ruhe und zwar für mehrere Augenblicke. Dann wird in einer fremden Sprache ein Text vorgelesen. Er wird sehr langsam vorgelesen, sodass man fast jede Silbe versteht, aber Schorsch hatte diese Sprache noch nie gehört. Es war auch kein Latein. Er war zwar kein sehr gebildeter Mann, aber Latein hätte er sicher identifizieren können. Dann herrscht wieder Ruhe.

„Warum bist du hier, schwacher Mensch?" Eine Stimme im Kreis sagt das, aber Schorsch kann nicht erkennen, wer es war. Seine Augen fliegen am Kreis der Männer vorbei. Der Mann neben ihm, der ihn an der Tür empfangen hatte, sagt mahnend: „Senke dein Haupt, schwacher Mensch."
Schorsch senkt sofort den Kopf, sucht noch einen Augenblick aus den Augenwinkeln weiter, aber gibt dann auf.
„Warum bist du hier, schwacher Mensch?" Die Stimme wiederholt es, sie wurde ungeduldiger.
Schorsch überlegt, sucht nach passenden Worten. „Meine... meine Tochter ist krank. Sie wird sterben. Sie hat Hirnhautentzündung, sagt der Doc. Sie ist noch ein Kind, fast ein Baby. Ihr müsst... jemand muss mir helfen. Jemand muss ihr doch helfen!"

Wieder Stille.
Dann spricht die Stimme wieder. „NAMTARU freut sich über dieses Opfer. Deine Tochter ist krank, weil er es will. Er hat sein Gift über ihr ausgeschüttet und sie soll zu ihm gehen."
Die Worte des Mannes ergaben keinen Sinn. Tränen flossen über Schorschs Wangen.
„Man sagte mir, dass ihr... mir helfen könnt." Er sieht plötzlich auf und schaut wild in die Runde.
„Könnt ihr das oder nicht? Ist das hier der gleiche Humbug wie in der Kirche und verschwendet ihr nur meine Zeit?" Er merkt, dass ihn etwas am Hinterkopf trifft, dann wird es dunkel.

Als Schorsch wieder wach wird, dröhnt sein Kopf. Er liegt am Boden und jemand hat einen Eimer eiskaltes Wasser über ihm ausgeleert.
„Steh auf, schwacher Mensch. Und zügele deine Zunge. Rede nie wieder so zu NAMTARU. Nie wieder."
Schorsch nickte nur schwach und stand auf, bis er wieder auf wackeligen Beinen an seinem alten Platz stand.

„IRKALLA wird dich vielleicht erhören. IRKALLA ist die Einzige, die Macht über NAMTARU hat. Sie kann ihren Sohn besänftigen, sie wird dich vielleicht erhören, wenn du dein Haupt beugst. Du bist Nichts in ihren Augen und sie wird dir keinen Gefallen tun. Hörst du?"
Wieder nickt Schorsch. Er will nur noch nach Hause. Das hier war ein Reinfall, genau wie das dauernde Beten. Das hier waren arme Irre, aber sie waren gefährlich und er wollte nicht, dass sie ihn nochmals niederschlügen.

Dann dachte er daran, dass er sich geschworen hatte, alles zu tun, was möglich war. Er nahm sich vor, nichts weiter zu tun, um diese Männer zu provozieren und mitzuspielen. Und es beruhigte ihn sogar als die Stimme plötzlich sagt:
„Du brauchst nicht an IRKALLA zu glauben, wenn du sie bittest. Ihr ist es egal, ob ein Wurm wie du zu ihr betet oder nicht. Sie hängt nicht gekreuzigt an einem Pfahl, wie der Gott deiner Frau." Es klingt vorwurfsvoll. „Du bist nur Staub. Vergiss das nie." Dann eine kleine Pause.
„Sie will wissen, ob du ihr das Leben deiner Tochter gibst, wenn sie es dafür erhält und aus den Klauen ihres Sohnen entreisst?"
Schorsch hebt die Augenbrauen und starrt dumpf vor sich auf den Boden. Er dachte nach. Es kam ihm wie ein Zirkus vor, aber die Frage war doch schwerer zu beantworten, als er dachte. Schliesslich nickt er: „Ich würde alles tun. Alles."
„Ja oder nein?" donnert die Frage durch den Raum. Er nickt schnell: „Ja, ich würde es tun."
„Was würdest du tun, du Wurm?" Die Stimme brüllt ihn an und er schreit zurück: „Ich gebe ihr meine Tochter, wenn sie nur nicht stirbt, versteht ihr? Diese... Ikalla kann meine Tochter haben, aber bitte, lasst sie nicht sterben!" Dann bricht er wieder in Tränen aus.

Er wird plötzlich von einem Mann vor sich hergestossen und findet sich schliesslich draussen vor der Tür wieder. Er sieht den Mann an. Der ist überraschend ruhig und er lächelt sogar.
„IRKALLA wird deine Bitte prüfen. Geh' nach Hause. Deine Tochter braucht dich."
Dann flüstert er Schorsch noch etwas ins Ohr und schliesst die Tür.


Soundtrack für diese Episode: Creepy Choir


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 12:34.
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