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Kalte Sterne [Kurzgeschichte]

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Caledonia
Gelöschter Benutzer

Kalte Sterne [Kurzgeschichte]

von Caledonia am 19.12.2016 14:26

Hallo ihr Lieben!
Da ich nicht genau wusste, wo ich diesen Text einordnen sollte, habe ich ihn einfach hier hochgeladen...
Ich hoffe er gefällt euch und ich würde mich über Rückmeldungen jeglicher Art (Kritik, Verbesserungsvorschläge, ...) sehr freuen.
Viel Spaß beim Lesen!
Liebe Grüße



KALTE STERNE

Ferne Berge im Abendrot. Stumme Zeugen eines ewigen Rätsels.
Er steht am Ufer. Sein Blick verliert sich in den Fluten.
Tote Schwäne auf dem Wasser.

Schwanenritter.
Klänge, rein und klar erfüllen den Saal. Musik aus einer andern Welt.
Wirklich, aber nicht wahr.
Aus den Augenwinkeln beobachte ich ihn. So schön, so ehrlich.
Töne die seiner Seele gleichen.
Als er meinen Blick bemerkt lächelt er. Unschuldig, ein Kind der Träume.
Ich erwidere sein Lächeln nicht, sehe nur unentwegt in seine Augen, die Spiegel dessen was er ist: Leer und gleichzeitig erfüllt, befreit und doch gefangen. Ein Held ohne Makel, aber nicht unfehlbar.
Ich zwinge mich meinen Blick von ihm ab und auf die Bühne zu wenden.
Ein Rausch an Fantasie. Schillernd, phantastisch, trügerisch.
Gefährliche Illusion.
Ich glaube seinen Herzschlag neben mir zu hören. Rhythmisch, im Einklang mit der Musik. Ein Herz, das Lohengrin selbst gehören könnte. Schwärmerisch, entrückt.
Den Bildern so nah, erscheint er mit fremd.
Schwanenkönig voll von Sehnsucht.

Dunkler See.
Das Herz kalt, leer der Blick. Die Erinnerung an ihn, eine Ahnung von Leben.
Er spürt den rauen Boden an seinen Knien, spürt den Schmerz und schließlich wieder den kühlen Grund unter seinen Handflächen.
Stilles Leiden. Einzig der Mond am Himmel spendet ihm Trost.

Mondscheinkönig.
Auf weißem Pferd und mit wehendem Umhang galoppiert er an mir vorbei. Geisterreiter, mir plötzlich fremd, doch eindrucksvoll.
Ich treibe meinen Rappen an, bis ich ihn eingeholt habe. Sanft lächelt er mir zu. Mein edler Ritter des Herzens.
In stillem Einvernehmen reiten wir neben einander her. Sonne und Mond.
Der Wald hinter uns, schemenhafte Umrisse, die mit den Schatten der Dämmerung verschmelzen. Hier, am Rande seines Königreichs erschafft die Nacht uns eine magische Welt. Der Realität fern, doch nicht grenzenlos.
„Man nennt mich einen Narren. Wird Gott mich, wenn er mich einst zu sich ruft, ebenso nennen?", er spricht ohne mich anzusehen. Ich antworte nicht.
Abermals hat das Sein die Träume eingeholt.
Schließlich wand er sich doch zu mir um. Das Gesicht bedeckt und sorgenvoll. Die Augen, kalte Sterne.
Im fahlen Mondlicht erscheint er, wie ein Besucher aus einer anderen Welt. Ein Träumer, frei, das Glück im Unmöglichen zu suchen und doch verloren im Meer der selbstauferlegten Pflicht.
Für einen König, wie er es sein will, gibt es in dieser Zeit keinen Platz. Die Welt
beginnt ihm zu entgleiten. Unaufhörlich...

Wolken verdunkeln den Mond.
Benommen richtet er sich auf. Das Auge nass.
Schattengestalt von Finsternis umgeben.

Schatten auf des Königs Palästen. Vorboten der Nacht.
Er fasst meine Hand. Sanfter Druck der so vieles sagt. Unausgesprochenes, Verbotenes.
Wir sitzen im Schlosshof, umgeben von hohen Mauern. Steingewordenes Symbol seiner Ideale.
Ich genieße das Gefühl von Geborgenheit, das von den Steinen rings um mich auszugehen scheint. Reich der Fantasie, dem Himmel nah und unzerstörbar. Ein Schloss für die Ewigkeit.
Prunkvoll, prächtig, unbezahlbar.
Teilnahmslos legt er eine Karte auf den Tisch. Schein der Normalität, doch ich fühle seine Unruhe. Angespanntes Warten auf des Schicksals Lauf. Hilflos.
Ich widerstehe dem Drang ihn in meine Arme zu schließen, ihn vor der grausamen Wirklichkeit jenseits der Mauern zu beschützen.
Märchenkönig in einer Welt von nüchternen Fakten. Ehrlich, idealistisch,, unverstanden.
Ich schließe meine Hand fester um die seine. Vertraute Verbundenheit. Geheimnis, in der Dämmerung.
„Es ist nötig sich poetische Zufluchtsorte zu schaffen." Er spricht leise, beinahe so als rede er mit sich selbst. Ich versuche zu lächeln, doch es misslingt.
Gralsburg eines zerrissenen Menschen. Nur hier sind seine Märchen wahr.

Nun, sein Schloss von Einsamkeit bewohnt. Die gemeinsamen Momente Vergangenheit.
Mir der flachen Hand wischt er die Tränen von seinen Wangen.
Das Wasser zu seinen Füßen, schwarz und bedrohlich. Rauschen der Wellen, das Freiheit offenbart. Kalte Fänge, die Tod versprechen.

Schüsse. Tod. Krieg.
Angst in seinen Blick .Rastlos läuft er auf und ab. Gehetzt und umzingelt.
Dutzende Augenpaare die ihn anstarren. Hungrig nach Feuer und Eisen.
Ich stehe ein wenig Abseits und beobachtete ihn.
Er gibt sich stolz, doch seine Hilflosigkeit ist deutlich zu erkennen. Gefangener seiner Position.
All die anwesenden Herrn, haben ihm irgendwann einmal ihre Zuneigung versichert. Heuchler. Verräter. Sie alle haben ihn im Stich gelassen.
Zögernd greift er nach der Feder. Gezwungen alles zu verleugnen für das er steht.
König der Tugend, nicht der Gewalt will er sein.
Sein Blick sucht den meinen, doch ich weiche ihm aus. Frei von Verantwortung.
Ein Kampf zwischen König und seinen Ministern.
Schließlich unterzeichnet er das Dokument mit einer ruckartigen Handbewegung. Kriegsgericht. Verrat seiner selbst.
Erleichtertes Aufatmen ringsum.
Zur Faust geballte Hand.
Ein Krachen.. Der Gold verzierte Stuhl fliegt durch den Raum.
Niederlage, Enttäuschung, Wut.
Mit langen Schritten kommt er auf mich zu. Unberechenbar.
In seinem Gesicht steht deutlich das „Warum" geschrieben. Anschuldigung. Vorwurf.
Grob packt er mich und schlägt mir ins Gesicht. Stummer Hilferuf.
Ich wische mir das Blut von der Lippe und sehe ihn bedauernd an. Seine Mine spiegelt den Schrecken der Zukunft wider:
Zur Fahne singende Soldaten. Kein Erbarmen mit den Feinden. Brüder, die auf Brüder schießen, weil das Schicksal und ein paar Herren es wollen.
Seine Hand hat es besiegelt. Schuld.

Schwarzes Wasser. Knirschender Kies.
Erschrocken schaut er auf.
Nebel auf den Bäumen. Schritte in der Dunkelheit.
Sie kommen. Er hat geahnt, dass sie ihn verfolgen.
Lüge gegen Wahrheit.

Unsichtbare Verfolger. Schemenhaft, irreal. Die Wände, hungrige Mäuler.
Ruhelos irrt er durchs Schloss. Getrieben von Argwohn.
Einsam, Welt verloren, irr.
Alle haben ihn verlassen. Ich bin bei ihm geblieben.
Die Hände schützend über sich haltend kauert er in einer Ecke.
Schwarze Vögel die ihn umkreisen. Gierig wartend.
Leises Murmeln. Unzurechnungsfähig.
Zögernd lege ich ihm eine Hand auf die Schulter. Gewillt, doch unfähig zu helfen.
Er zuckt zusammen. Panik.
„Mein Thron! Mein geliebter Thron!" Ruft er ins Dunkel.
In seinen Augen steht der Wahnsinn. Sie huschen suchend durch den Raum. Unstet, voller Angst.
Ein Mensch zerbrochen an den Grenzen seiner Zeit. Einsam, enttäuscht, verbittert.
Ich trete von ihm zurück und blicke aus dem Fenster. Graue Berge.
Fackeln im Zwielicht. Männer im Regen. Die Nacht marschiert.
Kalte Klauen bohren sich in mein Herz. Sie kommen um ihn zu holen!
Bedrückende Gewissheit. Lauf des Schicksals.

Männer, die hinter ihm aus dem Dickicht treten. Er hört ihren rasselnden Atem.
Sie haben ihn zu Fall gebracht. Sie haben ihm die Krone abgenommen und ins Tal geworfen.
Er zwingt sich ruhig zu atmen. Den Blick unverändert aufs Wasser gerichtet. Seinem König nah. Treu bis in den Tod.
„Mörder", flüstert er.
Ein Schuss. Stille.

 

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Cerberus
Gelöschter Benutzer

Re: Kalte Sterne [Kurzgeschichte]

von Cerberus am 05.01.2017 11:47

Herrlich.
Wer die Macht der Worte richtig anzuwenden weiß, kann ganze Welten erschaffen.

Sehr schöner Schreibstil. Nur weiter so.

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Caledonia
Gelöschter Benutzer

Re: Kalte Sterne [Kurzgeschichte]

von Caledonia am 12.01.2017 09:37

Vielen lieben Dank für das Kompliment :) Freut mich sehr, dass es dir gefällt!

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Celencija
Gelöschter Benutzer

Re: Kalte Sterne [Kurzgeschichte]

von Celencija am 12.01.2017 17:07

wow
ich hatte eine Gänsehaut beim Lesen. das ist richtig Poetisch. 

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Sonnenstaub
Gelöschter Benutzer

Re: Kalte Sterne [Kurzgeschichte]

von Sonnenstaub am 14.01.2017 21:46

Ich musste erst einmal durchsteigen durch die texte, dann wurde es aber eine wunderbare geschichte, danke das du sie so öffendlich gemacht hast und ich sie lesen konnte.

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